Protokoll der Sitzung vom 12.10.2001

Viele hatten hierzulande nach dem 11. September die Sorge, die amerikanische Regierung würde im Zorn handeln. Diese Sorge hat sich nicht bestätigt. Die amerikanische Regierung hat überlegt und wohl abgewogen gehandelt, sie hat, und auch davon konnte ich mich während meines Aufenthalts in Washington überzeugen, sehr genau erkannt, wie sehr es jetzt auf internationale Solidarität ankommt - es war eine völlig veränderte Gesprächsatmosphäre -, wie wichtig es ist, eine internationale Allianz gegen den Terror zu schmieden, wie bedeutsam die Rolle der Vereinten Nationen ist.

Zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges findet die amerikanische Politik Unterstützung von Staaten, die früher ihre Gegner waren. Dass sowohl Russland wie China die Antiterror-Allianz unterstützen und das amerikanische Vorgehen in Afghanistan akzeptieren, dass es im Weltsicherheitsrat zu einstimmigen Beschlüssen kam, ist beachtlich. Es ist der amerikanischen Administration wichtig, möglichst viele islamische Staaten in die Allianz einzubeziehen, denn, meine Damen und Herren, hier findet kein Kampf des Westens gegen die islamische Welt statt. Der Terror wird bekämpft und nicht eine der großen monotheistischen Weltreligionen. Samuel Huntington hat vor einigen Jahren das düstere Bild von einem Krieg der Kulturen gezeichnet. Genau dazu darf es nicht kommen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Die Einsätze der USA und Großbritanniens richten sich nicht gegen das afghanische Volk, sie richten sich gegen Bin Laden und das Taliban-Regime, gegen ein Regime, das die eigene Bevölkerung unterdrückt und Terroristen schützt. Wir begrüßen es, dass die USA zeitgleich mit den gezielten Schlägen mit umfangreichen humanitären Hilfsmaßnahmen für die Not leidende afghanische Bevölkerung begonnen hat. Und auch an dieser Hilfe sollte Deutschland sich intensiv beteiligen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Für die Thüringer Landesregierung steht die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger an erster Stelle. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Seit dem 11. September wissen wir, dass auch wir gefährdet sein können. Seit Beginn der Militäraktion in Afghanistan müssen wir von einer erhöhten Gefährdungslage ausgehen. Auch wenn die Lage gegenwärtig normal ist und es keinerlei Anhaltspunkte für bevorstehende Anschläge gibt, Aufmerksamkeit ist geboten, aber Anlass zur Ängstlichkeit und Unsicherheit besteht nicht, schon gar nicht hier in Thüringen, einem der sichersten Länder in Deutschland.

Die Landesregierung hat nach dem 11. September für besondere Notfalllagen einen interministeriellen Arbeitsstab unter Vorsitz des Staatssekretärs im Innenministerium gebildet. Er koordiniert notwendige Maßnahmen der Ministerien und bereitet, wenn notwendig, Entscheidungen für die Landesregierung vor. Wir haben die Sicherheitsmaßnahmen seit vergangenen Sonntagabend verschärft und unsere Alarmbereitschaft erhöht. Die Zusammenarbeit der verantwortlichen Stellen ist gesichert und sie funktioniert reibungslos. Niemand von uns, meine Damen und Herren, rechnet mit größeren Schadensereignissen, aber auch wenn sie wider Erwarten eintreten sollten, ist der Freistaat gerüstet. 300.000 Mio. DM für die Ausrüstung des Brand- und Katastrophenschutzes, für den das Land zuständig ist, sind gut investiert, über 49.000 haupt- und ehrenamtliche Feuerwehrleute stehen bereit und darüber hinaus ca. 7.000 Helfer in den Hilfsdiensten wie dem THW, dem Roten Kreuz, der Johanniter-Unfallhilfe, dem ASB und anderen. Das Innenministerium hat die Kommunen sicherheitshalber aufgefordert, noch einmal sämtliche Einsatzpläne zu überprüfen. Die Lehrkonzepte der Thüringer Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule sind stärker als bisher auf die Gefahrenabwehr bei biologischen und chemischen Zwischenfällen abgestellt worden. Was die Abwehr atomarer, biologischer und chemischer Gefahren angeht, sind wir der Meinung, dass nicht jedes Land für sich, sondern Bund und Länder gemeinsam tätig werden sollten. Wir begrüßen es, dass die Bundesregierung eine Biowaffen-Informationsstelle beim Robert-Koch-Institut in Berlin einrichtet. Die noch ausstehenden Lieferungen von ABC-Erkundungskraftwagen und Dekontamination-LKWs hat der Bundesinnenminister für die allernächste Zeit zugesichert.

Meine Damen und Herren, es ist wahr, seit dem Ende des Kalten Krieges haben aufgrund der veränderten Weltlage alle Beteiligten geglaubt, es werde niemals mehr eine ernsthafte Bedrohung unserer Sicherheit von außen geben. Wir sind stolz darauf, nur Freunde als Nachbarn zu haben, aber mit Bin Laden und den afghanischen Taliban hat niemand gerechnet. Die Einsatzstärke der Bundeswehr wurde reduziert, die Leistungsfähigkeit des Bundesgrenzschutzes erheblich zurückgenommen, auch der Zivilschutz, Zuständigkeit des Bundes, ist zurückgefahren worden. Nur ein Beispiel: Es gibt zwar ein ZivilschutzNeuordnungsgesetz, aber die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen gibt es nicht. Nicht nur beim Bund, auch in allen Ländern sind die Haushaltsansätze teilweise dramatisch abgesenkt worden und hier muss umgedacht werden

(Beifall bei der CDU, SPD)

und es wird umgedacht. Es wird umgedacht, teilweise mit atemberaubender Geschwindigkeit. Mitte September hat der Bundesinnenminister ein erstes Maßnahmenpaket zur Terrorismusbekämpfung vorgelegt. Der Bundesrat hat den Gesetzentwürfen am 27. September zugestimmt. Das Religionsprivileg im Vereinsrecht wird aufgehoben. Es darf nicht sein, dass sich Gruppierungen, die unsere Verfassungsordnung bekämpfen, hinter dem Etikett "Religionsgemeinschaft" verstecken. In das Strafgesetzbuch wird ein § 129 b neu eingefügt, Mitglieder ausländischer Terrorbanden können künftig auch in Deutschland belangt werden, wenn sie Straftaten im Ausland begehen. Und die Zuverlässigkeitsüberprüfung von Flughafenpersonal wird verstärkt. Mit unserer Zustimmung bereitet der Bundesinnenminister ein zweites Antiterrorpaket vor. Es sieht unter anderem eine Auskunftspflicht der Banken gegenüber dem Verfassungsschutz vor. Bundeskriminalamt, Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz sollen systematisch untereinander Daten austauschen können. Im Reisepass soll neben dem Foto auch der Fingerabdruck festgehalten werden und Visa-Antragsteller, die Einladungen aus Deutschland vorlegen, müssen damit rechnen, dass diese Einladungen überprüft werden.

Die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag hat ihrerseits die Initiative ergriffen und Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung vorgeschlagen, die sich mit Schilys Überlegungen weitgehend decken und teilweise nur wieder aufgreifen, was früher schon vorgeschlagen, aber leider abgelehnt wurde. Im Bundesrat sind Anträge immer wieder gescheitert, jetzt werden sie Erfolg haben. Beispielsweise fordert die Unionsfraktion, die optische Wohnraumüberwachung zu ermöglichen und die akustische Wohnraumüberwachung zu verbessern, eine verlässliche Rechtsgrundlage für den Einsatz verdeckter Ermittler zu schaffen und Asylbewerber vor der Asylgewährung nicht nur wie bisher in Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen, sondern überall in Deutschland einer Regelanfrage beim Verfassungsschutz zu unterziehen. Die Kronzeugen

regelung, die 1999 ausgelaufen ist, soll in etwas veränderter Form wieder eingeführt werden. Die Rasterfahndung, zu der sich alle Länder in der Bundesrepublik entschlossen haben, bietet in der gegenwärtigen Situation die Chance, Gefahren für unsere Freiheit und unsere Sicherheit abzuwehren. Deshalb halte ich es für geboten sie anzuwenden. Die Thüringer Landesregierung steht den Initiativen, die ich genannt habe, grundsätzlich positiv gegenüber, aber sie wird selbstverständlich jeden einzelnen Vorschlag genau prüfen, bevor sie ihr Abstimmungsverhalten festlegt. Die Bundeswehr muss in der Lage sein, Polizei und Bundesgrenzschutz in besonderen Gefahrensituationen zu entlasten, beispielsweise beim Schutz von Kernkraftwerken, Chemieanlagen oder Talsperren. Es muss überprüft werden, ob die Rechtsgrundlage für den Einsatz der Bundeswehr im Inland eindeutig ist. Wir brauchen, meine Damen und Herren, eine Neujustierung von individuellen Freiheitsrechten auf der einen und dem allgemeinen Wohl auf der anderen Seite. Es darf nicht heißen: Sicherheit statt Freiheit. Es muss heißen: Freiheit in Sicherheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Der amerikanische Präsident hat Recht, die freiheitlichen Demokratien dürfen angesichts der terroristischen Bedrohung nicht ihren Charakter verlieren. Sie dürfen nicht illiberal werden, sonst hätten die Terroristen ihr Ziel erreicht.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Natürlich brauchen wir zur Bekämpfung des Terrorismus die Nachrichtendienste, auch wenn kein Nachrichtendienst der Welt die Ereignisse des 11. September angekündigt hat. Wir brauchen den Verfassungsschutz in Deutschland, das heißt auch das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz. Gut, dass wir es weder abgeschafft noch aufgelöst haben.

(Beifall bei der CDU)

Zur Extremismusbekämpfung wird der Verfassungsschutz gestärkt. Die Landesregierung wird vor allem den Bereich "Ausländerextremismus" sowie die Beobachtung länderübergreifender Aktivitäten von Extremisten besser ausstatten. Die Landesregierung bereitet ein Programm für mehr Sicherheit in Thüringen vor. Wir wollen dafür im laufenden Doppelhaushalt etwa 25 Mio. DM aufwenden. Da wir unter anderem in diesem Programm auch Stellenmehrungen vornehmen wollen, werden wir dafür einen Nachtragshaushalt für 2002 vorzulegen haben.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen, meine Damen und Herren, diesen Kraftakt, dieses Programm für mehr Sicherheit ohne Erhöhung der Nettoneuverschuldung finanzieren.

(Beifall bei der CDU)

Das heißt, entsprechende Einsparungen an anderer Stelle sind unumgänglich. Die Polizei ist seit dem 11. September besonders gefordert. Ich danke der Thüringer Polizei für viele zusätzliche Dienststunden und für ihre wachsame Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich habe Verständnis, dass jetzt mehr Polizei verlangt wird. Allerdings muss bedacht werden, Thüringen hat bereits eine sehr hohe Polizeidichte. Mit einem Polizisten auf 349 Einwohner liegen wir deutschlandweit auf dem 7. Platz. Und es muss bedacht werden, dass es für Polizisten keinen freien Markt gibt, sondern, dass sie in einer mehrjährigen Ausbildungszeit ausgebildet werden müssen, bevor man sie einstellen kann. Gleichwohl werden wir im Rahmen des von mir gerade angekündigten Programms für mehr Sicherheit auch die Polizei personell verstärken. Wir werden in den Bereichen "Staatsschutz", "Verbrechensbekämpfung" und "Mobile Ermittlung" zusätzliches Personal einstellen. Auch im Bereich "Finanzermittlung" werden wir neue Stellen einrichten. Wir haben vor, 2002 zusätzliche Beförderungsmöglichkeiten im Bereich der Polizei zu schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden die Arbeitsbedingungen der Polizei verbessern, wir werden den IT-Bereich in erforderlichem Maß ausweiten und Sondermittel für Spezialfahrzeuge und Fingerprintsysteme zur erkennungsdienstlichen Behandlung bereitstellen. Unmittelbar nach den Anschlägen in den USA hat das Thüringer Landeskriminalamt eine Koordinierungsstelle "Terrorismusbekämpfung" eingerichtet, in der unter anderem Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft, des Landesamts für Verfassungsschutz und des Landesverwaltungsamts mitarbeiten. Auch die Justiz soll im Rahmen des angekündigten Programms personelle Verstärkung erhalten. Wir werden die Wirtschaftsprüfungsgruppe der Staatsanwaltschaften vergrößern und weitere IT-Fachkräfte einstellen. Die Computerausstattung der Staatsanwaltschaften wird verbessert.

Gestatten Sie mir ein Wort zur Bereitschaftspolizei. Die Innenminister haben die Bundesregierung aufgefordert, sich wieder stärker an der Ausstattung der Bereitschaftspolizei zu beteiligen. Bis 1999 hat der Bund die Bereitschaftspolizei der Länder jährlich mit 39 Mio. DM unterstützt. Die Mittel hat er mehr und mehr gekürzt und in der Mittelfristigen Finanzplanung auf null gestellt. Ich halte es angesichts der jüngsten Entwicklung für unbedingt notwendig, zumindest zur ursprünglichen Förderung zurückzukehren.

(Beifall bei der CDU)

Alle unsere Maßnahmen sollen dazu beitragen, uns der veränderten Situation anzupassen und jetzt die richtigen Prioritäten zu setzen. Dazu gehört auch die Absicht der Landesregierung, dem Landtag bald zwei Gesetzentwürfe vorzulegen. Ein Gesetz zur Änderung des Polizeiorganisationsgesetzes und ein Gesetz zur Änderung des Polizei- und Sicherheitsrechts sind in Vorbereitung. Wir möchten das Polizeiorganisationsrecht ändern, damit mehr Polizisten Dienst vor Ort leisten können und weniger Polizisten Dienst in der Verwaltung leisten müssen. Wir werden das Polizei- und Sicherheitsrecht ändern, um zum Beispiel die Videoüberwachung öffentlicher Plätze und Straßen möglich zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zur Stärkung der inneren Sicherheit gehört, niemanden zu verunsichern und sich doch auf mögliche Notfälle vorzubereiten. Deswegen wollen wir zusätzlich Stellen im Bereich Katastrophenschutz einrichten, ein landesweites Datennetz für den Brand- und Katastrophenschutz aufbauen und das Leit- und Informationszentrum im Landesverwaltungsamt erweitern. Die Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule erhält eine technische Ausstattung, mit der sich die Bewältigung von Gefahrensituationen im Falle terroristischer Angriffe üben lässt. Für das Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz sehen wir zusätzliches Personal vor, um beim Auftreten von Verdachtsmomenten biologischer Stoffe analysieren zu können.

Meine Damen und Herren, natürlich hat der 11. September für Amerika wie für Europa und folglich auch für uns auch wirtschaftspolitische Folgen. Die Gefahr, dass sich die Konjunkturentwicklung nicht nur in den USA, sondern auch in Europa weiter verlangsamt, ist noch nicht gebannt. Es wird, so sagt mir der Präsident des Weltwährungsfonds, Herr Dr. Köhler, in Washington viel davon abhängen, welches Kaufverhalten die Amerikaner in nächster Zeit an den Tag legen -, ob der ungewöhnliche Patriotismus sie veranlasst, gegen die Stimmung zu kaufen oder ob die zusätzliche Arbeitslosigkeit, die durch den Anschlag entstanden ist, sie davon abhält. Die Konjunktur in Amerika muss wieder anspringen, sie muss aber vor allem in Europa und hier vor allem und ganz besonders in Deutschland wieder anspringen. Nur dann kommt es nicht zur Gefahr einer weltweiten Rezession.

Meine Damen und Herren, die wirtschaftliche Entwicklung hängt auch davon ab, wie sehr wir uns von den Ereignissen des 11. September und von den jüngsten Drohungen der Terroristen ängstigen lassen. Wer uns Angst einjagen will, der betreibt das Geschäft der Terroristen und ihrer Helfershelfer. Wir müssen wachsam sein, wir müssen überlegt handeln, um Freiheit und Sicherheit zu schützen, aber niemand sollte in Panik und Hysterie verfallen. Niemand sollte denen auf den Leim gehen, die ein perfides Spiel mit der Angst spielen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Rechts- wie linksradikale Kräfte versuchen in seltener Gemeinsamkeit antiamerikanische Ressentiments zu verbreiten und Friedensdemonstrationen umzufunktionieren. Die Texte der Aufrufe gleichen sich in verdächtigem Ausmaß.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, in Deutschland leben 3,2 Millionen Muslime, in Thüringen, so viel wir wissen, rund 3.000. Wir wissen, dass es 200 muslimische Schüler in unseren Schulen gibt. Diese Muslime sind in ihrer übergroßen Mehrheit friedliebende und rechtstreue Menschen, die Gewalt und Terror verachten. Alle großen Weltreligionen, meine Damen und Herren, predigen den Frieden und die Versöhnung. Es gibt keine Weltreligion, die den Terror predigt und Terror ist keine Religion.

(Beifall im Hause)

Ein hoher Repräsentant des Irans, der gestern Frau Schipanskis Gast war, der Kultusminister und stellvertretender Präsident gewesen ist, hat in Weimar gesagt: "Der Islam steht für Freundschaft und Gespräch mit allen Menschen." Und obwohl das so ist, haben jetzt viele Muslime Angst, sie haben Angst, unter einen Generalverdacht gestellt zu werden, und das dürfen wir nicht zulassen. Deswegen bitte ich Sie, die Bürger des Landes, begegnen Sie diesen Mitbürgerinnen und Mitbürgern nicht mit Misstrauen. Lassen Sie uns die Chance zum Dialog mit dem Islam nutzen. Ich bitte ausdrücklich die Kirchen und ihre Bildungswerke, die Akademien, die politischen Stiftungen, die Landeszentrale für politische Bildung die Plattform für Information und Dialog mit dem Islam zu bieten. Die Schulen bitte ich und die Lehrer möchte ich ermuntern, sich des Themas anzunehmen. Den Medien fällt in dieser Situation eine große Verantwortung zu. Viele Journalisten nehmen sie mit großer Kraftanstrengung wahr. Informieren Sie, kommentieren Sie, kritisieren Sie, aber machen Sie bitte aus dem Kampf gegen den Terror keine Kriegsberichterstattung!

(Beifall im Hause)

Wer demonstrieren will, kann das in einem freien Land tun, aber unmündige Kinder sollte man dabei nicht instrumentalisieren.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Wo Terror herrscht, gibt es keinen Frieden. Wer Frieden will, muss den Terror bekämpfen. Wir wollen den Terror bekämpfen, wir wollen unsere Sicherheit schützen und wir wollen unsere Freiheit verteidigen. Wir sind überzeugt, es lohnt sich. Danke, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Damit kommen wir jetzt zur gemeinsamen Aussprache, die bereits gestern bei Feststellung der Tagesordnung beantragt wurde. Ich darf als Ersten aufrufen den Abgeordneten Buse, PDS-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, verehrte Gäste der heutigen Plenarsitzung! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, es mag ungewöhnlich sein, aber ich möchte Ihnen insbesondere für den Schlussteil Ihrer Rede meine Anerkennung aussprechen. Es mag mir auch gestattet sein, die Rede der Parlamentspräsidentin in der gestrigen Plenarsitzung in diese Anerkennung einzubeziehen.

(Beifall im Hause)

"Jetzt erst hat das 21. Jahrhundert begonnen", so schrieb der New Yorker Schriftsteller Paul Auster am Tag des Terroraktes gegen das World Trade Center und das Pentagon. Diese menschenverachtenden Terroranschläge des 11. September - und ich stimme Herrn Ministerpräsidenten zu, dass es die grausamsten Terroranschläge, die die Menschheit je erlebt hat, waren - sind meiner Meinung nach eine Kriegserklärung an die Weltzivilisation. Sie können, wie der Herr Ministerpräsident ausführte, nicht folgenlos bleiben und ich meine, sie dürfen nicht folgenlos bleiben. Alles, was Menschlichkeit in Gestalt unterschiedlicher Zivilisation bedeutet, ist meines Erachtens getroffen und herausgefordert. Schlagartig erhellte sich an diesem 11. September, der Terrorismus bricht mit allem, was Menschen sich an Zivilisiertheit, an Respekt vor dem Leben und an Würde erkämpft haben. Gerade deshalb sind die Schreckensbilder von New York und Washington tief in unser Innerstes gedrungen. Gerade deshalb erfasste Millionen Menschen neben Trauer auch Ohnmacht und Wut. Unter diesem Aspekt hat die Fraktion der PDS unmittelbar nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center die damals laufende Fraktionsklausur unterbrochen. Ich wollte hier heute den Versuch unternehmen, die Empfindungen der Mitglieder der Fraktion nachzuzeichnen. Es wurde aber hier gestern ein Bild von der Fraktion und den Abgeordneten der PDS gezeichnet, das es mir heute schwer macht, das lebende Entsetzen, die tiefe Betroffenheit, die politischen Empfindungen der Klausurteilnehmer nachvollziehbar darzustellen. Sie mögen hier gestern ein Bild von uns gezeichnet haben, was Ihren politischen Wünschen und Interessen entspricht. Menschlich sprach es andere Sprachen. Noch Stunden später nach dem furchtbaren Terrorakt beherrschten auf alle Fälle mich wie auch die anderen Mitglieder unserer Fraktion die Gefühle von Trauer, Ohnmacht und Wut, und ich brachte sie in meiner Eintragung in das Kondolenzbuch in der Staatskanzlei zum Ausdruck. Wir haben mit Millionen Menschen um die Opfer des Terrorakts am 11. September getrauert. Menschen verschiedener Nationalitäten, un

terschiedlichen Glaubens und verschiedener Kulturen waren bekanntlich unter diesen Opfern. Unser Mitgefühl galt und gilt ihren Angehörigen in den verschiedenen Ländern, vor allem aber auch in den USA. Dieses Mitgefühl und unsere Solidarität mit den Bürgerinnen und Bürgern der Vereinigten Staaten von Amerika habe ich namens unserer Fraktion unmittelbar nach dem Anschlag dem Generalkonsul Savage übermittelt.

Verehrte Damen und Herren, folgt man der Logik des amerikanischen Schriftstellers Auster wenn jetzt erst das 21. Jahrhundert begonnen hat, wie er schrieb, dann will er auf die neuen Herausforderungen aufmerksam machen. Wenn internationaler Terror und militärische Gewalt das Menetekel des 21. Jahrhunderts sein sollten, dann wird dieses Jahrhundert das vergangene an Grausamkeit und Opfern noch übertreffen. Wenn dem so wäre, dann würde altes Denken unheilvoll im 21. Jahrhundert fortwirken. Nicht erst seit dem 7. Oktober, dem Beginn der militärischen Gegenschläge gegen die Taliban, beschäftigen sich Millionen Bürgerinnen und Bürger in der Welt mit der Frage nach den Konsequenzen, die diesem Terroranschlag folgen sollen und folgen müssen. Einigkeit bestand und besteht weltweit darüber: Aktives Handeln gegen den globalisierten Terrorismus ist notwendig. Ich weiß um die Last, die verantwortliche Politikerinnen und Politiker in diesen Tagen zu tragen hatten und weiterhin zu tragen haben. Die von vielen Seiten vorgetragene Mahnung zur Besonnenheit spiegelte sich im besonderen Maße diesmal wider. Seit dem 11. September waren die Stimmen, die sich warnend gegen eine militärische Eskalation erhoben, hörbar zu vernehmen. Die Welt war sich einig, dass der 11. September einen tiefen Einschnitt in der Geschichte darstellt, dass damit eine neue globale Herausforderung zu verzeichnen ist und dass die Ermittlung, die Ergreifung und Inverantwortungnahme der Schuldigen für diesen Terroranschlag von vorrangiger Bedeutung sind. Wir wissen natürlich, dass die Ergreifung der Schuldigen nicht ohne repressive Maßnahmen vonstatten gehen kann. Offensichtlich ist, dass Appelle an die Vernunft der Schuldigen zwecklos sind. Doch ohne Vernunft wird die Logik von Terror und Krieg nicht gebrochen.

(Beifall bei der PDS)