Protokoll der Sitzung vom 06.04.2001

Es ist gleichsam lächerlich, wie Sie sich bisweilen in die Brust werfen und so tun, als würden Sie die Bürgerinnen und Bürger des Landes hier allein vertreten, als wären Sie allein dazu in der Lage. Das sind wir auch und auch wir hören auf die Bürgerinnen und Bürger des Landes

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Dann schauen Sie sich doch mal die Unterschriften an.)

und hören auf die Forderungen, die mitten aus der Gesellschaft kommen, weil wir in der Mitte der Gesellschaft stehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Sollte die Forderung der SPD jedoch mehr in ideelle Richtung abzielen, ist sie gleichwohl unverständlich, da in Thüringen ein flächendeckendes Netz von Opferberatungsstellen des Weißen Rings mit insgesamt 136 Mitarbeitern zur Verfügung steht.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das sind eben unterschiedliche Ansätze)

Die können aber genutzt werden, Herr Döring, das hat mit unterschiedlichen Ansätzen gar nichts zu tun. Diese verfügen nämlich neben den strukturellen Voraussetzungen auch über die fundiertesten Erfahrungen bei der Opferbetreuung. Es ist daher überhaupt nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen diesen Beratungsstellen - und es gibt ja neben dem Weißen Ring noch eine ganze Menge mehr Opferberatungsstellen - nicht die qualifizierte Betreuung von Opfern rechter Gewalt übertragen werden kann. Darüber hinaus, meine Damen und Herren, werden auch innerhalb der Thüringer Polizei die Belange des Opfers immer stärker in den Mittelpunkt der Tätigkeit gerückt. So wurden in den letzten Monaten neben der Zentralstelle für Opferberatung im Landeskriminalamt auch in jeder Polizeidirektion fachkundige Opferberater eingesetzt. Daneben stehen die polizeilichen Beratungsstellen selbstverständlich auch den Opfern rechter Gewalt zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, nun zum Antrag der PDS: Dieser gleicht grundsätzlich dem Antrag der SPD, wenngleich ich an dieser Stelle deutlich sagen möchte, dass das Bundesprogramm "CIVITAS - initiativ gegen den Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern", wesentlich inhaltsreicher ist. Aber ich kann den Abgeordneten der PDS den Vorwurf nicht ersparen, dass Sie sich offensichtlich ungenügend mit den Aufgaben der Koordinierungsstelle Gewaltprävention befasst haben, denn ansonsten wüssten sie, dass sie in weiten Teilen das fordern, was von uns bereits vor einiger Zeit auf den Weg gebracht wurde.

(Beifall bei der CDU)

Über die Aufgaben der Koordinierungsstelle Gewaltprävention und ihre derzeitige Abarbeitung ist in den vergangenen Sitzungen hier im Plenum, aber auch im Innenausschuss ausführlich berichtet worden, so dass ich dieses nicht noch einmal aufnehmen muss. Aber eines ist klar: So eine Koordinierungsstelle arbeitet nicht von heute auf morgen, sozusagen von null auf hundert, und auch Koordinierungsstellen, die von anderen gefordert werden, werden eine lange Anlaufzeit haben, wenn sie sinnvoll zu arbeiten beginnen wollen. Und wir sind jetzt so weit in der Arbeit der Koordinierungsstelle, dass sie die entsprechenden Grunddaten und Grundmaterialien zusammengesammelt hat, dass sie auskunftsfähig ist in den ganz verschiedenen Fragestellungen, die an sie herangetragen werden können, dass sie EDV-mäßig abrufbar hat, welche Programme wo laufen und wo man dann vor Ort Netzwerke bilden kann, wo die verschiedenen Projekte, und zwar nicht nur Projekte der Landesregierung, sondern auch von Initiativen vor Ort, vorhanden sind und wo man sinnvolle Ansätze weiterverfolgen kann.

Herr Dittes hat behauptet, die Koordinierungsstelle hätte es ja auch so gegeben und wäre keine Extraerfindung im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Es stimmt, wir haben die interministerielle Arbeitsgruppe Gewaltprävention schon seit Januar vorigen Jahres eingerichtet. Die Koordinierungsstelle, die im Sommer vorigen Jahres gebildet worden ist, hat allerdings dann schon sehr bewusst nicht nur den Bereich Gewaltprävention, sondern wegen der großen gemeinsamen Schnittmenge auch den Bereich Bekämpfung des Rechtsextremismus als koordinierende Aufgabe mit hineinbekommen. Wir werden diese Koordinierungsstelle,

(Beifall bei der CDU)

wenn es nötig ist, auch noch weiter ausbauen und gegebenenfalls auch noch die ganze Problematik des Drogenmissbrauchs und der Drogenkriminalität dort ansiedeln müssen,

(Beifall bei der CDU)

weil diese Dinge, meine Damen und Herren, alle miteinander verzahnt sind - das muss man doch sehen - und weil es Sinn macht, nicht drei oder vier verschiedene Koordinierungsstellen einzurichten oder sonst was, sondern dass man das von einer Stelle her durchführt und diese Stelle dann auch entsprechend ausstatten muss, dass sie dieses leisten kann.

Völlig unverständlich ist mir die Äußerung oder die mehr rhetorische Frage, was denn die Koordinierungsstelle in Sonneberg getan hätte und warum sie dort nichts getan hätte. Wenn Sie sich mit der Sonneberger Szene beschäftigt hätten, Herr Dittes, und mit dem Vorgang, was diese Demonstration betrifft, dann wüssten Sie ganz genau, dass die Demonstration in Sonneberg eine nach Sonneberg hineintransportierte Demonstration gewesen ist, und zwar von rechtsextremistischen Kreisen aus Eisenach, die diesen Ort sehr genau gewählt haben, um den Südthüringer und den nordbayerischen, den fränkischen Raum abzufangen, aber nicht, weil es in Sonneberg eine eigenständige Szene dieser Art gäbe. Insofern müssen Sie einmal ein bisschen weiterdenken. Die KOST muss natürlich ihre Kontakte in Eisenach knüpfen und behilflich sein, wo diese Burschen herkamen und als Kristallisationspunkte galten. Dort ist sie auch tätig und arbeitet. Ich denke, Sie sollten hier nicht mit rhetorischen Fragen glänzen, sondern sollten deutlich machen, dass es Ihnen nicht am Phänomen zu tun ist, sondern Sie die Sache bekämpfen wollen und die lag nun an dem Punkt gerade nicht in Sonneberg.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn Sie die Aufgaben der Koordinierungsstelle Gewaltprävention und die Vielzahl der durchgeführten Einzelmaßnahmen mit Ihren Forderungen vergleichen, dann werden Sie feststellen, dass wir

sachlich gar nicht so weit auseinander sind. Umso weniger verstehe ich, dass Sie, anstatt auf Vorhandenem aufzubauen und das auszubauen und zu stärken und mit uns gemeinsam die bestehenden Programme fortzuentwickeln, ständig so tun, als müssten nun völlig neue Wege beschritten werden. Die Landesregierung begrüßt ausdrücklich das CIVITAS-Programm der Bundesregierung als einen weiteren Baustein auf der Baustelle der Bekämpfung des Rechtsextremismus.

(Beifall bei der CDU)

Dieses Programm, meine Damen und Herren, kann sich gut in das Gesamtgefüge der Bemühungen vor Ort einfügen, die von der Landesregierung entweder selbst oder von den Kommunen und anderen Trägern auf den Weg gebracht worden sind. Dieses Programm ist noch ein Modellprogramm und es wird sich zu erweisen haben, ob es diesen Modellcharakter positiv erfüllt und dann verallgemeinert werden kann. Das CIVITAS-Programm wird auf jeden Fall in den Überlegungen der Landesregierung, was am jeweiligen Ort zu tun ist, entsprechend mit Berücksichtigung finden. Nicht wenige der Programmpunkte von CIVITAS werden ja, einzeln gesehen, durch andere Programme auch schon abgedeckt. Insofern sind wir über die ergänzende Hilfe durch den Bund erfreut und wünschen, dass diese ergänzende Hilfe auch über einige Jahre anhält.

(Beifall bei der CDU)

Was wir aber sehr bewusst nicht tun werden, meine Damen und Herren, das ist, dieses Programm mit einer Komplementärfinanzierung zu unterfüttern,

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Ja, das kann ich mir denken.)

denn den bei Bundesprogrammen nicht selten vorkommenden schädlichen Mechanismus - ein, zwei Jahre eine Mitfinanzierung des Bundes als Startfinanzierung mitzugeben, sich dann aber aus der gemeinsamen Finanzierung zurückzuziehen und das Land mit der finanziellen Programmabdeckung allein zu lassen, und dafür gibt es eine Menge Beispiele, die man hier aufzählen könnte,

(Beifall bei der CDU)

diesen Mechanismus, diese Negativstruktur werden wir nicht selbst aufbauen und damit unterstützen. Die Bundesregierung muss wissen, was ihr der Kampf gegen den Rechtsextremismus Wert ist und sie wird selbst zu entscheiden haben, wann sie eine solche Programmfinanzierung beginnt und wann sie eine solche beendet.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD)

Wir nehmen unsere Verantwortung schon wahr. Dass Sie so wenig differenzieren können und meinen doch sehr

einfachen Ausführungen nicht folgen können, zeigt sich in Ihrem Zwischenruf. Es ist einfach erschreckend, wie festgelegt Sie sind.

(Beifall bei der CDU)

Wir hoffen, meine Damen und Herren, dass die Programme der Bundesregierung, die im September des vorigen Jahres mit großem Bohei angekündigt wurden und im Februar/März diesen Jahres nun endlich angelaufen sind - ihr seht also, nicht nur die Landesregierung, auch die Bundesregierung braucht ihre Zeit, die Dinge zu installieren - fortgeführt werden, und zwar so lange, wie sie auch nötig sind und gebraucht werden. Ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren, dass wir diese Programme gegen extremistische Umtriebe und Gewalttaten auch in den nächsten Jahren noch nötig haben werden.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, bitte ich Sie noch einmal, die Landesregierung bei ihrem Weg, der eigentlich unser gemeinsamer Weg sein sollte, zu unterstützen. Wie können wir denn den Schulterschluss aller demokratischen Kräfte fordern, wenn es uns in diesem relativ kleinen Kreis nicht gelingt, hier Einigkeit zu erzielen? Die Bekämpfung des Rechtsextremismus kann doch nur erfolgreich sein, meine Damen und Herren, wenn wir uns als gewählte Abgeordnete und Vertreter der Gesellschaft über die grundlegenden Ziele und Wege der Extremismusbekämpfung einig sind und diese Einigkeit auch nach außen sichtbar ist.

Die Landesregierung, meine Damen und Herren, wird ihren Anteil daran beitragen, deshalb stellen wir uns auch der Diskussion, meine Damen und Herren. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das kann man doch diskutieren. Sie lehnen doch alles nur ab.)

(Beifall bei der CDU)

Wollen Sie eine Nachfrage stellen? Entschuldigung, ja, richtig, Sie hatten das angemeldet.

Herr Köckert, Sie haben die Anträge von PDS und SPD als Versuche parteipolitischer Profilierung gewertet. Das ist richtig?

(Zwischenruf Abg. Kölbel, CDU: Was?)

Ja. Das ist schon eine Frage.

Bezeichnen Sie die Initiativen für ein Landesprogramm "Demokratie braucht Zivilcourage" - Sie erinnern sich an einen Aufruf aus dem August, die Initiative MoBiT e.V. aus DGB, evangelischer Kirche, jüdischer Landesgemeinde, die Äußerungen des Dr. Knigge, Leiter der Gedenkstätte Buchenwald und zahlreicher anderer, ich kann sie an dieser Stelle nicht aufzählen -, auch als Versuche parteipolitischer Profilierung?

Es ist immer wichtig, diese Äußerungen in dem Zusammenhang zu verstehen, in dem sie gesagt worden sind.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD)

Nein, nein, Sie können in jeder Landtagssitzung ähnliche oder gleich gelagerte Anträge stellen. Das bringt uns in der Sache nicht voran, wenn diese Anträge keine neuen Ansätze haben, denn dann haben wir sie schon diskutiert.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Da müsst Ihr mal lesen.)

(Beifall bei der CDU)

Auch wir sind nicht so vergesslich, dass wir nicht wüssten, wie wir zur letzten Sitzung gesprochen und abgestimmt haben.

(Zwischenruf aus der SPD-Fraktion: Das bezweifle ich stark.)

Wenn Sie dieses Thema deshalb weitertreiben, heißt das doch nur, dass Sie so viel Lust und Gefallen an diesem Thema haben, weil Sie sich eine bestimmte Wirkung nach außen hin versprechen.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Nein.)

Nein, nein, Neues hat Ihr Antrag nicht gebracht, auch nicht der der SPD, muss ich hier sagen.