Protokoll der Sitzung vom 08.11.2001

(Beifall bei der PDS)

Die Begründung der abweichenden Amtszeiten, dass damit die Handlungsfähigkeit der Kommune jederzeit gesichert wird, also auch in Wahlkampfzeiten, ruft doch in der kommunalen Praxis zwischenzeitlich, wollen wir uns nichts vormachen, ein Lächeln hervor. Es ist bekannt, dass die meisten hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte auch zu den Wahlen der Vertretung kandidieren. Sie wollen damit Stimmen erzielen, obwohl klar ist, dass sie das Mandat überhaupt nicht antreten wollen. Für dieses

Verhalten hat sich ja zwischenzeitlich der Begriff der Scheinkandidaturen zu Recht herausgebildet.

(Beifall bei der PDS)

Also, dieses Argument zieht auch nicht, Herr Böck. Im Übrigen ist aus der Kommunalordnung nicht zu entnehmen, dass der Rechte- und Pflichtenkatalog der Bürgermeister zwingend zwischen den ehrenamtlichen und hauptamtlichen Bürgermeistern unterschiedlich gestaltet ist, so dass der eine eine fünfjährige und der andere eine sechsjährige Amtszeit hat. Nein, hier sehen wir kein Unterscheidungserfordernis.

(Beifall bei der PDS)

Bei der Abwahlmöglichkeit der ehrenamtlichen Bürgermeister wurde dies zwischenzeitlich anerkannt und hier die gleiche Rechtslage zu den hauptamtlichen Bürgermeistern angestrebt.

Meine Damen und Herren, ich könnte so weiter fortführen, würde damit aber das Anliegen der ersten Lesung sicher sprengen.

In einem vierten Komplex geht es uns um die Ausgestaltung der Ortschaftsverfassungen. Kernpunkt ist hier die Wahl des Ortschaftsrats nach den Regeln der Wahl des Gemeinderats. Analoge Vorstellungen hat auch die SPD.

Fünftens, wollen wir das Rechtsinstitut Verwaltungsgemeinschaft qualifizieren. Wir meinen, dass bei allen Konstruktionsfehlern für uns die Verwaltungsgemeinschaft eine gleichberechtigte Organisationsform zur Einheitsgemeinde und auch zur erfüllenden Gemeinde darstellt. Es wurde schon gesagt, dass wir auch künftig die Doppelspitze ausschließen wollen in den Verwaltungsgemeinschaften und meinen, dass ein Bürgermeister aus der VG diese Aufgabe übernehmen sollte. Ich glaube, dann gibt es hier auch neue Anforderungen an die VG-Versammlung, wenn möglicherweise festgestellt wird, dass dieser Bürgermeister seine eigene Gemeinde bevorteilen sollte.

Wir sind der festen Überzeugung, und ich möchte, weil Herr Böck so ausführlich auf die Dinge eingegangen ist, auch noch was dazu sagen, dass das kommunale Haushaltsrecht und die Rechnungsprüfung der Dynamik der fiskalischen Entwicklung angepasst werden müssen. Es ist in erster Linie zu flexibilisieren, was wir in einem sechsten Komplex vorschlagen. Wir schlagen etwas Neues im Haushaltsrecht vor und das möchte ich noch einmal erläutern. Wir sagen, dass es auch möglich sein muss, einen unausgeglichenen Haushalt zu verabschieden, jedoch unter ganz exakt bestimmten Voraussetzungen. Hierzu zählen ein genehmigtes Haushaltssicherungskonzept und der Nachweis des Haushaltsausgleichs innerhalb von drei Jahren. Sie haben das so dargestellt, als wäre es etwas Kriminelles. Es gibt bereits solche Regelungen in anderen Bundesländern.

Auf das kommunale Wirtschaftsrecht will ich jetzt nicht eingehen, das sind Fragen, die genauso stehen wie damals in unserem Gesetzentwurf zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts.

Im achten Komplex schlagen wir Änderungen im Kommunalrecht vor. Das gegenwärtige Thüringer Kommunalwahlrecht ist unserer Auffassung nach nicht mehr zeitgemäß, wenn ich hier nur an die 5-Prozent-Sperrklausel erinnern darf. Diese wollen wir aufheben, darüber auch das aktive Wahlalter auf 16 Jahre herabsetzen, denn hier waren andere Bundesländer schneller. Des Weiteren sollen künftig die schon von mir angesprochenen Scheinkandidaturen verhindert werden. Diese Regelung hätte aber nur Übergangscharakter, weil ab 2009 das angeglichen und damit nicht mehr aktuell wäre. Die Verhinderung der Scheinkandidaturen stellt aus unserer Sicht keine Einschränkung des passiven Wahlrechts dar, weil die davon Betroffenen bereits von Amts wegen Mitglied der jeweiligen Vertretung sind, insofern sie sich nicht der Wahl stellen müssen.

Meine Damen und Herren, so weit ein Querschnitt der beabsichtigten Neuregelungen. Eigentlich freue ich mich auf die Diskussion. Sie ist im Grunde genommen schon eröffnet worden. Sie ist hoffentlich sachlich und ich bitte nicht zu vergessen bei allem Streit, dass letztlich die Kommunen doch auf das schauen, was wir hier im Landtag tun.

Wir beantragen die Überweisung an den Innenausschuss, den Haushalts- und Finanzausschuss und den Justizausschuss.

(Beifall bei der PDS)

Aus der Mitte des Hauses liegen keine weiteren Redemeldungen vor. Der Staatssekretär Scherer hat sich zu Wort gemeldet für die Landesregierung.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, wie bereits die SPD-Fraktion, legt jetzt auch die PDS-Fraktion einen Entwurf zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung vor.

(Zwischenruf Abg. Ellenberger, SPD: Das haben wir schon gemerkt.)

Die angeblich verfolgten Ziele des Entwurfs sind bereits vorgetragen, aber bei näherer Betrachtung der einzelnen Regelungsinhalte zeichnet sich ein etwas anderes Bild. Die PDS beabsichtigt mit diesem Gesetzentwurf, die Grundsätze des kommunalen Rechts zu verändern. Die PDS stellt bewährte demokratische Grundsätze in Frage, wie wir das im Übrigen in anderen Bereichen von ihr schon kennen. Tatsächlich will nämlich die PDS die Beschnei

dung der Befugnisse der Bürgermeister und Landräte, die Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten der demokratischen Mehrheit, den massiven Ausbau des Instituts der Beiräte und von Interessenvertretungen bei gleichzeitiger Ausstattung mit erheblicher demokratisch allerdings nicht legitimierter Verfahrensmacht, die Liberalisierung des kommunalen Wirtschaftsrechts durch Verzicht auf das Territorialprinzip und Änderungen im Thüringer Kommunalwahlgesetz, insbesondere die Abschaffung der schriftlichen Erklärung zur Stasi-Vergangenheit bei der Bürgermeisterwahl und die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Ausländer aus Nicht-EG-Ländern, als Letztes noch eine Modifizierung des Kommunalabgabenrechts durch Abkehr vom Kostendeckungsprinzip zu Lasten der Allgemeinheit und zu Gunsten der durch Erschließungsmaßnahmen individuell Begünstigten.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung lehnt alle Vorschläge ab, die zu einer Schwächung des Bürgermeisters oder Landrats führen. Ebenso wie die kommunale Vertretung wird auch der kommunale Spitzenbeamte direkt von den Bürgern der Gemeinde oder des Landkreises gewählt und muss sich ihnen gegenüber bei Neuwahlen verantworten. Was aber soll ein Bürgermeister verantworten, wenn er keine ausreichende Gestaltungsmöglichkeit hat? Unter demokratischen Gesichtspunkten mindestens ebenso bedenklich ist, dass mit dem Gesetzentwurf zusätzlich die Gewichte innerhalb der Vertretung zu Gunsten der Minderheiten und zulasten der demokratisch gewählten Mehrheit verschoben werden sollen. Darüber hinaus sollen nach dem Willen der PDS aber auch die Rechte des gewählten Gemeinderats selbst beschnitten werden. Beiräten und sogar Vertretern von so genannten gesellschaftlich bedeutsamen Gruppen wird Verfahrensmacht eingeräumt. Dies führt dazu, dass demokratisch nicht ausreichend legitimierten Personen, die bestenfalls Gruppen-, möglicherweise aber auch Einzelinteressen verfolgen, erhebliche Verfahrensmacht an die Hand gegeben wird, mittels derer Verfahrensverzögerungen bis zur Verhinderung Mehrkosten produziert werden können. Derartige Vorschläge lehnt die Landesregierung ab, weil sie die Position der demokratisch legitimierten Gemeindeorgane unterhöhlt. Verfassungsrechtlich bedenklich ist der Vorschlag der PDS, Mitwirkungsmöglichkeiten bis hin zum kommunalen Wahlrecht an den Status als Einwohner anzuknüpfen. Damit werden die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Bundesrepublik missachtet, das Staatsvolk wird nach dem Grundgesetz von den deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Artikel 116 Grundgesetz gleichgestellten Personen gebildet. Die Einführung eines allgemeinen Kommunalwahlrechts für Ausländer wäre daher verfassungswidrig, zumindest ohne Änderung des Grundgesetzes, das derzeit nur den Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, ein aktives und passives Wahlrecht einräumt. Hinsichtlich der Erleichterung der Entscheidungsteilhabe der Bürgerschaft sieht auch die Landesregierung das Erfordernis, Veränderungen vorzunehmen. Die Überlegungen sind in den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Än

derung der ThürKO eingeflossen und werden dort sicher auch ausführlich diskutiert werden, wenn er eingebracht ist. Strikt abgelehnt von der Landesregierung werden alle Vorschläge, die geeignet sind, die Grundlagen einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung zu gefährden. Hierzu gehört auch die Modifizierung des Kommunalabgabenrechts mit der Zielrichtung, dass Belastungen nicht mehr den durch Erschließungsmaßnahmen z.B. Begünstigten, sondern der Allgemeinheit auferlegt werden sollen. Wer ist die Allgemeinheit? Die Allgemeinheit kann nur wieder der Steuerzahler sein. Die PDS geht in ihrem Gesetzentwurf davon aus, dass allein durch die Änderungen im kommunalen Abgabenrecht über 10 Jahre jährlich Mehrkosten in Höhe von 100 Mio. DM anfallen, von denen jeweils 50 Mio. DM das Land und 50 Mio. DM die Kommunen zu tragen hätten. Ich will gar nicht näher untersuchen, wie sich die PDS die haushaltsmäßige Deckung des Landesanteils vorstellt, angesichts der sich abzeichnenden Ergebnisse der nächsten Steuerschätzung. Es ist durchaus aber auch interessant, wo die PDS bei den Kommunen selbst noch so viel Luft sieht, dass diese 50 Mio. DM finanziert werden könnten. Einmal mehr wird hier deutlich, wie die PDS finanzaufwändige Pläne schmieden kann, belastbare Vorschläge für eine Gegenfinanzierung aber fehlen. Es hat zwar System, wenn ich den einzelnen Bürger zulasten der öffentlichen Hand finanziell schone, gleichzeitig missachtet dieses System aber, dass die öffentliche Hand nur dann handlungsfähig ist, wenn sie über Finanzmittel verfügt und dies kann sie sich aber nun einmal nur bei den Bürgern, bei jedem von uns, besorgen.

Meine Damen und Herren, schon allein aufgrund der fehlenden ernsthaften Finanzierung der Wünsche der PDS aber auch aufgrund der inhaltlichen Ungereimtheiten sollten wir nicht mehr allzu lange bei dem Gesetzentwurf der PDS-Fraktion verweilen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Redemeldungen mehr vor. Es ist beantragt worden die Überweisung an den Innenausschuss. Wer der Überweisung an den Innenausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen? Danke schön. Gibt es Stimmenthaltungen? Wenn das nicht der Fall ist, dann ist mit einer Stimmenmehrheit von 34 zu 30 Stimmen der Antrag abgelehnt. Wer der Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen? Danke schön. Mit einer Mehrheit von Gegenstimmen ist diese Überweisung abgelehnt. Jetzt stimmen die Zahlen nicht mehr, Herr Dr. Zeh, ich habe vorhin gezählt. Wer der Überweisung an den Justizausschuss zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen, bitte? Danke schön. Mit einer Mehrheit von Gegenstimmen ist auch diese Überweisung abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 6.

Wir kommen vereinbarungsgemäß nun abweichend von der fortlaufenden Nummerierung der Tagesordnungspunkte zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 11

Gesetz zur Änderung des Thüringer Haushaltsgesetzes 2001/2002 (Thüringer Nach- tragshaushaltsgesetz 2002 - ThürNHhG 2002) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/1944 ERSTE BERATUNG

Durch den Finanzminister wird die Begründung gewünscht.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, vor Ihnen liegt der Gesetzentwurf eines Nachtragshaushalts für das Jahr 2002 und lassen Sie mich meinen weiteren Ausführungen drei Dinge voranstellen. Erstens, es wird keinen Nachtrag für das laufende Haushaltsjahr geben. Der vor Ihnen liegende Entwurf ist ein innenpolitischer Reflex auf die veränderte weltpolitische Lage und drittens über einen eventuellen notwendigen haushaltspolitisch motivierten weiteren Nachtragshaushalt wird die Landesregierung auf Datenbasis der November-Steuerschätzung zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.

Damit wird deutlich, meine Damen und Herren, vor allem meine Damen und Herren von der Opposition, dass die Landesregierung bei ihrer Linie bleibt und entgegen der Behauptung vor allem seitens der SPD die Lücken des laufenden Haushalts aus eigener Kraft schließen kann. Dies war im Übrigen nur möglich durch das verständnisvolle Entgegenkommen der einzelnen Ressorts und dafür möchte ich mich an dieser Stelle bei meinen Ministerkollegen noch einmal ausdrücklich bedanken.

(Beifall bei der CDU)

Es wird weiterhin deutlich, dass die Landesregierung auf Zeichen der Zeit schnell und angemessen reagieren kann und den veränderten Realitäten eine Veränderung ihrer Prioritäten fast zeitgleich folgen lässt. Wie die finanzpolitischen Realitäten nach der augenblicklich beraumten Steuerschätzung aussehen werden, ist noch offen. Sie können aber sicher sein, dass die Landesregierung umsichtig und verantwortungsvoll ihrer Verpflichtung bei der Pflege der Landeskasse nachkommen wird. Ministerpräsident Dr. Vogel hat am 12. Oktober in seiner Regierungserklärung zu den Terroranschlägen in den USA den Schutz und die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger als zentrales Ziel der Landesregierung betont. Die Ereignisse am 11. September 2001 haben die Landesregierung veranlasst, ein Programm für mehr Sicherheit in

Thüringen vorzulegen. Basieren wird das Programm auf dem vorhandenen guten Niveau bei Polizei, Brand- und Katastrophenschutz, der Feuerwehr und den vielfältigen Hilfsdiensten des technischen und medizinischen Bereichs und damit wird der gewachsenen Bedrohung der inneren Sicherheit auch in unserem Land Rechnung getragen.

Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung die Eckpunkte des Sicherheitskonzepts bereits genannt. Die Landesregierung legt mit dem ersten Nachtragshaushalt für das Jahr 2002 die haushaltsmäßigen Belastungen dieses Programms und deren finanzielle Sicherung vor. Der Gesetzentwurf sieht für das Haushaltsjahr 2002 ein Gesamtvolumen von 12,9 Mio. Euro vor, Kernpunkt des Programms ist eine Verstärkung des Personals um 141 Stellen sowie die Möglichkeit der Stellenhebung im Umfang von 203 Stellen. Der Stellenzuwachs ist schwerpunktmäßig im Bereich der Polizei aber auch für Katastophenschutz und den Verfassungsschutz in Thüringen vorgesehen. Darüber hinaus werden ca. 1,6 Mio. Euro für die Polizei und 4,7 Mio. Euro als zusätzliche investive Maßnahmen für den Brand- und Katastrophenschutz veranschlagt. Zusätzlich werden die Justiz, der Verbraucherschutz und die Bekämpfung der organisieren Kriminalität, insbesondere die Bekämpfung der Geldwäsche, gestärkt.

Meine Damen und Herren, das Programm für mehr Sicherheit in Thüringen wird das Gesamtvolumen des Haushalts 2002 von 9,6 Mrd. Euro nicht verändern. Die Investitionsausgaben werden auf 2,14 Mrd. Euro steigen, die Nettoneuverschuldung bleibt mit diesem Nachtragshaushalt unverändert; sie beträgt damit weiter 393 Mio. Euro. Da mit dem ersten Nachtragshaushalt vom Konsolidierungspfad nicht abgewichen werden soll, ergibt sich für 2002 eine Einsparvorgabe von 12,9 Mio. Euro und diese werden wir unter anderem durch eine Reduktion der Personalausgabenbudgets der Ressorts um 0,5 Prozent umsetzen. Die Landesregierung hat sich entschlossen, das Sicherheitskonzept als erstes Nachtragshaushaltsgesetz für das Jahr 2002 vorzulegen, und zwar kurzfristig und noch vor der November-Steuerschätzung und wir tun dies, um schnell und angemessen auf die geänderte Sachlage zu reagieren. Ich betone, dass der heute vorgelegte erste Nachtragshaushalt nicht den Ergebnissen der aktuellen Steuerschätzung Rechnung trägt, die zur Stunde in Berlin beraten wird. Erst wenn die regionalisierten Daten der Steuerschätzung vorliegen - das wird im Laufe des kommenden Montags sein -, wird die Landesregierung über Konsequenzen beraten. Sofern es notwendig sein wird, wird sie dann auch den Zeitplan eines eventuell möglichen zweiten Nachtragshaushalts beraten. Ich bitte um Verständnis dafür, dass bei den erwarteten Steuerausfällen für diese Beratung längere Zeit notwendig sein wird und es wäre unverantwortlich, aufgrund der geänderten Sicherheitslage die erforderlichen investiven und personellen Maßnahmen für das Sicherheitsprogramm auf das nächste Jahr zu verschieben.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir an dieser Stelle einige Bemerkungen zur finanziellen und wirtschaftspolitischen Lage. Ich hatte mit Stand vom 31. August 2001 über die Entwicklung der Steuereinnahmen berichtet. Nach den Daten vom Sommer haben wir in diesem Jahr mit Steuermindereinnahmen von bis zu 100 Mio. DM gegenüber den Haushaltsansätzen zu rechnen und wir werden diese Steuermindereinnahmen und überplanmäßigen Ausgaben von ca. 180 Mio. DM, insbesondere hervorgerufen durch höhere Belastungen aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen, im Haushaltsvollzug 2001 decken können. Ein Nachtragshaushalt für das Haushaltsjahr 2001 ist deshalb nicht notwendig. Wir haben uns mit dem heute vorgelegten ersten Nachtragshaushalt 2002 am Leitsatz des Sparens und Gestaltens orientiert und wie geschildert die finanziellen Spielräume geschaffen, um das beabsichtigte Programmvolumen umzusetzen und das Konsolidierungsziel beizubehalten. Dies muss auch das Vorgehen in der Zeit nach der November-Steuerschätzung sein, nur, dass dann die Messlatte deutlich höher hängen wird. Nach der Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres hatte ich bereits darauf hingewiesen, dass wir für 2002 eine Deckungslücke von voraussichtlich ca. 400 Mio. DM haben werden. Die konjunkturelle Situation in Deutschland und auch in Thüringen lässt nicht erwarten, dass diese Deckungslücke geringer ausfallen wird. Das Gegenteil wird der Fall sein. In Vorbereitung der zurzeit laufenden Steuerschätzung hat der Bund seine Herbstprojektion bekannt gemacht. Darin nimmt er seine Vorausschätzung für den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2001 von real 2,2 Prozent nunmehr auf real 0,75 Prozent zurück und für 2002 erwartet er nunmehr ein Wachstum von real 1,25 Prozent. Ferner, und das ist auch ganz entscheidend, rechnet er mit einer moderaten Entwicklung des Preisniveaus und einem nur leichten Anstieg der Lohnstückkosten in diesem und auch im nächsten Jahr. Die Einschätzung basiert auf der Tatsache, dass das 2. Halbjahr 2001 einen regelrechten Einbruch der Konjunktur bestätigt hat, und die erhoffte Belebung in diesem Herbst ist nicht eingetreten. Die Konjunkturschwäche in den USA und die ausbleibende Erholung in Japan haben die wirtschaftliche Situation, ausgehend von unseren Exporten, verschärft. Aber, meine Damen und Herren, die Exporte sind nicht die alleinige Ursache. Ich habe immer wieder auch von dieser Stelle aus darauf hingewiesen, dass im konjunkturell günstigen Jahr 2000 Deutschland im Euroland das geringste Wirtschaftswachstum aufwies. Was in günstigen Zeiten galt, gilt nun ganz besonders in schwierigen Zeiten. Wir werden aller Voraussicht nach das wirtschaftliche Schlusslicht in Europa bleiben und dies vor allem auch aus binnenwirtschaftlichen Gründen. Besonders problematisch an dieser Entwicklung ist, dass die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern negativ ausfällt und so der Osten weiterhin hinter den westlichen Ländern zurückbleibt. In allen Einzelheiten ist dies in dem gemeinsamen Gutachten der fünf Wirtschaftsforschungsinstitute nachzulesen. Danach war das Wachstum in den neuen Ländern im ersten Halbjahr 2001 bereits negativ mit minus

0,6 Prozent. Dass Sachsen und Thüringen mit leicht positiven Prozentsätzen sich deutlich davon abheben, ist der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung vor allem im verarbeitenden Gewerbe in Sachsen und in Thüringen zu verdanken. Aber auch in Thüringen hat sich der Abwärtstrend in der Bauwirtschaft nachhaltig fortgesetzt. Dämpfende Konjunktureffekte haben sicherlich zum einen die nachlassende Weltkonjunktur, zum anderen aber auch der Kaufkraftentzug durch Preissteigerung bei Energie und Nahrungsmitteln. In Thüringen ist die Nachfrage in diesem Herbst im Vergleich zum Vorjahr drastisch zurückgegangen. Das gilt sowohl für die Auslandsnachfrage als auch für die Inlandsnachfrage. In unserem Land gibt es eine zurückgehende Nachfrage in Bauleistungen im 1. Halbjahr, vor allem im privaten Wohnungsbau, im gewerblichen sowie landwirtschaftlichen Bau. Die Nachfrage im öffentlichen Bau und im Straßenbau bleibt annähernd konstant. Hier zeigt sich die stabilisierende Wirkung, die wir als Land mit unseren baulichen Investitionen ausüben.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einige Worte zu den unterschiedlichen Handlungsweisen und Rahmenbedingungen der Thüringer Landesregierung auf der einen Seite und der Bundesregierung auf der anderen Seite sagen. Die Landesregierung fordert von der Bundesregierung nach wie vor das Vorziehen der Investitionen für den Aufbau der Infrastruktur in den neuen Ländern. Es ist für den Osten jetzt und auf weitere Sicht notwendig, seine Defizite vor allem in diesem Bereich gegenüber den westlichen Bundesländern schnellstens aufzuholen. Wir erleben doch in diesen Tagen zum x-ten Mal das schon häufig aufgezeigte Phänomen: Wenn die alten Länder den Husten bekommen, dann kämpfen die neuen Länder schon mit einer Lungenentzündung. Diese Passivität wird viele Arbeitsplätze auch in Thüringen kosten und deswegen müssen wir aus eigenen Interessen alle gemeinsam gegenüber der Bundesregierung diese Forderungen nachhaltig vertreten, alle gemeinsam, alle neuen Länder. Und hier ist nicht das Parteibuch gefragt, sondern das objektive Landesinteresse, bei uns das Landesinteresse des Freistaats Thüringen und seiner Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der Freistaat Thüringen hat keine 100 Mrd. DM Einnahmen aus UMTS-Erlösen und wir haben auch keine Rücklagen in Größenordnungen, die wir auflösen können, noch sind wir im Besitz von Tafelsilber, was wir veräußern können. Deswegen müssen wir überlegen, wie wir neue Programme und zusätzliche Investitionen finanzieren können. Was nicht geht, sind kreditfinanzierte Investitionen, weil sie den Handlungsspielraum für die Folgejahre einschränken. Wir versuchen das, wo wir können. So wird ab Mitte nächsten Jahres ein Programm beginnen, das mit einer Laufzeit von rund 12 Monaten den Status eines Sonderprogramms erfüllen wird. Es handelt sich um das Investitionsprogramm

zur Schulbausanierung mit einem Bauvolumen von 180 Mio. DM. Ich gebe zu, ich hatte eigentlich vor, dieses Programm höher ausfallen zu lassen. Es war aber zunächst einige Überzeugungsarbeit nötig, die kommunalen Schulträger für dieses Programm zu begeistern und es hat sich auch das Programm in seiner Werdezeit verändert. Bereits während der Planungsphase hat sich daraus ein regionales Wirtschaftsförderprogramm entwickelt, denn das Finanzministerium ist nach eingehenden Beratungen mit der Architektenkammer sowie den kommunalen Trägern zu Vertragsmodellen umgeschwenkt, die den Charakter dieses Programms verändern. Wir erreichen nicht ganz den Einspareffekt, der vorgesehen war. Doch aus beschäftigungspolitischen Gründen ist uns diese Vorgehensweise wichtiger und unter heutigem Aspekt gewinnt das Großprojekt, das im Übrigen schon deutschlandweit Beachtung gefunden hat, weiter an Wert. Denn vor allem das mittelständische Handwerk vor Ort wird von diesem Programm profitieren und genau die sind es, die von der Politik des Bundes besonders gebeutelt werden und die nur auf diese Weise von der Thüringer Landesregierung besonders gefördert werden. Hier findet sich auch das flexible Handeln dieser Landesregierung wieder, ein Regierungshandeln, das uns bei der Bundesregierung fehlt. Kein vorausschauendes Denken, keine Visionen und Beratungsresistenz, das sind Realitäten, die uns Berlin immer wieder vorführt und das ist zurzeit der kleine, aber feine Unterschied. Die Landesregierung hat bei ihrem Handeln immer die Arbeitslosenzahlen im Blick und die Bundesregierung will an der Arbeitslosenstatistik manipulieren. Wenn jetzt zum wiederholten Mal der Bundesarbeitsminister an eine Überarbeitung dieser Statistik denkt, die im Prinzip eine Bereinigung der Daten sein wird, so ist das fachlich völlig verfehlt und letztendlich ein Schlag ins Gesicht aller arbeitslosen Menschen in unserem Land.

(Beifall bei der CDU)

Die wirtschaftliche Situation wird nicht dadurch besser, dass man die Arbeitslosenzahlen künstlich klein rechnet. Wer Arbeitsplätze schaffen will, wer die Konjunktur ankurbeln und wer Investitionsbedingungen verbessern will, der sieht in der Arbeitslosenstatistik den Erfolg seiner Bemühungen. Wer Arbeitslosenzahlen aber klein rechnet, nimmt sie als Alibi für eigene Untätigkeit und Unfähigkeit. Gerade gestern mussten wir die aktuellen Arbeitslosenzahlen zur Kenntnis nehmen.

Meine Damen und Herren, danach wird deutlich, dass die in den Vorjahren übliche Herbstbelebung ausgeblieben ist und dementsprechend haben sich die Arbeitslosenzahlen in Deutschland nach oben bewegt und auch in Thüringen müssen wir im Oktober im Vergleich zum Vorjahresmonat einen Anstieg um 0,4 Prozent registrieren. Wir sind froh, dass wir mit 14,3 Prozent die niedrigste Arbeitslosigkeit aller neuen Länder haben, aber 14,3 Prozent ist deutlich zu hoch.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

Meine Damen und Herren, die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung wird sich deutlich in den Ergebnissen der neuen Steuerschätzung niederschlagen. Ich befürchte, dass sich die erwarteten Steuermindereinnahmen in Größenordnungen bewegen werden, die im normalen Haushaltsvollzug nicht einzusparen sind. Wir als Abgeordnete und damit letztlich Verantwortliche für die Haushaltssituation in diesem Land werden uns darüber verständigen, wie wir konkrete Einsparungen umsetzen können. Wir müssen uns den finanziellen Handlungsspielraum schaffen, um weiterhin eine hohe Investitionsquote realisieren zu können. Wir dürfen bei der strukturellen Weiterentwicklung unseres Landes nicht sparen und müssen gleichzeitig einen Beitrag leisten, die konjunkturelle Schwächephase zu überwinden. Das ist eine Gratwanderung, ein schwieriges Unterfangen, für das ich um die Unterstützung aller Abgeordneten bitten möchte. Wir als Landesregierung werden alles tun, um die Weichen wieder ganz deutlich auf Aufschwung zu stellen. Aber von anderer Seite muss gleichzeitig alles unterlassen werden, was der privaten Nachfrage weiter Kaufkraft entzieht. Wir müssen die Inlandsnachfrage wieder ankurbeln, z.B. durch ein Vorziehen der Steuerreform und völlig verfehlt ist es, ab nächstem Jahr mit der nächsten Stufe der Ökosteuer die Energiekosten wieder hoch zu treiben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, auch die nächste Stufe der Ökosteuerreform wird die Kaufkraft der Privaten und die Investitionskraft der Unternehmen schwächen. Die Ökosteuer hat sich zu einer Konjunkturfalle entwickelt, in der die Bundesregierung sich selbst gefangen hat. Es wird ja immer wieder betont, das Aufkommen aus der Ökosteuer käme dem Bürger über konstant bleibende Rentenversicherungsbeiträge quasi wieder zugute. Das ist das Prinzip rechte Tasche, linke Tasche, dem Bürger es aus der rechten Tasche herausnehmen, um es in die linke Tasche wieder hineinzustecken. Unsere Bürger wollen niedrige Energiepreise und stabile Rentenbeiträge. Darauf haben sie einen Anspruch und darauf muss man politische Entscheidungen ausrichten. Die Bundesregierung hat die Rentenreform an die Wand gesetzt und die Ökosteuer als Rettungsanker aus dem Hut gezaubert. Der Zauber ist verflogen und geblieben ist der Spuk. Wer angesichts der aktuellen Konjunkturprognosen nicht endlich Schluss macht mit solchen rotgrünen Steuerspielchen, der schadet dem Standort Deutschland und der vernichtet Arbeitsplätze.