a) auf Antrag der Fraktion der PDS zum Thema: "Mögliche Auswirkungen der Zusammenarbeit des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz mit Spitzenfunktionären rechtsextremistischer Organisationen auf derzeit laufende Verbotsverfahren" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/1617
Werte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wer von Ihnen am Dienstagabend nicht erst um 22.05 Uhr, sondern bereits um 19.00 Uhr das MDR-Fernsehen angestellt hatte, der konnte ein wenig Nachhilfe in Sachen Organisation und Arbeit eines Landesamts für Verfassungsschutz bekommen. Im Interview mit dem MDR-Thüringen Journal dozierte Bayerns Innenminister Günter Beckstein über Gebote und Verbote, die die Verfassungsschützer bei ihrer Tätigkeit zu beachten haben. Auf die Frage, ob in Bayern Verfassungsschützer mit führenden NPD-Aktivisten zusammenarbeiten, antwortete Beckstein, Zitat: "Man wird immer darauf aufpassen, dass diese V-Leute nicht selbst die Aktivisten werden." Recht hat er, der Herr Beckstein. Nur leider gilt das Umgekehrte für Thüringen. Das ist das Problem, Herr Innenminister Köckert, was Sie im Fall Tino Brandt seit nunmehr fast fünf Wochen verharmlosen und in bester Kohlmanier aussitzen. Ich komme zu den Auswirkungen
des Thüringer Verfassungsschutzskandals auf das derzeit beim Bundesverfassungsgericht anhängige Parteiverbotsverfahren gegen die NPD. Natürlich besteht die Gefahr, dass die NPD sich in ihrer schriftlichen oder mündlichen Argumentation in Karlsruhe geradezu genüsslich auf die Thüringer Tatsachen beziehen wird, nämlich dass ein Landesamt für Verfassungsschutz NPD-Führungskräfte als Informanten führt oder führte und finanziert und damit mittelbar für die rechtsextremistischen Umtriebe der NPD in Thüringen verantwortlich ist.
Damit könnten - ich sage ganz bewusst könnten, weil ich es mir natürlich lieber ganz anders wünschen würde - die wesentlichen Argumentationen von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat, dass die NPD aus sich selbst heraus eine Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland darstellt, an entschei
dender Stelle tangiert werden. Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion hat im TLZ-Interview vom 31.05. diesen Jahres dies treffend skizziert. Bezug nehmend auch auf die TA-Ausgabe vom heutigen Tage, Titel "Pläne in der Schublade" kann ich auch nur konstatieren, dass, wenn es so stimmte, großer Schaden eingetreten ist, unabhängig aber auch davon, dass wieder eine brisante Meldung sicherlich aus dem Landesamt oder woanders her in die Öffentlichkeit gelangt ist, erstens dadurch, dass ein Verbotsverfahren des Heimatschutzes geplant war und dieses Verbotsverfahren aufgehalten wurde, zweitens, dass aus einem der TA vorliegenden Protokoll unter anderem hervorgeht, dass die nicht unerheblichen Zuwendungen des Amts seinen Aktionsradius - ich meine damit Brandt - innerhalb der rechtsextremistischen Szene in Thüringen wie auch im gesamten Bundesgebiet erheblich vergrößert hätte.
Was ist, wenn der Rechtsvertreter der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht, der Rechtsextremist Horst Maler, dann gerade den aufgezeigten Vorhalten im Parteiverbotsverfahren in Karlsruhe führt. Ich will es Ihnen sagen: Der politische Schaden, der politische Imageverlust, den Thüringen in der ganzen Bundesrepublik erleiden dürfte, dürfte kaum wieder gut zu machen sein, weil die Kohlen des Verfassungsschutzes, die Sie, Herr Innenminister Köckert, haben anbrennen lassen, von Ihren Kollegen auf Länderebene aus dem Feuer geholt werden müssen. Und noch etwas muss allen Beteiligten, die einen Überblick über das NPD-Verbotsverfahren besitzen, sehr zweifelhaft vorkommen, nämlich die Tatsache, dass Thüringen im Vergleich zu anderen Bundesländern verdammt wenig an belastendem Material über Organisation und Aktivitäten der NPD beigetragen haben soll.
Das kann - ich betone wiederum kann - den Verdacht aufkommen lassen, die NPD habe über ihre als Informanten angesetzten Spitzenfunktionäre den Inhalt des Thüringer Beitrags zum NPD-Verbotsantrag steuern können. Die Mängel, die im Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz bestehen, wirken sich dadurch auch kontraproduktiv auf das derzeit laufende Verbotsverfahren aus. Hier ist Abhilfe notwendig und das möglichst schnell. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, die PDS hat mit der Drucksache 3/1617 eine Aktuelle Stunde beantragt "Mögliche Auswirkungen der Zusammenarbeit des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz mit Spitzenfunktionären rechtsextremis
tischer Organisationen auf derzeit laufende Verbotsverfahren". Man hat es sehr vorsichtig formuliert, in der Möglichkeitsform die Frage gestellt, ob es mögliche Auswirkungen gibt. Lassen Sie mich etwas Grundsätzliches sagen: Die Aufgabe des Verfassungsschutzes sowohl auf Landeswie auch auf Bundesebene ist es, die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte mit notwendigen Erkenntnissen zu versorgen, damit diese konkret handeln können. Dazu sammeln Verfassungsschutzbehörden Unterlagen, u.a. über gegen die Grundwerte unserer Verfassung gerichtete und sicherheitsgefährdende Bestrebungen; auch das ist im Grundgesetz geregelt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die in den Bundesländern tätigen Landesbehörden für Verfassungsschutz haben keinerlei polizeiliche Befugnisse. Ihre Aufgabe ist mit der Bezeichnung "Frühwarnsystem" der Demokratie treffend beschrieben. Wer sich die Mühe macht, die Klageschrift, die die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hat, wird feststellen, dass durchaus das eine oder andere dort enthalten ist, das nur durch die Abschöpfung von entsprechenden Informanten in Kenntnis des Bundesverfassungsschutzes oder der jeweiligen Landesämter gelangt sein kann.
Nun ist natürlich der Punkt sehr strittig: Wie hoch sollen die Funktionäre angesiedelt sein, oder dürfen sie angesiedelt sein, die man dann auch entsprechend als Informationsquelle abschöpfen will? Der jetzige Innenminister hat, anders als sein Vorgänger, entschieden, keine leitenden Funktionäre entsprechend als V-Männer zu führen und hat sich auch nach den bisherigen Kenntnissen daran intensiv gehalten, so dass ich das, was hier im Thema der Mündlichen Anfrage unterstellt wird, eigentlich nicht nachvollziehen kann. Wie groß der Schaden allerdings ist, der vor allem bei der Bekämpfung der rechtsextremistischen Szene jetzt entsteht, dadurch, dass die Festplatte jetzt ja nun doch Informationen enthält - ich habe mir die Mühe gemacht und habe mir noch mal die Plenarprotokolle der 2. Legislaturperiode bzw. die Ausschussprotokolle, wo dieses Thema entsprechend dran war und also immer sehr intensiv bestritten wurde, dass überhaupt sicherheitsrelevante Informationen auf irgendwelchen Computerfestplatten, eine ist es ja nur gewesen, die entsprechende Daten enthalten hat, aber diese ist jetzt wieder aufgetaucht - und wenn man den verschiedenen Presseartikeln glauben kann, sind darauf durchaus Informationen, die sowohl für die entsprechende extremistische Szene sehr interessant als auch sicher an anderer Stelle sicherheitsrelevant sind. Auch an der Stelle sollte man fragen, welcher Schaden für das Land und vor allen Dingen für die Bekämpfung des Extremismus entstanden ist. Es hat damals keine Konsequenzen gegeben, es kann heute keine Konsequenzen mehr geben, dass man den Rücktritt des entsprechenden Ministers fordert. Er ist nicht mehr im Amt, so dass man also diese Konsequenzen von diesem Pult auch nicht mehr fordern kann. Aber ich halte es schon für erstaunlich, dass der Kollege Pohl, obwohl er sehr genau weiß, um was es da geht, und auch er hat heute sicherlich den Pressespiegel sehr intensiv an der Stelle gelesen,
Ich kann nur noch mal für meine Fraktion zusammenfassen: Ich sehe in dem jetzt laufenden Verfahren durch die Tatsache, dass dort auch Spitzenfunktionäre extremistischer Gruppen abgeschöpft wurden, keine Gefahr. Unabhängig davon halte ich es natürlich wirklich für eine Sache, die man mit Fingerspitzengefühl angehen muss, ob man es wirklich verantworten will und verantworten kann, leitende Funktionäre extremistischer Gruppen, und dabei unterscheide ich jetzt gar nicht einmal zwischen rechts und links, denn ich sehe die Gefahr, die für unsere Demokratie sowohl von rechts als auch von links ausgeht,
an sich gleich groß, auch wenn das die Kollegin Becker bestreitet. Ich kann Ihnen nur empfehlen, machen Sie sich einmal die Mühe, lesen Sie sich einmal den Verfassungsschutzbericht des Bundesverfassungsschutzamts für 2000 durch. Sie werden durchaus auch Hinweise finden, dass nicht nur von rechts diese Demokratie gefährdet ist, sondern es geht durchaus das eine oder andere Gefährdungspotenzial auch von der linken Seite aus, auch wenn man das in Ihrer Fraktion nicht so gern hören möchte.
Ich muss noch mal sagen: Das Thüringer Innenministerium hat mehrfach erklärt, dass man von der Praxis, leitende Funktionäre in der Szene abzuschöpfen, abgeht. Wir gehen auch davon aus, dass diese Praxis in Zukunft so beibehalten wird. Ich sehe also das laufende Verfahren durch diese Dinge nicht gefährdet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, der Abgeordnete Wolf sieht keine Gefahr, ich sehe eine Gefahr und möchte die an dieser Stelle auch darstellen. Da ich aber vorhin schon einmal missverstanden worden bin, möchte ich das zunächst an einem Beispiel darstellen, damit sichergestellt ist, dass wir über dieselbe Problemlage reden.
Meine Damen und Herren, stellen Sie sich ein Schadfeuer vor. Es ist unklar, wie groß dieses Feuer ist und einer gießt Öl hinein. Als Begründung wird gegeben, damit man
besser sehen kann, wie groß das Feuer ist und wie es sich weiter entwickelt. Da drängen sich doch Fragen auf. Ich will mich nicht beschäftigen mit den naheliegenden Fragen: Wie ist der zu beurteilen, der Öl ins Feuer gießt oder wie ist der zu beurteilen, der Geld gibt, wissend oder in Kauf nehmend, dass damit Öl gekauft wird, welches ins Feuer gegossen wird? Es ist schon die Frage interessant: Würden Sie den oder beide bei einer Bewerbung zur Feuerwehr unterstützen? Aber dem will ich auch nicht nachgehen. Ich will auch nicht der Frage nachgehen: Wie ist zu beurteilen, wenn Sie wissen, dass der, der das Geld für das Öl gibt, der Feuerwehrhauptmann ist? Und auch die Frage, welche Meinung haben Sie zu demjenigen, der sagt, das Geld sei gut angelegt, wenn Sie wissen, das ist der Vorgesetzte dieses Feuerwehrhauptmanns, will ich nicht vertiefen, weil das nicht Gegenstand dieser Aktuellen Stunde ist. Es geht vielmehr um die Frage...
Ja sicher, aber Antworten dazu liegen auch so klar auf der Hand, dass ich denke, ich muss es nicht vertiefen.
Es geht an dieser Stelle auch nicht darum, sondern es geht um ganz aktuelle Befürchtungen in einem laufenden Verfahren. Es geht nämlich um die Frage, welche Auswirkungen solches Handeln und solche Äußerungen in einer Situation haben, in der dieses eingangs von mir bemühte Schadfeuer nämlich verboten werden soll und ein solches laufendes Verbotsverfahren eben zu beachten ist. Um im Bild zu bleiben, damit will ich das Bild dann auch verlassen, wir brauchen Antworten auf die Frage, wie viel Öl ist ins Feuer gegossen worden.
Meine Damen und Herren, es geht um die politische und juristische Schadensbegrenzung im Hinblick auf das laufende NPD-Verbotsverfahren, um nicht mehr und um nicht weniger.
Nein, es geht um die Frage, was tut die Landesregierung zur politischen und juristischen Schadensbegrenzung?
Der Kollege Pohl hat schon darauf hingewiesen, dass er vermutet, dass die NPD die Situation genüsslich ausnutzt. Es ist mehr als eine Vermutung, meine Damen und Herren, in der Erwiderung auf den Verbotsantrag vom 20. April 2001 stellt nämlich die NPD durch ihren Bevollmächtigten genau darauf ab. Sie stellt nämlich darauf ab, durch Beweisanträge untersetzen zu wollen, inwieweit Geheimdienste durch Provokationen und agents provocateurs an der Eingrenzung, an der Erzeugung spektakulärer Gewalttaten beteiligt sind. Noch deutlicher wird es an einer ande
ren Stelle der Erwiderung. Da wird nämlich ausgeführt, dass die Regierung ja ohne Weiteres Auskunft geben könnte, wie viele der gegen die Antragsgegnerin jetzt ins Feld geführten Belastungsmomente auf die Tätigkeit ihrer agents provocateurs zurückgehen. Die Zielrichtung dieser Verteidigung ist klar: Die Gefährlichkeit der NPD, die im Verbotsantrag dargestellt wird, soll auf die Tätigkeit der agents provocateurs zurückgeführt werden. Das ist die ganz große Gefahr und das ist die politische Verantwortung, der sich die Landesregierung stellen muss. Die Frage ist: Wie ist dem zu begegnen? Ich meine, es geht nur durch Offenlegung des tatsächlichen Umfangs und der Art und Weise der Tätigkeit dieser agents provocateurs, vielleicht gibt es auch andere Möglichkeiten, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Ich weiß es nicht. Aber ich möchte von der Landesregierung wissen, was sie zur Schadenbegrenzung, und zwar mindestens des politischen und des juristischen Schadens, zu tun gedenkt, den sie angerichtet hat, meine Damen und Herren, darum geht es. Danke.
Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Wolf geht davon aus, dass es heute darum geht, ob ein Schaden bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus in Thüringen entstanden sei. Nein, Herr Wolf, darum geht es nicht, sondern es geht um die Frage, inwieweit durch die Arbeit des Landesamts für Verfassungsschutz Strukturen, Strukturbildungen von Rechtsextremisten in Thüringen nahezu noch befördert worden sind oder diese Strukturen auch ganz konkret durch die Arbeit am Leben erhalten wurden. Man kann eben daraus folgend nicht mehr den Eindruck ganz wegschieben, dass der schwerste Schlag gegen die rechtsextremistische Szene in Thüringen die Auflösung des Landesamts für Verfassungsschutz in Thüringen ist und ich will das auch an einigen Beispielen benennen. Im letzten Jahr hat der Thüringer Landtag nach der Enttarnung von Thomas Dienel als Spitzel des Verfassungsschutzes darüber diskutiert, ob mit dem Geld, was er für seine Tätigkeit erhalten hat, politische Aktivitäten finanziert worden sind. Brandt selbst gibt in der heutigen TA Auskunft oder er hat es gegenüber dem Verfassungsschutz getan und es wird heute in der "Thüringer Allgemeinen" wiedergegeben, dass die nicht ganz unerheblichen Zuwendungen gerade zur Vergrößerung seines Einflusses in der rechtsextremistischen Szene und zur Vergrößerung seines Aktionsradius geführt haben. Herr Innenminister Köckert wird natürlich nicht müde, immer wieder darauf zu verweisen, dass das natürlich Schutzbehauptungen derer sein können, die nun in der Öffentlichkeit enttarnt und damit natürlich auch in ihren eigenen Strukturen an Stand verloren haben. Nur, Herr Innenminister, ich muss Sie natürlich fragen: Wie viel Schutz
funktion steckt denn eigentlich hinter Ihrer Behauptung, der davon wohl ganz sicher ausgehen sollte oder kann vermeintlich, dass das Geld des Verfassungsschutzes nicht in die Strukturen geflossen ist? Man muss die Frage nach der direkten Unterstützung des Verfassungsschutzes noch konkreter stellen, wenn man heute in der "Thüringer Allgemeinen" liest, dass ganz offenkundig aus einem behördeninternen Interesse, nämlich aus Wahrung einer Quelle, aus Wahrung eines Quellenschutzes, eine Organisation, die dem militanten rechtsextremistischen Spektrum in Thüringen zuzuordnen ist, am Leben erhalten worden ist, ein Verbot verhindert worden ist und somit ihre weitere politische Arbeit, ihre weitere Verfestigung, ihre weitere Ausbreitung dadurch eine direkte Unterstützung durch das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz erfahren hat. Es ist natürlich auch immer noch die Frage im Raum stehend, ob ein Funktionär von Blood and Honour kurz vor dem Erteilen des Betätigungsverbots durch Behörden in Thüringen vor einer Hausdurchsuchung gewarnt worden ist.
Meine Damen und Herren, es ist doch wohl ganz offenkundig durch die Veröffentlichungen in den letzten Tagen, dass das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz ganz aktiv an der Bildung einer Wirklichkeit mitgearbeitet hat, an Stelle über die tatsächlichen Auswirkungen des Rechtsextremismus in der Öffentlichkeit zu informieren und zu einer Gegenmobilisierung zu sensibilisieren. Denn, meine Damen und Herren, Dienel und Brandt haben über Strukturen berichtet, die sie während ihrer Spitzeltätigkeit für den Verfassungsschutz erst gegründet haben. Und es ist doch nicht so weit hergeholt vor dem Hintergrund der Geschichte des Verfassungsschutzes, jetzt die Frage zu stellen, inwieweit der Thüringer Verfassungsschutz auf diese Strukturbildung Einfluss genommen hat, sie entweder selbst angeregt hat, um besser kontrollieren zu können, um Erfolge verbuchen zu können, oder diese Strukturen ohne öffentliche Kontrolle sich weiter hat verfestigen lassen.
Meine Damen und Herren, ich will das am Beispiel Brandt auch einmal ganz klar belegen. Wir diskutieren ja immer über den Thüringer Heimatschutz und dessen Gefährlichkeit und auch dessen Weiterverbreitung in dem parteipolitischen Spektrum des Rechtsextremismus. Tino Brandt war seit 1994 Mitglied oder Mitarbeiter beim Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, 1996 haben sich die Thüringer Kameradschaften im Osten dieses Landes zum Thüringer Heimatschutz zusammengeschlossen. Also während der Zeit der Spitzeltätigkeit von Tino Brandt hat sich dieser Thüringer Heimatschutz gegründet und seit dem immer weiter über das Land ausgebreitet und hat jetzt seit den letzten Jahren einen stetigen Mitgliederzuwachs erfahren.
In die Spitzeltätigkeit von Tino Brandt fällt auch die Übernahme des NPD-Landesverbandes durch den Thüringer Heimatschutz, durch Funktionäre der Kameradschaften in den Jahren 1999 und 2000. Es ist doch fatal, meine Damen und Herren, wenn staatliche Stellen mit daran gewirkt haben, die Gründe für das nunmehr im
Raum stehende Verbot zu schaffen. Es wäre doch fatal, wenn das stimmt, was Brandt behauptet, wenn er sagt, für die führenden Rechten sei es egal gewesen, was der Verfassungsschutz vorher wusste, aus Gründen des Quellenschutzes hätte man die von ihm erhaltenen Informationen ja ohnehin nicht vor z.B. durchgeführten Demonstrationen bekanntgeben können, weil ja sonst die Polizei und andere Dienste von der Zusammenarbeit erfahren hätten. Und weiter Tino Brandt: Auch konnte ich garantieren, dass wir bei bestimmten Aktionen, Konzerten und Ähnliches, danach nicht an die Öffentlichkeit gehen, also zur Presse. Dies führte dazu, dass wir viele Sachen einfach durchziehen konnten.
So weit bei aller vorsichtigen Herangehensweise an diese Äußerungen von Tino Brandt, aber hier stellen sich doch ganz offenkundig Fragen. Und eine Frage, meine Damen und Herren, die wir uns und anderen stellen auch in dieser Debatte ist doch die: Was wären die rechtsextremistischen Strukturen in Thüringen ohne das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz? Ich glaube, eine Möglichkeit, wenn diese Arbeit mit Spitzeln, mit Informanten in den rechtsextremistischen Strukturen in Zukunft nicht mehr stattfinden wird, wäre doch die, dass eine Infrastruktur, wie sie gegenwärtig in Thüringen zu verzeichnen ist, in dieser Form sich erst gar nicht hätte bilden lassen können und wir hätten sicherlich auch weniger Diskussionen über mögliche Verbote von Vereinigungen, weil diese in dieser Form sich erst gar nicht so aufbauen und in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten konnten.
Das hat natürlich seine Ursachen, Herr Pohl, und die liegen nicht in Mängeln des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, sondern die liegen in der grundsätzlichen Arbeitsweise von Spitzeln und ihren V-Mann-Führern, weil diese aufeinander angewiesen sind. Aufeinander angewiesen sind auf den Erfolg des anderen - der V-Mann-Führer genauso wie der Spitzel, der natürlich aufgrund der finanziellen Zuwendungen, der aufgrund einer psychologischen Situation diese Arbeit für den Verfassungsschutz weiter aufrecht erhalten will. Und für den V-Mann-Führer ist der Spitzel ja natürlich nur so lange von Bedeutung, wie er wertvolle Informationen liefern kann. Das heißt, nur wenn viel passiert, ist er auch ein wertvoller Spitzel. Das heißt natürlich auch, dass er in die Situation durch diese Zusammenarbeit getrieben wird, ganz von sich aus getrieben wird, auch etwas passieren zu lassen und damit auch einige Aktivitäten erst tatsächlich zu organisieren. In diesen Bereich fallen natürlich auch Straftaten, weil eben der Verfassungsschutz nicht dem Legalitätsprinzip unterworfen ist, sondern oftmals seinen Spitzeln auch noch die Rückendeckung gibt.