Protokoll der Sitzung vom 17.05.2001

Herr Abgeordneter Wolf, halten Sie Ihre Meldung noch aufrecht? Bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, nun noch mal, ich habe es vorhin versucht zu erläutern. Im Verfahren zum Volksbegehren muss ein fertiger und damit auch ein praktisch unveränderbarer Gesetzentwurf durch den Einbringer vorliegen. Und alles, was an Erläuterungen oder Begründungen für diesen Gesetzentwurf notwendig ist, muss zu Beginn des Verfahrens in diesem Gesetzentwurf enthalten sein. Das Parlament kann dabei, anders als sonst im parlamentarischen Verfahren üblich, den Gesetzentwurf durch die Beratung nicht mehr abändern. Der parlamentarische Gesetzgeber kann entweder zustimmen oder den unveränderten Entwurf dem Volk zur Entscheidung vorlegen. Er kann, wenn er möchte, einen eigenen Entwurf zur Abstimmung vorlegen, aber der so eingereichte Entwurf ist in der unveränderten Form zur Abstimmung dem Volk vorzulegen, wenn ihn der Landtag nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist annimmt. Sollten Veränderungen gewollt sein, so ist dies immer nur mit Zustimmung der Einreicher möglich, aber das Parlament hat gar nicht die Möglichkeit, hier in dem normal üblichen parlamentarischen Verfahren einen solchen Gesetzentwurf zu beraten und zu verändern. Aus diesem Grunde sehe ich auch nicht den Bedarf, ein entsprechendes Rederecht hier im Plenum zu schaffen, was

auch nach der Verfassungslage - wie es der Kollege Stauch gerade vorgetragen hat - gar nicht geht, aber auch nicht in den Ausschüssen, denn auch der Ausschuss ist nicht berechtigt, den vorliegenden Gesetzentwurf in seiner Form und seiner Art abzuändern. Wenn entschieden wird, dann wird über den vorliegenden Gesetzentwurf in unveränderter Form durch einen Volksentscheid entschieden. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt gibt es mehrere Meldungen, aber zuvor hat sich der Abgeordnete Schwäblein noch gemeldet, dann Abgeordneter Botz, Abgeordneter Hahnemann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich melde mich hier zu Wort als angeblich Geknebelter und Geknechteter der ersten Reihe unserer Fraktion. Diesem Eindruck, der von Herrn Pidde verbreitet wurde, möchte ich heftig widersprechen.

(Beifall bei der CDU)

Zuvor, Herr Dr. Hahnemann, möchte ich Ihnen auf Ihren Vortrag antworten. Sie unterstellen permanent Dinge, die unsere Verfassung nicht hergibt. Dort ist nicht von der Gleichwertigkeit von repräsentativer und direkter Demokratie die Rede,

(Beifall bei der CDU)

sondern, wenn Sie die in der Verfassung entsprechenden Artikel tatsächlich in Augenschein nehmen, gibt es allein durch die Aufzählungsart schon eine Rangordnung und das ist in der verfassungsrechtlichen Auslegung überall und tatsächlich der Brauch, nur Sie nehmen das nicht zur Kenntnis. Jedes hat seinen Ort und jedes hat seine Zeit.

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Aufzählung ist nicht gleich Rangordnung.)

Die Gespräche mit der Bürgerinitiative finden von unserer Seite statt, aber nicht hier vom Pult aus, sondern in anderen Räumlichkeiten, das wissen Sie. Und, Herr Kollege, ich merke auch an Ihrer Reaktion, Sie wollen doch mit dem Bürgerbegehren etwas ganz anderes, nämlich Wahlen im Nachhinein korrigieren. Und Sie nutzen jede Gelegenheit dazu, jede!

(Beifall bei der CDU)

Aber das war nicht so sehr mein Thema, ich wollte noch mal dem Eindruck widersprechen, der heute wieder von der Opposition erweckt wurde, dass hier eine arrogante, starke Mitte nach Möglichkeit Rederecht, Antragsrecht und Frage

recht von Abgeordneten beschneiden will. Also, meine Damen und Herren, allein schon vom Ansatz her: Eine Geschäftsordnung soll möglichst lange gelten. Okay, diesem Anspruch können wir uns anschließen. Aber sollte dann eine Verfassung nicht noch viel länger gelten? Da sind Sie aber heftig dabei, sie zu ändern

(Beifall bei der CDU)

und mal so schnell dahin. Nein. Wir prüfen in jedem Falle, wann sich eine Verfassungsänderung lohnt, und wann sich eine Geschäftsordnungsveränderung lohnt und über die Jahre hat sich die Geschäftsordnung immer wieder fortentwickelt. Es ist ja nicht so, dass wir sie das erste Mal verändern, es wird aber der Eindruck erweckt. Das ist nicht richtig. Und, Herr Pidde, ganz deutlich, ich habe eingangs schon darauf hingewiesen, ich fühle mich keineswegs vom Fraktionsvorstand heute gedrängt, unbedingt Regelungen zuzustimmen, die ich nicht im Inneren mittrage. An der einen oder anderen Stelle hätte ich vielleicht ein Nuance geändert, aber in der Demokratie sollten Sie nach so vielen Jahren tatsächlich gelernt haben, wie das funktioniert. Da gibt es ausreichend Beratungsmöglichkeiten, auch bei uns, es hat sie auch im Ausschuss gegeben, es gab interfraktionell Gespräche, die Sie nur unzureichend angenommen haben, dann haben Sie Gestaltungsmöglichkeiten verschenkt. Jetzt beschweren Sie sich bitte nicht bei uns darüber, dass Sie Chancen ausgelassen haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben eine Strukturierung vornehmen wollen bezüglich der Redezeit. Ich teile das Anliegen immer noch. Und wie man dann - das ist hier erstaunlich gelungen - einen Buhmann aufzubauen versucht, der da heißt CDU, und der eine oder andere Journalist ist auch auf die Leimrute gestiegen und hat das fleißig dann auch nachgesprochen, aber wenn Sie das aufrechterhalten wollen, da müssen Sie nicht nur das Europäische Parlament kritisieren, sondern auch den Bundestag, der sehr wohl unterscheidet, ob die Themen eine, zwei oder drei Stunden behandelt werden. Darüber wird man sich vorher einig. Da wird tatsächlich eine Struktur in die Debatte gebracht. Ich kann darin nichts Verwerfliches sehen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun zum Fragerecht. Es wird, so das heute so durchkommt, ich hoffe es, tatsächlich ein Stück demokratischer.

(Beifall bei der CDU)

Und jetzt, Herr Pidde, zum Selbstverständnis gegenüber Ministerien. Möglicherweise haben Sie die Ministerien, in denen Sie Minister gestellt haben, kolonialisiert mit Ihren Genossen. Wir tun das in der Regel nicht.

(Beifall bei der CDU)

Es fällt mir überaus schwer, aber das ist auch der Normalfall, an Ministern vorbei eine Auskunft aus dem Ministerium zu bekommen. Ich bin genauso auf das Fragerecht angewiesen wie Sie und ich will mir diese Möglichkeit auch nicht einschränken lassen.

(Unruhe bei der PDS, SPD)

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS)

Und eine gut organisierte Truppe kann das Fragerecht sehr wohl einer einzelnen Fraktion zuschlagen. Wir hatten so einen ähnlichen Fall - der eine oder andere von Ihnen saß da noch nicht im Parlament - in der vorletzten Legislaturperiode, als eines Tages die PDS alle oder fast alle Redner in einer Landtagsdebatte mit Fünfminutenbeiträgen hier auflaufen ließ. Das ist theoretisch jetzt immer noch drin. Wir haben da nur mal angedeutet, was passiert, wenn wir das auch tun? Wir haben nur mal die Hälfte unserer Leute ans Pult geschickt und danach war diese sehr offensive Auslegung der Geschäftsordnung kein Thema mehr, ich sage bewusst "sehr offensive Auslegung der Geschäftsordnung". Wenn also eine Geschäftsstelle sehr gut organisiert ist und unmittelbar nach dem Plenum möglichst viele Fragen einreicht, haben die anderen Fraktionen keinerlei Fragerecht mehr nach unserer jetzigen Regelung. Dann können wir irgendwann einen Wettlauf der Geschäftsstellen anfangen oder wir sorgen dafür, dass möglichst jeder Abgeordnete, der dieses wünscht, auch die wichtigste Frage loswerden kann.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Die letzten zehn Jahre war keine Fraktion so.)

Herr Gentzel, es ist nicht ausgeschlossen.

Wenn Sie sich mal anschauen, wer Fragen untergebracht hat, wer da sehr viele Fragen hintereinander gestellt hat, Sie müssen nur mal die Tagesordnung anschauen - des Lesens sind Sie ja kundig, des Redens gelegentlich nicht, des Denkens sehr häufig nicht, Herr Gentzel -, dann können Sie tatsächlich nachvollziehen, dass da eine gewisse berechtigte Sorge hinter dem steht, was wir hier bewegen. Mit der Gewissheit, dass jeder, der es wünscht, dann auch mit hoher Sicherheit eine Frage tatsächlich stellen kann, wird dieser Landtag ein Stück demokratischer. Zur Demokratie, und da muss ich die Kollegin Bechthum noch mal ansprechen wegen einer Äußerung von heute Morgen, die ich noch nicht verdaut habe, zur Demokratie gehört auch, Frau Bechthum, dass man in der Opposition nicht jede Vorstellung, die man hat, durchbekommt. Den anderen dann Diktatur vorzuwerfen, ist eine Unverschämtheit und ich weise sie heute noch einmal vom Pult aus zurück. Sie haben gelegentlich solche Entgleisungen, das war heute eine schlimme Entgleisung, eine ganz, ganz schlimme Entgleisung und es wäre an der Zeit, dass Sie sich dafür entschuldigen.

(Unruhe bei der SPD)

Sie werden von den CDU-Oppositionen, die es ja im Bund und in den Ländern gibt, hoffentlich an keiner Stelle den Vorwurf an die SPD-Mehrheit hören, dass sie mit ihrer Mehrheit eine Diktatur ausübt. Bitte lassen Sie diesen Blödsinn, vergiften Sie nicht die Atmosphäre. Sie ist durch Ihre Äußerungen schon genügend belastet. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es hat das Wort Herr Dr. Botz, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte ausschließlich nur noch einmal kurz auf die Änderungen der Geschäftsordnung eingehen und das Wort vor allen Dingen an die verehrten Kollegen der CDU richten.

Meine Damen und Herren, natürlich sind Sie Mitglieder einer Mehrheitsfraktion, die aus demokratischen Wahlen für eine Legislatur mehrheitlich hervorgegangen ist. Etwas anderes zu behaupten, wäre unstrittig. Sie freuen sich darüber, das ist Ihr gutes Recht. Sie können das bewerten wie Sie wollen, aber, meine Damen und Herren, daraus muss man doch nicht zwangsläufig die Notwendigkeit ableiten, auch mehrheitlich zum Handlanger einer schleichenden Auszehrung parlamentarischer Grundrechte zu werden.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Und genau das ist es, was Sie heute hier - deswegen sitzen Sie ja im Augenblick auch wieder so zahlreich da - mit der Macht Ihrer Stimmen und Ihrer Mehrheit durchsetzen wollen. Es gibt aber, meine Damen und Herren, keine Notwendigkeit dafür. Es besteht keine Not, das zu tun in sehr vielen Punkten, die Sie heute hier durchdrücken wollen, die gibt es nicht.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Na vielen Dank.)

Ich möchte nur noch einmal auf drei Punkte eingehen, ohne in Details zu gehen, was Sie jetzt hier unter anderem an Unzumutbarem entscheiden werden. Sie tragen zu einer Einschränkung der Meinungspluralität in der Volksvertretung bei. Das ist eindeutig. Ich brauche das hier nicht noch einmal zu untersetzen, aber das ist die endgültige Wirkung einer Entscheidung, die Sie hier so vehement vertreten.

(Unruhe bei der CDU)

Sie schwächen, meine Damen und Herren, die Position der zur Neutralität verpflichteten Präsidentschaft.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Im Gegen- teil!)

Das tun Sie in einer Art und Weise,

(Beifall bei der PDS, SPD)

die unzumutbar für jegliche Präsidentschaft eines frei gewählten demokratischen Parlaments ist. Es kann nicht sein, dass eine zeitlich befristet existierende Mehrheit, die es gottlob in einer Demokratie gibt und geben muss - in dem Falle sind es einmal Sie, es wird andere Zeiten in Thüringen geben -,

(Beifall bei der PDS, SPD)

darüber entscheidet, ob hier eine Frage als beantwortet gilt oder nicht.

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU: Das ist gestrichen, Herr Botz.)