Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

Als nächste Rednerin hat sich Frau Abgeordnete Tasch, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf Antrag der CDU-Fraktion hat sich der Gleichstellungsausschuss in seiner Sitzung am 30.03.2001 mit dem Thema "Mögliche Änderungen von Landesgesetzen nach In-Kraft-Treten des Gewaltschutzgesetzes des Bun

des" eingehend beschäftigt, nicht nur da, Frau Wolf hat es gesagt, auch in mehreren Sitzungen. Die Landesregierung hat uns dahin gehend informiert, dass zur Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes Artikel 11 Grundgesetz, der die Freizügigkeit betrifft, zu ändern ist, aber ansonsten die Möglichkeiten des Platzverweises und die des Unterbindungsgewahrsams bereits geregelt sind und auch Anwendung finden. Die weiter gehende Regelung, die die SPD in ihrem Gesetzentwurf im § 18 a vorschlägt, werden wir aufgeschlossen beraten und deshalb bitte ich namens der CDUFraktion um Überweisung zur Mitberatung an den Gleichstellungsausschuss und an den Justizausschuss.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Bechthum zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, vor einigen Wochen war in der Presse Folgendes zu lesen, ich zitiere, Frau Präsidentin: "Drama hinter gepflegter Fassade. Weil sich die Frau von ihrem Mann trennen wollte, hatte er sie geschlagen. Sie rief daraufhin die Polizei an und erstattete Anzeige. Nach einem weiteren Streit in der Nacht begann der 41jährige Mann überall brennbare Flüssigkeiten auszugießen, zündete das Haus an und erhängte sich auf der Terrasse. Fassungslos starrten die Bewohner der anderen Straßenseite der guten Arterner Wohngegend auf die Flammen. Von dem Drama, das sich hinter der gepflegten Fassade abgespielt hatte, hatte niemand etwas geahnt." Die Frage stellt sich: Hätte diese Tragödie verhindert werden können? Ähnliche Fälle spielen sich häufig ab.

Meine Damen und Herren, die Verabschiedung des Gesetzes zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung, kurz Gewaltschutzgesetz, am 08.11.2001 vom Bundestag und sein InKraft-Treten am 1. Januar 2002 ist eine wesentliche Voraussetzung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung ist unter "Probleme und Ziel" zu lesen, ich zitiere, Frau Präsidentin: "Die Bewältigung der Zunahme von Gewalttaten ist für die Gesellschaft eine besondere Herausforderung. Nach Einschätzung von Experten ist die Gewalt, die sich innerhalb von Beziehungen im häuslichen Umfeld ereignet, die am häufigsten auftretende Form. Besonders davon betroffen sind Frauen und Kinder."

Meine Damen und Herren, mit der Wende wurde in Ostdeutschland die Problematik Gewalt in der Familie, im sozialen Nahraum, als Tabu aufgebrochen, wird aber bis heute noch nicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gese

hen. Frauen, die Gewalt erfahren haben, in Frauenschutzhäusern waren, gehen immer häufiger in die Öffentlichkeit. Sie schließen sich in Selbsthilfegruppen zusammen, ermutigen andere Frauen. Die Diskussionen in den Selbsthilfegruppen, in denen Frauen aus unterschiedlichsten Lebenssituationen, verschiedenen Alters und unterschiedlichen Berufen vereint sind, sind die beste Prävention, der häuslichen Gewalt zu begegnen. Die Mitglieder des Gleichstellungsausschusses sehen ebenfalls als eine ihrer vorrangigen Aufgaben die Gewaltprävention in der Familie und die Förderung von Beratungsangeboten an und das seit 1994, der 2. Legislaturperiode. Die Bereitstellung von 3,5 Mio. DM für 29 Frauenhäuser und Frauenschutzwohnungen ist positiv zu werten, aber nur ein erster Schritt, wie die Realität zeigt. Dennoch ist es nicht oder kaum gelungen, die Gewalt im häuslichen Bereich, vor allem gegen Frauen und Kinder, zu dämmen bzw. zu beenden. Gewaltbereite Menschen akzeptieren letztendlich oft nur Gesetze oder Rechtsvorschriften. Deshalb musste es zu diesem Gewaltschutzgesetz kommen. Als Vorbild dienten Erfahrungen mit dem österreichischen Gewaltschutzgesetz, das seit 1997 in Kraft ist.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, im September dieses Jahres war ich als Gast der zweiten Landeskonferenz der Gewerkschaft der Polizei, also der Frauenlandeskonferenz der Polizei, eingeladen. Das Motto der Konferenz lautete "Häusliche Gewalt - der Schläger geht, die Geschlagene bleibt". Im Grußwort an die zweite Landesfrauenkonferenz der Gewerkschaft der Polizei sagte der Herr Minister Köckert, er ist nur leider nicht hier - ich zitiere Frau Präsidentin: "Thüringen hat im Bundesrat dem Entwurf des Gewaltschutzgesetzes zugestimmt. Die Bekämpfung häuslicher Gewalt liegt im öffentlichen Interesse. Die Thüringer Landesregierung und die Gewerkschaft der Polizei ziehen hier an einem Strang. Die Thüringer Landesregierung wird auch in ihrer künftigen Arbeit die nachhaltige Bekämpfung häuslicher Gewalt auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens stellen. Insbesondere der Opferschutz und die Erziehungsarbeit sowie eine breit angelegte Prävention sind dabei die zentralen Ansatzpunkte." Ich hoffe, der Minister wird sich auch weiterhin dazu bekennen, dass es nicht nur eine Sonntagsrede war. Ein wichtiger Antrag zu häuslicher Gewalt stand auf der Landesfrauenkonferenz der Gewerkschaft zur Beratung und wurde auch verabschiedet. Ich zitiere: "Der Landesbezirksvorstand der Gewerkschaft der Polizei wird gebeten, sich für eine landeseinheitliche Definition 'Häusliche Gewalt' und damit erforderliche Änderungen im Thüringer Polizeiaufgabengesetz sowie das Erlassen anderer Rechtsvorschriften einzusetzen. Begründung: Gewalt, die in den Familien sowie im häuslichen Bereich geschieht, ist genauso zu verfolgen, wie Gewalt, die außen stattfindet. Die Wohnung ist kein rechtsfreier Raum. Weil bei Einsätzen im häuslichen Nahraum immer noch von Familienstreitigkeiten ausgegangen wird, stellen Platzverweis und Gewahrsamnahme als bestehende Regelungen keinen ausreichenden Schutz der von Gewalt Betroffenen dar. Sie bieten nur kurzfristige Lösungen und

befriedigen nicht das Sicherheitsgefühl des Opfers. Landeseinheitliche Regelungen im polizeilichen Bereich sind notwendig und anzustreben." Da waren gestandene Polizistinnen und da war auch Herr Hillmann von der Koordinierungsstelle, dem haben die Frauen aber einiges gesagt, dass er wirklich die Ohren angelegt hat, von der Realität, was sich abspielt und welchen Stand die Koordinierungsstelle bis zum September hatte. Inzwischen hat sich ja einiges getan.

Meine Damen und Herren, was die Frauen dort gefordert und auch beschlossen haben, ich denke, das ist ein Auftrag an den Gesetzgeber, nicht mehr und nicht weniger. In dieser Konferenz wurde nochmals klar gesagt, Gewalt in der Privatsphäre ist keine Familienstreitigkeit. Sie ist ebenso eine öffentliche Angelegenheit und demzufolge wie Gewalt im öffentlichen Raum zu sanktionieren. Zur häuslichen Gewalt gegen Frauen gibt es einen Katalog der Vereinten Nationen, in dem exakt aufgezählt ist, was zur häuslichen Gewalt gehört. Ich hatte es erst drin, aber wir werden uns ja noch damit im Ausschuss beschäftigen und werden dann diesen Katalog sicherlich sehr gründlich durchgehen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Dreh- und Angelpunkt für die Änderung des Polizeiaufgabengesetzes ist der § 18 a. Ich zitiere ihn noch einmal: "Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot zum Schutz vor häuslicher Gewalt. Die Polizei kann eine Person zur Abwehr einer von ihr ausgehenden gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer anderen Person aus einer Wohnung, in der die gefährdete Person wohnt, sowie aus deren unmittelbaren Umgebung verweisen und ihr die Rückkehr in diesen Bereich untersagen."

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Baden-Württemberg, CDU/F.D.P.-regiert, hat hier im Auftrag der Bundesregierung eine bundesweite Vorreiterrolle übernommen. In einem einjährigen Modellversuch hat die Polizei in den landesweit 86 teilnehmenden Städten und Gemeinden 803 häusliche Gewalttäter vor die Tür gesetzt. Ihnen wurde Hausverbot erteilt und teilweise die Wohnungsschlüssel abgenommen und, ich zitiere: "Die Auswertung ergab, dass mit den so genannten Platzverweisen Gewalt im häuslichen Bereich wirksam bekämpft werden kann". Deshalb werden wir es landesweit einführen, so Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll und Staatssekretärin Johanna Lichi aus Baden-Württemberg. Wichtig sei, so Minister Goll, dass die Opfer aber auch über die zivilrechtlichen Schutzmöglichkeiten informiert werden. In dem Erfahrungsbericht erklären beide Ministerien Inneres und Justiz, der Bericht ist fast 50 Seiten dick, ich zitiere: "Der Platzverweis ist keine isolierte polizeiliche Intervention. Ihm liegt eine weit gehende Gesamtkonzeption zugrunde".

So ist es entscheidend, dass das polizeiliche Vorgehen von einer Beratung der Täter und Opfer flankiert wird. Die Generalklausel des Polizeigesetzes, das ist sicherlich auch

wie wir das hier haben, habe sich grundsätzlich als eine tragfähige Grundlage für den Modellversuch erwiesen. Dennoch sprach sich der Justizminister für eine ausdrückliche gesetzliche Regelung des Platzverweises aus. Ich zitiere ihn nochmals: "Ich will eine absolute Restklarheit schaffen. Das sind wir den Polizei- und Justizbeamten aber auch vor allem den betroffenen Frauen und Kindern schuldig", so der Minister.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir betreten in Thüringen kein Neuland. Vieles ist zum Schutz der Frauen, Familien und Kinder getan worden. Wir können auf vieles stolz sein. Die Koordinierungsstelle Gewaltprävention beim Innenministerium hat die Realitäten bezüglich Gewalt im häuslichen Bereich ernst genommen. Herr Staatssekretär Scherer hat hier auch eine wichtige Rolle gespielt.

Vor einem Jahr zur Anhörung des Gleichstellungsausschusses am 01.12.2000, es ist jetzt ein gutes Jahr her, es waren hochkarätige Experten hier, die über Bekämpfung von Gewalt berichtet haben. Dann wurde von allen Beteiligten eindeutig ein Aktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt gefordert. Unter dem Druck des Gleichstellungsausschusses wurde auch der Landesregierung abgerungen, einen Maßnahmeplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt zu erstellen. Er sollte schon lange vorliegen. Sie wissen es, er liegt bis heute noch nicht vor. Das war eigentlich ein solidarisches Entgegenkommen der Opposition, weil sie wissen, die Landesfrauenbeauftragte war damit beauftragt und sollte darauf Einfluss nehmen. Sie ist krank und dann haben wir auch so viel Anstand, dass wir sagen, dann werden wir das auch so respektieren.

Meine Damen und Herren, zum Schluss, die Staatssekretärin des Innenministeriums von Baden-Württemberg betonte, dass ohne Gesamtkonzept dieser Modellversuch nicht gelungen wäre und diese Erfahrung können wir nur bestätigen. Als Gesamtkonzept, Frau Wolf hat es schon angedeutet, sind solche Interventionsprojekte, so heißen die nun mal, die Platzverweise und Wegweisungen auf Landesebene zu bewerkstelligen, geschaffen worden. Hier hat sich auch bewährt und in all den Ländern, wo das schon funktioniert, wer da zusammenarbeiten muss, die Frauengleichstellungsbeauftragten der Landesregierung, das Innenministerium, das Justizministerium, das Sozialministerium, die LAG - Landesarbeitsgemeinschaft Frauenhäuser und die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, die Landesarbeitsgemeinschaft Männerberatungsstellen - und das ist das, woran es hier bei uns eben hapert -, die einen großen Stellenwert haben, und eben das Landesversorgungsamt.

Meine Damen und Herren, es wurde in Thüringen versäumt und das Dank der Arbeit der Landesfrauenbeauftragten, die bis Juni hier ihr Wesen oder Unwesen getrieben hat. Es wurde versäumt, die Möglichkeit war einmalig in Thüringen, dass wir auch extra einen Topf im Ressort der Landesfrauenbeauftragten haben. Das ist nir

gends so. Es ist versäumt worden, Männerberatungsstellen, Therapieangebote zur Aufarbeitung von Gewalt zu schaffen, Beratungsangebote für Opfer und Täter - das ist eine wichtige Voraussetzung, um das erfolgreiche Umsetzen des Gewaltschutzgesetzes hier zu garantieren. Ich freue mich, dass wir so erst einmal auf einen Konsens gestoßen sind und ich schlage auch vor, erst einmal unseren Gesetzentwurf zu überweisen an den Innenausschuss und mitberatend an den Gleichstellungsausschuss. Danke schön.

(Beifall bei der SPD; Abg. K. Wolf, PDS)

Herr Staatssekretär Scherer, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, für die Landesregierung will ich zu dem vorgelegten Gesetzentwurf folgende Stellungnahme abgeben:

Lassen Sie mich bitte zu Beginn der Ausführung klar und eindeutig sagen: Die Landesregierung erachtet die mit dem Gewaltschutzgesetz als Kern des vom Bundestag einstimmig beschlossenen Gesetzes zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung mit den gesetzbezweckten Verbesserungen des zivilrechtlichen Schutzes von Opfern, insbesondere häuslicher Gewalt für notwendig und auch für richtig. Insofern haben Sie, Frau Bechthum, den Innenminister vorhin genau richtig zitiert. Die Landesregierung sieht diese Regelung des Gewaltschutzgesetzes als richtige Antwort auf Gewalttaten im familiären Bereich an und sie ist sich auch bewusst, dass der Polizei auf diesem Sektor neben der Strafverfolgung unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr die Aufgabe der Krisenintervention als Hinzugerufene auch zukommt.

Zu der vorhin angesprochenen Richtlinie ist zu sagen, die Polizei erarbeitet derzeit eine Handlungsanleitung für die Beamten der Thüringer Polizei zum Umgang mit häuslicher Gewalt, die auch die mit dem Gewaltschutzgesetz einhergehenden Änderungen der Rahmenbedingungen berücksichtigen wird. Im Gegensatz zur SPD ist die Landesregierung jedoch der Überzeugung, dass das der Polizei nach derzeitiger Rechtslage zur Verfügung stehende Instrumentarium im Wesentlichen ausreichend ist, es wurde vorhin schon kurz angesprochen: Ingewahrsamnahme, Platzverweis, Sicherstellung des Wohnungsschlüssels. Mit diesen Maßnahmen kann die Polizei auch in Fällen häuslicher Gewalt wirksam intervenieren und im Regelfall sollte bereits ein mehrtägiger Platzverweis genügen, damit die Gefährdung auch wirksam beseitigt werden kann.

Es ist, und das ist auch das Fazit der Innenministerkonferenz, allgemein anerkannt, dass in der verfassungskonformen Anwendung der Befugnis zur Platzverweisung ein Beteiligter auch aus seiner eigenen Wohnung verwiesen oder ihm das Betreten verboten werden kann, sofern dies zur Abwehr einer konkreten Gefahr erforderlich ist. Der Begriff der konkreten Gefahr umfasst die in den Polizeigesetzen üblichen Gefahrenbegriffe gegenwärtige erhebliche Gefahr oder gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person. In zeitlicher Hinsicht kann ein Platzverweis nur vorübergehend, d.h. zeitlich befristet, angeordnet werden. Die maximal zulässige Zeitdauer ist dabei jeweils im Einzelfall vom Fortbestehen der konkreten Gefahrenlage oder der Erforderlichkeit der Maßnahme abhängig. Sind bei Auseinandersetzungen im sozialen Nahbereich solche Auseinandersetzungen zu erwarten, die in erheblichem Umfang hochrangige Rechtsgüter wie Leib, Leben, Freiheit oder sexuelle Selbstbestimmung beeinträchtigen, kann ein Platzverweis so lange andauern, wie die Gefahr fortbesteht, gegebenenfalls auch mehrere Tage, wenn die Gefahr nicht auf andere Weise, etwa durch Entscheidung eines Zivilgerichts, beseitigt werden kann. Aber Auseinandersetzungen im häuslichen Bereich sind im Kern Probleme zivilrechtlicher Natur, die, Dank der Regelung des Gewaltschutzgesetzes, künftig effektiver von den Betroffenen selbst auf dem Zivilrechtsweg gelöst werden können. Die Polizei kann zum Schutz privater Rechte nur in dem ihr durch den Gesetzgeber zugedachten Rahmen flankierend tätig werden, indem sie bis zur Erlangung einer gerichtlichen Entscheidung durch geeignete Maßnahmen die akute Auseinandersetzung unterbindet. Umfängliche Beratungs- und Kontrollaufgaben, wie sie der Fraktionsentwurf vorsieht, können von der Polizei sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsächlichen Gründen so nicht geleistet werden. Die vorgeschlagenen Regelungen entsprechen nicht einer modernen Gesetzgebung. Sie enthalten nämlich detaillierte Einzelregelungen, die an den Erlass eines Verwaltungsaktes erinnern. Diese Gebote und Verbote sind normalerweise in einer mündlich oder schriftlich zu erlassenden Verfügung des Polizeibeamten enthalten. Je genauer ich eine Einzelfallregelung mache, umso größer ist die Gefahr, dass ein konkreter Einzelfall gerade nicht unter diese Einzelfallregelung fällt. Die geplante Regelung des vorliegenden Entwurfes, wonach Wohnungsverweise und Betretungsverbote ohne nähere Prüfung des Einzelfalls für die Dauer von zehn Tagen angeordneten werden sollen, begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine pauschalierte gesetzliche Regelung widerspricht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit, die Intensität einer polizeilichen Maßnahme kann sich immer nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls richten. Unabhängig davon schränken die Verweisungen aus der eigenen Wohnung und vor allem die Verfügung, diese für einen längeren Zeitraum nicht mehr betreten zu dürfen, das Grundrecht auf Freizügigkeit ein. Im Hinblick auf das sich aus Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz ergebende Gebot, dass die durch ein Gesetz eingeschränkten Grundrechte in diesem ausdrücklich zu zitieren sind, stimmt die Landesregierung der SPD-Fraktion

allerdings zu, dass ein entsprechendes Zitat in § 11 PAG, der für solche Zitate bereits vorgesehen ist, auch aufgenommen werden sollte. Diese notwendige Änderung ist Bestandteil des Entwurfs der Landesregierung zum ThürPAG, der sich gegenwärtig in der Anhörung befindet. Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion ist in seinem wesentlichen Kern, nämlich der Schaffung einer neuen Ermächtigungsgrundlage für einen zeitlich pauschalierten Platzverweis abzulehnen. Die geforderte Aufnahme eines Hinweises in das PAG auf die Einschränkung des Grundrechts auf Freizügigkeit ist zwar berechtigt, aber bereits im Gesetzentwurf der Landesregierung berücksichtigt. Danke schön.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nun nicht mehr vor. Ich schließe also die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Es ist beantragt worden, soweit ich es richtig vernommen habe, Überweisung an den Innenausschuss, an den Gleichstellungsausschuss und an den Justizausschuss. Das werden wir jetzt abstimmen.

Wer für die Überweisung des Gesetzes zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes in Drucksache 3/2038 votiert, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Diese Überweisung ist einstimmig angenommen.

Dann stimmen wir ab über die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Gleichstellungsausschuss. Wer dafür stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sieht auch nach sehr großer Mehrheit aus. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Keine Gegenstimmen und keine Stimmenthaltungen. Damit überwiesen an den Gleichstellungsausschuss.

Jetzt stimmen wir ab über die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Justizausschuss. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Auch das sieht sehr einmütig aus. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Eine Gegenstimme, keine Stimmenthaltung. Auch diese Überweisung ist erfolgt.

Jetzt müssen wir die Federführung festlegen. Dazu gab es noch keinen Antrag.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Innenausschuss.)

Gut. Dann stimmen wir über den Innenausschuss als federführenden Ausschuss ab. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei einer kleinen Anzahl von Stimmenthaltungen ist auch diesem zugestimmt. Wir können damit den Tagesordnungspunkt 10 abschließen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11

Thüringer Gesetz über die Freistellung für ehrenamtliche Jugendarbeit (ThürFreistG) Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 3/2047 ERSTE BERATUNG

Frau Abgeordnete Pelke wird diesen Gesetzentwurf begründen. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und weil ich auch glaube, dass ich keinem hier in diesem Hause erklären muss, wie wichtig bürgerschaftliches Engagement ist und dass es mehr Unterstützung braucht, will ich die Begründung auf zwei Sätze begrenzen.

Wir wissen, dass es bürgerschaftliches Engagement zu fördern und zu stärken gilt. Die ehrenamtlich Tätigen haben allerdings insbesondere immer ihren Wunsch geäußert, dass es ihnen auch darum geht, so sie denn in Arbeit und Brot stehen, eine ordentliche Regelung zur Freistellung zu bekommen. Deswegen hat die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf für die Freistellung ehrenamtlich Tätiger in der Jugendarbeit vorgelegt. Wir halten diese Verfahrensweise, diese Regelung in Thüringen für notwendig und ich wünsche mir im Anschluss eine sachgerechte Behandlung und Diskussion. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat Herr Minister Pietzsch ums Wort gebeten.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist schön, dass Frau Pelke um eine sachgerechte Behandlung bittet. Ich denke, wir werden diesem auch nachkommen, wie wir das hier in dem Plenum üblicherweise tun. Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen ein Gesetzentwurf der SPD auf dem Tisch. Es ist Ihnen aber in dieser Woche auch ein Bericht der Landesregierung zugegangen, nicht etwa als Antwort auf Ihren Gesetzentwurf, sondern als Antwort auf den Antrag des Plenums vom 17. Mai dieses Jahres zum Thema "Neue Initiative zur Förderung des Ehrenamtes". Dieser Bericht liegt Ihnen auch mit einer Drucksache, und zwar der Drucksache 3/2062 vor.

Die Landesregierung wurde aufgefordert zu prüfen, in welcher Form die Freistellung von Inhabern der Jugendleitercard geregelt werden kann, die bereits im Arbeitsleben stehen und sich entweder in der Jugendbetreuung engagieren oder an entsprechenden Qualifikationsmaßnahmen beteiligen wollen. Wenn Sie diesen Bericht zur Hand nehmen und lesen, werden Sie feststellen, dass die Landesregierung für eine Freistellung für ehrenamtliche Tätigkeit im Bereich der Jugendarbeit mit Jugendleitercard ist. Um präziser zu sagen, wir halten eine 5- bis 10-tägige Freistellung ehrenamtlich Tätiger für Zwecke der Jugendbildung, der Jugenderholung sowie für die Fort- und Weiterbildung im Bereich der Jugendarbeit für angemessen. Wobei, meine Damen und Herren, Sie werden schon daraus entnehmen, ich sage 5- bis 10-tägige, so dass die Meinungsbildung insbesondere mit den Partnern noch nicht endgültig abgeschlossen ist. Ein Anspruch auf Lohn, Gehalt oder Ausbildungsvergütung während der Zeit der Freistellung ist erst einmal nicht vorgesehen. Außerdem sollen durch die Freistellung keine beruflichen Nachteile für die Ehrenamtler entstehen dürfen. Ich glaube, das ist eine wichtige Sache.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das sind nach Ansicht der Landesregierung die wesentlichen Eckpunkte der Freistellungsregelung im Bereich der Jugendarbeit. Diese Eckpunkte liegen Ihnen also vor und Ihnen liegt der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vor. Dieser Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, kommt angesichts des soeben dargestellten Sachverhalts, dass Sie auch diesen Bericht erwarten, nicht völlig unerwartet. Außerdem enthält er inhaltlich insbesondere mit Blick auf die Regelungen in anderen Ländern ähnliche Aussagen wie wir es auch von anderen kennen, entspricht im Wesentlichen Passagen, den von mir auch dargestellten Eckpunkten, die die Landesregierung erarbeitet hat. Das Gesetz hat auch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem von Rheinland-Pfalz. Ich sage allerdings ausdrücklich, meine Damen und Herren, das ist kein Vorwurf und das ist keine Schande, denn wir haben von Rheinland-Pfalz schon sehr viel Gutes bekommen hier in Thüringen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Hauptunterschied des Gesetzentwurfs und des Berichts ist die Zahl der freizustellenden Arbeitstage. Allerdings ist die Spanne von 5 bis 10 Tagen ja in ähnlicher Weise wie das, was die SPD in ihrem Gesetzentwurf hat. Allerdings eine gesetzlich verankerte Entschädigung in Höhe von 60 Euro pro Arbeitstag, aus heutiger Sicht immerhin 120 DM pro Arbeitstag. Dieses, denke ich, muss noch weiter hinterfragt werden.

Der Ihnen zugeleitete Bericht der Landesregierung ist in beiden Punkten aus guten Gründen zunächst etwas zurückhaltender. Wir werden dieses noch besprechen müssen. Mit Blick auf die aktuelle arbeitsmarktpolitische und