Ich wies schon darauf hin, dass es nicht nur eine Einigung zum bundesstaatlichen Finanzausgleich gab, sondern dass sich die Ministerpräsidenten im Grundsatz auch auf eine Föderalismusreform und den Abbau der Mischfinanzierungen einigten. Natürlich wird man abwarten müssen, was die Festlegungen im Ergebnisprotokoll der Ministerpräsidentensitzung tatsächlich Wert sind. Während der Beratung zum Maßstäbegesetz hat es zwei Ministerpräsidentenkonferenzen mit Ergebnisprotokollen gegeben, ohne dass die nachgeordneten Stellen daraus eine Einigung finden konnten. Es ist aber durchaus bemerkenswert, dass sich die Ministerpräsidenten wenigstens im Grundsatz auf solche Formulierungen einigten, wie, Frau Präsidentin, ich zitiere: "Die Regierungschefs der Länder bekräftigten ihre Absicht, mit dem Bund im Zusammenhang mit der Neuordnung des Finanzausgleichs über die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung zu verhandeln und dabei zunächst die Entflechtung der Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen zu vereinbaren." Das hört sich gut an, vielleicht aber nur, weil es so schön unverbindlich ist. Problematisch wird es vermutlich erst dann, wenn es konkret wird. Dabei scheint die Entflechtung der Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen noch einigermaßen lösbar. Wichtig dabei ist aber, dass die Finanzierungsanteile des Bunds nicht einfach eingespart, sondern auf die Länder übertragen werden. Streitpunkt werden hier die einzelnen Anteile sein, welche die Länder bekommen. Für die neuen Länder wird sich die Frage nach der Degression der Mittel stellen, wie sie seit zehn Jahren Realität ist. Sind wir aber schon so weit in der Entwicklung, dass die Gemeinschaftsaufgabe "Förderung Ost" zur Disposition gestellt werden kann?
Schwieriger auf einen Nenner zu bringen sind aber die weiter gehenden Überlegungen für eine Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzordnung. Wie auch beim Länderfinanzausgleich sind die Interessenlagen der einzelnen Länder sehr unterschiedlich, je nach ihrem Stand im System des Finanzausgleichs. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Abhandlungen, politischen Äußerungen und Kommentaren zur möglichen Neuordnung des Föderalismus. Die Protagonisten der Diskussion fordern die Einführung eines so genannten Wettbewerbsföderalismus, bei dem die Länder mehr Autonomie bei der Steuererhe
bung bekommen sollen, wo es aber auch bei der Besoldung im öffentlichen Dienst und bei sozialen Standards Differenzierungen geben soll. Befürworter einer solcher Differenzierung sind regelmäßig die Geberländer, die sich Vorteile für ihre Entwicklung ausrechnen. Auch die Thüringer Landesregierung - oder zumindest der Thüringer Finanzminister - sind Anhänger dieser Vorstellung, vermutlich aber mehr aus Sympathie für die Regierungen in Bayern und Baden-Württemberg als aus finanzfachlich fundierten und nachvollziehbaren Erwägungen.
Ich zitiere aus einem Bericht über einen Vortrag, den der Finanzminister an der Uni Jena gehalten hat. Auf der Einnahmeseite bemängelt der Finanzminister die zu geringen Freiräume der Länder bei der Ausgestaltung der Steuerquellen. Er plädierte hier für einen Wettbewerb Konkurrenzföderalismus und eine Aufteilung und direkte Zuordnung der Gemeinschaftssteuern auf Bund und Länder. So könne beispielsweise die Gesetzgebungs- und Ertragshoheit der Umsatzsteuer ausschließlich dem Bund zustehen, wenn im Gegenzug für die Einkommenssteuer und die Körperschaftssteuer durch die Übertragung eines Hebesatzrechts auf die Länder dies in einem hohen Maß an Einnahmeverantwortung und Einnahmespielraum belassen werde.
Herr Trautvetter, auch wenn wir alle wollen, dass Thüringen einmal Geberland wird, wir sind es noch nicht und werden es kurz- und mittelfristig mit Sicherheit auch nicht werden. Wem nützt dann dieser besagte Steuerwettbewerb, doch zuallererst den Geberländern, die es sich wirklich leisten können, Steuern zu senken, weil deren Einnahmesituation gut ist und weil sie auch in Sachen Infrastrukturentwicklung Vorsprünge haben. Welches Bundesland könnte es sich denn leisten, die Steuerautonomie in die andere Richtung auszunutzen, sprich, die Hebesätze zu erhöhen, um einen Einnahmespielraum geltend zu machen? - doch keines. Es würde vielmehr ein Steuersenkungswettbewerb zwischen den Bundesländern in Gang gesetzt. Ist es wirklich sinnvoll und von Ihnen gewollt? Dann sagen Sie bitte auch, wie Sie das finanzieren wollen. Die viel beschworenen Selbstfinanzierungseffekte kann ich nicht erkennen. Wir hatten gestern erst die Diskussion zu diesem Thema. Die Folgen eines solchen Steuerwettbewerbs würden insbesondere die neuen Bundesländer zu spüren bekommen. Hier sind nach geraumer Zeit erhebliche überproportionale Infrastrukturinvestitionen erforderlich. Die Probleme sind zu groß. Die Entfernung zum Entwicklungsstand der Geberländer ist zu groß, als dass man sich mit ihnen kurz- und mittelfristig auf einen Steuerwettbewerb einlassen könnte. Ein solcher Wettbewerb würde nur die wirtschaftlichen Unterschiede der Region noch mehr zementieren. Es würde aber auch die Bürger gegenüber dem Kapital benachteiligen, denn das Kapital ist flexibler als die Menschen. Es würde dorthin fließen, wo niedrigere Steuern zu bezahlen sind, wie das heute im Rahmen der Globalisierung schon sichtbar ist. Die Bürger, die vor Ort bleiben, hätten das Nachsehen. Auf die neuen Länder übertragen, würde dieser Wettbewerbsföderalismus die Abwanderung der Bevölkerung vermutlich noch beschleunigen, als ihr entge
Selbst die Wissenschaft stellt fest, ich zitiere aus einer Publikation des Ifo-Instituts München: "Von wissenschaftlicher Seite werden allerdings auch Vorbehalte gegenüber eines derartigen föderalen Wettbewerbs geäußert. Insbesondere wird befürchtet, er könne eine Unterversorgung mit öffentlichen Gütern, einen ruinösen Steuerwettbewerb und eine Vernachlässigung des staatlichen Umverteilungsziels, Erosion des Sozialstaats, nach sich ziehen."
Herr Finanzminister, sind es wirklich Thüringer Interessen, die Sie da vertreten? Das alles aber steht im Grunde nur zwischen den Zeilen des vorliegenden Antrags. Dieser ist selbst viel unverbindlicher gehalten.
An die Landesregierung ergeht an dieser Stelle noch einmal die Bitte, ihre Südstaatenloyalität endlich aufzugeben, nicht länger den Herren Stoiber, Teufel und Co. nach dem Mund zu reden und mehr als bisher den Schulterschluss mit den anderen neuen Ländern zu suchen, damit die Modernisierung des Föderalismus auch tatsächlich die besonderen ostdeutschen Probleme berücksichtigt. Die SPD-Fraktion wird sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten, da der Antrag von der Formulierung her zwar gut klingt, die wahren Absichten der die Regierung tragenden Fraktion aber aus unserer Sicht verschleiert. Vielen Dank.
Kommt natürlich nicht, Herr Höhn, aber Föderalismus ist tatsächlich nicht die Beziehung der Länder zwischen Ost und West, sondern Föderalismus ist die Beziehung der vier Ebenen, von Europa über den Bund und die Länder bis zu den Gemeinden.
Ich denke, diese Definitionsfrage ist natürlich Voraussetzung, überhaupt zum Antrag sprechen zu können. Es sei mir gestattet, das zu sagen. Meine Damen und Herren, Sie wissen, der Föderalismus ist die modernste Antwort auf die Forderung nach bürgernaher und flexibler Verwaltung und nach demokratischem Gemeinwesen. Der föderale Staatsaufbau, so wie er in Deutschland vorhanden ist, ist in seiner Form einzigartig und dennoch wissen alle, dass der Föderalismus in Deutschland modernisiert gehört. Deshalb haben
die Ministerpräsidenten im Rahmen der Verhandlung zum Solidarpakt II beschlossen, dazu mit der Bundesregierung Verhandlungen hinsichtlich der Neustrukturierung des föderalen Aufbaus in Deutschland aufzunehmen. Das haben sie zuletzt auch auf ihrer Ministerpräsidentenkonferenz vor zwei Wochen nochmals ausdrücklich bestätigt. Die CDUFraktion im Thüringer Landtag meint, dass der Landtag selbst an diesem Prozess beteiligt werden soll. Deshalb haben wir Ihnen mit der Drucksache 3/1913 einen Antrag vorgelegt und in einem Fünf-Punkte-Programm zur Abstimmung hier vorgestellt, wo wir meinen, dass das die wesentlichsten Punkte enthält, die hinsichtlich der Neustrukturierung der bundesstaatlichen Finanzordnung notwendig sind. Wir hoffen, dass mit Beschlussfassung zu diesem Antrag die Landesregierung bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung selbst hinsichtlich dieser Punkte auf eine Umsetzung einwirken kann.
Der Landtag, das wissen Sie, der nach verfassungsrechtlichem Anspruch das Zentrum der politischen Willensbildung im Land selbst ist, erfährt hier, aber wie auch in allen Bundesländern, zunehmende Ausgrenzung von politischen Entscheidungsprozessen und vor allem eine Einengung seines eigenen politischen Gestaltungswillens. Das hängt zusammen mit dem Vereinigungsprozess in der EU und mit verschiedenen Regelungen, die sich im Laufe der Jahre und der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland festgesetzt haben. Wir meinen, dass dieser Prozess eine Umkehrung erfahren muss. Dazu, insbesondere zu den auch damit in dem Prozess notwendigen Veränderungen und der Ausgestaltung der Kompetenzen der Landesparlamente spricht nachher noch einmal Gustav Bergemann. Aber ich will an der Stelle sagen, im Kern geht es darum, dass mit der Wahrung der politischen Gestaltungsfähigkeit das demokratisch legitimierte Landesparlament schlechthin erst in seiner Wirkung zur Geltung kommen kann und dass der Ausbau der parlamentarischen Demokratie in diesem Zusammenhang ausdrücklich Bedeutung erfahren muss.
Meine Damen und Herren, zweitens ist aber in diesem Prozess der Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzordnung viel wichtiger, dass es unumgänglich ist, eine Aufgabenbereinigung zwischen Bund und Land in erster Linie vorzunehmen. Frau Wildauer hat das auch namens ihrer Fraktion gesagt, dass dazu grundsätzlich auch Zustimmung besteht. Und wir wollen weiter - darauf hat auch Herr Müller hingewiesen - den Abbau der Mischfinanzierung auch aus Thüringen mit vorantreiben, weil wir meinen, dass bisher, ich will Ihnen das einmal an einem Beispiel erläutern, die gemeinsamen Finanzierungsmodelle, die seitens des Bundes mit den Ländern und Gemeinden aufgestellt werden, ein Finanzvolumen von mittlerweile 100 Mrd. Mark betragen. Das entspricht über einem Fünftel des gesamten Bundeshaushalts und das zeigt schon allein, dass auch von Seiten des Bundes natürlich ein Novellierungsbedarf besteht, den es zu ändern gilt, aber noch vielmehr besteht angesichts des riesigen Finanzvolumens ein viel stärkerer Novellierungsbedarf von Seiten der Länder und natürlich auch innerhalb der Länder von Seiten der
Die komplizierte und schwerfällige Abstimmung über Schwerpunkte und Volumen dieser Mittelvergabe gehört abgeschafft. Deshalb meinen wir, dass den Ländern künftig mehr Eigenständigkeit und Handlungsfähigkeit zugestanden werden muss. Deshalb sollen die Bundesländer selbst künftig alleinige Finanzverantwortung dort bekommen, wo der Bund bisher sich mit an Länderaufgaben finanziell beteiligt. Das betrifft natürlich in erster Linie die Gemeinschaftsaufgaben und dort insbesondere die Gemeinschaftsaufgabe von Neubau und Ausbau der Hochschulen, für die Verbesserung der Agrarstrukturen und des Küstenschutzes und die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Es betrifft auch die institutionellen Finanzhilfen. Sie wissen selbst, ein Bereich sind auch die IFG-Mittel, dort läuft das Gesetz selbst nunmehr zum 31.12. diesen Jahres aus. Das macht für uns in Thüringen sogar noch eine Novelle des Finanzausgleichsgesetzes erforderlich. Das ist ein erster Schritt dahin, dass wir künftig selbst über das Geld und über die Verwendung entscheiden können und über eigene Prioritätensetzung. Aber es trifft natürlich auch insbesondere auf den Bereich der Gemeinschaftsaufgaben zu, insbesondere deshalb, weil natürlich die Gemeinschaftsaufgaben, die vielleicht zu Beginn, als sie geschaffen wurden, eine besondere wichtige Säule waren und Bedeutung hatten, aber die sich mittlerweile überholt hat und jetzt derart das Haushaltsrecht der einzelnen Landesparlamente einschränkt. Wenn mittlerweile - wenn man das einmal in der Verfassungsdiskussion betrachtet - ein Maß, was überproportional das Budgetrecht der Parlamente selbst belastet. Und deshalb muss hier auch eine Novelle passieren.
Gleichzeitig muss aber bei dem Prozess des Abbaus der Mischfinanzierung beachtet werden, dass natürlich dieser Prozess nicht zu finanziellen Verlusten auf Seiten der Länder führen darf. Deshalb wäre eine einseitige Entlastung zugunsten des Bundes der falsche Weg. Überlegenswert ist hier deshalb ein dynamisiertes Festbetragsmodell. Die Enquetekommission des Bayrischen Landtags hat dies in ihrem Zwischenbericht so vorgeschlagen, um künftig diese Einnahmeausfälle aus den Mischfinanzierungen aufzufangen, um dann im Anschluss oder sofort möglicherweise über die Erhöhung von Umsatzsteuerpunkten zugunsten der Länder hier einen finanziellen Ausgleich zu schaffen. Deshalb haben auch die Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente auf ihrer Konferenz beschlossen - ich will da einmal zumindest punktuell den Inhalt wiedergeben -, dass es Aufgabe der bundesstaatlichen Finanzverfassung sein muss, künftig den Ländern mehr Autonomie zu gewähren und dass den Landtagen, die derzeit völlig von der Steuergesetzgebung ausgeschlossen sind, künftig in einem bestimmten Maße eigene Verantwortung zugestanden werden soll. Deshalb soll Leitbild dieser gebotenen Entflechtung der Mischfinanzierung und der gegenwärtigen Finanzverantwortung sein, dass die Körperschaft, die öffentliche Ausgaben veranlasst, auch selbst über Steuern oder sonstige Einnahmen beschließen kann, die zur
Deckung dieser Ausgaben erforderlich sind. Das schließt natürlich den Wettbewerb um die beste Lösung und natürlich auch möglicherweise um die beste Steuer ein. Weil wir aber meinen, dass vor allen Dingen die jungen Länder - und da scheinen wir uns ja auch in allen drei Fraktionen einig zu sein - aufgrund der teilungsbedingten Lasten und ihrer besonderen Verhältnisse, einfach z.B. verminderte eigene Steuerkraft haben. Ich habe das gestern schon einmal gesagt, weil das zu berücksichtigen ist und dafür eine Übergangszeit notwendig ist, haben wir auch in unserem Punkt 5 zu unserem Antrag noch einmal eindeutig auf diese Situation hingewiesen und bitten auch die Landesregierung in ihren Verhandlungen auf diesen Punkt besonders noch einmal hinzuwirken.
Die Länder brauchen, das ist die Auffassung unserer Fraktion, einen eigenen Spielraum, die Höhe ihrer Steuereinnahmen künftig mindestens teilweise in eigener Verantwortung bestimmen zu können. In erster Linie sollen sie deshalb berechtigt sein, über die Höhe ihrer Anteile an der Lohneinkommenssteuer innerhalb eines festgelegten Rahmens selbst bestimmen zu können. Sie sollen vor allen Dingen insbesondere über die Steuerarten selbst bestimmen können, wo sie jetzt schon den Ertrag zu 100 Prozent selbst zugestanden kriegen. Das betrifft vor allem die Grund- und Erwerbssteuer, also die Grundsteuer und die Grunderwerbssteuer, und die Erbschafts- und Schenkungssteuer. Es betrifft damit natürlich im Rahmen des Abbaus der Mischfinanzierung auch das Grundgesetz in seinen Artikeln 91 a) und b) und 104 und übrige. Deshalb ist auch auf dem Weg der Verhandlung mit der Bundesregierung auf einen Konsens hinzuwirken, weil wir natürlich nur auf Bundesebene grundgesetzliche Änderungen mit Zweidrittelmehrheit erreichen können. Dieser Prozess lässt sich nur dann erreichen, wenn alle Länder und alle Beteiligten, der Bund und die Länder, nochmals in der zweiten Ebene auch Konsens in der Neuordnung der Finanzverfassung erzielen.
Meine Damen und Herren, das Fazit aus diesem Antrag soll sein, dass wir der Auffassung sind, dass die Reform der Finanzzuständigkeiten in der Bundesrepublik für alle Beteiligten und somit letztendlich für die Allgemeinheit, also den Steuerzahler, von Vorteil sein muss und nach unseren Erwartungen auch sein kann. Der Abbau von Mischfinanzierung wird sich als wichtiger Beitrag zu einer rationalen Finanzpolitik und letztendlich auch zu einem Weg zur Einsparung möglicherweise und auch zur Entlastung der öffentlichen Haushalte erweisen. Die Entflechtung von Kompetenzen auf den einzelnen Ebenen und zwischen den Gebietskörperschaften kann damit im Ergebnis zu mehr Freiräumen für Eigeninitiative und mehr Engagement vor Ort führen. Und das ist auch ein Beitrag für mehr Demokratie und mehr Bürgernähe. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte vielleicht Ihre geschätzte Aufmerksamkeit noch einmal kurz auf den ersten Punkt unseres Antrags lenken, in dem es um die Stärkung des Föderalismus geht - ich denke, das ist ganz sicher unstrittig - der sich in Deutschland bewährt hat, aber der natürlich in seiner gegenwärtigen Form vor Herausforderungen steht, die einer Weiterentwicklung dringend bedürfen. Die Regierungschefs haben ja bereits schon 1998 die kritische Überprüfung der bundesstaatlichen Aufgaben mit dem Ziel der Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung beschlossen, Ziel muss dabei - das ist auch unstrittig - natürlich die Gleichheit der Lebensbedingungen und die Wahrung der gesamtstaatlichen Einheit unter dem Blickwinkel der Eigenständigkeit der Regionen sein. Der Spielraum, den die Landesparlamente dabei haben, wurde natürlich durch die Ausweitung von Bundesgesetzgebung immer mehr ein Stückchen eingeengt und hat damit natürlich auch zur Aushöhlung der Gesetzgebungskompetenz der Länder geführt. Diese gleiche Entwicklung findet auch auf europäischer Ebene statt, wo Regierungen der EU-Mitgliedstaaten EU-Richtlinien im Ministerrat verabschieden, die Bundes- und Ländergesetze aushebeln. Die Länder sind ja hier nur beratend über den AdR beteiligt. Eine doppelte Rahmengesetzgebung EU und Bund muss vermieden werden, denn Ziel ist schon die direkte Ländervertretung in Fragen der Länderkompetenz. Das Subsidiaritätsprinzip nach Artikel 72 Grundgesetz und damit auch ein verstärkter Föderalismus ist der Schlüssel für eine zukunftsfähige Gesellschaft und ein zukunftsfähiges Staatswesen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir brauchen schon eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen EU, Bund, Land und Kommunen mit klaren Verantwortlichkeiten und Zuständigkeitsbereichen, aber auf den jeweiligen Ebenen.
Durch Dezentralisierung und kürzere Entscheidungswege können öffentliche Leistungen kostengünstiger angeboten werden. Wir müssen wieder dahin kommen, dass die Aufgaben der niedrigsten staatlichen Ebene zugewiesen werden können, die auch eine effiziente Erledigung gewährleistet. Selbstverständlich ist, dass die Finanzierung natürlich auch an diese Aufgabenverteilung angebunden sein muss. Gleiches gilt auch auf der Ebene der EU. Nach dem Subsidiaritätsprinzip des EG-Vertrags darf ja die Kommission nur dann tätig werden, wenn die Ziele der Rechtsakte auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht erreicht werden können. Dass dies in der Praxis allerdings nicht immer so funktioniert, zeigt z.B. die Auseinandersetzung in der Europäischen Union, ich denke einmal z.B. an die FFH-Richtlinie oder über die wettbewerbsrechtliche Be
wertung der Dienstleistungen, also zur so genannten Daseinsvorsorge, auch, da vor wenigen Tagen der Bericht der Kommission zur Daseinsvorsorge nicht gerade zur Klarstellung beigetragen hat, sondern er verunsichert öffentliche und private Unternehmen zusehends. Es geht aber auch um eine stärkere Beteiligung und eine Stärkung der Gesetzgebungskompetenz der Landesparlamente in diesem Modernisierungsprozess. Wie sieht die Praxis heute aus? Welche Gegenstände haben wir als Thüringer Landtag noch originär zu regeln? Man wird darüber nachdenken müssen, wie Landesparlamente frühzeitig in Vorhaben zur Gesetzgebung - wenn politisch bedeutend - zur Landesplanung, in Bundesratsangelegenheiten oder Angelegenheiten der Europäischen Union einbezogen bzw. unterrichtet werden können. Die Eigenständigkeit und Kompetenzen der Landesregierungen und der Parlamente müssen gestärkt werden, denn, ich glaube, nur so ist es möglich, auch wieder Zuordnung der Verantwortungsebenen für die Bürger durchschaubar zu machen.
Artikel 74 unseres Grundgesetzes hat den Bund in der Vergangenheit von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz umfassend Gebrauch machen lassen. Ich glaube auch, das ist ein Thema, das uns zukünftig noch erhebliche Arbeit bringen und auch abverlangen wird, wenn die grundgesetzlich vorgesehenen Balancen zwischen den Befugnissen der Länder und den Befugnissen des Bundes wieder einigermaßen ins rechte Lot gerückt werden sollen. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Bereich der Bund-Länder-Finanzbeziehungen konnten in diesem Jahr entscheidende Verhandlungen erfolgreich zum Abschluss gebracht werden. Bund und Länder haben sich über die weitere Gestaltung des Länderfinanzausgleichs und über den Solidarpakt II geeinigt. Noch vor der Sommerpause haben sie dazu das Maßstäbegesetz verabschiedet. Einige strittige Punkte sind noch offen geblieben, aber im Rahmen des Solidarpaktfortführungsgesetzes können wir auch dahin gehend bis zum Ende des Jahres mit einer Lösung rechnen.
Herr Müller, das liegt nicht an den Ministerpräsidenten oder an den Landesregierungen, dass sich bis jetzt nicht geeinigt worden ist. Der Bundesfinanzminister hat sich nicht an die Vereinbarung des Bundeskanzlers mit allen 16 Ministerpräsidenten gehalten, das ist der Grund. Diese Woche ist es einer Arbeitsgruppe von Landesfinanzministern aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bremen und NordrheinWestfalen gelungen, den Bundesfinanzminister zur Ver
nunft zu bringen. Wir haben jetzt ein Ergebnis, was wieder dem Ministerpräsidentenbeschluss entspricht. Ich hoffe, dass es dabei bleibt und der jetzige Kompromiss, der diese Woche ausgehandelt wurde, in der nächsten Woche im Sonderausschuss des Bundestags eine Mehrheit findet und im Dezember im Bundesrat, weil wir damit ein Vermittlungsverfahren vermeiden können.
Bei ihrem Treffen vor zwei Wochen haben auch die Regierungschefs der Länder ihre Absicht bekräftigt, mit dem Bund in entsprechende Verhandlungen einzutreten. Es wird ja in dieser Legislaturperiode nichts mehr und nach Möglichkeit sollen diese Verhandlungen vor dem Abschluss der europäischen Regierungskonferenz 2004 beendet sein. Neben der Modernisierung der bundesstaatlichen Finanzordnung fordern die Regierungschefs auch einige andere Neuregelungen. Nach ihrer Ansicht sollen die Zuordnung und Ausgestaltung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern, die Zustimmungserfordernisse im Bundesrat, die Kompetenzen in EU-Angelegenheiten und die grenzüberschreitenden Kompetenzen neu gefasst werden.
Meine Damen und Herren, das föderative Staatssystem der Bundesrepublik hat sich grundsätzlich bewährt, dennoch haben sich mit den Jahren Fehlentwicklungen eingeschlichen, die es zu beheben gilt. Das ist wie in der Technik, auch ein mechanisches Getriebe läuft nur, wenn es regelmäßig gewartet und geschmiert wird, sonst rostet es irgendwann ein. So müssen auch die Vorgänge in unserem staatlichen System regelmäßig überprüft und unter Umständen an neue ökonomische oder soziale Entwicklungen angepasst werden, denn ein System bleibt am ehesten leistungsfähig, wenn es flexibel auf veränderte Bedingungen reagieren kann. Zu den Vorteilen eines dezentralen Staatsaufbaus zählt wesentlich eine effiziente Bereitstellung öffentlicher Leistungen, die den Präferenzen der Bürger entsprechen. Dieser Vorteil muss besser ausgeschöpft werden, dabei sind verschiedene Aspekte zu beachten.
Zunächst sind die Aufgaben von EU, Bund, Ländern und Kommunen stringenter voneinander abzugrenzen. Eine Aufgabe sollte erst dann auf die höhere Ebene übertragen werden, wenn die niedrigere Ebene nachweislich die Aufgabenerfüllung nicht hinreichend leisten kann. Das ist ein Grundprinzip und übrigens, so nebenbei gesagt, ist das genau die Aussage, die Hedda von Wedel in ihrem Gutachten zu den Veterinärämtern stehen hat.
Eine Wahrnehmung der Aufgaben möglichst an der untersten Ebene eröffnet die Chance, den vor Ort bestehenden Präferenzen bestmöglich bei der Versorgung mit öffentlichen Gütern zu entsprechen. Um dieses Prinzip umzusetzen, müssen die nachgeordneten Gebietskörperschaften bei Entscheidungen über Ausgaben und Einnahmen eine weitestgehende Autonomie haben. Das ist aber insbesondere auf Länderebene gegenwärtig nicht mehr der Fall, vielmehr kommt es immer häufiger zur Vermischung von Verantwortung und Finanzierung zwischen den Ebenen und dadurch werden politische Entscheidungen für den
Bürger nicht mehr nachvollziehbar. Ein Ansatzpunkt für die Entflechtung von verwobenen Zuständen sind insbesondere die Tatbestände der Mischfinanzierung nach Artikel 104 a Abs. 3 und 4 des Grundgesetzes und die Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 91 a und b. Hier gilt es wieder transparentere Verfahren zu schaffen. Und es bleibt bei einem Grundprinzip: Kostenträger sollten grundsätzlich auch die Nutznießer der von ihnen getätigten Ausgaben sein. Dabei ist die Zusammenführung von Aufgabenkompetenz, Ausgabenverantwortung und Einnahmemöglichkeiten auf einer Ebene anzustreben. Mit diesem Ziel müssen die Gesetzgebungskompetenz und die Steuerautonomie der Länder gestärkt werden. Im steuerlichen Bereich sollte die Übertragung von Gesetzgebungskompetenzen auf die Länder bei den Steuern vorgesehen werden, zumindest zunächst erst einmal bei denen, wo ihnen die Ertragskompetenz bereits zusteht. Warum fangen wir nicht mal mit der Grunderwerbssteuer, Grundsteuer und der Erbschaftssteuer an. Herr Müller, ich sehe überhaupt keinen Wettbewerbsnachteil, wenn die Erbschaftssteuer Länderkompetenz wäre, ganz im Gegenteil, dann hätten alle neuen Länder einen Wettbewerbsvorteil, weil nämlich das eine Steuer ist, die bei uns eine Bagatellsteuer ist.
Warum sollen wir nicht diesen Wettbewerbsvorteil dann auch einmal ausnutzen können? Wenn man mich schon auf der Tagung in Jena zitiert, dann muss man mich wenigstens schon vollständig zitieren. Ich habe nämlich meine Ausführungen dort fortgeführt mit der Aussage, die neuen Länder können in diesen Wettbewerbsföderalismus - kein Konkurrenzföderalismus, sondern Wettbewerbsföderalismus - noch nicht eintreten, weil sie zurzeit nicht die Voraussetzungen aufgrund der fehlenden Wirtschaftskraft haben. Bitte, wenn Sie mich zitieren, zitieren Sie mich nicht mit Halbsätzen, sondern zitieren Sie mich vollständig.
Ich sage Ihnen noch etwas: Wenn man Ausgabenverantwortung und Einnahmenverantwortung zusammenführt, wenn man die Aufgaben abgrenzt, ich glaube nicht, dass Bayern einen solchen Wettbewerbsvorteil hätte - wenn sie die ganzen Zuführungen der übermäßig veranschlagten Forschungsmittel des Bundes oder vielleicht kriegen wir dann auch die landwirtschaftliche Subventionierung auf Länderebene, weil das Strukturpolitik ist und dort die Länder die Aufgabenverantwortung haben sollten - gegenüber Thüringen, wenn sie ihre ganze Subventionspolitik in bestimmten Bereichen aus dem eigenen Haushalt finanzieren müssten.
Ein wichtiges Kriterium für die Akzeptanz der Maßnahmen, die zur Stärkung der Autonomie der Länder ergriffen werden sollen, ist - und auch das dürfen Sie nicht vergessen -, dass Wettbewerbsföderalismus nicht bedeutet, dass man den Länderfinanzausgleich außer Kraft setzt, sondern Wettbewerbsföderalismus bedeutet auch, dass ein Län
derfinanzausgleich neutral wirken muss. Auch das ist eine besondere Forderung aus Sicht der neuen Länder, denn wir werden noch viele Jahre auf das System des Länderfinanzausgleichs angewiesen sein, um unsere durchschnittliche Finanzkraft an das Durchschnittsniveau der alten Länder anzupassen. Man kann das auch anders regeln. Man kann auch den Defizitausgleich zwischen finanzschwachen und finanzstarken Ländern auf die Vertikale als gesamtstaatliche deutsche Aufgabe legen und damit einen vertikalen Finanzausgleich über den Bundeshaushalt an die Länder gestalten. Aber über solche Modelle muss nachgedacht werden. Wir bekommen momentan ja beides, sowohl Länderfinanzausgleich als auch Bundesergänzungszuweisung, zum Ausgleich der unterdurchschnittlichen Finanzkraft.
Man kann eigentlich noch mehr machen in diesem Rahmen. Denkbar ist es, Bandbreiten bzw. bundeseinheitliche Höchst- oder Mindestsätze festzulegen. Das ist für uns wesentlich und es würde einen unzulässigen Wettbewerbsföderalismus, der einen wirtschaftlichen Vorteil auf der einen Seite zum Nachteil auf der anderen Seite entwickelt, dort beseitigen.
Meine Damen und Herren, die Weiterentwicklung der bundesstaatlichen Finanzordnung bietet die Chance, den derzeit allein von der Ausgabenseite geprägten Subventionswettlauf der Länder zu entschärfen. Durch den Einstieg in wettbewerbliche Strukturen zwischen den Ländern auf der Einnahmen- und auf der Ausgabenseite kann wirtschaftliche Dynamik neu an Fahrt gewinnen. Das ist auch eine Chance für mehr Arbeitsplätze, für eine Verbesserung des Wohlstandsniveaus und der Lebensbedingungen unserer Bürger. Die strikte Umsetzung des Prinzips der Subsidiarität ermöglicht darüber hinaus ein höheres Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen gegenüber der Solidargemeinschaft sowie der einzelnen Gebietskörperschaft gegenüber dem Bürger. Das System der Bundesrepublik ist offen, sich den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Wir müssen diese Möglichkeit aufgreifen und eine zukunftsorientierte Reform auf den Weg bringen. Ich hoffe, dass nach der Bundestagswahl 2002 die Verhandlungen zügig gestartet und bis zur Regierungskonferenz 2004 zum Abschluss gebracht werden. Was ich nicht glaube, dass wir in Thüringen mit den kommunalen Spitzenverbänden den Wunsch der Frau Dr. Wildauer umsetzen können, nämlich das sächsische kommunale Finanzausgleichsgesetz in Thüringen wirksam werden zu lassen. Da hätte Sie wahrscheinlich den Finanzminister als Einzigen auf Ihrer Seite. Vielen Dank.