Protokoll der Sitzung vom 15.06.2001

(Beifall bei der CDU)

Wir stehen wohl vor der gewaltigsten Herausforderung der Geschichte des europäischen Einigungsprozesses. Auch wenn wir keine direkte Grenze mit den Beitrittsstaaten haben, sind wir doch aufgrund der räumlichen Nähe davon betroffen. Vor allem die Landwirtschaft und damit die Agrarpolitik wird durch diese Entwicklung zunehmend gefordert sein. Das Kapitel Landwirtschaft zählt zu den schwierigsten im gesamten Abstimmungsprozess. Wir müssen daher von Anfang an darauf achten, eine kontinuierliche, objektive und nachvollziehbare Kontrolle und Bewertung der Fortschritte der Beitrittsländer im Agrarbereich zu haben, die bei der Gesamtbeurteilung der Beitrittsfähigkeit der einzelnen Länder angemessen berücksichtigt wird. Aber verkennen wir nicht, neben den Risiken ergeben sich auch große Chancen für die Agrar- und Ernährungswirtschaft. Ein neuer Absatzmarkt von über 100 Mio. Verbrauchern wird erschlossen werden. Bei steigender Wirtschaftskraft in den Bewerberländern wird eine

positive Entwicklung der verfügbaren Verbrauchereinkommen das Ergebnis sein. Dies wird sich günstig auf die Nachfrage auch nach verarbeiteten Agrarprodukten auswirken. Bei gleichen Wettbewerbsbedingungen im zukünftig erweiterten Binnenmarkt hat die Landwirtschaft des Freistaats Thüringen gute Startbedingungen. Entscheidend jedoch ist, ob es Deutschland gelingt, die richtigen Anpassungsreaktionen in der Osterweiterung zu wählen und umzusetzen. Der Bundesregierung kommt dabei die Schlüsselrolle zu. Sie bleibt daher unbedingt aufgefordert, auch unter diesen Gesichtspunkten ihrer Politik die einseitige Verschärfung der Produktionsrahmenbedingungen mit der Folge von Wettbewerbsverzerrung und damit der Benachteiligung des Standorts Deutschland aufzugeben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss meiner Ausführungen und fasse zusammen: Die breite öffentliche Diskussion zu Fragen der Landwirtschaft, des Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit hat eine bedeutende Auswirkung auf die Neuorientierung der Agrarpolitik, die neben der bereits von der EU unter dem Namen Agenda 2000 eingeleiteten Reform einhergeht. Es gilt dabei, Kurs im Hinblick auf Lebensund Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe bei gleichzeitigem umwelt-, arten- und tierschutzgerechten Handeln zu halten. Die Landesregierung verfolgt dabei zehn Ziele:

1. Die Thüringer Agrarpolitik ist auf eine flächendeckende, umweltverträgliche und wettbewerbsfähige Landbewirtschaftung, die in allen Betriebsformen Arbeitsplätze sichert und die Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Produktion beinhaltet, ausgerichtet.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

Sie soll den ländlichen Raum in seinem derzeitigen Erscheinungsbild erhalten.

2. Die Rahmenbedingungen sind für alle Betriebsformen der Landwirtschaft so zu gestalten, dass sie sichere Nahrungsgüter produzieren, die Bestimmungen des Tierschutzes einhalten und ein Existenz sicherndes Einkommen erwirtschaften.

(Beifall bei der CDU)

3. Die Transparenz der Lebensmittelerzeugung ist weiter zu verbessern und zu kontrollieren. Dies gilt für die gesamte Kette vom Stall bzw. Feld bis hin zum Verbraucher. Erzeugung, Verarbeitung, Vermarktung in der Region sind gezielt zu stärken. Dies ist der beste Weg, die Nahrungsmittelkette zurückzuverfolgen und gleichzeitig die Wertschöpfung in der Region zu verbessern. Dieses bedeutet auch, in der Region landwirtschaftlich zu produzieren und Tiere auch zur Mast halten und aufstellen zu dürfen.

(Beifall bei der CDU)

4. Bestehende Förderprogramme der Landesregierung werden auch im Hinblick auf Anforderungen des Tierund Umweltschutzes stets weiter fortentwickelt, um die Betriebe bei der Anpassung an die erhöhten und weiter steigenden Anforderungen gezielt zu unterstützen.

5. Der ökologische Landbau muss durch nachhaltige Steigerung der Verbrauchernachfrage gestärkt werden. Maßnahmen zur Nachfrageunterstützung werden gefördert. Damit wird auch die Wertschöpfung der Landwirtschaftsbetriebe verbessert.

6. Alle Möglichkeiten der Einkommensalternativen für die Betriebe, vom Anbau nachwachsender Rohstoffe über deren energetische oder stoffliche Nutzung bis hin zu Dienstleistungen wie etwa Urlaub auf dem Bauernhof, müssen ausgebaut und unterstützt werden.

7. Die Maßnahmen des Programms zur BSE-Folgebekämpfung werden termingenau umgesetzt. Vor allem die Rinderhalter und Fleischverarbeiter sind wegen der Wettbewerbsprobleme zu unterstützen.

8. Auch im Bereich der Agrarpolitik gilt es, EU-Regelungen im Rahmen der nationalen Umsetzung nicht zu verschärfen. Thüringen wird sich stets allein schon aus Wettbewerbsgründen für eine Umsetzung im Maßstab 1 : 1 einsetzen.

9. Dem landwirtschaftlichen Nachwuchs gilt unsere besondere Aufmerksamkeit. Die zukunftssichere Aus- und Weiterbildung muss auf dem bestehenden hohen Stand gehalten werden. Das gilt vor allem für Absolventen mit Hauptschulabschluss, um ihre Zukunftschancen zu sichern.

(Beifall bei der CDU)

10. Landwirtschaft und Umwelt sind keine Gegensätze. Übrigens, und das darf ich hier einfügen, auf der gemeinsamen Agrar- und Umweltministerkonferenz hat mein Freund, Bundesumweltminister Trittin,

(Zwischenruf Abg. Schugens, CDU: Was, höre ich richtig?)

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das sind ja ganz neue Töne.)

diesen Satz auch geprägt, er hat dort gesagt: "Liebe Kolleginnen und Kollegen, Umwelt und Landwirtschaft sind sich zwei befruchtende Gebiete, die eng zusammenarbeiten müssen." Ich freue mich, dass Herr Trittin bei uns angekommen ist.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Also 10. Landwirtschaft und Umwelt sind keine Gegensätze, sondern bedingen einander, deshalb gilt unser Hauptaugenmerk den Agrarumweltmaßnahmen. Die Landwirte

bleiben dem Ziel der Erhaltung und Stärkung der Umwelt eng verbunden. Die Leistungen auf diesem Gebiet, die für die Gesellschaft erbracht werden, sind zu vergüten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es muss, und das ist dringende Notwendigkeit, bei der flächendeckenden Landbewirtschaftung mit ihren Arbeitsplätzen bleiben. Sicherheit und Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Produktion sind stets weiter zu verbessern. Auch hier wird weiter gelten: "Original Thüringer Qualität" ist das Markenzeichen. Die Zukunft der Landwirtschaft hat in Thüringen bereits begonnen. Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Damit kommen wir zur Aussprache. Das Wort hat Abgeordneter Scheringer, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Abgeordneten, meine Damen und Herren, die Agrarpolitik ist immer auch Wirtschaftspolitik, ländlicher Raum, Sozialpolitik, Umweltpolitik und natürlich auch Verbraucherpolitik.

Billige Nahrungsmittel: Wir haben ja jetzt schon trotz dieser billigen Nahrungsmittel eine Steigerung im Nahrungsmittelbereich von 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Jeder redet über die Landwirtschaft, über alles und jedes und meint, er versteht es. Unsere ach so freie Presse, von unserem Herrn Späth, dem Heilbringer aus Jena, besonders hervorgehoben, sagt, das und das ist notwendig, und keiner weiß ganz genau, als ob die Intendanten und Chefredakteure nicht überall das Sagen mit hätten. Das kann wohl nicht so weitergehen; wir in der Landwirtschaft sind hier am allerschlechtesten und am meisten gebeutelt worden über die Probleme, die gar keine waren, wie Maul- und Klauenseuche und die BSE-Geschichte.

Wenn ich gestern unseren wohlproportionierten Fraktionschef, Herrn Abgeordneten Gentzel, gehört habe, als er gesagt hat, es ist eigentlich viel wichtiger, dass wir über die Lehrerkündigungen und über die Kultur reden als jetzt über die Landwirtschaft, dann bin ich auch darüber sehr traurig gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß ja, wie er das gemeint hat, aber wenn er so, wie er aussieht, isst, dann isst er mindestens, das mache ich ihm auch nicht zum Vorwurf, dreimal am Tag beste Ware, nicht

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

nur von Öko - oder ich will gern mal sagen, wie das...,

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Das geht auch mit Öko.)

ich bin noch nicht fertig -, sondern auch, wie die das heute alle frecherweise nennen, und das ist für mich ein Unwort, "konventionelle Landwirtschaft". Es gibt nur eine Landwirtschaft, einen Regen, einen Boden, einen Aufwuchs und natürlich ein Pflanzenschutzmittel oder gar keines. Also, es hat ihm in keinster Weise bis jetzt geschadet.

(Beifall bei der CDU, PDS)

Ich bin ja der Meinung, er hat ja Recht mit den Lehrerkündigungen. Da haben die gestern draußen dem Herrn Minister Dr. Krapp einen blauen Brief gezeigt. Ich habe mir den erst einmal genau angesehen. Die Lehrerkündigungen kosten uns alle Geld, der soll das aus seiner Tasche bezahlen. Hier, die PDS-Fraktion und ich glaube auch andere, haben gesagt, wenn ihr so etwas macht, kommen Kosten und Geld auf ihn zu in Größenordnungen und das wird dann wieder von den Bauern auch noch mit abgenommen. Das kann wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei der PDS)

Unser Minister Trautvetter, wie ich höre, züchtet Bienen, wie viele Völker weiß ich noch nicht. Er weiß aber, dass bei dem Bienenvolk nur eine etwas zu sagen hat, die Königin.

(Heiterkeit bei der CDU)

Er weiß, dass das große Arbeitsvolk den Hafer nicht bekommt, den es verdient. Gestern hat er gesagt, vielleicht war es von ihm auch nur ein falscher Zungenschlag: Die Bauern haben alle jetzt mehr Geld bekommen, das müssten die Bauern bekommen wegen diesem und jenem. Das stimmt nicht. Da hat er seine Aufgaben als Buchhalter nicht richtig gemacht. Wer mehr Geld bekommen hat in Größenordnungen sind die fünf größten Lebensmittelkonzerne.

(Beifall bei der PDS)

Wir haben als Bauern die Folgekosten noch nicht einmal bezahlt bekommen, der Minister hat es heute gesagt, noch lange nicht bezahlt bekommen.

(Beifall bei der PDS)

Die Konzerne haben das Geld meiner Meinung nach schon lange eingesteckt.

Nun komme ich zu einigen Passagen, wo ich unserem Minister in vielen Punkten, das sage ich vorneweg, zustimmen muss. Das kann man nicht anders sagen, aber einige Sachen muss ich ja doch gleich am Anfang etwas richtig stellen, oder versuchen richtig zu stellen, er glaubt es mir ja sowieso nicht.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wobei ich immer meine, wir haben ein recht gutes Verhältnis, können aber alle beide nicht über unseren Schatten springen, sein Schatten war früher kleiner, meiner größer. Heute mag es umgedreht sein.

(Beifall bei der PDS)