Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

und die sind mit 2 Mrd. DM wesentlich höher als die Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich. Deshalb will ich diesen Satz so durchgehen lassen, obwohl nicht die Höhe der Mittel, sondern der Zweck und der daraus resultierende Bedarf die Kriterien sein müssten.

(Beifall bei der PDS)

Zu Punkt 3: "Bezüglich der Einwohnergewichtung", schreiben Sie, "ist eine Gleichbehandlung aller Länder sicherzustellen". Der Begriff "Gleichbehandlung" ist wohl hier nicht ganz passend. Gemeint ist wohl, dass nicht nur dicht besiedelte Länder durch Einwohnerveredelung besser gestellt werden, sondern künftig auch dünn besiedelte Länder, also Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Hier bin ich allerdings der Auffassung, dass der Besiedlungsfaktor in Form einer abstrakten Einwohnerwichtung nicht in den Finanzausgleich zwischen den Ländern hineingehört, sondern über klar definierte Kriterien über den vertikalen Finanzausgleich berücksichtigt werden muss.

Zum Punkt 4: "Die auch nach 2004 noch bestehenden teilungsbedingten Sonderlasten der jungen Länder sind in einer Nachfolgeregelung zum Solidarpakt zu berücksichtigen", so Ihr Antrag. Das klingt schon viel besser als die Vorschläge des CDU-Wirtschaftsrats. Der wirtschaftsliberale Vorturner der CDU, Herr Lauck, fordert ja gleich mal die Befreiung des Ostens von der Subventionsdroge. Wenn die Thüringer CDU dem widerspricht, ist es nur gut, wenn wir das auch schriftlich festhalten. Dass Thüringen in kurzer Zeit, wie Sie verlauten ließen, zum Geberland wird, und das womöglich noch aus eigenen Kräften, glauben Sie wohl selbst auch nicht mehr so richtig.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Wer hat das veröffentlicht?)

Dass Sie zum Geberland werden wollen? Das habe ich aus den Reden, die hier im Landtag gefallen sind, so entnommen.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Da haben Sie nicht zugehört. Wir haben gesagt, es wird zehn Jahre mindestens dauern.)

Ja, kommt darauf an, dann hätten Sie den Zeitraum definieren müssen, Herr Althaus.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Im Dop- pelhaushalt.)

Im Übrigen ist die im Eichel'schen Entwurf vorgesehene letztmalige Festlegung des Sonderbedarfs realitätsfern. Dazu müsste man die Entwicklung der neuen Länder über einen Zeitraum von wenigstens zehn Jahren vorhersehen können. Beispiele, wie die Lösung des Wohnungsproblems oder die blühenden Landschaften, lassen hier zumindest Zweifel aufkommen.

Nun zum Punkt 5: "Die Neuregelungen des Maßstäbegesetzes, des Länderfinanzausgleichs und des Solidarpaktes II sind noch in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages zu verhandeln und gesetzlich zu verabschieden". Auch da stimmen wir zu. Je früher die Änderungen unter Dach und Fach sind, desto besser, weil sich die Länder darauf langfristig einstellen können. Das ist der Punkt, wo wir mit der SPD nicht mitgehen. Einen sachlichen Grund für eine Verzögerung gibt es auch nicht.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich nochmals meine Zustimmung zu den fünf genannten Eckpunkten bekunden. Allerdings fordere ich auch die Klarstellung des Ziels der Verhandlungen, also die Einfügung eines neuen Punktes 1 "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse" und die Erweiterung des bisherigen Punktes 1 um die volle Berücksichtigung der Gemeindeeinnahmen.

Also, meine Damen und Herren der CDU, stimmen Sie diesen Ergänzungen zu, wenn Sie diese Auffassung teilen, oder sagen Sie sonst klipp und klar, was Sie wollen. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich Abgeordneter Dr. Pidde zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Maßstäbegesetz, der Länderfinanzausgleich und der Solidarpakt II haben auch große Bedeutung für das Land Thüringen. Es ist nicht das erste Mal, dass wir hier im hohen Haus zu diesem Punkt diskutieren. Anlass für die heutige Debatte ist der vorliegende CDU-Antrag; die Landesregierung soll ersucht werden, bestimmte Eckpunkte in den laufenden Verhandlungen zu vertreten. Für mich zeugt ein

solcher Antrag von einem mangelnden Vertrauen, mangelndes Vertrauen der CDU-Fraktion in die Verhandlungsführung der eigenen Regierung und ich erkläre ausdrücklich, ich teile dieses Misstrauen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man sieht, wie die Beratungen zu diesem Gesamtkomplex Finanzausgleich und Ostförderung laufen, dann sieht man: das Agieren der Landesregierung ist zu eigenbrötlerisch, zu sehr auf Eigenprofilierung bedacht - wenn ich an das 40-Mrd.-Programm denke - und zu wenig solidarisch mit den anderen Ostländern.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Mensch, gut. Fragen Sie mal Herrn Schwanitz.)

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Das kann doch nicht wahr sein.)

Meine Damen und Herren, schauen Sie sich die Kritiken aus den anderen neuen Bundesländern an der Thüringer Position an, aber auch die Kritik, die aus dem CDU-geführten Sachsen kommt. Die Frage: Was ist denn dann diese Vermittlerrolle? Steht Thüringen denn nicht isoliert da? Genau diese Isolation versuchen Sie dann als Vermittlerrolle der Thüringer Landesregierung darzustellen.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Schauen Sie sich die Kritiken an. Nur wenn ein Ver- mittler keine Position besitzt, ist er ein Ver- mittler.)

Das muss Sie doch sehr getroffen haben.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Sie müs- sen einmal überlegen, was Sie sagen.)

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Unsinn trifft uns immer.)

Der Ministerpräsident ist ja nicht da, vielleicht frage ich den stellvertretenden Ministerpräsidenten. Wie erklären Sie sich und wie erklären Sie uns, dass andere Länder von der Vermittlerposition Thüringens noch gar nichts mitbekommen haben? In welchem Protokoll sind denn die Aktivitäten der Thüringer Landesregierung nachzulesen? Wann hat denn Thüringen konkret welche Gespräche mit der Geber- oder Nehmerseite geführt? Welche Ergebnisse und welche Kompromisse sind herausgekommen? Diese Aussagen sind Sie uns schuldig.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt zu einigen Details des CDU-Antrags kommen. Dem Punkt 1 kann man vollkommen zustimmen, in dem steht, der horizontale Finanzausgleich muss gewährleisten, dass ein angemessener Finanzkraftausgleich aller Länder erreicht wird. Diese Formulierung ist so allgemein und so unverbindlich, dass sie bei jeder Ministerpräsidentenkonferenz

sicher sofort die Mehrheit findet. Bloß, muss man dazu einen Antrag stellen? Muss man einen Antrag stellen, in dem drinsteht, dass morgens die Sonne aufgeht und will das nachher noch beschließen? Für mich stellt sich die Frage, warum Sie dann in den anderen Punkten hinter den bisherigen Forderungen, die hier schon erläutert worden sind, zurückbleiben bei der Frage Finanzkraftausgleich - diese Zurückhaltung ist auffällig. Wollen Sie es sich denn mit den Süd-Ländern nicht verscherzen?

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion fordert mit dem vorliegenden Änderungsantrag die volle Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft bei der Berechnung der Länderfinanzkraft.

(Beifall Abg. Döring, SPD)

Die SPD-Fraktion schlägt weiterhin die Ergänzung des Punkts 2 des CDU-Antrags um das Wort "mindestens" vor.

(Beifall bei der SPD)

Bei der Neugestaltung der Bundesergänzungszuweisungen muss das vom Bund derzeit zur Verfügung gestellte Finanzvolumen mindestens beibehalten werden. Diese Ergänzung entspricht auch den in der vergangenen Woche aufgestellten Forderungen der Ostministerpräsidenten an den Bund. Außerdem schlagen wir die Streichung des Punkts 5 vor, der die Forderung erhebt, Maßstäbegesetz, Länderfinanzausgleich und Solidarpakt II noch in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages gesetzlich zu verabschieden. Wir halten diesen Punkt für höchst fragwürdig. Da sind wir auf einer Wellenlänge mit Herrn Minister Gnauck, der der "Thüringischen Landeszeitung" am 25. Oktober zum Länderfinanzausgleich sagte - ich zitiere, Frau Präsidentin, mit Ihrer Zustimmung: "Diese Debatte im Wahlkampf zu führen, wäre schädlich, denn wenn es um Wählerstimmen geht, werden politische Argumente nicht mehr differenziert vorgetragen, dann verfallen alle leicht in Schwarzweißmalerei und das wäre dem gesamten Thema überhaupt nicht zuträglich."

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Genau.)

Herr Minister Gnauck hat Recht. Was genauso dafür spricht, ist, dass der Chefvermittler, unser Ministerpräsident, heute von der Ministerpräsidentenkonferenz aus Berlin mit leeren Händen zurückkommt, wie es eigentlich auch nach dem vorherigen Verlauf zu erwarten war.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Hellseher.)

Die dpa-Meldung liegt vor; wenn Sie es lesen würden, wüssten Sie es schon. Aber ich sage es Ihnen auch.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend ein kleines Resümee ziehen. Der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion ist nicht das Gelbe vom Ei, er ist halb

herzig, die Thüringer Interessen werden nur zum Teil vertreten. Gehen Sie nicht mit ideologischen Scheuklappen an diese Verhandlungen heran. Bei der Steuerreform hat sich gezeigt, dass die harte Parteilinie für Thüringen nichts gebracht hat. Nehmen Sie die Anregungen, die im Änderungsantrag der SPD-Fraktion enthalten sind, auf, stimmen Sie ihm zu, damit der Schulterschluss mit den neuen Ländern funktioniert und für Thüringen das meiste herausgeholt werden kann. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Abgeordneter Mohring zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist zwar noch nicht Ostern, deshalb ist der Antrag der CDU-Fraktion erstens doch das Gelbe vom Ei und zweitens werden Sie sehen, dass wir in unserer Verantwortung so bewusst sind, dass wir tatsächlich wollen, dass wir alle aus dem Landtag heraus gemeinsam für die Interessen von Thüringen im Rahmen der Neuordnung des Finanzausgleichs auftreten.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb kann ich sowohl die Reden von Frau Dr. Wildauer als auch die von Herrn Dr. Pidde überhaupt nicht verstehen, hier künstlich ideologische Grenzen aufzubauen, weil doch das Interesse, dass Thüringen als neues Land im Finanzausgleich künftig nicht benachteiligt wird, doch dem überwiegen muss, was Sie mit Ihren ideologischen Grenzen hier aufbauen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zehn Jahre nach dem In-KraftTreten der innerdeutschen Wirtschafts- und Währungsunion sind die entscheidenden institutionellen und wirtschaftlichen Weichen für die ostdeutsche Volkswirtschaft gestellt. Erfolge sind vielfach zu verzeichnen, das geben sogar zum Teil Sie in der Bilanz nach elf Jahren deutsche Einheit zu. Dennoch, und auch darüber besteht offensichtlich Einigkeit, ist der Aufbau Ost nicht abgeschlossen. Wir haben deshalb im letzten Plenum insbesondere über das vom Ministerpräsidenten vorgeschlagene Sonderprogramm Ost ausführlich debattiert und haben eigentlich einmütig festgestellt, dass wir nicht nur die Schere schließen müssen, sondern auch noch am Ende des Weges nach 2004 in der letzten Phase des Aufbaus die Scherenflügel kreuzen müssen, damit wir tatsächlich einen abschließenden Aufholprozess in die Wege leiten können.

Meine Damen und Herren, die teilungsbedingten Sonderlasten dauern an und führen sogar teilweise zu der Einschätzung, dass der Aufholprozess stagniert. Immer noch gibt es im Osten Deutschlands infrastrukturellen Nachholbedarf, der sich aus unterlassenen Aufbau- und Erneuerungsinvestitionen ergibt und letztendlich alle Bereiche der Wirtschafts- und auch der Infrastrukturpolitik im Osten umfasst.

Wir sind der Meinung, sehr verehrte Damen und Herren, und deshalb haben wir den Antrag zur Aufforderung an die Landesregierung gestellt, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland insbesondere Rückenwind aus Berlin braucht. Wir meinen, dass die Bundesregierung sich verstärkt dem Aufbau Ost zuwenden muss und es eben nicht damit getan ist, dass der Bundeskanzler jeden Sommer eine Tour durch den Osten fährt.

(Beifall bei der CDU)

Wir meinen, es braucht hier zusätzliche Ideen aus Berlin, deshalb haben wir die Landesregierung mit unserem Antrag aufgefordert, verstärkt die ostdeutschen Interessen und insbesondere die Thüringer Interessen bei der Verhandlung zu dem Länderfinanzausgleich und Solidarpakt II wahrzunehmen.