Protokoll der Sitzung vom 06.04.2001

(Beifall bei der CDU)

Ich meine, ich sollte, weil das hier heute eine sehr ernst zu nehmende Diskussion war, und ich finde, das tut dem hohen Hause gut, auf zwei, drei Argumente eingehen. Herr Abgeordneter Schemmel, ich würde ganz gerne doch noch einmal darauf zu sprechen kommen, weil Sie gesagt haben, Weimarer Verfassung - es sei damit argumentiert worden im Vorfeld, dass aus diesem Aspekt heraus Bedenken bestehen könnten, und die teilen Sie nicht. Ich bin seit März 1991 hier in Thüringen und habe sehr intensiv die Geschichte der Entstehung dieser Verfassung verfolgt. Ich fand es z.B. ganz toll, dass in der Präambel ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass auch diese Verfassung aus den leidvollen Erfahrungen der Weimarer Republik ihre Lehren schöpft und das darin niedergelegt ist. Dann muss man allerdings wissen, Sie haben Recht, es gibt kein Plebiszit, was zum Nationalsozialismus unmittelbar geführt hat. Aber die Nationalsozialisten waren es, die Ende der zwanziger/Anfang der dreißiger Jahre dieses Plebiszit immer wieder benutzt haben, um sie durchzuführen und sich auf diese Art und Weise in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Und das war der Schritt dahin.

(Beifall bei der CDU)

Ich sollte auch noch einmal etwas sagen, Herr Abgeordneter Gentzel, warum wir der Auffassung sind, dass hier die Verfassungswidrigkeit gegeben ist aus der Verschiebung, ich will das im Einzelnen nicht noch wiederholen, dieses Zusammenspiel der Quoren, Unterstützungsquoren auf der einen Seite und dann die niedrigen bzw. fehlenden Quoren bei der Abstimmung über den Volksentscheid selbst. Das ist hier in extenso ausgeführt worden. Ich will nur noch einmal sagen, warum wir der Auffassung sind, dass dies unabänderbar ist, und, Herr Buse, es ist tatsächlich so, dass Sie mit einem falschen Verständnis an diese Verfassung herangehen,

(Beifall bei der CDU)

denn wir haben doch in unserer Thüringer Verfassung das ausdrücklich geregelt. Dort heißt es in Artikel 83 Abs. 3: "Eine Änderung dieser Verfassung, durch welche die in den Artikeln..." - und jetzt kommt es - unter anderem

auch "45... niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig." Artikel 45 wiederum sagt: "Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus." Und jetzt: "Es verwirklicht seinen Willen durch Wahlen," - jetzt kommt die Reihenfolge - "Volksbegehren und Volksentscheide." Und auch da muss man jetzt einen Blick in die Entstehungsgeschichte unserer Verfassung tun. Wenn Sie das getan hätten, hätten Sie festgestellt, dass zunächst der Vorschlag dahin ging, die Reihenfolge so zu wählen, nicht wie es hier jetzt heißt "durch Wahlen, Volksbegehren und Volksentscheide", umgekehrt war es zunächst der Fall: durch Volksbegehren und Wahlen. Die Verfassungsmütter und -väter haben das ausdrücklich nicht gewollt. Das heißt, sie haben einen Vorrang für die parlamentarische Demokratie gewollt, das heißt mit anderen Worten, Sie können nicht in dieser Beliebigkeit verfahren. Ich habe es mir aufgeschrieben, Sie haben von einer Gleichrangigkeit gesprochen, das ist nicht richtig. Das ist falsch, das ist verfassungsrechtlich nicht zulässig.

(Beifall bei der CDU)

Ich will auch noch etwas sagen, dass es mir ein Anliegen ist, Ihnen heute hier mitzuteilen, weil gelegentlich der Eindruck entstand, Herr Abgeordneter Gentzel, dass wir die Dinge nicht mehr in der notwendigen Gesamtschau sehen würden. Herr Abgeordneter Gentzel, Sie haben erinnert an die verschiedenen Stufen, unter anderem auch an die Verabschiedung damals auf der Wartburg in Eisenach. Das war im Oktober 1993. Ich meine schon, dass hier wichtig ist, dass diejenigen, die damals die Verfassung geschaffen haben, sich im Rahmen dieser unabänderbaren Dinge einig waren. Herr Abgeordneter Lippmann, ich habe nachgelesen in den Protokollen, in denen Sie sich damals ausführlich mit der Frage beschäftigt haben, wie hoch denn ein Mindestquorum sein muss. Es gab ja diese sehr breiten Spreizungen, bei Bündnis 90/Die Grünen waren es 5 Prozent, bis hin zur CDU zunächst 20 Prozent, dann 16 Prozent. Sie haben immer auf diese 10 Prozent abgehoben, ich habe das nachgelesen. Wenn man dann aber diesen Entscheidungsprozess sieht, wie dieser Konsens zustande gekommen ist, dass aus diesen 10 Prozent und den 16 oder 20 Prozent diese 14 Prozent geworden sind, dann sieht man, dass es hier tatsächlich Grenzen der Abänderbarkeit gibt, mal ungeachtet dessen, dass sonst eine solche Majorisierung durch die Minderheit erfolgen könnte.

Herr Minister, gestatten Sie Anfragen von zwei Abgeordneten?

Herr Minister, können wir uns vielleicht darauf verständigen, weil ich wahrscheinlich im Vorfeld die gleichen Dinge wie Sie gelesen habe, und ich habe die Protokolle sogar hier vorliegen, dass die Forderung der SPD über

Herrn Frieder Lippmann nicht 10 Prozent, sondern 5 bis 10 Prozent war.

Herr Abgeordneter Gentzel, und da will ich Ihnen auch gern die Antwort geben. 5 Prozent mit Blick auf den Bürgerantrag, 10 Prozent mit Blick auf das Volksbegehren. Genauso war es.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte abschließend noch einmal sagen...

Herr Minister Birkmann, Sie haben Herrn Buse übersehen.

Ja, bitte schön.

Herr Minister, Sie haben den Artikel 45 der Landesverfassung zitiert und haben daraus die Nachrangigkeit von Wahlen, Volksbegehren, Volksentscheid für mich wahrnehmbar dargelegt. Meinen Sie denn auch, dass Gesetzesinitiativen, die aus unterschiedlichen Intentionen entstehen, also aus dem Parlament bzw. über ein Volksbegehren, unterschiedliches Gewicht haben?

Das kann man so allgemein nicht sagen. Gesetzesinitiativen, die über ein ausreichendes Quorum verfügen, die haben die gleiche Kraft. Deswegen ist es aber erforderlich, dass ein ausreichendes Quorum vorhanden sein muss, nämlich das verlangt das Demokratieverständnis. Genau deswegen sind wir gegen eine solche Absenkung und genau deswegen sind wir der Ansicht, dass die Verfassung es verbietet.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal abschließend betonen, dass wir, die Landesregierung, der Auffassung sind, dass die Gesamtheit der Umstände, und zwar die hier Genannten, in fünf Punkten, nämlich die Quoren bei der Unterstützung wie beim Volksentscheid, die Verletzung des Budgetrechts und auch die Abstimmung im Zusammenhang mit Wahlen, dass dies insgesamt die Verfassungsgemäßheit in Frage stellt, und zwar in einem solchen Maße, dass wir den Verfassungsgerichtshof anrufen mussten. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Der Abgeordnete Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion, hat sich zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es sind hier viele zielgerichtete Missverständnisse und Falschauslegungen passiert. So habe ich, Herr Ministerpräsident, auch die Landesregierung mit keinem Wort in meinem Redebeitrag erwähnt. Aber ich will auf zwei Bemerkungen eingehen, die von Herrn Althaus, der gesagt hat, die Kumulation sei das Problem. Auch Herr Dr. Birkmann hat eben gesagt, dass diese Verschiebung der Gewichte das Problem sei, dass die jetzigen Regelungen eigentlich unveränderbar sind.

Meine Damen und Herren, Sie degradieren die Plebiszite zum Hürdenlauf zur Absicherung des Vorrangs der parlamentarischen Demokratie.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS)

Die Bürgerdemokratie, meine Damen und Herren, muss ein würdiger Gang des Volkes in eigener Sache sein.

(Beifall bei der PDS)

Und den Vorrang der parlamentarischen Demokratie hat weder heute hier im Hause noch im Vorfeld jemand von den Vertreterinnen und Vertretern der Initiative je in Frage gestellt.

(Beifall bei der PDS)

Es ist immer deutlich gesagt worden,

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Irrtum, Herr Dr. Hahnemann.)

man will die parlamentarische Demokratie nicht antasten, sie soll nicht gefährdet werden, es soll eine ergänzende Bereicherung sein.

(Beifall bei der PDS)

Sowohl Herr Althaus als auch Herr Wolf haben in einem Zwischenruf davon gesprochen, Sie schützten die Verfassung. Bitte erlauben Sie mir drei Fragen. Warum glauben Sie, Sie schützten die Verfassung? Warum glauben Sie, andere täten das nicht? Warum glauben Sie, das Volk schon gar nicht?

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Wer hat denn das gesagt? Wenn ich sage, es schützen...)

Es ist doch genau die Lehre aus den Ereignissen der Weimarer Republik, dass nicht die Plebiszite die Weimarer Republik zugrunde gerichtet haben, denn die Parlamente haben sich ebenso unwürdig gebärdet. Nur durch die Bürgerinnen und Bürger wäre zu verhindern gewesen, was sich dort entwickelt hat.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Das stimmt doch nicht.)

Zweitens: Vor wem schützen Sie denn die Verfassung? Das Volk hat die Verfassung verabschiedet, das Volk hat das Recht, die Verfassung zu ändern. Wir dürften es doch auch.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Aber nicht mit 25 Prozent, Herr Dr. Hahnemann.)

Warum soll es also das Volk nicht dürfen? Wollen Sie wieder, dass das Volk vor sich selbst geschützt wird, dass dem Volk gesagt wird, was für es gut sei?

(Beifall bei der PDS)

Dritte Frage: Glauben Sie, die Verfassung vor dem Volk schützen zu müssen? Beteiligen Sie das Volk ausreichend, informieren Sie das Volk ausreichend über die politischen Gegenstände und Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass eine Minderheit oder das ganze Volk entscheiden würde, zwei mal zwei sei gleich fünf.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Das können Sie doch.)

(Beifall bei der PDS)

Nein, meine Damen und Herren, ich sage es Ihnen ganz ehrlich, genauso schwer wie es mir fällt, das zu sagen: Ich werde den Eindruck nicht los, Sie schaffen es nicht den Verdacht zu lindern, sich vor dem Volk schützen zu wollen.

(Beifall bei der PDS)

Sie sind nach meiner ehrlichen Auffassung der aktuelle Beleg dafür, wie die politische Klasse, wie die politischen Eliten der Parteien und Parlamente sich über die Bürgerinnen und Bürger erheben.