Protokoll der Sitzung vom 23.02.2001

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Genau!)

(Beifall bei der PDS, SPD)

Und trotzdem, Frau Präsidentin, wäre es sinnvoll und richtig gewesen, wenn die finanzpolitischen Aspekte tatsächlich zuerst betrachtet worden wären, wie das auch die Oppositionsfraktionen gefordert hätten, und dann wäre zumindest gleich auch zu Beginn der Aktuellen Stunde klar gewesen, dass Sie es sind, rechts wie ganz links auf der anderen Seite, die mit dem Geld nicht umgehen können und offensichtlich nicht wissen,

(Unruhe bei der SPD)

welche Auswirkungen die neue Entfernungspauschale tatsächlich auf den Thüringer Haushalt hat.

(Beifall bei der CDU)

Um das noch einmal auch für Sie ganz einfach begreifbar zu machen: Sie wissen, dass die Bundesregierung beschlossen hat, für die Fahrer, die mehr als 10 km pro Tag

auf der Wegstrecke zur Arbeit zurücklegen, die Entfernungspauschale auf 80 Pfennig pro Kilometer anzuheben. Fakt ist auch - und das zeigt schon die Werthaltigkeit der Entfernungspauschale -, dass für die Kurzpendler, die weniger als 10 Kilometer jeden Tag zur Arbeit zurücklegen, nach wie vor die Entfernungspauschale bei 70 Pfennig gleich geblieben ist. Doch was ist jetzt die Folge? Die SPD hat gerade freundlichst gelobt, dass damit endlich eine Gleichschaltung zwischen öffentlichen Personennahverkehr und zwischen dem privat genutzten PKW hergestellt worden sei.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Öffentlich- rechtliche Verkehrsmittel aber nicht. Sie mei- nen ARD und ZDF.)

Tatsächlich aber gibt es dazu in der steuerlichen Auswirkung erhebliche Unterschiede. Ich will Ihnen das an zwei Beispielen begreiflich machen. Zunächst, meine Damen und Herren, um auch noch mal auf die Frage der Ökosteuer ganz kurz einzugehen, erwartet die Bundesregierung mit der Ökosteuer in diesem Jahr zusätzliche Einnahmen von 65 Mrd. DM. Im Gegenzug werden mit der jetzt eingeführten Entfernungspauschale für die Fernpendler auf 80 Pfennig pro Kilometer und der beibehaltenen Entfernungspauschale von 70 Pfennig pro Kilometer für die Kurzpendler Entlastungen von bis zu 1,7 Mrd. DM erzielt. Tatsächlich bleibt für die Bürger in Deutschland und auch mithin für die Bürger in Thüringen eine Belastung zwischen den 65 Mrd. DM Einnahmen und zwischen den mit der Entfernungspauschale erzielten Entlastung von 1,7 Mrd. DM bestehen. An diesem Fakt kommen auch Sie nicht vorbei. Und Sie kommen auch nicht an dem Fakt vorbei, dass mit den Konsolidierungsbemühungen, die mit der Entfernungspauschale nämlich erreicht werden sollten, der Thüringer Haushalt allein mit zusätzlichen 30 Mio. DM belastet wird. Ich kann mich noch sehr gut an die Haushaltsdebatte zum Doppelhaushalt 2001 und 2002 im Dezember erinnern; dort waren Sie es doch, die nicht wollten, dass wir weitere Einsparvorschläge vorschlagen und beschließen, um den Thüringer Haushalt auf solide Füße zu stellen. Was jetzt passiert, ist doch Folgendes, dass wir neben den Einsparbemühungen, die wir auch im laufenden Haushaltsvollzug durchsetzen müssen, mit weiteren Einnahmeverlusten auf der Steuerseite zu kämpfen haben, mit Einnahmeverlusten, die nicht wir durch unsere Politik verursacht haben, sondern die von der Bundesregierung mit ihrer Politik auf die Länder abgewälzt worden sind. An diesem Fakt kommen Sie nicht vorbei.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Aber lassen Sie die Heizkostenpauschale heraus, wenn Sie von der Entfernungspauschale reden...)

Herr Gerstenberger, ich kann Ihnen nur empfehlen, noch mal nach mir zu reden. Ich will Ihnen auch, meine Damen und Herren, die Auswirkungen mal nennen, wie denn den

einzelnen Thüringer Bürger die Entfernungspauschale trifft: Der Bahnfahrer, der täglich eine Wegstrecke von 110 Kilometer zur Arbeit zurücklegt und dafür pro Bahnkilometer 27,2 Pfennig bisher bezahlt, hat einen tatsächlichen Aufwand im Jahr von rund 6,5 TDM. Tatsächlich kann er durch die Entfernungspauschale aber jetzt Kosten von 19.360 DM absetzen. Daran sehen Sie schon die immense steuerliche Bevorteilung, die künftig der Bahnfahrer hat im Gegenzug

(Beifall bei der CDU)

zum gleichen Arbeiter, der täglich mit dem Auto zur Arbeit fahren muss.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Finden Sie das schlecht?)

Herr Höhn, wir finden das deshalb schlecht, weil Thüringen ein ländlich strukturiertes Land ist und wir gar nicht überall die Möglichkeit haben, den Nahverkehr so anzubieten, dass tatsächlich jeder Bürger, der zur Arbeit fahren muss, außerhalb seiner Wohnortgemeinde auch die Möglichkeit hat, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, sondern der ist nämlich auf sein Auto angewiesen. Der ist nämlich künftig benachteiligt. An diesem Fakt kommen Sie nicht drumherum.

(Unruhe bei der PDS, SPD)

(Beifall bei der CDU)

Herr Höhn, noch ein Letztes, damit auch Sie das begreifen. Offensichtlich, wenn Sie meinen, dass die Bundesregierung tatsächlich die Entfernungspauschale nur deshalb eingeführt hat, weil wir mit steigenden Rohölmarktpreisen zu kämpfen hätten, dann genügt

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Ist das etwa anders?)

wahrscheinlich ein kleiner Blick in das Nachbarland Österreich; dort liegt der Preis pro Liter Benzin um 30 bis 40 Pfennig pro Liter niedriger und die haben auch nicht deshalb eine kompensierte Entfernungspauschale eingeführt - also: Schuster soll bei seinen Leisten bleiben.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Jawohl.)

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

Da können Sie ja lachen, wie Sie wollen. Wir wollten auf folgenden Fakt aufmerksam machen, dass die Thüringer Bürger, die den Nahverkehr nicht nutzen können, weil sie auf dem flachen Lande wohnen, steuerlich benachteiligt werden. Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass wir weitere 30 Mio. DM mit der Entfernungspauschale allein in diesem Jahr steuerliche Einnahmeverluste hinnehmen müssen. An diesen Fakt halten wir fest und den haben

wir hier zum Ausdruck gebracht. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Finanzminister, Herr Trautvetter.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich führe jetzt nicht noch einmal eine Debatte über die Ökosteuer,

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sehr lobens- wert.)

obwohl das die eigentliche Ursache ist

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Ihres Antrags.)

sehr wohl dieses Antrags -, ist die eigentliche Ursache, weil der richtige Weg wirklich gewesen wäre, die Ökosteuer, diese Energiesteuer abzuschaffen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Höhn, wenn Sie das mit dem Rohölpreis vergleichen, das ist doch so ein hanebüchener Unsinn,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Womit denn sonst, Herr Minister?)

der Rohölpreis wirkt doch auf das gesamte Wirtschaftsgebiet Europa - ich lasse es einmal darauf beschränkt gleichmäßig. Nur in einem einzigen Land wird zu der Steigerung des Rohölpreises noch eine staatliche Preissteigerung vorgenommen im Gegensatz zu unseren Nachbarländern und das sind wir in Deutschland,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ist falsch, Herr Minister.)

jedes Jahr 7 Pfennig obenauf.

(Beifall bei der CDU)

Aber, es geht um die Entfernungskostenpauschale und das ist wahrhaftig nichts Neues. Auch die Union hat in den Petersberger Vorschlägen eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungskostenpauschale mit 40 Pfennig drin. Ich werde noch einmal darauf zurückkommen, worin der eigentliche Unterschied besteht. Die bisherige Regelung ist ja auch eine Entfernungskostenpauschale, für PKW 70 Pfennig, für Motorrad 32 Pfennig, Moped 28 Pfennig, sogar für die Benutzung des Fahrrads kann man 14 Pfennig

steuerlich geltend machen. Der ÖPNV wird zu 100 Prozent ersetzt. Was haben wir aber jetzt für eine Regelung? Da kommen wir in elementare Grundsätze des Steuerrechts. Jetzt haben wir diese 70- und 80-Pfennig-Regelung, die für den PKW-Benutzer etwa die gleiche Kostenerstattung bringt wie bisher, nämlich so 75 bis 80 Prozent. Der ADAC sagt, die Benutzung des PKW verursacht Kosten von 1 DM. Das bleibt im Prinzip für den PKWFahrer bei der jetzigen Regelung. Anders ist es für den Benutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Bahnkilometer kostet 27 Pfennig, sprich 54 Pfennig Hin- und Rückfahrt. Das heißt, ich subventioniere jetzt mit einer steuerpolitischen Entscheidung mehr, als eigentlich Kosten entstehen. Das ist das eigentliche Übel an der jetzigen Regelung. Es gibt keinen einzigen Punkt im Steuerrecht, wo jemand gegenüber dem Staat mehr Kosten geltend machen darf, als ihm überhaupt entstanden sind.

(Beifall bei der CDU)

Es ist absehbar, dass vielleicht bei der jetzigen Regelung wegen dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz in der Besteuerung einmal ein Pendler, der notwendigerweise einen PKW benutzen muss, weil er verkehrsmäßig über den ÖPNV die Arbeitsstelle nicht erreicht, vielleicht diesen Gleichmäßigkeitsgrundsatz geltend macht, diese ungleichmäßige Besteuerung. Dann werden wir sehen, dass nämlich die jetzige Regelung dann wahrscheinlich durch Gerichte gekippt wird.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Oder viel- leicht nicht.)

Wir haben ja im Bundesrat trotzdem zugestimmt; wir haben deswegen zugestimmt, weil wir etwa 300.000 Pendler in Thüringen haben. Davon pendeln 130.000 Pendler über Verwaltungsgrenzen hinaus, der Rest pendelt innerhalb eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt. Ich halte die berechneten Steuerausfälle, die 1,2 Mrd. DM, das sind die Zahlen des BMF, für die untere Grenze. Ich will Ihnen einmal einen Punkt nennen, das ist die so genannte Worst-case-Rechnung. Wenn im Durchschnitt die Thüringer Pendler 30 Kilometer Entfernung zum Arbeitsort hätten, dann könnten sie nahezu 5.000 DM im Jahr steuerlich absetzen. Bei 2.000 DM Arbeitnehmerpauschale, die wir jetzt haben, sind das 3.000 DM, die steuerlich zusätzlich abgegolten werden können. Das verursacht, wenn ich die durchschnittliche Steuerbelastung in Thüringen sehe, pro Fall 500 DM Steuerausfall. Bei 300.000 Pendlern sind das 150 Mio. DM für Thüringen, davon 15 Prozent für die Kommunen. Das ist die Worstcase-Rechnung. Sie wird nicht eintreten, weil aufgrund der Einkommenshöhe natürlich die Thüringer Arbeitnehmer oftmals in einer Ertragslage sind, in einer Lohnsituation, dass sie unterhalb der steuerpflichtigen Einkommen sind. Da kommt für mich noch ein sozialer Aspekt hinzu. Die müssen zwar den PKW nutzen, die müssen zwar pendeln; wo aber steuerlich nichts geltend gemacht werden kann, kann auch nichts abgesetzt werden. Das heißt, mit einer sol

chen Regelung treffen wir vor allem die sozial Schwachen, die aufs Pendeln angewiesen sind. Deswegen ist das der falsche Weg. Deswegen wäre der richtige Weg gewesen, die Kosten im Energieverbrauch zu senken und die Ökosteuer abzuschaffen. Die Mehrheiten dafür waren nicht da. Über die Auswirkungen werden wir uns sicherlich am Ende des Jahres, wenn wir die Ist-Steuereinnahmen in Thüringen wieder auf dem Tisch liegen haben, dann sehr wohl unterhalten. Ich hoffe, dass Sie dann noch genauso argumentieren, wie Sie jetzt argumentieren. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Deswegen muss die Ökosteuer weg.)

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Teil der Aktuellen Stunde nicht vor. Ich komme damit zum zweiten Teil der Aktuellen Stunde