Protokoll der Sitzung vom 07.09.2001

Es gibt noch eine Frage? Herr Abgeordneter Ramelow.

Ja, ich frage noch mal nach, weil ich wirklich das Bedürfnis habe, es genau zu verstehen.

(Zwischenruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Solche Bedürfnisse....)

Es ist bedauerlich, dass man das offenkundig hier nicht so ernst nimmt.

(Unruhe bei der CDU)

Herr Gnauck, Sie sollten einfach ruhig sein.

(Heiterkeit und Beifall im Hause)

Ich habe eine Frage zu einem Antrag und da frage ich noch einmal nach.

Ja, die Frage wird zugelassen vom Minister und Sie stellen sie.

Ich finde so ein Verhalten einfach lümmelhaft von Herrn Gnauck. Ich...

Nein, also Herr Ramelow!

Sie hören die Zwischenrufe nicht. Ich höre sie und ich fühle mich dadurch provoziert. Ich habe eine Nachfrage. Ich kann in dem Antrag der CDU die Eingrenzung auf bestimmte Beamtengruppen nicht herauslesen. Sie haben in Ihrem Vortrag eben auf bestimmte Beamtengruppen aber hingewiesen und abgestellt. Deswegen frage ich noch einmal nach, gibt es eine Eingrenzung der Beamtengruppen?

Das ist nicht korrekt, Herr Kollege Ramleow. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Bemerkungen des Kollegen Kretschmer, der neben den Justizvollzugsbeamten auch die Lehrer mit besonderen Gefährdungen eingestuft hat, dass das zur Folge haben könnte, dass es weitere Berufsgruppen geben könnte, die dann die gleichen Voraussetzungen erfüllen, und das geht wahrscheinlich zu weit.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Ich denke da an Staatssekretäre.)

(Heiterkeit bei der SPD)

Und der Antrag der CDU ist genauso zu verstehen wie er gestellt worden ist, nämlich den Zugang zur qualifizierten Beamtenversorgung besser zu definieren, um bestimmte gefährliche Tätigkeiten mit hineinzunehmen, die momentan nicht abgesichert sind.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, auch der Abgeordnete Kretschmer, SPDFraktion, hat eine Nachfrage.

Sie haben sie etwas provoziert. Aber, ist Ihnen vielleicht entgangen, Herr Minister, dass ich es nur als Beispielsfall genannt habe?

Ja, dann nehmen Sie meine Bespiele...

Nämlich die Lehrer, wegen der besonderen Gefährdungslage, die bedauerlicherweise auch festzustellen ist, nur als Beispielsfall.

Dann nehmen Sie meinen Beitrag auch als Beispielsfall, wenn Ihr Beispielsfall Realität würde, wird es weitere Beispielsfälle geben.

So ist die Vorschrift wohl vorgesehen. Man muss das Gesetz kennen, denn das ist abstrakt formuliert.

Ganz genau.

Danke schön.

Damit ist der Fragebedarf erschöpft, es liegen auch keine Wortmeldungen mehr zur Aussprache vor. Es hat aber um eine persönliche Bemerkung nach § 32 unserer Geschäftsordnung der Abgeordnete Dittes gebeten. Bitte.

Meine Damen und Herren, ich will die persönliche Bemerkung nicht dazu nutzen, zum Inhalt dieses Antrags noch einiges richtig zu stellen.

Das dürfen Sie auch nicht.

(Beifall bei der CDU)

Ja, ich werde sie dazu auch nicht nutzen, ich kann Ihnen nur sagen, wir haben Ihnen angeboten zu diskutieren und werden das auch im entsprechenden Antrag hier deutlich machen. Meine Damen und Herren insbesondere der CDU-Fraktion, Sie wissen, ich bin offen auch für einen sehr polemisch geführten politischen Streit. Ich denke auch, dass dieser in diesem Landtag zulässig sein soll. Aber, Herr Fiedler, ich finde es unverschämt, tatsächlich unverschämt, hier von diesem Pult aus mir persönlich zu unterstellen, ich würde Straftaten begehen und aus diesen heraus meine politischen Auffassungen hier begründen und ableiten. Herr Fiedler, das,

(Unruhe bei der CDU)

was Sie am Ende Ihres Beitrags gesagt haben, und wir können das sehr gern im Protokoll nachlesen, ist eine unverschämte Unterstellung, die ich hiermit zurückweise.

(Beifall bei der PDS)

Weitere Anträge auf persönliche Bemerkungen gibt es nicht. Damit ist auch das erledigt und wir kommen zur Abstimmung. Antrag auf Überweisung wurde nicht gestellt. Doch, Frau Nitzpon, PDS-Fraktion.

Ich beantrage die Überweisung des Antrags an den Innenausschuss federführend und den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit mitberatend.

Dann stimmen wir über diesen Antrag ab. Wer mit der Überweisung an den Innenausschuss einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Enthaltungen? Mit einer Mehrheit von Gegenstimmen abgelehnt. Wer für die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Enthaltungen? Dann ist auch dieses mit einer Mehrheit von Gegenstimmen abgelehnt.

Somit kommen wir unmittelbar zur Abstimmung über den Antrag der CDU-Fraktion in Drucksache 3/1655. Wer mit diesem einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Einige Gegenstimmen. Enthaltungen? Einige Enthaltungen. Bei einigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen. Dann ist das so beschlossen.

(Beifall bei der CDU)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16

"Lebenslagen in Deutschland - Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung und seine Konsequenzen für den Freistaat Thüringen" Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/1674

Eine Begründung durch den Einreicher wird nicht gewünscht. Die Landesregierung hat mitgeteilt, von der Möglichkeit eines Sofortberichts nach § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung keinen Gebrauch zu machen. Wir kommen deshalb direkt zur Aussprache über den Antrag der Fraktion der PDS, und zwar hat als Erster das Wort der Abgeordnete Panse, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, neu ist das Thema Armuts- und Reichtumsberichterstattung in dieser Legislaturperiode nicht. Bereits am 18. November 1999 wurde dazu im Thüringer Landtag beraten. Durch die Landesregierung wurde damals angekündigt, dass bis Mitte der Legislaturperiode ein Bericht über die soziale Situation im Freistaat erstellt, dieser Bericht dem Landtag vorgelegt und Schlussfolgerungen daraus gezogen werden. Die CDU-Fraktion hat dabei einen Bericht zur sozialen Situation gefordert, der neben der Situationsanalyse auch perspektivisch auf Lösungsansätze ausgerichtet sein soll. Der Sozialbericht soll die Gesamtsituation im Freistaat widerspiegeln und gesamtgesellschaftliche Lösungen aufzeigen. Bereits bei der damaligen Landtagssitzung haben wir uns mit der Forderung der PDS nach einer Armuts- und Reichtumsberichterstattung als eigenen Schwerpunkt in diesem Bericht auseinander gesetzt. Der dementsprechende Antrag der PDS wurde abgelehnt und wenn man sich den ersten Armutsund Reichtumsbericht der Bundesregierung anschaut, bestätigt dies nachträglich die Richtigkeit dieser Entscheidung. Der Bericht der Bundesregierung kann eben keine wichtigen Impulse geben. Da die soziale Situation in Deutschland maßgeblich durch die Bundesgesetzgebung beeinflusst wird, müsste vor allem die Bundesregierung Maßnahmen und Schlussfolgerungen aus ihrem Bericht ableiten.

Die Schwäche des im Mai 2001 von der Bundesregierung vorgelegten Berichts ist jedoch, dass es sich dabei vor allem um eine problembezogene Datensammlung handelt. Auch die im Juni und Juli erfolgten Beratungen dieses Berichts in den Ausschüssen des Deutschen Bundestags lassen nicht andeutungsweise erkennen, dass die rotgrüne Bundesregierung bereit sei, irgendwelche Maßnahmen folgen zu lassen.

(Beifall bei der CDU)

Die Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung beschönt gar noch die mangelnden Aktivitäten der Bundesregierung und verweist als Ausgleich dafür darauf, dass sich die Bundesregierung in der Analyse der Armut in Deutschland große Verdienste erworben habe. Zynismus ist das, purer Zynismus, der die Betroffenen keinen Zentimeter weiter bringt.

(Beifall bei der CDU)

So bleibt als bitteres Fazit der Beratung im Deutschen Bundestag: Schön, dass darüber gesprochen wurde, den Betroffenen aber bringt es nichts.

Doch nun einige Bemerkungen zu den Aussagen und Schwächen dieses ersten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung. Die Definition der Begriffe "Armut" und "Reichtum" ist allgemeingültig nicht möglich. Es fehlen zu beiden klare Möglichkeiten der Abgrenzung, auch darüber haben wir hier bereits im Landtag gesprochen. Es werden in diesem Bericht nicht ein absolutes Existenzminimum bzw. eine bedarfsorientierte Einkommensgrenze zugrunde gelegt, sondern stattdessen relative Armuts- und Reichtumsmaße, das heißt, ein Schwellenwert in Relation zum Durchschnitt der Einkommensund Vermögensverteilung. Je nach Schwellenwert, der in dem Bericht zur Definition des Armutsbegriffs herangezogen wird, schwankt daher die Zahl der Armenhaushalte in Deutschland zwischen 5,7 und 19,6 Prozent. Der Bericht benennt zugleich die Zahl von 1,5 Mio. Vermögensmillionären in Deutschland, das heißt Haushalte mit einem Nettoprivatvermögen von mehr als 1 Mio. DM. Der Zuzug bzw. Wegzug von Einkommens- und Vermögensmillionären aus Deutschland würde, legt man den relativen Armutsbegriff zugrunde, die Zahl der Armen beeinflussen. Meint denn aber wirklich irgendjemand, wenn man mit entsprechender Gesetzgebung möglichst viele Millionäre aus Deutschland vergraule, leiste dies einen Beitrag zur Armutsbekämpfung? Selbst gesamtwirtschaftliches Wachstum und damit verbundene makroökonomische Wohlstandsmehrung führt bei dieser Definition nicht zwangsläufig zu weniger Armen in unserer Gesellschaft.

Das wichtigste Armutsrisiko in Deutschland ist und bleibt die Arbeitslosigkeit. Dies macht der Bericht deutlich und auch in der Bundestagsdebatte verwiesen alle Seiten darauf. Umso schlimmer ist es, dass die rotgrüne Bundesregierung bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hoffnungslos versagt.

(Beifall bei der CDU)

Mittelstandsfeindliche Gesetze verschlechtern die Situation zusätzlich, darauf wird zu Recht in diesen Tagen und auch hier in der gestrigen Landtagssitzung immer wieder hingewiesen.