Protokoll der Sitzung vom 26.01.2001

Als nächste Rednerin hat sich zu Wort gemeldet Frau Abgeordnete Dr. Wildauer, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das war mir klar, Herr Wolf, dass Kritiker darauf verweisen, dass durch die Vernachlässigung von Grundstücksfragen in der DDR die Bundesrepublik nun schon seit über 10 Jahren hier nach Lösungsmöglichkeiten suchen muss. Die Ergebnisse sind dabei allerdings sehr differenziert zu bewerten. Es gab nun einmal eine unterschiedliche Rechtsentwicklung in DDR und auch BRD und die PDS-Fraktion verkennt nicht, dass in der DDR das Immobilienrecht insgesamt nicht zufrieden stellend vollzogen wurde.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Das Recht auf Eigentum wurde mit Füßen getreten.)

Dieser Verweis auf die historische Tatsache darf jedoch nicht dazu führen, die heute noch bestehenden Grundstücksprobleme ungelöst zu lassen. Gerade auch auf dem Gebiet des Grundstücksrechts hat sich auf sehr plastische und zum Teil auf drastische Weise gezeigt, mit welchen erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten der Systemwechsel von DDR und BRD verbunden ist und wie schwer es ist, die in der DDR bestandenen Unterschiedlichkeiten und die Vielfalt der Lebensverhältnisse rechtlich in den Rahmen der bundesdeutschen Eigentums- und Nutzungsverhältnisse zu fassen. Grundsatz aller Überlegungen zu den Nutzungsverhältnissen muss sein, sowohl die Rechte der Grundstückseigentümer als auch die Rechte der Grundstücksnutzer zu wahren und hier einen Interessenausgleich herzustellen. Herr Kretschmer, hoffentlich haben Sie den zweiten Teil auch gehört!

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Ja, ich kann es auch nachlesen.)

Gesetzliche Regelungen auch über Nutzungsentgelte dürfen nicht zu einer De-facto-Vertreibung der Nutzer führen. Auch die Baulichkeiten der Grundstücksnutzer, seien es nun Garagen oder Erholungsbauten, sind als ein zu schützendes Eigentum zu behandeln. Berechtigterweise fordern deshalb die Nutzer von den Politikern Rechtssicherheit. Und dass es sich auf diesem Rechtsgebiet bewegen muss, das haben in erstaunlicher Einmütigkeit die Äußerungen von Politikern der Bundestagsparteien auf dem 7. Verbandstag des VDGN im Herbst des vergangenen Jahres gezeigt. Hier geht es querbeet - ich muss sagen, es ist wirklich nicht irgendeine Partei dominierend. Dr. Peter Danckert von der SPD, Dr. Kenzler von der PDS und Günter Nooke von der CDU haben sich hier für die Belange der Nutzer ausgesprochen.

(Beifall bei der PDS)

Insofern müsste eigentlich der vorliegende Antrag der PDS hier im Landtag auf breite Zustimmung stoßen.

(Beifall bei der PDS)

Beispielhaft möchte ich hier Herrn Nooke - Ihnen allen ein sehr bekannter CDU-Kollege - zitieren. Darf ich, Frau Präsidentin? "Wir sind und bleiben auch und gerade in Ostdeutschland die Volkspartei der Mitte, die um einen angemessenen rechtsstaatlich geregelten Interessenausgleich der betroffenen Gruppen rund um die Grundstücke bemüht ist.

(Beifall Abg. Prof. Dr. Goebel, CDU)

Die genannten Beispiele zeigen deutlich auf, dass ein angemessener Interessenausgleich zwischen Grundstückseigentümern und Grundstücksnutzern mit der augenblicklichen Gesetzeslage nicht erreicht sein wird. Es gilt, die bestehende Gesetzeslage zu überarbeiten."

Meine Damen und Herren, nachdem sich der Bundesgesetzgeber mehrfach mit den Vermögensfragen in den neuen Ländern beschäftigt hat, erwarten trotzdem viele Nutzer von Garagen und Erholungsgrundstücken, dass einzelne Fragen des Immobilienrechts noch einmal aufgegriffen werden. Diese Erwartung ist nicht unbegründet, insbesondere weil die in der Diskussion befindliche Novelle des Schuldrechtsanpassungsgesetzes und der Nutzungsentgeltverordnung bisher nicht zum Abschluss gebracht wurde. An dieser laufenden Diskussion muss sich auch die Thüringer Landespolitik beteiligen. Wir sehen als einzige Möglichkeit hier die Einleitung einer Bundesratsinitiative.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Da gibt es doch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe.)

Meine Damen und Herren - darauf komme ich auch noch zu sprechen -, der bereits in der Antragsbegründung benannte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts stößt neben der Zustimmung auch auf Kritik, z.B. bezüglich der Aufhebung der Kündigungsschutzregelung für Garagennutzer nach dem 31.12.1999. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sind im Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen, wobei ein durchaus beachtlicher Regelungsspielraum erkennbar ist. Es ist notwendig, an dieser Stelle auch etwas zum Bericht der Bundesregierung über die Wirkungen der Nutzungsentgeltverordnung zu sagen. Der Bericht war mit einer einjährigen Verspätung dem Bundestag vorgelegt worden. Was ist das Fazit?

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Jetzt hören wir es.)

Die Bundesregierung stellt fest, bei der Anwendung der Nutzungsentgeltverordnung ist alles in Ordnung.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Dafür haben die ein ganzes Jahr gebraucht?)

Ein Jahr. Insbesondere bestehe kein Anlass, durch eine erneute Änderung der Verordnung Einfluss auf die Höhe der zu zahlenden Nutzungsentgelte bzw. den zeitlichen Ablauf der Erhöhungen zu nehmen. Die PDS teilt diese Schlussfolgerung nicht. Die Praxis belegt das. Da die Ar

gumente der PDS in diesem Haus die Mehrheit kaum überzeugen, meine Damen und Herren, erlauben Sie mir noch einmal zu diesem Sachverhalt erneut Herrn Nooke zu zitieren. Dieser sagte auf dem 7. Verbandstag des VDGN: "Die Höhe des Nutzungsentgeltes muss aus sozialstaatlichen Gründen eine Deckelung erfahren, die verhindern soll, dass Forderungen entstehen, die im Mietrecht den Straftatbestand des Wuchers erfüllen würden." - ich hatte nicht um Erlaubnis gefragt.

Meine Damen und Herren, der zwischenzeitlich vorliegende Rohentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Schuldrechtsanpassungsgesetzes lässt für unsere Fraktion den Schluss zu, dass die Bundesregierung den Weg des innerdeutschen Rechtsfriedens verlassen hat und nunmehr einseitig die Position der Grundstückseigentümer zulasten der Nutzer gestärkt werden soll. Damit wird auch in Thüringen der soziale Frieden aufs Spiel gesetzt, statt ihn zu fördern. Um dies zu verhindern, ist der Thüringer Landtag zum Handeln gefordert. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen die Grundstücksnutzer künftig an den öffentlichen Lasten beteiligt werden, so unter anderem auch an einmaligen Ausbaubeiträgen und Kommunalabgaben nach dem Kommunalabgabengesetz. Den Grundstückseigentümern soll das Recht zur Teilkündigung großer Grundstücke eingeräumt werden. Schließlich wird die Willkür bei der Gestaltung der Nutzungsentgelte verstärkt. Unsere Fraktion sagt hier unmissverständlich, wir lehnen diese Vorhaben ab. Rechtsfrieden kann es nur geben, wenn

1. der Grundstücksnutzer bei Grundstücksaufgabe eine Entschädigung für seine Investition erhält,

2. die Erben oder die Käufer der Baulichkeit in den Nutzungsvertrag eintreten können und

3. das Nutzungsentgelt nachvollziehbar und auch bezahlbar ist.

Geprüft werden muss im Gesetzgebungsverfahren auch, ob bei der Beendigung des Nutzungsverhältnisses die vom Nutzer erbrachten nachhaltigen Werterhöhungen des Grundstücks ausreichend geschützt sind.

Meine Damen und Herren, in unserem Antrag fordern wir zunächst, dass bei der Entschädigung der Garageneigentümer eine Regelung gefunden wird, die auch für Erholungsgrundstücke gilt. Bei Erholungsgrundstücken endet die Entschädigungspflicht 2022, aber bei Garagen bereits 2007. Diese Ungleichbehandlung beim gleichen Rechtsinstitut ist unserer Auffassung nach nicht vertretbar. Übrigens zu den Erholungsgrundstücken hatten wir vor einem oder anderthalb Jahren, wenn ich mich erinnere, hier auch schon einmal einen entsprechenden Antrag eingebracht.

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Da haben Sie damals noch "Datsche" gesagt.)

Ja, vielleicht in Klammern. Wenn der Grundstückseigentümer den Pachtvertrag kündigt, dann muss der Nutzer eine Entschädigung für die Baulichkeit zum aktuellen Verkehrswert erhalten. Die bisherige Regelung läuft letztlich darauf hinaus, dass keine oder nur eine geringe Entschädigung gezahlt wird. Der Grundstücksnutzer ist sogar verpflichtet, die Hälfte eventuell entstehender Abrisskosten zu tragen. Ich glaube, es gibt auch eine ganze Reihe unter uns, die wohl Betroffene sind. Wenn die betroffenen Grundstücke durch die Ausübung des gemeindlichen Planungsrechts dauerhaft für die Nutzung als Garagengrundstücke ausgewiesen werden, ist den Nutzern ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Eine Beschränkung der Eigentümerrechte oder finanzielle Nachteile für die Grundstückseigentümer entstehen dadurch nicht. Der Vorschlag berücksichtigt darüber hinaus umfassend die Planungsabsichten der Gemeinde. Wir halten es auch für erforderlich, eine Möglichkeit zu schaffen, dass ein Dritter in einen Nutzungsvertrag einsteigen kann. Schließlich halten wir Veränderungen bei der Ausgestaltung des Nutzungsentgeltes für erforderlich. Für die Bestimmung der Ortsüblichkeit bedarf es eindeutiger und klarer Regelungen. Die Bodenverzinsungsmethode erscheint uns zur Berechnung des Nutzungsentgeltes als die geeignetste.

Wir würden Sie bitten, meine Damen und Herren, doch unserem Antrag zuzustimmen, weil mit der Zustimmung, mit der Aktivität der Landesregierung letztendlich doch verstärkt Rechtsfrieden in diese Angelegenheit einzieht.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Schemmel, SPD-Fraktion, hat sich noch einmal zu Wort gemeldet.

Frau Dr. Wildauer, es ist ein kleines Stück unredlich, den Eindruck zu erwecken, dass man jetzt mit einer Bundesratsinitiative an dieser Stelle - und es hören vielleicht auch Leute zu, die betroffen sind,

(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Das hoffen wir.)

umso unredlicher ist es -, wenn man versucht, hier eine Sache, die auf einem Gleis steht, von einer Arbeitsgruppe der Justizministerien Ost angeschoben, die ganz eindeutig mit einem Ziel diese Sache angeschoben haben, nämlich an dieser Stelle Vorteile für den Nutzer zu erreichen. Die Sache ist noch nicht abgeschlossen. Jetzt versuchen Sie, als wenn es eine zweite Schiene gäbe, den Bundesrat, wo sich die fünf ostdeutschen Länder mit der entsprechenden Überzahl von westdeutschen Ländern tummeln, dass dann dieser Bundesrat dieser Sache freundlichst gegenübertreten würde. Jetzt versuchen Sie den Leuten, auf die vielleicht etwas Schwieriges zukommt, nun wieder

Hoffnung zu machen, jetzt machen wir hier noch eins, da wird das wieder politisch angeschoben. Derweil ist das mit dem besten Willen, mit dem Willen der fünf Ostländer vor anderthalb Jahren auf die Schiene gesetzt worden und wird mit dem Bundesministerium in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe... und nirgendwo ist eine bessere Chance - ich will nicht für dieses Thema nur allein sprechen, sondern es sind 10 oder 12 Komplexe - für die Ostinteressen mehr herauszuholen als in dieser Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Mein Gott noch einmal, aber Sie stellen sich hin, als wenn es eine neue Möglichkeit gibt, geben den Leuten wieder neue Hoffnung, dann werden sie eben wieder zusätzlich eventuell enttäuscht. Das möchten wir vermeiden. Wir sagen das ist jetzt dort, das ist mit dem besten Willen dorthin gegangen und dort ist das Forum, wo die beste Chance gewesen wäre und auch noch nicht vorbei ist.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Herr Abgeordneter Schemmel, gestatten Sie eine Anfrage von Frau Wildauer? Herr Abgeordneter Schemmel?

Herr Schemmel, ist Ihnen bekannt, wie diese Arbeitsgruppe arbeitet, in welchen Zeitabständen und wann sie beabsichtigt ein Ergebnis vorzulegen.

Das habe ich vorhin gesagt in meiner Rede, dass aus dem Bundesministerium mir gesagt worden ist, dass die Aufgabenstellung ist: noch vor Sommer diesen Jahres. Ich kann natürlich keinen Pfand dafür geben und ich weiß, wie diese Arbeitsgruppe arbeitet, weil ich selber, solange das Justizministerium nun vor der Wahl in SPD-Hand war, dort in dieser Arbeitsgruppe mitgearbeitet habe. Ich habe Ihnen gesagt, dass das durch die Justizministerien von Brandenburg und Thüringen initiiert wurde. Und Sie wissen, wie Brandenburg an dieser Sache interessiert ist, weil Brandenburg und Berlin noch viel stärker an dieser Stelle betroffen sind, als es in Thüringen wäre. Und ich weiß deswegen, dass diese Arbeitsgruppe regelmäßig tagt, dass demnächst noch eine große Anhörung durchgeführt wird und dass dann die Entscheidungen getroffen werden. Ich finde es unredlich jetzt bei dieser arbeitenden Arbeitsgruppe, wo das an der richtigen Stelle ist, noch zu versuchen, eine zweite Tür aufzumachen und praktisch Leuten Hoffnung zu geben, die man vielleicht nicht erfüllen kann.

Herr Abgeordneter Schemmel, gestatten Sie eine weitere Anfrage von Herrn Dittes?

Herr Schemmel, habe ich Sie richtig verstanden, betrachten Sie es als unredlich, wenn sich ein Parlament um Inhalte Gedanken macht, Vorschläge erarbeitet, nämlich Parlamente, in denen auch Oppositionsfraktionen vertreten sind, die an solchen Arbeitsgruppen der Justizministerien nicht teilnehmen können und dementsprechend dort auch keine Vorschläge einreichen können?

Herr Dittes, wir kennen uns doch lange genug. Sie wissen doch, was ich darauf antworte. Ich gebe Ihnen aber die Antwort trotzdem. Das hat doch jetzt mit den Rechten des Parlaments nichts zu tun. Ich betrachte es nicht in diesem Haus als unredlich, ich betrachte es gegenüber den Betroffenen als unredlich.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Dann ist es unredlich.)

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich meine, wir können die Sache noch in diesem Haus lange bereden, ich bin dazu bereit. Wir können über die anderen sieben, acht, neun, zehn Aspekte reden, die wir in das Paket geschnürt haben. Ich habe da überhaupt keine Schwierigkeiten. Aber die Unredlichkeit unterstelle ich gegenüber den Leuten, denen jetzt eröffnet wird, vielleicht gibt es noch gute Chancen im Bundesrat. Und ich sage Ihnen, im Bundesrat wird man für spezifische Ostinteressen jetzt im elften Jahr nun nicht so eine überwältigende Mehrheit finden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatssekretär Scherer hat sich zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich will mich für die Landesregierung kurz fassen. In den neuen Bundesländern gibt es nach wie vor mehrere hunderttausend Garagen im Eigentum von Bürgern, die aber nicht Eigentümer der betroffenen bebauten Grundstücke sind. Mit der Verabschiedung der Nutzungsentgeltverordnung vom 22. Juli 1993 und des Schuldrechtsanpassungsgesetzes vom 21. September 1994 hat der Gesetzgeber eine Regelung für diese Nutzungsverhältnisse geschaffen. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 14.07.1999 feststellt, hat der Gesetzgeber in diesem besonders schwierigen und in

einem hohen Maße auch sensiblen Bereich Regelungen verabschiedet, die im Wesentlichen einen gerechten Ausgleich der schutzwürdigen Interessen der Beteiligten darstellen. Nur einzelne Regelungen wurden wegen unangemessener Belastung, und zwar wegen unangemessener Belastung der Grundstückseigentümer, für verfassungswidrig erklärt. Sowohl bezüglich der für nichtig erklärten als auch im Hinblick auf die nunmehr vom Gesetzgeber zu korrigierenden oder zu ergänzenden Regelungen haben die Verfassungsrichter das Erreichen eines ausgewogenen Interessenausgleichs als Haupterfordernis angesehen. Wenn sich dieses Ziel aber nach Auffassung des Verfassungsgerichts, wie sich aus der Entscheidung ergibt, durch Verbesserungen der Regelungen im Interesse der Grundstückseigentümer erreichen lässt, ist nur schwerlich Raum für anderweitige Veränderungen.