Protokoll der Sitzung vom 18.05.2001

Ich begrüße die Damen und Herren Abgeordneten - es gibt Fraktionen, die sehen noch sehr leerreich aus - die Vertreter der Landesregierung und die Gäste auf der Besuchertribüne und eröffne die 44. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am heutigen 18. Mai 2001. Als Schriftführer haben neben mir Platz genommen der Abgeordnete Pohl und der Abgeordnete Braasch; der Abgeordnete Braasch führt die Rednerliste.

Für die heutige Sitzung - Herr Fraktionsvorsitzender Buse, Sie klären Ihr Problem recht lautstark - haben sich entschuldigt Herr Minister Dr. Birkmann, Herr Minister Dr. Pietzsch, Frau Abgeordnete Neudert, Herr Abgeordneter Schemmel, Herr Abgeordneter Scheringer, Frau Abgeordnete Dr. Wildauer, Frau Abgeordnete Zimmer.

Damit komme ich bereits zum Aufruf des Tagesordnungspunkts, den wir heute als Erstes behandeln. Es ist der Tagesordnungspunkt 19

Bericht des Petitionsausschusses gemäß § 103 GO

Den Bericht wird der Vorsitzende des Petitionsausschusses, der Abgeordnete Kölbel, CDU-Fraktion, geben. Ich bitte um die Vornahme des Berichts und dann kommen wir zur Aussprache.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, verehrte Gäste, gemäß § 103 der Geschäftsordnung stelle ich Ihnen den 10. Bericht des Petitionsausschusses des Thüringer Landtags für den Berichtszeitraum vom 1. Januar 2000 bis 31. Dezember 2000 vor.

Nach einigen Zahlen zur Ausschussarbeit werde ich auf die Arbeitsweise des Petitionsausschusses eingehen und anschließend über Schwerpunkte der Petitionen berichten.

Im Jahr 2000 wurden 997 Eingaben, das sind also rund 1.000, an den Petitionsausschuss des Thüringer Landtags gerichtet. Das sind etwa 100 Eingaben mehr als im vorausgegangenen Berichtszeitraum. Neben diesen Neueingaben hatte der Petitionsausschuss 2000 699 Petitionen aus den Vorjahren und damit insgesamt 1.696 Petitionen, also rund 1.700 Petitionen, zu bearbeiten.

Der Petitionsausschuss hat 2000 in 11 Ausschuss-Sitzungen 1.350 Petitionen behandelt, davon 1.065 abschließend.

Daneben hatte der Petitionsausschuss gemäß Beschluss des Landtags vom 16. Dezember 1999 das Thüringer Bürgerbeauftragtengesetz zu beraten. Der auf der Grundlage dieses Gesetzes gewählte Bürgerbeauftragte hat inzwischen seine Arbeit aufgenommen und war auch bereits in verschiedenen Sitzungen des Petitionsausschusses anwesend.

Von den 1.065 Petitionen hat der Ausschuss 515-mal die Eingabe für erledigt erklärt. Bei 317 Eingaben musste der Ausschuss feststellen, dass dem vorgebrachten Anliegen nicht abgeholfen werden kann. 18 Eingaben hat der Ausschuss der Landesregierung überwiesen und 82 an die zuständigen Stellen weitergeleitet. 157-mal hat der Ausschuss Eingaben den Fraktionen zur Kenntnis gegeben und 134 Petitionen Fachausschüssen als Material überwiesen. In 55 Fällen hat der Ausschuss von einer sachlichen Prüfung abgesehen.

Tatsächlich abhelfen konnte der Ausschuss jeder 13. Petition - das sind 7,6 Prozent der Fälle. Durch Auskunft, das heißt durch Aufklärung der Sach- und Rechtslage, wurde in einem Drittel der Fälle zur Lösung des Problems beigetragen. 4,3 Prozent der Petitionen erledigten sich dadurch, dass die Petenten ihr Begehr nicht weiterverfolgten, z.B., weil sich ihr Anliegen durch eine Bescheiderteilung inzwischen erledigt hatte oder sie keinen Wert darauf legten, ihr Anliegen weiter zu verfolgen.

Der Anteil der Eingaben, die an die zuständigen Stellen, sei es an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags oder an die Petitionsausschüsse anderer Landtage, weitergeleitet wurden, beträgt 8 Prozent. Die der Landesregierung oder anderen Ausschüssen des Landtags überwiesenen oder den Fraktionen des Landtags zur Kenntnis gegebenen Petitionen haben zusammen einen Anteil von 29 Prozent der abschließend behandelten Petitionen.

Der Ausschuss konnte also die Behandlung von ca. drei Vierteln der Petitionen damit abschließen, dass den Anliegen entweder tatsächlich abgeholfen oder sie durch Informationen aufgeklärt werden konnten sowie durch Weiterleitung an zuständige Stellen weitergeholfen werden konnte oder auf eine Problematik überhaupt aufmerksam gemacht wurde. Dabei ist die Bedeutung des Anteils der durch Auskunft, das heißt durch Aufklärung der Sach- und Rechtslage erledigten Petitionen nicht gering zu schätzen, denn Bürgernähe muss in einer Demokratie in erster Linie durch Sachnähe geprägt sein. Das ist auch eine wesentliche Aufgabe des Petitionsverfahrens. Durch das Petitionsverfahren können nicht nur die rechtlichen Umstände eines Verwaltungshandelns, sondern auch die tatsächlichen Umstände, auf denen das Verwaltungshandeln beruht, geprüft und für den Petenten stärker differenziert dargestellt werden. Die Erläuterung von Verfahrensschritten macht das jeweilige Verwaltungsverfahren transparenter. All das zusammen kann zudem eine höhere Akzeptanz gegenüber einer rechtmäßigen Verwaltungsentschei

dung, die für den Petenten negativ war, schaffen.

Von den im Jahr 2000 eingegangenen Petitionen wurden 53 mündliche Petitionen - das sind 5,3 Prozent - an den Landtag gerichtet; 1996 waren es 12 Prozent, 1997 15 Prozent, 1998 19 Prozent und 1999 12 Prozent. Die Zahl der mündlich eingereichten Petitionen wird sich vermutlich erhöhen, wenn der Petitionsausschuss wieder Bürgersprechstunden als Ganzes durchführen sollte, derzeitig Einzelsprechstunden der Mitglieder. Eine machbare Lösung ist entsprechend zu beraten. Statistisch erfasst sind hier weder die zahlreichen persönlichen Vorsprachen und, ich möchte sagen, auch die inzwischen eingetretenen Hausbesuche zu laufenden Petitionsverfahren noch die vielen persönlichen Gespräche und Telefonate, die durch Informationen und Hinweise manche Petition entbehrlich machen. Sie sind dennoch zu erwähnen, da auch diese Arbeit viel Zeit in Anspruch nimmt.

(Beifall bei der CDU)

Im Anschluss an diese Zahlen - weitere Einzelheiten können der vorliegenden Statistik, die Sie alle erhalten haben, entnommen werden - soll nun näher auf die Arbeitsweise des Petitionsausschusses eingegangen werden.

Aufgabe des Petitionsausschusses ist es neben der Überprüfung des von Bürgern beanstandeten Behördenverhaltens diesen auch verständlich zu machen, dass eine Behörde sich von den Gesetzen leiten lassen muss, auch wenn zum Nachteil des Bürgers entschieden wird. Dies ist oft nur in Gesprächen möglich, an denen sowohl der Betroffene als auch Mitarbeiter der Verwaltung teilnehmen. Im Rahmen einer Petition hatte sich der Ausschuss mit der Befürchtung von Gewerbetreibenden auf überhöhte Beitragsbescheide des Zweckverbandes ihres Ortes für die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungs- und Entwässerungseinrichtung zu beschäftigen. Da der Petitionsausschuss zur Klärung der Problematik einen unmittelbaren Lösungsbedarf sah, fand ein Gespräch von Ausschussmitgliedern, dem Staatssekretär des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt, dem Leiter der Abteilung 3 des Innenministeriums und den Petenten unmittelbar statt, in dem von den Petenten aufgeworfenen Fragen direkt beantwortet werden konnten. Damit wurde gegenüber den Petenten zum Ausdruck gebracht, wie ernsthaft man um eine Lösung bemüht ist. Die Landesregierung berichtete in diesem Zusammenhang über die rechtlichen und die tatsächlichen Gegebenheiten. Die Schwierigkeiten des in Rede stehenden Zweckverbandes waren nicht erst seit dieser Eingabe bekannt. In der Vergangenheit wurde bereits nach Lösungsmöglichkeiten gesucht, die aber an der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Mitgliedsgemeinden scheiterten. Es wurde über geplante Aktivitäten informiert, um dem Zweckverband Hilfe zukommen zu lassen, damit sich dies letztendlich auch auf die Höhe der Beiträge auswirkt.

In einer anderen Angelegenheit, in der sich der Petent gegen die seiner Meinung nach ungerechtfertigte Erhebung von Abwassergebühren wandte, fand auf Wunsch der Stadt, die die Bescheide erlassen hat, ebenfalls ein Gespräch mit dem Petitionsausschuss statt, in dem die Stadt ihre Auffassung darlegte. Der Petitionsausschuss war dagegen der Meinung, dass die Bescheide rechtswidrig sind. Da diese jedoch bereits in Bestandskraft erwachsen waren, lag es nunmehr im Ermessen der Stadt aktiv zu werden. Obwohl der Ausschuss darauf hinwirkte, lehnte die Stadt eine Rücknahme der Bescheide ab.

Darüber hinaus hat der Petitionsausschuss auch im letzten Jahr an der Praxis festgehalten, Termine vor Ort durchzuführen. So war er in einer Petition gleich mehrfach vor Ort, und zwar in Bad Salzungen, um zu klären, inwieweit das Grundstück des Petenten durch Fahrzeuge erreicht werden kann. Es wurde darüber gestritten, wie breit der zum Grundstück führende Weg ist. In dem ersten Termin konnte die Auffassung des Petenten, dass der Weg für eine Befahrbarkeit mit größeren Fahrzeugen zu schmal sei, bestätigt werden. Um eine Lösung für das Problem zu finden, wurde ein zweiter Termin, diesmal im Beisein von Vertretern der Stadt, durchgeführt. Bei diesem Termin einigte man sich zunächst auf einen Kompromiss, mit dem der Petent hätte leben können. Da allerdings nicht nur die Nachbarn des Petenten ihre Einzäunung auf städtisches Eigentum gesetzt hatten, was zur Einengung des Weges führte, sondern auch ein Teil der Stützmauer des Petenten sich selbst auf öffentlichem Grund befindet, stimmte der Bürgermeister der Stadt letztendlich der Kompromisslösung nicht zu.

Trotzdem haben die durchgeführten Ortstermine immer wieder gezeigt, dass sich mit persönlichen Gesprächen oft mehr erreichen lässt, als wenn vom Schreibtisch aus nur agiert wird.

(Beifall bei der CDU)

Dies auch dann, wenn es nur darum ging, beim Vorliegen von Missverständnissen zwischen Bürgern und Behörden zu vermitteln. Daher ist es durchaus wünschenswert, mehr Ortstermine durchzuführen.

In einem weiteren Fall machte der Ausschuss von seinem Recht auf Vorlage der Akten Gebrauch. Der Petent hatte sich gegen einen Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen gewandt, in dem der Rückübertragungsantrag abgelehnt wurde. Der Petent äußerte Zweifel daran, ob die jetzigen Eigentümer des Grundstücks dieses damals tatsächlich redlich erworben hätten. Aufgrund der widersprüchlichen Aussagen des Petenten zu denen der Landesregierung veranlasste der Ausschuss eine Einsichtnahme in die Akten. Nach erfolgter Akteneinsicht teilte der Ausschuss die Zweifel des Petenten und überwies daher die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung.

Der Ausschuss sollte auch in den Fällen, in denen die Landesregierung eine Stellungnahme, z.B. wegen der fehlenden Zuarbeit von Kommunen, nicht abgeben kann, zukünftig verstärkt prüfen, ob er von seinem Recht auf Vorlage der Akten Gebrauch machen wird. Weiter kann der Ausschuss nach dem Thüringer Petitionsgesetz fordern, dass die Behörde durch einen Vertreter vor dem Ausschuss mündlich Auskunft gibt zu dem Gegenstand der Petition.

Die Umsetzung der Überweisungsbeschlüsse des Petitionsausschusses nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 GO war bereits Gegenstand des Jahresberichts 1997. Damals hatte der Petitionsausschuss gefordert, seinen Beschlüssen mehr Beachtung zu schenken. Dies soll hier noch einmal wiederholt werden. Dabei möchte ich deutlich darauf hinweisen, dass diese Forderung nur einen Teil der Überweisungen betrifft. Viele Berichte der Landesregierung sind sehr ausführlich und umfänglich; so nicht der Bericht der Landesregierung zu Fragen unterirdischer Hohlräume, den der Petitionsausschuss zunächst nur als Zwischenbericht akzeptieren konnte, ebenfalls der Bericht zu der Frage einer möglichen Änderung des § 134 Abs. 2 Thüringer Schulordnung. Zum eingangs benannten Fall haben wir ja gestern das Gesetz beschlossen.

Dem liegt Folgendes zugrunde: So erstrebten Eltern für ihren Sohn die Zulassung des Übertritts an ein Gymnasium, obwohl der Zeitpunkt für eine Aufnahmeprüfung bereits verstrichen war. Der Schüler besuchte die Klassenstufe 6 einer Freien Ganztagsschule, einer Schule in freier Trägerschaft. Sie ist als Ersatzschule genehmigt, ohne dass sie bisher den Status einer staatlich anerkannten Ersatzschule hatte. Das Verfahren zur Anerkennung war bereits eingeleitet. Trotz großer Bemühungen konnte der Petitionsausschuss nicht erreichen, dass dem Schüler das Nachholen der Prüfung ermöglicht wurde. Dem betroffenen Schüler und seinen Eltern war diese Entscheidung nur schwer zu vermitteln, weil u.a. sich die übrigen künftigen Schüler mit der staatlichen Anerkennung der Schule keiner Aufnahmeprüfung mehr für den Übertritt an ein Gymnasium unterziehen müssen. Wegen der grundsätzlichen Frage, ob für Einzelfälle eine Ausnahmeregelung in § 134 Abs. 2 Thüringer Schulordnung zur Nachholung der Aufnahmeprüfung geschaffen werden könnte, überwies der Petitionsausschuss die Eingabe der Landesregierung als Material. In dem vorgelegten Bericht der Landesregierung wurde aber auf diese Frage nicht eingegangen, so dass der Ausschuss den Bericht lediglich als Zwischenbericht ansehen konnte und nun einer weiteren Stellungnahme der Landesregierung entgegensieht.

Anhand einiger Schwerpunkte soll nun ein Überblick über die letztjährige Arbeit gegeben werden und aus den verschiedenen Bereichen ganz bestimmte Höhepunkte beispielgebend dargelegt werden.

Im Bereich Soziales und Gesundheit lagen dem Petitionsausschuss zahlreiche Eingaben zur Situation der psychotherapeutischen Versorgung in Thüringen sowohl von der Seite der Psychotherapeuten als auch von der Seite der Patienten vor. Dieses Problem wurde bereits im letzten Bericht angesprochen. Der Petitionsausschuss hatte die Eingaben zur Situation der Psychotherapeuten mehrfach beraten. Im November 1999 gab es Bemühungen, die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen, die Landesvertretung der Ersatzkassen in Thüringen und andere auf eine Budgeterhöhung für psychotherapeutische Leistungen um rund 4 Mio. DM zu einigen. Leider ist diese Vereinbarung nicht zustande gekommen, da die Ersatzkassenverbände ihre Zustimmung zur bereits gefundenen Lösung nicht erteilten. Um dennoch eine Problemlösung zu erreichen, hat das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit am 9. Dezember 1999 die Schiedsämter angerufen. In der Zwischenzeit hatte die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen wegen der nicht geklärten Vergütungssituation ein Notprogramm für die in Schwierigkeiten geratenen Praxen aufgelegt, um Psychotherapeuten zu ermöglichen, ihrer Verpflichtung zur Behandlung der Patienten nachzukommen. Die Entscheidung des Schiedsamtes vom 17. Februar 2000 ist ergangen. Diese brachte keine Verbesserung der Lage der Psychotherapeuten. Ab dem 25. März 2000 wurde von der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen ein neuer fester Punktwert von 7,16 Pfennig festgestellt. Aufgrund dieses Punktwertes wurde mit einer Entspannung der Lage der Psychotherapeuten gerechnet. Darüber hinaus hatte die Landesregierung entschieden, mit einer Bundesratsinitiative im Zusammenhang mit einer angemessenen Vergütung psychotherapeutischer Leistungen eine Erhöhung der Gesamtvergütung für das Jahr 1999 zu erreichen. Dies sollte sich auch auf das Jahr 2000 auswirken. Der Bundesratsinitiative, die im Mai 2000 eingebracht wurde, wurde jedoch nicht entsprochen. Der Petitionsausschuss hat im Ergebnis aller Bemühungen keine Möglichkeit gesehen, über das oben Genannte hinaus eine Erhöhung des Budgets der Psychotherapeuten zu erreichen.

Viele Petitionen richteten sich auch gegen die Erstattung der Ausbildungskosten von Altenpflegepersonal. Durch das Erste Gesetz zur Änderung des Thüringer Altenpflegegesetzes ist geregelt, dass alle zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des SGB XI an der Erstattung der Ausbildungsvergütung zu beteiligen sind. Das durch die Ausbildungsumlage veränderte Abrechnungsverfahren gilt ab 1. März 2000. Seitdem haben die umlagepflichtigen Einrichtungen ihre Leistungsbescheide erhalten. Je betreuter Person wird danach ein Jahresumlagebetrag ermittelt. Für den stationären Bereich ergab sich für 2000 hieraus ein Betrag von 2,17 DM täglich als Bestandteil der vereinbarten Pflegesätze. Die Pflegebedürftigen haben dann einen Anteil aufzubringen, wenn die Kosten der Pflege insgesamt die Leistungen der Pflegeversicherung übersteigen. Eine Umlageverpflichtung wie in Thüringen besteht auch in anderen Bundesländern. Gegen diese Umlage wurden bereits verfassungsrechtliche Be

denken erhoben. Einzelne Gerichte anderer Länder haben sich dieser Bedenken angenommen und entsprechende Vorlagebeschlüsse an das Bundesverfassungsgericht gerichtet. Gegen die vorgenannten Leistungsbescheide wurde auch in Thüringen flächendeckend Widerspruch eingelegt. Der Petitionsausschuss seinerseits hat die Petitionen zur Ausbildungsumlage noch nicht abschließend beraten, da er die noch ausstehenden Widerspruchs- und die Gerichtsentscheidungen in seine Entscheidung auch einbeziehen will.

Die schon in den vergangenen Jahren ausführlich beschriebene Problematik des Vertriebenenzuwendungsgesetzes war auch in diesem Jahr Anlass zu mancher Petition. Für die Petenten ist es einfach nicht nachvollziehbar, dass sie zwar als Vertriebene anerkannt, die Zuwendung jedoch versagt bleibt, weil sie gemäß des Vertriebenenzuwendungsgesetzes nach der Vertreibung ihren ständigen Wohnsitz bis zum 3. Oktober 1990 nicht ununterbrochen im Beitrittsgebiet innehatten oder aus verschiedensten Gründen den Antrag nicht fristgemäß stellen konnten. Die Tatsache, dass sie zeitweise nicht in der DDR gelebt hätten, ändert nichts daran, dass sie Vertriebene sind. Sie wurden aus ihrer Heimat vertrieben, hatten Hab und Gut zurückgelassen. Das Ziel des Vertriebenenzuwendungsgesetzes, Würdigung des Schicksals der Vertriebenen, die nach ihrer Vertreibung in der ehemaligen DDR gelebt haben und sich dort nicht zu ihrem Vertriebenenschicksal bekennen durften und in der Regel keinerlei Eingliederungshilfe erfahren haben, wird von ihnen in Frage gestellt. Viele Petenten hoffen deshalb auf vielleicht doch noch eine Novellierung des Bundesgesetzes. Der Petitionsausschuss, der aufgrund der derzeit geltenden Rechtslage in den meisten Fällen nicht abhelfen kann, leitete deshalb diese Petitionen zuständigkeitshalber an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages weiter, gewissermaßen als lebende Beispiele wie das Leben tatsächlich ist.

Eingaben zu Fragen der Sozialhilfe, also die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt oder Hilfe in besonderen Lebenslagen, sind immer sehr individuell und berühren die verschiedensten Bereiche. So gibt es beispielsweise Fragen zur Vereinbarkeit von Ansparen einer Lebensversicherung zur Altersvorsorge und der Gewährung von Sozialhilfe oder Fragen zu Einmalzahlungen, beispielsweise für einen Umzug oder die Renovierung der Wohnung. In einem Fall bat der Petent um die Übernahme von Kosten für die Teilnahme an verschiedenen gesellschaftlichen Veranstaltungen. Er mahnte an, einen Pass für sozial schwache Bürger des Landes einzuführen. Dieser Petent erhält aufgrund einer Behinderung eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die nach seinen Angaben aber nicht ausreicht, um an vielen gesellschaftlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Er zählte verschiedenste Veranstaltungen auf, an denen er leider aufgrund der für ihn unerschwinglichen Eintrittspreise nicht teilnehmen könne. Aufgrund der Höhe seiner Rente hatte der Petent keinen Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen des Bundessozial

hilfegesetzes. Ihm wurden jedoch Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe, z.B. für Bekleidung oder auch Einrichtungsgegenstände, gewährt. Für Aufwendungen des persönlichen Bedarfs, z.B. Ausgaben zur Freizeitgestaltung, können Einzelpersonen unmittelbar keine Zuschüsse erhalten. Der Petent hat aber einen Sozialausweis erhalten. Inhaber dieses Ausweises können neben einer kostenlosen Nutzung kommunaler Einrichtungen auch verschiedene preisgünstige Eintrittsgelder erhalten sowie verminderte Behördengebühren geltend machen.

Für den Bereich des Rentenrechts ist eine Petition, mit der die Weitergewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente begehrt wurde, hervorzuheben. Betroffene waren aufgrund einer Vielzahl von Krankheitsbildern seit Jahren erwerbsunfähig und erhielten eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Rentenversicherungsträger sind gesetzlich verpflichtet, das Vorliegen der Voraussetzungen für den weiteren Rentenbezug in geeigneten zeitlichen Abständen zu überprüfen. Nach im Jahr 1999 durchgeführten gesundheitlichen Untersuchungen sind die Voraussetzungen für die Gewährung der Rentenzahlungen weggefallen. Nach diesen Untersuchungen wurde dem Petenten ein vollschichtiges Leistungsvermögen attestiert. Die Rente wurde ihm entzogen. Hiergegen hat er Widerspruch eingelegt, weitere Gutachten vorgelegt sowie um eine neue gesundheitliche Beurteilung durch einen freien bzw. auch einen anderen Gutachter gebeten. Nach nochmaliger Auswertung der ärztlichen Gutachten sowie nach der Stellungnahme des ärztlichen Sachverständigen der LVA Thüringen blieb es bei der Beurteilung seines Leistungsvermögens. Der Petent wurde danach für fähig erachtet, leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten mit Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Für Versicherte, die vollschichtig einsatzfähig sind, ist nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und den Bestimmungen der §§ 43 und 44 des Sozialgesetzbuchs VI der Arbeitsmarkt grundsätzlich als offen anzusehen. Da ihm mit amtsärztlichen Gutachten ein vollschichtiges Leistungsvermögen attestiert wurde, hat sich der Petent nun auf dem Arbeitsmarkt um Arbeit bemüht. Auf dem Arbeitsamt erhielt er aber die Auskunft, dass seine Chancen gleich null seien. Eine Leistung des Arbeitsamtes werde er deshalb nicht erhalten, sondern nur Sozialleistungen.

Dies ist ein grundlegendes Problem: einerseits die Bestätigung einer vollschichtigen Einsatzfähigkeit und andererseits in der Praxis kaum eine Chance auf eine Arbeitsplatzvermittlung. An einer Lösung dieses Problems wird insgesamt weiter gearbeitet werden müssen.

Im Innenbereich hatten die Eingaben zu kommunalen Angelegenheiten mit 13,5 Prozent - wie auch in den Vorjahren - einen erheblichen Anteil an der Gesamtzahl der Petitionen. Den Schwerpunkt bildeten hierbei unverändert Eingaben zu kommunalen Abgaben. Insbesondere der Umgang der entsprechenden Aufgabenträger mit der Beitragserhebung bei leitungsgebundenen Einrichtungen stellt sich weiterhin als sehr schwierig dar. Aus den Peti

tionen ist ersichtlich, dass die Zusammenarbeit zwischen den kommunalen Aufgabenträgern und den Petenten weiterhin als sehr angespannt einzustufen ist. Häufig fehlende Vorinformationen einerseits und eine mangelhafte Bestimmtheit des Beitragsbescheides andererseits führen oftmals dazu, dass bei den Petenten das Gefühl entsteht, zur Altschuldentilgung des entsprechenden Aufgabenträgers einfach herangezogen zu werden. Gerade bei den Kommunalabgaben hat der Ausschuss daher seine Bemühungen fortgesetzt, durch ausführliche Informationen die Akzeptanz bei den betroffenen Bürgern für die Erhebung der Beiträge und Gebühren zu erhöhen. In manchen Fällen konnte der Petitionsausschuss auch auf eine einvernehmliche Lösung hinwirken. So konnte einem Petenten geholfen werden, die rückwirkende Gebührenforderung eines Zweckverbands in Höhe von 20.000 DM abzuwenden. Dies wurde ihm für eine in den vergangenen Jahren erfolgte Trinkwassernotversorgung seines im Außenbereich befindlichen Grundstücks, welches keine Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung hat, auferlegt. Da der Petent jedoch für den in Rede stehenden Zeitraum bereits regelmäßig Wassergebühren bezahlt hat, konnte ihn der Ausschuss bei der Durchsetzung seiner Rechte unterstützen.

Weiterhelfen konnte der Ausschuss einer Petentin, die sich gegen die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag für ein nicht mehr in ihrem Eigentum stehendes Grundstück gewandt hatte. Bei der Veräußerung dieses Grundstücks war sie davon ausgegangen, dass keine Beitragsschulden bestehen, so dass sie auch vertraglich nicht entsprechend mit dem Käufer dies berücksichtigt hatte. Bei der Bearbeitung dieser Eingabe hat sich herausgestellt, dass die entsprechenden Anwohner zwar bereits im Vorfeld über die Durchführung einer beitragspflichtigen Maßnahme informiert wurden, das Grundstück der Petentin jedoch dabei vergessen worden ist, so dass sie die Beitragsforderung ziemlich unvorbereitet getroffen hat. Entscheidend war jedoch, dass der Ausschuss festgestellt hat, dass die Petentin zum Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks war. Der in Rede stehende Bescheid war somit rechtswidrig und wurde auch aufgehoben.

An dieser Stelle soll auch auf Petitionen verwiesen werden, die eine Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes zum Inhalt hatten. So wurden im letzten Bericht des Petitionsausschusses Eingaben angesprochen, mit denen die Petenten eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes dahin gehend erzielen wollten, dass Beiträge zinslos zu stunden sind, solange Grundstücke als Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes genutzt werden.

Diesem Anliegen konnte dadurch entsprochen werden, dass durch das Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und zur Einführung von Verbraucherbeiräten eine entsprechende Passage eingearbeitet und berücksichtigt wurde. Den Petitionen, in denen eine Heran

ziehung der Altanschlussnehmer gefordert wurde, konnte durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes ebenfalls entsprochen werden.

Zur Abfallwirtschaft eingegangene Petitionen hatten - wie auch schon in den Vorjahren - hauptsächlich die Beanstandung des Gebührenmaßstabes zum Inhalt. So beanstandeten Petenten die Erhebung einer Grundgebühr, welche unabhängig von dem angefallenen Abfall gefordert wird. Dabei sahen sich diejenigen benachteiligt, die ihren Müll ordnungsgemäß sortierten und deren Restabfallmenge dementsprechend gering ist, deren Grundgebühr jedoch genauso hoch ist wie bei Familien, die den Abfall nicht trennen. Weiter wurde der von den Abfallentsorgungsträgern angewandte Personenmaßstab beanstandet, insbesondere dort, wo ein Kind z.B. außerhalb des Haushalts studiert und dabei in einer anderen Stadt wohnt, wo aber die Abfallgebühren weiterhin am Hauptwohnsitz erhoben werden. Dies stößt bei vielen unseren Bürgern im Freistaat Thüringen auf Unverständnis und das hält bis heute eigentlich an.

Im Bereich der Wasserwirtschaft hatte sich eine kleine Gemeinde an den Petitionsausschuss gewandt und gebeten, im Hinblick auf die innerorts vorherrschende untragbare Abwassersituation bei der Fördermittelvergabe berücksichtigt zu werden. Nach der EU-Richtlinie, die der Fördermittelvergabe bei abwassertechnischen Maßnahmen zugrunde liegt, können jedoch Gemeinden unter 2.000 Einwohnern nicht vor dem Jahr 2005 gefördert werden. Das in die Bearbeitung einbezogene Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt hatte zudem mitgeteilt, dass die entsprechende Gemeinde ein ihr unterbreitetes Angebot, das einen Anschluss an eine größere Kläranlage vorsah, abgelehnt hatte. Nunmehr muss diese Gemeinde als Grundvoraussetzung für die Vergabe von Fördermitteln ein Investitions- und Finanzierungskonzept für die gesamte Ortschaft erstellen, das trotz mehrmaliger Anmahnung bisher noch nicht vorgelegt wurde. Der Petitionsausschuss hat daher beschlossen, die Gemeinde nochmals auf die Notwendigkeit einer kooperativen Zusammenarbeit hinzuweisen. Weiter wird der Ausschuss die Gemeinde nach Vorlage des noch ausstehenden Finanzierungskonzepts darin unterstützen, mit dem zuständigen Ministerium zusammenzukommen, um zielorientiert eine abwassertechnische Lösung für diese Gemeinde zu finden.

Beschwerden über Behörden hatten u.a. das Verhalten von Fahrerlaubnisbehörden zum Inhalt. Beanstandet wurde zum einen die Ablehnung der Behörden auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis, die den Petenten zuvor wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss entzogen worden war. In einem Fall konnte nur festgestellt werden, dass die Ablehnung der Fahrerlaubnisbehörde aufgrund der durchgeführten MPU nicht zu beanstanden war. Aber auch wenn die Behörde die Vorlage eines solchen Gutachtens verlangt hat und dem nicht nachgekommen wird, kann daraus auf die Nichteignung des Bewerbers zum Führen von Kraft

fahrzeugen geschlossen werden. Soweit hier in einer Angelegenheit finanzielle Gründe angeführt wurden, aus denen die Teilnahme an einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht möglich war, suchte der Ausschuss nach Möglichkeiten der Hilfe. Nach Auskunft des Sozialamtes war dem Petenten aber bereits ein Darlehen zur Teilnahme an der MPU gewährt worden, durch welche ihm jedoch weiterhin die Nichteignung beschieden wurde. Da er außerdem das Darlehen bislang nicht zurückgezahlt hat, konnte eine weitere Unterstützung nicht angeboten werden. Zum anderen gab es Eingaben zur Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörden, von der Erteilung des Führerscheines abzusehen, wenn der Bewerber das Mindestalter von 18 Jahren noch nicht erreicht hat. Dies ist nur unter ganz eng umrissenen Voraussetzungen möglich, um zu vermeiden, dass Missbrauch betrieben wird. Da die entsprechenden Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben waren, konnte der Petitionsausschuss insoweit nicht helfen.

Auch in diesem Jahr betraf die überwiegende Anzahl der eingereichten Petitionen auf dem Gebiet des Strafvollzugs den Vollzugsalltag der Strafgefangenen. So wurden Beschwerden gegen die Anstaltsleitung oder die Verpflegung vorgebracht oder man bat um Lockerung des Vollzugs. Soweit der Petitionsausschuss es hier für erforderlich ansah, überwies er die Eingaben an die Strafvollzugskommission, die sich als ständiger Unterausschuss des Petitionsausschusses mit dem Vollzug von Freiheitsstrafen sowie freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und der Sicherung befasst und deshalb Justizvollzugsanstalten besichtigt. Auch in diesem Jahr führten wir einige Besuche durch, so in der Justizvollzugsanstalt in Gera und auf der Baustelle der Justizvollzugsanstalt in Gräfentonna. Die Kommission besuchte auch erstmalig den Maßregelvollzug des Landesfachkrankenhauses Mühlhausen, um sich über die dort zum Teil auch im Rahmen von Petitionsverfahren beanstandete Situation ein Bild machen zu können. Über den Verfahrensstand des dort geplanten Neubaus wird sich die Strafvollzugskommission auch im Hinblick auf die Privatisierung des Landesfachkrankenhauses weiter von der Landesregierung unterrichten lassen.

(Beifall bei der CDU)

Auch im letzen Jahr wandten sich einige Petenten mit der Bitte an den Petitionsausschuss, Gerichtsentscheidungen zu überprüfen. Aufgrund des bestehenden Verfassungsgrundsatzes der Gewaltenteilung in Gesetzgebung, Justiz und Verwaltung, der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der Richter konnte der Petitionsausschuss hier nicht tätig werden, außer in den Fällen, in denen die Petition die Dauer der Verfahren zum Gegenstand haben wie im nachfolgenden Fall, in dem aber nach Prüfung durch das Thüringer Justizministerium eine Dienstpflichtverletzung der beteiligten Thüringer Richter nicht festgestellt werden konnte. Das beanstandete Verfahren war zunächst in Sachsen-Anhalt betrieben worden und

wurde daher auch an den Petitionsausschuss des dortigen Landtags weitergeleitet. Nach Abgabe des Verfahrens an die Thüringer Gerichtsbarkeit wurde das Verfahren jedoch kontinuierlich betrieben und dauerte nur deshalb so lange, weil verschiedenste Instanzen angerufen werden mussten.