Gera hat in den letzten 7 Jahren über 10 Prozent der Bevölkerung verloren. Wenn das so weitergeht, ist Gera auch bald unter 100.000. Wir haben auch in Erfurt Bevölkerungsverluste zu beklagen. Auf Seite 51 der Großen Anfrage steht: "Die Landesregierung bewertet ihre Fördermaßnahmen insgesamt als erfolgreich. Sie passt die Maßnahmen kontinuierlich an veränderte Erfordernisse an." Meine Damen und Herren, ich hoffe nicht, dass die CDU noch so lange regiert, bis Erfurt auch zum ländlichen Raum zählt.
Nichtsdestotrotz, wir haben diese Definition der ländlichen Räume und ich sage auch gleich, mit dieser Definition der ländlichen Räume hätte heute eigentlich der Ministerpräsident reden müssen, weil es ja fast eine Regierungserklärung ist.
Vielleicht wäre auch der Minister der Staatskanzlei, Herr Gnauck, noch als Verantwortlicher für die Planung der Richtige gewesen. Ich muss aber dazu sagen, ich bin nicht undankbar, dass der Herr Minister Sklenar gesprochen hat, weil die Verantwortung für den ländlichen Raum bei ihm sicherlich gut aufgehoben ist.
Moment mal, Herr Kummer. Darf ich um Ruhe bitten, auch wenn manches beunruhigt oder erheitert, dass der Redner seine Rede fortsetzen kann. Herr Kummer, bitte.
Meine Damen und Herren, der Minister hat hier heute ganz schön viel ausgeführt. Er ist auf die Probleme eingegangen, die uns in der letzten Zeit hier beschäftigt haben. Unter anderem möchte ich an BSE, MKS und den notwendigen Umbau der Landwirtschaft, der uns ja alle sehr bewegt, erinnern. Er hat uns auch mit Zahlen förm
lich bombardiert, mit ziemlich großen Zahlen. Allerdings wieder auf die Definition bezogen war das nicht verwunderlich. Er hat einiges ausgeführt zur Aufbauleistung der Bevölkerung, das möchte ich hier unterstreichen. Wir haben auch wirklich positive Sachen im ländlichen Raum inzwischen erreicht. Ich möchte hier nur an die Dorferneuerung und ihre Ergebnisse erinnern, an den Umbau der Landwirtschaft, an den Umbau im Bereich des Forstwesens - es ist hier einiges an Aufbauleistungen vollbracht worden. Es gibt aber auch ein paar andere Geschichten, die der Minister erwähnt hatte; er sprach von Beamten, die bald wohl zur Pflege von Orchideenwiesen abgestellt würden. Herr Minister, es würde mich schon freuen, wenn die ehrenamtliche Tätigkeit von Umweltschützern in der Landwirtschaftspflege noch unterstützt werden könnte.
Ja, es gibt aber Bereiche, wo die Landwirtschaft nicht zur Landschaftspflege herangezogen werden kann, weil einfach kein Bauer dort Landschaftspflege betreiben möchte.
Meine Damen und Herren, ich will noch mal auf die Definition der ländlichen Räume zurückkommen und auf die Beantwortung, die deshalb relativ allgemein ausgefallen ist. Ich meine, es ist kein Wunder, wenn man sagt, die Mittel für die Kultur z.B. sind ziemlich hoch gewesen im ländlichen Raum, wenn die europäische Kulturgemeinde Weimar ja doch einiges an Kulturförderung in der letzten Zeit bekommen hat. Die Autogemeinde Eisenach z.B. hat auch eine relativ gute Industrieentwicklung zu bieten, so dass wir sagen können, wir haben im Bereich der ländlichen Räume dort auch relativ wenig Probleme und Gemeinden wie Gotha und Nordhausen führten sogar dazu, dass in der Beantwortung der Großen Anfrage bei der Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs die Förderung der Bahngleisgrunderneuerung deutlich mit aufgeführt wurde.
Das ist sicherlich ein Schwerpunkt. Ich möchte noch mal kurz auf das Raumordnungsgesetz des Bundes verweisen, in dem drinsteht, dass verdichtete Räume als Wohn-, Produktions- und Dienstleistungsschwerpunkte gesehen werden und ländliche Räume als Lebens- und Wirtschaftsräume mit eigenständiger Bedeutung, deren zentrale Orte Träger von teilräumlicher Entwicklung sind. Ich denke, mit dieser Definition hätte man sich der Thüringer Spezifik etwas besser nähern können.
Ich möchte noch auf etwas anderes eingehen. Wir haben in der Einleitung unserer Großen Anfrage dargestellt, wie wir die Entwicklung der ländlichen Räume in der letzten Zeit sehen. Uns wurde dann vorgeworfen, wir hätten das zu einseitig betrachtet und die Aufbauleistungen der Thü
ringerinnen und Thüringer nicht entsprechend berücksichtigt. Ich möchte aus diesem Anlass ein etwas umfangreicheres Zitat von unserem Staatssekretär Herrn Illert bringen, das er auf dem ersten Workshop zur Bevölkerungsentwicklung "Folgen für die Entwicklung in den ländlichen Räumen Thüringens" zur Einleitung am 24.11.1999 gebracht hat - Frau Präsidentin, Sie erlauben: "Gerade in Thüringen als junges Bundesland ist manche Entwicklung erst in den letzten zehn Jahren in Gang gekommen oder hat sich nach 1990 deutlich verstärkt. Dazu gehören z.B. der drastische Geburtenrückgang, neu entstandene Wanderungsbewegungen durch Wegzüge, durch Pendlerbewegung und einer Stadt-Umland-Entwicklung. Aus den genannten Entwicklungen ergeben sich Rückwirkungen auf zahlreiche Bereiche, die in der Verantwortung der Ministerien wie auch der Kommunen und natürlich der Gesellschaft insgesamt liegen. Alle müssen sich darauf einstellen. Besonders in den ländlichen Räumen haben diese Entwicklungen in der Regel gravierende Folgen, sind diese Räume doch ohnehin dünner besiedelt und in ihrer Infrastruktur besonders kostenintensiv. Auch die Mittelzentren als Dienstleistungsort und als Entwicklungsknoten in den ländlichen Räumen werden davon in vielerlei Hinsicht betroffen. Gemeinden, Ortsteile, Dörfer können zu reinen Schlafstätten werden oder sich durch den Wegzug der jungen Generation schleichend entleeren. Ich sage jedoch, so sehr wir vielleicht bedauern, dass viele Dörfer in den letzten Jahren an funktionieller Vielfalt verloren haben und oft nur noch eine Wohnfunktion erfüllen, sollten wir neben den Risiken einer solchen Entwicklung auch die Chancen sehen, die vom Zuzug der Menschen auf das Land ausgehen. Eine solche Entwicklung kann auch die Keimzelle für neue, zukunftsträchtige Strukturen sein. Die Vorhaltung und Verbesserung der Arbeitsplatzsituation, aber auch der infrastrukturellen Ausstattung muss daher mittel- und langfristig geplant werden und sich auf diese Entwicklung einstellen. Dies zumal die Rückwirkungen der demografischen Veränderungen sich im besonderen Maße auch auf die öffentlichen Finanzen auswirken. Ein Rückgang der Bevölkerung hat aber auch Auswirkungen auf zahlreiche andere Bereiche. Kindergärten, Schulen, Sozialstationen, Einrichtungen für alte Menschen usw. sind davon betroffen. Auch für den recht kostenintensiven, jedoch für die Bevölkerung wichtigen öffentlichen Personennahverkehr hat eine solche Entwicklung weit reichende Folgen." Meine Damen und Herren, ich denke, hier sind die Probleme, mit denen wir es im ländlichen Raum zu tun haben, relativ gut umrissen worden.
Ja, ich hätte mir das gewünscht, dass das in der Beantwortung der Großen Anfrage noch ein bisschen besser herausgekommen wäre. Ich muss aber dazu sagen, positiv bei der Beantwortung sehe ich, dass noch mal ganz deutlich unterstrichen wurde, dass es eine Verpflichtung der Landesregierung gibt, in allen Teilräumen für gleiche Lebensverhältnisse zu sorgen. Das scheint aber, wenn man
Ich möchte auf das Beispiel Verkehr eingehen. Der Minister sprach vorhin von Verkehrsvermeidung. Im Klimaschutzkonzept habe ich da leider gelesen, dass man das durch den Bau von Autobahnen erreichen möchte. Ich gehe mal darauf ein, wie sich die Bahnentwicklung darstellt in der Großen Anfrage. Wir haben also hier zu verzeichnen, dass wir wesentlich mehr Zugkilometer inzwischen anbieten in Thüringen; das Land bietet das an. Das ist sicherlich zurückzuführen auf kürzere Taktzeiten, über die ich sehr froh bin. Ich muss aber dazu sagen, in den wirklichen strukturarmen ländlichen Regionen Thüringens sieht das anders aus. Da sind viele Strecken inzwischen stillgelegt worden. Und im Klimaschutzkonzept steht sogar drin, dass ein weiteres Stilllegen von Strecken aus ökologischen Gründen unabdingbar ist. Ich denke, das trägt zu einer positiven Entwicklungsstruktur einer Region nicht unbedingt bei. Beispiel Straßenpersonennahverkehr: Es wird angegeben, wir haben mehr Fahrplankilometer und wir haben auch mehr Fahrgäste, aber Ursachen werden nicht benannt. Meine Damen und Herren, ich hatte neulich ein Gespräch mit...
Und deshalb machen wir mehr Fahrplankilometer, gut, prima. Ich hatte neulich ein Gespräch mit einem örtlichen Busunternehmer, der mir gesagt hat, worin die Ursachen liegen, und die liegen in der immer weiteren Schließung von Schulen und dem dadurch erhöhten Schülerverkehr.
Das ist sicherlich nichts Neues, aber wenn das der Grund ist, dass wir mehr Fahrplankilometer und mehr Fahrgäste haben und ich auf der anderen Seite, Herr Schugens, neulich mal wieder bei mir an der Bushaltestelle stand, um mit dem Bus und der Bahn hierher nach Erfurt zu kommen und der Bus nicht mehr fuhr, weil man die Fahrt einfach gestrichen hatte, weil bei einer Fahrplanzählung dort nur noch ein paar Leute mitgefahren sind und man sich das einfach nicht mehr leisten kann, meine Damen und Herren, wenn Regionen systematisch ab einer bestimmten Uhrzeit vom öffentlichen Verkehr abgeschnitten werden, dann zwinge ich ja die Leute auch förmlich auf die Straße und da leiste ich der Entwicklung ländlicher Räume keinen guten Dienst.
(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Da müssen Sie sich mal erkundigen... Da brau- chen Sie hier auch nicht rumzujammern!)
Ich möchte hier nur an die Bedeutung des öffentlichen Personennahverkehrs erinnern... Wissen Sie, ich habe mir
einen Fahrplan gekauft, dessen Gültigkeit immer noch besteht. Und wenn man innerhalb dieser Fahrplanzeit Fahrten streicht, sicherlich aus finanziellen Gründen gerechtfertigt, dann ist das irgendwo schon möglich, dass man dann mal vor der Haltestelle steht und es fährt kein Bus mehr.
Der öffentliche Personennahverkehr hat im ländlichen Raum eine gravierende Bedeutung. Ich möchte hier nur daran erinnern, dass wir z.B. Senioren haben, die nicht mehr Auto fahren können oder die vielleicht auch noch nie einen Führerschein gemacht haben, die Schwierigkeiten haben. Ich kann mich daran entsinnen, dass meine Oma mit einer Fußbank zum Bus gegangen ist, allerdings auch schon zu DDR-Zeiten, weil sie die großen Treppen nicht mehr bewältigen konnte. Ich möchte hier nur an das Problem von Behinderten erinnern; Niederflurbusse im ländlichen Raum wird es z.B. nicht geben, gibt es eine Aussage.
Ja, schauen Sie doch auf die Dörfer. Ich habe als Rollstuhlfahrer wirklich keine Chance, aus dem Dorf rauszukommen bei uns, es sei denn, ich lasse mich vom medizinischen Dienst mit dem Krankenwagen abholen.
Meine Damen und Herren, ich denke, wir haben hier schon ein Problem und wir sollten uns diesem Problem nicht verschließen.
Wenn Sie meinen! Ich möchte auch noch auf das Problem Jugendliche und den öffentlichen Personennahverkehr hinweisen. Es steht u.a. in der Großen Anfrage drin, die Landesregierung sieht nicht das Problem, dass es nicht genügend Kinos im ländlichen Raum gibt. Das ist sicherlich richtig. Wenn ich von uns ins Kino will, brauche ich bloß 20 km nach Suhl zu fahren, ist alles kein Problem. Aber wie komme ich denn wieder zurück, wenn ich mit dem Bus hingefahren bin? Als Jugendlicher, der kein Auto hat, habe ich da keine Chance, weil der letzte Bus 20.00 Uhr zurückfährt.
Wenn ich das Problem Disco sehe, ja, ich wohne im ländlichen Raum, ich kann es ja nicht ändern. Wenn ich das Problem Disco sehe, bei uns rufen Jugendliche früh um 4.00 Uhr bei ihren Eltern an und sagen: Holt mich doch mal bitte ab.
Wenn ich daran erinnern darf, wie viele Jugendliche sich totfahren mit ihren Autos und sicherlich häufig infolge des Alkoholkonsums, meine Damen und Herren - wie sollen sie denn Kultur wahrnehmen können, ohne dass sie dort mit dem Auto hinfahren!
Es hat jeder das Recht hier seine Meinung darzulegen und zu reden. Gestatten Sie eine Zwischenfrage vom Abgeordneten Heym?
Herr Kollege Kummer, wenn wir mal unterstellen, dass ÖPNV hier maßgeblich durch die Kreise finanziert wird, dass sich Kreise maßgeblich durch die Umlagen von ihren Gemeinden finanzieren, geben Sie mir Recht, dass dann ein Bürgermeister lieber was in seinem Ort machen würde, als Busse fahren zu lassen, wo zwei Mann drinsitzen abends nach 19.00 Uhr?
Ich weiß, dass wir hier ein dramatisches Problem haben. Ich habe auch mit unseren Busunternehmern gesprochen. Ich habe sie angesprochen auf neue Konzepte im öffentlichen Personennahverkehr und habe gesagt: Wie sieht es denn mal aus mit kleinen Fahrzeugen, vielleicht mit Anrufsammeltaxis u.ä.; wie sieht es denn aus, wir hatten ja auch das Problem Fifty-Fifty-Taxi hier im Plenum behandelt. Meine Damen und Herren, sie haben mir gesagt, kleinere Fahrzeuge können sie sich nicht zulegen, weil sie durch den Schülerverkehr eine entsprechende Menge an großen Fahrzeugen vorhalten müssen, und die Abschreibungen stehen nunmal an und diese Fahrzeuge stehen abends leer, und sich ein neues Fahrzeug anzuschaffen und dann zusätzlich die Kosten dort entsprechend aufzubringen, lohnt sich nicht, weil ich ja den Vergleich bringen muss. Das Einzige, was ich spare, das ist ein bisschen Sprit und das bringt es aber vom generellen Aufwand her nicht. Das heißt also, wir haben hier wirkliche Probleme, aber das können wir den Kommunen nicht weiter überlassen; ich denke, hier ist das Land in einer Verpflichtung. Unser Land fördert ja den öffentlichen Personennahverkehr, aber diese