Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

darf nicht zum Politikersatz umfunktioniert werden. Sicherheit und Prävention, meine Damen und Herren, beginnen vor Ort mit einer Dezentralisierung der Sicherheitsapparate, denn Polizeiarbeit muss bürgernah stattfinden. Fehlende Sozialpolitik ist ebenso zu kritisieren wie die Privatisierung von Sicherheit. Staatliche Sicherheitspolitik muss zuerst den Ausschluss einzelner aus gesellschaftlichen Zusammenhängen unmöglich machen, sie darf nicht zu gesellschaftlichen Ausgrenzungsprozessen führen. Insofern muss der öffentliche, z.B. der städtische Raum allen Bewohnern und Passanten als Lebens- und Ruheraum zugänglich sein und Gruppen, denen die Straße der wesentliche Kommunikationsraum ist, dürfen nicht vertrieben werden. Hier müssen primär sozialpolitische Konzepte und soziale Hilfsangebote zum Tragen kommen. Genau in die andere Richtung würden die Vorschläge wie z.B. der Platzverweis oder die Videoüberwachung hinführen. Was durch nicht besetzte Stellen in Polizeieinrichtungen und die ständige Verstärkung der zentralen Einheiten und Verwaltungen behindert wird, ist die notwendige permanente Ansprechbarkeit der Polizei vor Ort. Es geht nicht unbedingt um mehr Grün auf der Straße, aber sehr wohl darum, dass die Besetzung von Polizeiinspektionen oder Polizeistationen gewährleistet werden muss, ohne dass die Polizistinnen und Polizisten gezwungen werden, physisch und psychisch Übermenschliches zu leisten.

(Beifall Abg. Thierbach, PDS)

Für Notfälle, aber auch für die Durchführung von Bürgersprechstunden oder Informationsveranstaltungen sollten sie zudem zur Verfügung stehen. Die PDS will den Ausbau der kommunalen Kriminalprävention, eine Verbesserung der Betroffenenbeteiligung, z.B. in Bürgerversammlungen, sie will den gesellschaftlichen Ausschluss von Randgruppen verhindern und die Privatisierung von Sicherheit zugunsten von gleichen Schutzleistungen für alle zurückdrängen. Dazu gehört dann allerdings auch, dass die Kreise, die kreisfreien Städte und Ämter als Ordnungsbehörden bei der Abwehr von Gefahren ihre staatliche Aufgabe besser wahrnehmen. Das Anliegen besteht dann darin, das Potenzial der Kommunen für eine wirksame Kriminalitätsvermeidung zu nutzen und zu erschließen. Alltägliche Kriminalität spielt sich in den Städten und Gemeinden ab und wird wesentlich von den dort vorhandenen Bedingungen und Strukturen beeinflusst und von den dort lebenden Bürgerinnen und Bürgern erlebt. Die negativen Folgen von Kriminalität schränken die Arbeitsund Wohnqualität in den Gemeinden ein. Es gibt also ein unmittelbares eigenes Interesse der Kommunen, Mittel und Wege zu finden, um zu einer Entlastung beitragen zu können und vor allem auf die Ursachen von Kriminalität Einfluss zu nehmen. Kriminalitätsprävention kann am wirkungsvollsten da ansetzen, wo die Bürgerinnen und Bürger miteinander leben.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen jetzt nicht weiter sämtliche unserer Vorschläge hier vortragen,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das waren ja nur fünf, übertreibt doch nicht.)

die wir für nötig halten für die Kriminalitätsprävention und eine Sicherheitspolitik, die auf mehr öffentliche Politik gerichtet ist und auch auf mehr persönliche Sicherheit. Aber ich sage Ihnen eines, mit den Mitteln der repressiven Prävention werden Sie auf die Dauer nicht weiterkommen. Die Orientierung muss auf die Punkte des Ansatzes von Sicherheitspolitik gehen, wo man auch die Ursachen für Kriminalität und Unsicherheitsentwicklungen festgestellt hat. Dort werden in zunehmendem Maße, wenn man eine sinnvolle Sicherheitspolitik gestalten will, die Kommunen ins Auge rücken. So kann man auch an Fragen der öffentlichen Sicherheit herangehen, orientiert an den Problemen vor Ort, auf andere Art präventiv als es die polizeiliche, vielfach repressive Prävention tut. Mag sein, meine Damen und Herren, dass das am Ende pro Jahr mehr kostet als 25 Mio. DM, ganz sicher sogar, aber der Preis, den die Menschen dafür zahlen, der wird letztlich geringer sein und es werden nicht die Freiheits- und Bürgerrechte sein, mit denen bezahlt werden muss. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Es hat das Wort Herr Abgeordneter Mohring, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Müller, Herr Hahnemann, wenn man nichts zu kritisieren hat, dann redet man halt einfach über ein anderes Thema. Das mag ja zulässig sein,

(Beifall bei der CDU)

in der Schule hätten Sie dafür beide eine sechs bekommen. Wir haben es ertragen, aber wir wollen schon, meine Damen und Herren, deshalb auch uns unserer Verantwortung stellen und schon zu dem Thema reden, was auch aufgerufen ist. Aufgerufen ist der erste Nachtragshaushalt und vor allen Dingen, der erste Nachtragshaushalt zum Sicherheitspaket für Thüringen, das will der Landtag heute schnüren. Wir wollen den ersten Nachtragshaushalt beschließen, vor allen Dingen nicht nur deshalb, weil der Innenminister schon in seeligem Vertrauen auf die Entscheidung des Landtags die ersten Stellenausschreibungen bewerkstelligt hat, sondern vor allen Dingen auch deshalb,

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Guter Minister.)

weil die Thüringer Polizei, aber auch die Thüringer Feuerwehr natürlich mit enormem Erwartungsdruck draußen sind und warten, dass wir diesen Haushalt beschließen, damit

ab 1. Januar 2002 wir in dem Bereich der Sicherheit und im Bereich der Feuerwehr und Katastrophenschutz hier in unserem Freistaat unseren Beitrag leisten können und wir wollen das tun.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Grenzen zwischen den politischen Parteien schwimmen manchmal und sind stark verwischt. Deshalb sind Debatten um innere Sicherheit und Debatten um Terrorismusbekämpfung ganz gut, um solche Grenzen wieder aufzuzeigen und auch unterschiedliche Politikansätze darzustellen.

(Beifall bei der CDU)

Ich persönlich, vielleicht auch ein großer Teil meiner Fraktion, war nämlich schon in Sorge, dass sich mit der Wahl von Bodo Ramelow zum Fraktionsvorsitzenden zumindest die Grenzen zwischen SPD und PDS so stark verwischen, dass man gar nicht mehr erkennen kann, wer eigentlich auf welcher Seite sitzt. Das machen schon einzelne Mitglieder von Ihnen immer während der Sitzung, aber wir meinen,

(Beifall bei der CDU)

jetzt froh zu sein nach Abschluss der Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuss, aber auch heute, nachdem Ihre überarbeiteten Anträge vorliegen, zu wissen, dass, egal wer gerade in jedem Jahr bei Ihnen Fraktionsvorsitzender ist in dieser Legislaturperiode, eins steht fest und eins bleibt gleich, Ihre Haltung zur Ablehnung zum Verfassungsschutz, Ihr grenzenloser Populismus und vor allen Dingen, und das will ich Ihnen wirklich sagen, das will ich Ihnen ja noch zu Gute halten, Ihre vereinzelt aufkeimende Liebe zum Linksextremismus.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, da ist es eben nicht richtig, wie Herr Hahnemann vorhin gesagt hat zu einem ganz anderen Tagesordnungspunkt, die Gefahr ginge von der CDU aus. Bei solcher Liebhaberei zum Linksextremismus geht die Gefahr eindeutig von Ihrer Partei aus und die gilt es zu beobachten und zu bekämpfen.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Das war doch ganz klar.)

Meine Damen und Herren, welche Politikansätze Sie tatsächlich verfolgen, das müssen Sie ertragen, zeigen allein schon Ihre Überschriften zu Ihren Haushaltsanträgen. Es sind weniger die Inhalte, die eigentlich entscheidend sind und auch bezeichnend, welche Auffassung Sie zur Terrorismusbekämpfung und zur inneren Sicherheit haben, sondern das sind vor allen Dingen die Überschriften, wo Sie versuchen zu umschreiben, was wollen Sie mit den Anträgen erreichen und wohin soll Thüringer Politik ge

hen, wenn Sie Verantwortung hier in Thüringen hätten. Gott bewahre, dass dieser Zeitraum noch lange hin ist,

(Beifall bei der CDU)

aber die Leute müssen auch wissen, wenn Sie jemals Verantwortung hätten,

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Wenn Sie immer schon sagen "Gott schütze".)

wenn Sie jemals Verantwortung hätten, sollen die Leute wissen, was Sie meinen. Sie sagen z.B. Feuerwehrausrüstung statt Befehlskraftwagen, Streifenwagen prüfen statt neue Sonderfahrzeuge kaufen, Transparenz und Demokratie statt Ausforschung der Bürger. Weil das Ihnen selbst so unheimlich vorkommt, nennen Sie Ihren Antrag jetzt Transparenz und Demokratie statt mehr Geheimdienst, meinen damit aber natürlich dasselbe. Sie meinen Prävention und Demokratie vor Ort statt Geheimstrukturen bei der Polizei und auch das war Ihnen offensichtlich viel zu heikel, weil Sie sind ja auf dem Weg zur Macht, stärken Sie jetzt statt Verstärkung der operativen Einheit, das klingt natürlich modern und das klingt ein bisschen verantwortungsvoll und regierungstragend und es klingt auch ein bisschen netter, wenn sich dann Ramelow mit Gentzel unterhält, das glaube ich ja alles, aber auch die SPD muss wissen, sie meinen nicht Verstärkung operativer Einheiten oder sonst was, sondern sie meinen Abschaffung des Verfassungsschutzes und Abschaffung von Staatsschutz und

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Richtig.)

(Beifall bei der CDU)

Abschaffung des Grundgesetzes und was alles dazu gehört.

(Unruhe bei der PDS)

Dann sagen Sie auch noch ganz zum Schluss, Entwicklungshilfe statt Generalverdacht heißt es jetzt, vorher hieß es noch, Entwicklungshilfe statt mobile Kontrollen der Fingerabdrücke. Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein sechster Antrag, den Sie wahrscheinlich vergessen haben in der ganzen Hektik mit aufzuschreiben, nämlich einen Antrag wahrscheinlich für Weiterbildungslehrgänge für Terroristen, denn dann wäre dieses Programm, was Sie hier vorlegen wollen, komplett. Wir wollen das nicht.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen nämlich keine Weiterbildungsseminare und Entwicklungshilfe. Wir meinen nämlich auch nicht so, wie Sie das sehen, dass wir meinen, dass der einfache Streifenpolizist in vielleicht auch Apolda oder Obertrebra, aus der Gegend, wo ich herkomme, dass der den Terroristen bekämpfen kann. Wer so einen irrealen Politikansatz hat, der lebt in einer völlig verbrämten Welt. Wir meinen, wenn

wir Terrorismus bekämpfen wollen, dann müssen wir das mit Verfassungsschutz und dann müssen wir das mit einem starken Landeskriminalamt und mit einer starken Staatsschutzabteilung im Landeskriminalamt tun.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Die habt ihr doch bekämpft.)

Meine Damen und Herren, Haushalt und innere Sicherheit können nicht einfach der Beliebigkeit geopfert werden, so wie Sie das machen mit Ihren Überschriften und mit Ihren Anträgen, einmal so, einmal so, Hauptsache es passt gerade und ist nach außen hin auch darstellbar. Der Herr Müller hat ja in seiner langen, ruhigen, gleichsamen Rede einen Satz gesagt, der hat aufhorchen lassen - mehr war es auch gar nicht, Herr Müller -, aber der Satz war entscheidend. Sie haben erst eine Viertelstunde lang die Sicherheitspakete der Regierung kritisieren wollen und dann zum Schluss haben Sie gesagt, weil Sie die Ablehnung der Öffentlichkeit nicht vermitteln können, wollen Sie aber zustimmen. Das zeigt eigentlich alles, wie das Politikverständnis zum Teil offensichtlich bei Teilen der SPD, aber vor allen Dingen auch bei Ihnen ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir wollen mit dem Sicherheitspaket deshalb auch ganz deutlich darstellen, dass die CDU, wir stehen auch dazu, wir haben in Thüringen ja die Verantwortung, wir haben alleine die Verantwortung, wir wollen die Verantwortung auch wahrnehmen und entscheiden dazu.

(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Bei der Tagesordnung vorher haben Sie doch ganz anders geredet.)

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Mit dem redet doch sonst keiner, warum fängst du heute damit an.)

Es tut weh, Ihnen zuzuhören.

(Zwischenruf Abg. Doht, SPD: Das geht uns auch so.)

Liebe parlamentarische Geschäftsführerin der PDS und ehemaliger Fraktionsvorsitzender, vielleicht fällt es Ihnen ja schwerer, jetzt nicht mehr in der ersten Reihe zu sitzen und deshalb Zwischenrufe zu machen, das mag ja alles sein, Ihnen hat ja als PDS-Fraktionsvorsitzender offensichtlich auch keiner zugehört, sonst wären Sie ja vielleicht noch Fraktionsvorsitzender, aber das will ich mal... Meine Damen und Herren, darauf kommt es auch gar nicht an.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen unsere Verantwortung wahrnehmen und wir wollen sie wahrnehmen mit einem starken Landeskriminalamt, wir wollen das ausbauen, wir wollen insgesamt 141 neue Stellen

(Beifall bei der CDU)

schaffen bei der Thüringer Polizei, bei der Justiz, bei der Feuerwehr und beim Katastrophenschutz und wir wollen auch Fehler aus der Vergangenheit ausbügeln - natürlich. Aber, lieber Herr Müller, wir wollen die Vergangenheitsfehler ausbügeln von einem SPD-geführten Innenministerium.