Protokoll der Sitzung vom 12.10.2001

(Beifall bei der PDS)

Die am Sonntag begonnenen militärischen Aktionen halten wir deshalb für den falschen Weg. Der Kampf gegen den Terrorismus, auch ein langwieriger Kampf ist gewinnbar, ein Krieg, so meinen wir, nicht. Bekanntlich beginnen auch lange Wege mit einem ersten Schritt. Entschieden wichtig ist deshalb, in welche Richtung dieser erste Schritt gegangen wird.

Der Ministerpräsident sprach in seiner Regierungserklärung von einem ersten notwendigen Schritt zur Bekämpfung der Wurzeln des internationalen Terrorismus. Diese Feststellung verbanden Sie, Herr Ministerpräsident, mit der Hoffnung, dass das Ziel erreicht und die Urheber der

Terrorakte vom 11.09.2001 getroffen werden. Die Hoffnung will ich gern mit Ihnen teilen, unsere Zweifel aber bleiben. Bomben auf Afghanistan, die bekanntlich nicht nur terroristische Strukturen getroffen haben und auch treffen werden, sind erste Schritte in eine falsche Richtung. Es zeichnet sich doch bereits ab, dass wieder neue Rufe nach Rache und Vergeltung hervorgebracht werden, wie sie wenige Stunden nach Beginn der militärischen Gegenschläge Bin Laden in einem Bekennervideo in zynischster Art und Weise der Welt mitteilte. Es ist richtig, wir haben als PDS auch keine Patentrezepte für die Lösung der komplizierten Probleme parat. Das ist, wenn man die neue Situation bedenkt, die von vielen angemahnt wird, nicht verwunderlich. Natürlich ist eine kritische Minderheit im Parlament hier in schwieriger Lage, weil ihr unterstellt wird, sie wollen gar nichts tun, während die hinter der Regierung Stehenden öffentlich durchaus für sich in Anspruch nehmen können: Wir tun wenigstens etwas. Nur, meine Damen und Herren, wird das Tun dem angestrebten Ziel gerecht? Das ist doch auch zu fragen erlaubt.

Auf dem Bundesparteitag der vergangenen Woche hat die PDS begonnen, den Diskussionsprozess zu führen, um Antworten auf die neuen globalen Herausforderungen, die mit dem Terroranschlag vom 11. September verbunden sind, zu erarbeiten. Damit wollen wir uns in den nationalen und auch internationalen Dialog um das Finden neuer Lösungen einbringen. Ist es aber deshalb verboten, uns zu den stattfindenden Handlungen überhaupt zu äußern? Es muss, so meine ich, vielleicht gerade der Opposition zugestanden sein, dass sie mahnend darauf hinweist, dass Regierungshandeln im 21. Jahrhundert vor neuen Herausforderungen steht. Sicherheit in diesem Jahrhundert wird unseres Erachtens nicht mit alten Mitteln zu erreichen sein. Uns geht es dabei um eine zweifache Strategie: langfristig die Ursachen von Gewalt zu bekämpfen und kurzfristig auf der Basis des Völkerrechts und in Abwägung notwendiger, auch repressiver Mittel die Schuldigen zu ergreifen und zu verurteilen. Die PDS geht in dieser Auseinandersetzung nicht den einfachen Weg. Auch bei uns werden Kontroversen über die Wahl der Mittel deutlich, aber dass Raketen und Bomben den Terrorismus in seinem Lebensnerv treffen, darf doch zumindest bezweifelt werden. Ich weiß, dies auszusprechen findet gegenwärtig nicht die ungeteilte Zustimmung. Nur, es muss doch auch in Deutschland legitim sein, vor einer Spirale der Gewalt zu warnen, ohne die Solidarität mit dem amerikanischen Volk preiszugeben.

(Beifall bei der PDS)

Es sei mir gestattet, auch im Hinblick auf diese gemeinsame Solidarität mit dem amerikanischen Volk, dass ich bedaure, dass ein Entschließungsantrag von zwei Fraktionen dem Plenum hier vorliegt. Wir sind in die Erarbeitung und die Beratung nicht mit einbezogen worden. Wir wollen versuchen, einen alternativen Vorschlag noch in die Debatte einzubringen. Einig fühlen wir uns in unserer Skepsis mit Vertretern der Kirche, der Gewerkschaf

ten und auch der Friedensorganisation. Stellvertretend dafür möchte ich die Worte von Landesbischof Christoph Kähler heranziehen, er schreibt heute in einem Artikel - ich darf zitieren, Frau Präsidentin: "Ich wiederhole die früheren Bitten an die verantwortlichen Politiker in Deutschland, Europa und in den Vereinigten Staaten wie an Israel und die arabischen Länder: Schöpfen Sie alle Möglichkeiten zum Gespräch aus! Räumen Sie diplomatischen und humanitären Maßnahmen Vorrang ein! Sorgen Sie für eine deutliche Begrenzung und ein klares Ende des militärischen Einsatzes! Stärken Sie die Vereinten Nationen als Forum der Verständigung und als Autorität in Sicherheitsfragen! Rechnen Sie mit der Besonnenheit und der Urteilsfähigkeit Ihrer Bürger! Helfen Sie langfristige Konfliktherde zu entschärfen!"

(Beifall bei der PDS)

Der Ruf nach Besonnenheit, den die PDS nie für sich vereinnahmen kann, geht auch von Persönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland aus. Der Literaturnobelpreisträger Dr. Günter Grass brachte am Dienstag dieser Woche unter anderem zum Ausdruck, dass der terroristische Akt von New York überhaupt nicht zu entschuldigen ist, aber das Nachforschen nach den Gründen sei notwendiger als alle militärischen Überlegungen.

(Beifall bei der PDS)

Von Formulierungen wie der uneingeschränkten Solidarität mit den USA, wie sie auch unter anderem der Bundeskanzler Schröder gefordert hat, halte er gar nichts. Der Literat formulierte diesen Zusammenhang wie folgt, ich darf zitieren: "Wenn man ein freundliches Verhältnis hat, muss man auch die Kraft haben, als Freund dem Befreundeten gelegentlich in den Arm zu fallen, wenn er was Falsches macht." Auch wenn es sonst nicht meine Art ist, mich in Angelegenheiten anderer einzumischen, so sei mir hier doch eine Bemerkung gestattet. Ich vermisse solche und ähnliche nachdenkliche und auch warnende Stimmen bisher von den Linken innerhalb der SPD und leider auch von großen Teilen der Bündnisgrünen, auch in den Landesverbänden Thüringens. Ich erachte kritische Sichtweisen zu den gegenwärtigen militärischen Aktionen der amerikanischen und britischen Streitkräfte und dem, was daraus sich noch entwickeln kann, für unumgänglich. Terror darf keine Gewalt über uns gewinnen. Das ist die große Klammer der Ereignisse von New York und Washington und deren Schlussfolgerung. In diesem Sinne bedauere ich gerade die Sprachlosigkeit der Linken.

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Nun ist es aber gut!)

Die Mitglieder unserer Fraktion bewegt schon die Frage, was passieren wird, wenn mit den jetzt praktizierten militärischen Einsätzen über einen längeren Zeitraum nicht das erreicht wird, was man gewollt, was man den Men

schen im Land, vor allen in den USA und in Großbritannien, versprochen hat. Hier schließt sich für mich der Kreis. Mit dieser, unserer Sichtweise sind wir uns einig unter anderem mit der Arbeitsgemeinschaft für Frieden und Konfliktforschung. In deren Friedensgutachten heißt es, ich darf zitieren: "Notwendig ist, den Terrorismus zu bekämpfen, seine Organisatoren und Hintermänner zur Verantwortung zu ziehen und vor Gericht zu stellen. Nicht weniger dringend sind aber mittel- und langfristige Strategien, um ihm durch alternative Lebensentwürfe und Lebenschancen das Wasser abzugraben." Nachdenklich macht mich in diesem Zusammenhang auch die von der USAAdministration betriebene und auch in unserem Land eingesetzte Rhetorik des Krieges. So sprach der USA-Präsident bekanntlich unmittelbar nach dem feigen Terroranschlag von der Notwendigkeit eines Kreuzzuges gegen den Terrorismus. Vor dem USA-Kongress in Washington brachte er in seiner Rede zum Ausdruck, dass die USA jedes in ihrer Macht stehende Mittel, auch jede notwendige Waffe des Krieges, einsetzen werden, um das globale Netzwerk des Terrors zu zerstören und zu besiegen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Was denn sonst?)

Er sprach davon, dass die Antwort der USA mehr beinhaltet als einzelne Angriffe gegen die Schuldigen, vielmehr sollten sich die Amerikaner darauf einstellen, dass es nicht nur um eine einzige Schlacht, sondern einen langen Feldzug gehen wird. Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung darauf hingewiesen. Diese Rhetorik folgt, und wenn Sie mich auch noch mal dafür kritisieren, Herr Gentzel, einer untauglichen Kriegslogik, wie ich meine. Die Herausforderung des 11. September ist jedoch, eine zivile, eine Friedenslogik zu entwickeln. Dazu bedarf es der Besonnenheit aller Akteure, es braucht den Einfluss der unterschiedlichen politischen Partner und des vernünftigen Nachdenkens über globale Sicherheitsfragen.

(Beifall bei der PDS)

Das trifft auch auf Maßnahmen im Freistaat zur Erhöhung der Sicherheit zu. Was erwarten die Menschen? Sie erwarten in diesen Tagen unter anderem auch in Thüringen von der Politik berechtigt, dass sie vor terroristischer Bedrohung geschützt werden. Sie erwarten, dass die Täter vom 11. September bestraft und die von den terroristischen Strukturen ausgehenden Gefahren für die gesamte Weltkultur andauernd und wirksam überwunden werden. Sie erwarten auch, dass ihr Leben, auch hier in Thüringen, nicht durch Terror und Angst entwürdigt wird. Dazu zählt auch, in Thüringen eine höhere Sicherheit vor Kriminalität, Gewalt und Terror im berechtigten Interesse der Menschen zu erreichen. Dazu ergreift die Bundesregierung und ergreifen die Bundesländer, wie auch der Herr Ministerpräsident für Thüringen hier ausführte, unterschiedliche Maßnahmen. Wir werden uns mit diesen Maßnahmepaketen als PDS-Fraktion auseinander setzen. Wich

tig für uns bei der Bewertung unseres Engagements wird die Tatsache bleiben, wie die Balance von staatlicher Sicherheitspolitik und individuellen Bürgerrechten gewährleistet wird. Ich komme gern auch in diesem Zusammenhang auf die letzten Ausführungen des Ministerpräsidenten zurück. Er sagte, wir brauchen eine Neujustierung von individuellen Freiheitsrechten und Gemeinwohl. Es darf nicht heißen, "Sicherheit statt Freiheit", sondern es muss heißen, "Freiheit in Sicherheit". Dem schließen wir uns an.

(Beifall bei der PDS)

Als PDS-Fraktion haben auch wir das erste Maßnahmepaket der Bundesregierung zur Terrorismusbekämpfung zur Kenntnis genommen. Zu diesen einzelnen Maßnahmen hat innerhalb der Fraktion, auch in Abstimmung mit den Fraktionen der PDS in den anderen Landtagen und im Bundestag, ein intensiver Diskussionsprozess eingesetzt und findet nach wie vor statt,

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Haben Sie den Landesvorsitzenden auch einbezogen?)

der sich von bisheriger Standpunktbildung unterscheidet. Unsere Zustimmung zu einzelnen Fragen soll dabei auch nicht unsere kritische Sicht auf andere verdecken. Die Hoffnungen der Thüringerinnen und Thüringer wie die aller Menschen auf ein Leben ohne Terror und Angst wollen wir nicht enttäuschen. Wir wollen uns deshalb mit diesen, unseren Positionen in die weiteren Diskussionen zu diesen Maßnahmen auch hier im Land und in den Ausschüssen einbringen. Ich unterstütze ausdrücklich die Feststellung des Ministerpräsidenten: "Wo Terror herrscht, gibt es keinen Frieden. Wer Frieden will, muss den Terror bekämpfen." Ich darf hinzufügen, das Einzige, was zählt, ist Vernunft. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gentzel, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, vor gut einem Monat erfolgten die furchtbaren Anschläge auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington, durchgeführt von der Terrororganisation des Osama Bin Laden. Diese Angriffe waren Attacken auf Symbole der Vereinigten Staaten, aber sie trafen uns alle. Ich betone sehr deutlich: Es war ein Angriff auf die gesamte Menschheit, nicht nur mit der verheerenden Folge, dass weit über 5.000 Menschen verschiedener Nationalitäten ihr Leben verloren - wir haben ihrer gedacht - nein, auch in seiner Symbolik - und das

war bewusst - war dieser Angriff verheerend, so sprachen die einstürzenden Türme des World Trade Centers eine eindeutige Sprache. Auf der einen Seite eine schlimme Demütigung der freien Welt, auf der anderen Seite und auch das ist ein bedeutender Punkt - sie sprach unausgesprochen einen Triumph aus, einen Triumph für diejenigen Verbrecher, die sich das ausgedacht, vorbereitet und durchgeführt hatten.

Meine Damen und Herren, was passiert in dieser Welt, wenn auf einen solch katastrophalen Anschlag keine entsprechende Antwort gegeben wird? Ich frage Sie: Können wir das überhaupt verantworten? Können wir uns das wünschen, dass ein derart feiger Terroranschlag nicht beantwortet wird?

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich behaupte, dann wächst die Gefahr und wird nicht geringer, denn keine Antwort zu geben, stärkt die Versuchung der Wiederholung an anderen Zielen, in anderen Städten. Die Attentäter würden Zulauf bekommen. Deswegen war es aus politischen und sicherheitspolitischen Gründen notwendig, dass eine direkte Antwort erfolgte, die klar macht, dass diejenigen, die für diese Terrorattentate verantwortlich sind, gefasst und bestraft werden. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stellt dazu eindeutig fest: Es ist eine Gefährdung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. An dieser Stelle, meine Damen und Herren, ist es gut, dass Einmütigkeit im Thüringer Landtag herrscht. Solche terroristischen Aktionen, egal in welchem Umfang, wie in Amerika geschehen, aber auch solche wie in Israel oder Spanien, sind keine Mittel der Politik, es sind Verbrechen, durchgeführt von Verbrechern. Ich behaupte, nicht wenige saßen an diesem 11. September 2001 vor dem Fernseher und sahen mit Erschütterung die aktuellen Bilder. Viele von uns waren sich sicher, dass spätestens innerhalb von 24 Stunden Amerika in einer uns doch ach so bekannten Reflexreaktion militärisch handeln würde. Das, was dann folgte, kann uns selbstverständlich nicht beruhigen, es kann uns auch nicht alle Ängste nehmen, aber es sollte uns Mut machen, eben keine Bomben, eben keine unüberlegten reflexartigen militärischen Vergeltungsaktionen irgendwo auf der Welt, nein, vielmehr der überzeugende Versuch der Amerikaner, die Welt in einer Antiterrorkoalition zu versammeln,

(Beifall bei der CDU, SPD)

und zwar auf einer politischen, ökonomischen und auf einer militärischen Ebene. Hier liegt eine neue, und ich sage, hoffentlich dauerhafte Qualität der amerikanischen Außenpolitik vor. Die Einsicht, dem weltweiten Terrorismus im Alleingang und mit bloßen militärischen Mitteln nicht beizukommen, hat sich in Washington gezeigt. Die Vereinten Nationen werden mehr denn je ihrer weltpolitischen Rolle gerecht, die Verbündeten werden wie Verbündete behandelt. Es wird miteinander diskutiert und es wird sich gegenseitig informiert. Dass einer der Verbün

deten, die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, in diesem Prozess eine wichtige Vermittlerrolle spielte und spielt, ist unumstritten und richtig so. Gespräche mit Präsidenten und Außenministern vieler Nationen dieser Welt waren der deutsche Anteil daran, dass dieser wichtige Prozess mitgestaltet und unterstützt wurde. Gut in Erinnerung bleibt uns sicherlich der Besuch des russischen Staatschefs Putin in Deutschland. All das ergänzte die Initiativen der amerikanischen Regierung genauso, wie es die Ziele der Vereinten Nationen unterstützte. Sicherlich stand im Mittelpunkt der Gespräche immer die uneingeschränkte Solidarität mit Amerika. Die Feststellung des Bündnisfalles und damit auch das notwendige deutsche Engagement bei notwendigen Militärschlägen, aber eben nicht nur das. Im Mittelpunkt stand auch die Frage nach möglichen politischen Mitteln, um den Terrorismus in der Welt einzudämmen, genauso wie die Frage, wie man in der jetzigen Situation die unbedingte humanitäre Hilfe, insbesondere für die afghanische Bevölkerung, schaffen kann.

Meine Damen und Herren, beim Besuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder am 9. Oktober dieses Jahres in Amerika, den er zu Gesprächen mit George Bush und Kofi Annan nutzte, stellte er unmissverständlich klar: Wir, die Deutschen, stehen fest an der Seite unserer amerikanischen Verbündeten und das uneingeschränkt. Das, meine Damen und Herren, ist die wirklich einzige Alternative, um den internationalen Terrorismus auf Dauer und konsequent zu bekämpfen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Meine Damen und Herren, wer den Terrorismus wirklich bekämpfen will, muss sich unangenehmen, ja teilweise auch quälenden Fragen stellen und vor allen Dingen, meine Damen und Herren von der PDS, er muss sie irgendwann beantworten. Das gilt insbesondere für die Frage des Einsatzes von militärischen Mitteln und hier enden leider - ich betone ausdrücklich leider - die Gemeinsamkeiten der drei Fraktionen im Thüringer Landtag. Ich behaupte, wenn wir dem weltweiten Terror die Luft zum Atmen nehmen wollen, dann kann es nicht nur das Recht geben, diese Verbrecher zu fangen und zu bestrafen, sondern es gibt die Pflicht, angemessen und entschlossen, auch militärisch, gegen den Terror vorzugehen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

An dieser, unserer Entschlossenheit darf es keinen Zweifel geben oder wie es der Bundespräsident Johannes Rau diese Woche formulierte - ich zitiere: "Dem Wunsch zu morden muss Einhalt geboten werden." Dazu hat im Inneren nur der Staat oder international die Völkergemeinschaft das Recht. Und so bestätigt nach unserer Auffassung Kofi Annan richtigerweise auch die Rechtmäßigkeit des Angriffs der Amerikaner auf das Taliban-Regime in Afghanistan. Ich spreche bewusst nicht von einem Angriff der Amerikaner und mit ihnen verbundenen Bri

ten auf Afghanistan. Das, was in Afghanistan passiert, ist eine militärische Aktion gegen das Taliban-Regime. Das afghanische Volk ist denen aufgrund der erbärmlichen Lebenssituation, die sie ihnen bieten, und aufgrund der ständigen Menschenrechtsverletzungen, denen es ausgeliefert ist, längst weggelaufen.

Meine Damen und Herren, diese klare Haltung der SPDLandtagsfraktion, nämlich Gerechtigkeit und Frieden notfalls auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen, ist für uns eine Konsequenz, die sich für uns nicht immer leicht formulieren lässt. Sie wissen, nicht wenige von uns haben ihre Wurzeln in der Bürgerbewegung und die Nähe zur Friedensbewegung muss ich an dieser Stelle nicht erklären. So müssen wir ständig den Widerspruch aushalten zwischen dem sehnlichen Wunsch nach Weltfrieden, aber auf der anderen Seite der Einsicht, dass man denen, die den Frieden mit Gewalt bedrohen und die uns den Dialog dazu verweigern, in bestimmten Fällen nur Gewalt entgegensetzen kann.

Deshalb, meine Damen und Herren, habe ich das einleitend so formuliert. Man muss sich in den Situationen nicht nur quälenden Fragen stellen, man muss sie auch beantworten.

Meine Damen und Herren, der Griff aber auch zu militärischer Gewalt kann nicht die einzige Antwort der Staatengemeinschaft bleiben. Wir Sozialdemokraten sind der festen Ansicht, dass mit militärischen Aktivitäten allein der Konflikt nicht gelöst werden kann.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Wir wissen alle, dass die weltweite Globalisierung vielen Menschen auf diesem Planeten hilft, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Wir wissen aber auch, dass sie nicht wenige benachteiligt. So haben wir uns der Frage zu stellen, ob diese Art von weltweiter Wirtschaftspolitik nicht Menschen ausgrenzt und so den Terroristen in die Hände treibt. Wir müssen uns fragen, hat nicht unsere viel zu zaghafte Politik zu den drängenden Fragen der Dritten Welt dazu geführt, dass sich Menschen auf Lebenszeit ausgegrenzt fühlen und somit auch Zuflucht bei den Fundamentalisten suchten? Hat nicht unsere Trägheit bei der Bekämpfung des Hungers in der Welt dazu geführt, dass aufgrund von fehlenden Perspektiven sich selbst schon Kinder radikal den Führern anschlossen? Jetzt wieder die Frage, was sind unsere Lehren daraus? Die Antwort kann nur lauten, nach und neben dem militärischen Engagement können wir nicht wieder zur Tagesordnung übergehen. Wir müssen unsere Sicht erweitern und dies können wir nur mit einer überzeugenden Friedenspolitik, insbesondere im Nahen Osten, in Zentralasien und in großen Teilen Afrikas. Dort müssen wir die Räume für den Terrorismus eng machen und hier, meine Damen und Herren, wartet eine gewaltige Aufgabe auf uns und auch auf die Europäische Union. Wir brauchen eine neue gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, wir brauchen

aber auch eine neue und gemeinsame Entwicklungspolitik. Unsere Außenpolitik gegenüber solchen Ländern wie z.B. Iran, Irak, Israel, einigen Ländern der ehemaligen GUS-Staaten gehört auf den Prüfstand.

Meine Damen und Herren, Demokratie und Menschenrechte müssen weltweit uneingeschränkte Gültigkeit haben, und zwar nicht als Teil von Ideologien, sondern prinzipiell. Wie leicht ist das doch formuliert. Wir stehen nicht nur vor der gewaltigen Aufgabe, Europa endgültig zu einen, nein, das vereinigte Europa muss als Erstes dafür sorgen, dass diese Grundsätze auch weltweit gelten. Das gilt insbesondere auch bei der Toleranz gegenüber anderen Kulturen, Traditionen und anderen Religionen, das gilt gerade für den Islam und lassen Sie mich an dieser Stelle zum wiederholten Male Johannes Rau zitieren: "Wenn wir diese große Tradition und Kraft des Islams respektieren, dann dürfen wir von den islamischen Gläubigen und Geistlichen auch erwarten, dass sie sich mehr als bisher einsetzen für die Unterscheidung von Religion und Politik."

Meine Damen und Herren, die internationale Staatengemeinschaft handelt entschlossen. Wir werden dem Terrorismus keine Möglichkeiten zur weiteren Entfaltung geben. Nur aus dieser gemeinsamen Haltung so vieler Länder der Welt erwächst noch lange keine neue Ordnung. Wenn wir dies aber wollen, müssen wir bereit sein, ganz anders als bisher Verschiedenheit zu respektieren. Nur so kann der Ansporn entstehen, eine neue Ordnung zu begründen, und zwar über den Tag hinaus. Gelingt uns dies im ehrlichen Gespräch miteinander, können wir in der Zusammenarbeit den Terrorismus besiegen aus einer friedlichen Stärke heraus, die allen Religions- und Kulturtraditionen ihre Freiheit lässt.

Meine Damen und Herren, Herr Buse, Sie haben es förmlich provoziert; lassen Sie mich an dieser Stelle ein paar Worte an diejenigen richten, die stolz für sich in Anspruch nehmen, die einzige Antikriegspartei zu sein. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Was Sie da machen, ist für mich längst keine linke Politik mehr. In dieser Frage sind Sie geradezu unpolitisch und unehrlich.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Es ist eine der hervorragenden Eigenschaften von linker Politik, in schwierigen, ja auch in Notsituationen den Menschen die Wahrheit zu sagen, den Menschen auf schwierige Fragen immer ehrliche Antworten zu geben, auch wenn die mitunter nicht populär sind. Ich werfe Ihnen nicht nur vor, den linken Gedanken in der Bundesrepublik Deutschland zu verraten, ich werfe Ihnen vor, die Menschen mit falschen Antworten zu betrügen um des politischen Gewinnens willen.