Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Meine Damen und Herren, der heute zur Entscheidung anstehende Trägerwechsel der Fachkrankenhäuser für Psychiatrie und Neurologie ist ein wichtiger Schritt im Bereich der Psychiatrie Thüringens. Ich möchte das Verfahren fast als die unendliche Geschichte bezeichnen, denn der Trägerwechsel der Fachkrankenhäuser ist eine Frage, die mindestens acht Jahre im Raum steht.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir auch andere fast unendliche Fragen in den zurückliegenden zwei Jahren klären konnten. Ich denke nur beispielsweise an die Kurverwaltung von Bad Liebenstein.

(Beifall Abg. Vopel, CDU)

Meine Damen und Herren, ich behaupte, dass wir mit dem Trägerwechsel, so wie er jetzt vollzogen werden soll, nicht nur einen wichtigen, sondern einen guten Schritt gehen. Wir haben uns zum Trägerwechsel entschlossen, da die im Rahmen der Landespsychiatriereform erreichten Aufgabenstrukturen der Fachkrankenhäuser keine weitere Fortführung der Landesträgerschaft grundsätzlich erfordern. Die Landesträgerschaft psychiatrischer Einrichtungen ist im Wesentlichen historisch bedingt. Das hängt mit der Einrichtung von Anstalten im vergangenen Jahrhundert zusammen. Mit der Gleichstellung somatischer Erkrankungen und psychiatrischer Erkrankungen ist dieses nach den modernen Kriterien nicht mehr unbedingt erforderlich. Eine Übertragung auf private oder freigemeinnützige Träger bietet übrigens die Möglichkeit, betriebswirtschaftliche Entscheidungen flexibler zu fällen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das Gutachten einer Expertenkommission, die in der vergangenen Legislaturperiode eingesetzt worden ist und zu einem Ergebnis gekommen ist,

(Zwischenruf Abg. Ellenberger, SPD: Aber zu einem anderen.)

zu dem Ergebnis, sehr verehrte Frau Kollegin Ellenberger, das ich auch hier schon mehrfach referiert habe, dass es in der Form eines öffentlichen Trägers bleiben sollte, da man von der Voraussetzung ausging, dass der Maßregelvollzug nicht von einem privaten oder freigemeinnützigen Träger, sondern nur von einem öffentlichen Träger durchgeführt werden kann. Unterdessen haben wir uns dort eines Besseren belehren lassen.

Die Betriebsführung der klinischen Bereiche und der integrierten forensischen Abteilungen, davon bin ich überzeugt, wird an Effizienz gewinnen. Ich sage ausdrücklich die Betriebsführung und möchte denen, die an den Landesfachkrankenhäusern bisher gearbeitet haben, eine ausgezeichnete fachliche Arbeit bescheinigen und ihnen danken für die Arbeit, die sie an diesen Einrichtungen geleistet haben.

(Beifall bei der CDU)

Mit Beschluss vom 21. Juli 1998 hat das Kabinett der Neuordnung der Trägerschaft der Landesfachkrankenhäuser grundsätzlich zugestimmt. Im Folgenden wurde durch das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit gemeinsam mit dem Thüringer Justizministerium die rechtliche Zulässigkeit der Übertragung der Trägerschaft unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Maßregelvollzugs geprüft. Das ist das, was ich vorhin ausdrücklich erwähnt habe.

In der Kabinettssitzung vom 28. März 2000 hat das Kabinett den geplanten Trägerwechsel beschlossen, wobei nunmehr von der Landesregierung die Überführung in private wie auch freigemeinnützige oder kommunale Trägerschaft favorisiert wurde. Sie wissen, dass ich hier von dieser Stelle mehrfach darüber berichtet habe.

Ziel war außerdem die Beibehaltung der drei Standorte des Maßregelvollzugs und unabdingbar deren Übertragung als integrierte Abteilung der psychiatrischen Fachkrankenhäuser. Dieses wurde mehrfach hinterfragt, ob wir den Maßregelvollzug eventuell an einer Stelle zusammenführen sollen oder ob er an drei Stellen als integrierter Bestandteil der psychiatrischen Fachkrankenhäuser weiter fortgeführt werden soll. Wir haben immer eindeutig erklärt, dass der Maßregelvollzug an allen drei psychiatrischen Fachkrankenhäusern fortgeführt werden soll.

Im Juni 2000 wurde ein Interessenbekundungsverfahren eingeleitet, worauf sich 32 Interessenten für eine Übernahme der Fachkrankenhäuser beworben haben. Die eingereichten Konzeptionen wurden fachlich überprüft und der Kreis der Bewerber aufgrund sorgsam festgelegter Auswahlkriterien verringert. Für die Begleitung des gesamten Verfahrens wurde eine Projektgruppe eingerichtet, die aus Vertretern des Thüringer Finanzministeriums, des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, des Thüringer Justizministeriums, des Landesverwaltungsamts, aus Vertretern der Landesfachkrankenhäuser und einem Vertreter des Hauptpersonalrats, zusätzlich einem externen Krankenhausfachmann und natürlich den Vertretern des TMSFG bestand. Die Auswahl derjenigen Bewerber, mit denen dann in Verhandlungen eingetreten wurde, berücksichtigte die angestrebte Trägerpluralität im Freistaat. Zu diesem Zeitpunkt wurden übrigens Kaufpreisforderungen noch nicht gestellt. Ich habe auch dieses im gesamten Verfahren immer wiederholt - A und O ist erst einmal das Konzept, die Erfahrung und Bonität des neuen Trägers

und nicht in erster Linie die Finanzen.

(Beifall bei der CDU)

Von Seiten der Opposition ist es für mich schon sehr verwunderlich, dass erst gefragt wurde, ihr wollt wohl dem Träger das Krankenhaus geben, der das meiste Geld bietet. Nachdem wir Konzept, Bonität und Erfahrung geprüft haben und zusätzlich noch das Geld bekommen haben, da sagen mir die gleichen Leute, ihr habt zu wenig Geld für dieses Krankenhaus eingenommen. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wollen - entweder oder. Beides zusammen geht schlecht. Ich meine, wir haben mit dem erreichten Ergebnis einen hervorragenden Kompromiss zwischen Fachlichkeit und finanziellen Einnahmen des Landes gefunden.

(Beifall bei der CDU)

Durch dieses Verfahren, was ich Ihnen genannt habe, durch eben diese Projektgruppe, in der außenstehende Fachleute vertreten waren, in der die Landesfachkrankenhäuser vertreten waren, bei der der Hauptpersonalrat vertreten war, durch dieses Verfahren wurde eine größtmögliche Transparenz gewährleistet. Diese Verfahren führten im Einzelnen zu dem Ergebnis, das ich jetzt zusammenfassend darstellen will.

Das Rhön-Klinikum AG soll das Fachkrankenhaus Hildburghausen übernehmen. Auf der Grundlage des Ertragswertgutachtens wurde ein Kaufpreis von 21 Mio. DM erzielt. Außerdem wird die Baumaßnahme im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Höhe von 2,3 Mio. DM vom neuen Träger übernommen. Das Fachkrankenhaus Mühlhausen wird von den Ökumenischen Kliniken für Psychiatrie gGmbH übernommen. Es ist dort ein Kaufpreis in Höhe von insgesamt 23 Mio. DM vereinbart. Dieser setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen. So wird der neue Träger eine Übergangslösung im Bereich des Maßregelvollzugs - ich werde auf die Notwendigkeit nachher noch eingehen - finanzieren und während der nächsten Jahre Sanierungs- und Investitionsmaßnahmen im Krankenhaus- bzw. im Heimbereich in Höhe von 6,5 Mio. DM vornehmen. Für Stadtroda wurde als neuer Träger die Asklepios-Kliniken GmbH gewählt. Der Kaufpreis für die Übernahme beträgt hier 7,5 Mio. Ich darf am Rande bemerken, hier ist auch der größte Nachholbedarf, der größte Sanierungsbedarf.

Für den Bereich des Maßregelvollzugs, der übrigens weiterhin eine hoheitliche Aufgabe des Freistaats Thüringen darstellt, wird der Trägerwechsel eine ganze Reihe von Verbesserungen mit sich bringen. Wer den Maßregelvollzug bisher kennt, wird dieses unschwer nachvollziehen können. So sollen in den nächsten drei Jahren angesichts der stetig steigenden Einweisungs- und Belegungszahlen die Kapazitäten durch Schaffung von Neubauten an allen drei Standorten deutlich erweitert werden. Insgesamt ist die Schaffung von rund 200 Plätzen vorgesehen. Die Kapa

zitäten werden so von derzeit 132 Plätzen auf insgesamt 260 Plätze erweitert.

Meine Damen und Herren, das ist eine Investition - verzeihen Sie, wenn ich das so sage - in die Zukunft. Denn wer weiß, wie es im Maßregelvollzug läuft, der weiß, dass es immer mehr Zugänge als Abgänge gibt. Wir haben im Augenblick - ich habe dieses gerade gesagt - 132 Planplätze, die weit überbelegt sind und wo wir auch Patienten, Straftäter, die in den Maßregelvollzug überwiesen werden, nicht mehr in anderen Bundesländern unterbekommen, weil dort die gleiche Problematik der Überbelegung gegeben ist.

Meine Damen und Herren, wer sich im Maßregelvollzug auskennt, der weiß, dass Überbelegung das höchste Sicherheitsrisiko bedeutet. Da kann ich Zäune ziehen, da kann ich verschließen wie ich will, bei Überbelegung entstehen Aggressivitäten. Sie kennen es noch aus den zurückliegenden Jahren, als in einer unserer Maßregelvollzugseinrichtungen ein Brand gelegt worden ist von den Insassen selbst. Insofern ist schon allein die Kapazitätserweiterung eine signifikante stärkere Sicherheitsmaßnahme im Maßregelvollzug.

(Beifall Abg. Arenhövel, CDU)

In den Einbringungsverträgen verpflichten sich die neuen Träger, entsprechende Neubaumaßnahmen im Maßregelvollzug innerhalb von 24 bzw. 28 Monaten zu realisieren. Das wäre mit Mitteln des Landes nicht möglich gewesen, das will ich mal ganz deutlich sagen. Die Neubauten für den Maßregelvollzug werden zunächst durch die neuen Träger unter planerischer und fachlicher Begleitung durch den Freistaat errichtet und finanziert. Das Investitionsvolumen beläuft sich dabei auf rund 40 Mio. !.  tisation erfolgt dann über die Unterbringungskosten im Maßregelvollzug. Es ist zusätzlich eine Interimslösung vorgesehen. Dadurch werden bis zum Ende des Jahres 2002 im Bereich Mühlhausen 22 neue, dringend erforderliche Plätze geschaffen. Das Investitionsvolumen für diese Interimslösung beträgt allerdings 2,7 Mio. / + reich des Maßregelvollzugs wurden mit den neuen Trägern öffentlich-rechtliche Verträge, so genannte Beleihungsverträge, abgeschlossen, um die Durchführung der weiterhin hoheitlichen Aufgabe durch Dritte zu ermöglichen. Die Beleihungsverträge beschreiben im Einzelnen die Pflichten des neuen Trägers bei der Durchführung des Maßregelvollzugs und es ist ein umfangreicher Katalog von Pflichten festgelegt worden, der u.a. die Qualität der Behandlung weiterentwickeln wird und die Sicherheitsaspekte berücksichtigt. So sehen die Verträge beispielsweise die Schaffung eines für alle drei Standorte gemeinsamen Beratungsgremiums vor. Das ist sozusagen eine Novität. Dieses Gremium soll Empfehlungen für Angelegenheiten der Unterbringung aussprechen, die alle forensischen Abteilungen gleichermaßen betreffen und einer landeseinheitlichen Regelung zugänglich sind. Die Beratungskommission setzt sich aus Vertretern der

neuen Trägergesellschaften, aus den Chefärzten der forensischen Abteilungen, Vertretern des Thüringer Finanzministeriums, Justizministeriums und des TMSFG zusammen.

Zur Qualitätssicherung in den Maßregelvollzügen wird über die bisher bestehende Supervision hinaus ein Fachbegutachtungsverfahren eingerichtet. Zu Einzelmaßnahmen gegenüber Patienten, die von erheblicher Tragweite sind, soll ein zusätzlich unabhängiger Fachgutachter sein Votum abgeben oder abgeben können. Hierdurch wird auch dem Sicherheitsaspekt bei Maßnahmen wie beispielsweise Lockerung, Beurlaubung oder Entlassung besondere Rechnung getragen. Weiterhin ist festzuhalten, dass die neuen Träger sowie das von ihnen eingesetzte Personal der uneingeschränkten Fach- und Rechtsaufsicht durch den Freistaat Thüringen unterliegen. Die vom Freistaat Thüringen bevollmächtigten Mitarbeiter verfügen über ein direktes Weisungsrecht sowie über ein jederzeitiges Zugangsrecht und auch Kontrollrecht. Die neuen Träger unterliegen zudem einer ständigen Auskunfts- und Informationspflicht und darüber hinaus sind sie halbjährlich zu Vorlagen eines Dokumentationsberichts über die Durchführung des Maßregelvollzugs verpflichtet.

Meine Damen und Herren, die Sicherheitsanforderungen an den Maßregelvollzug werden zum einen durch die vertragliche Verpflichtung der Träger gewährleistet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Allgemeinheit zu treffen, zum anderen tragen die umfangreichen Kontrollbefugnisse des Freistaats sowie die geschilderten Berichtspflichten dem Sicherheitsaspekt Rechnung.

Ich verweise noch einmal auf das, was ich vorhin gesagt habe: Mit der Schaffung neuer Plätze haben wir eigentlich einen wesentlichen Schritt in Richtung mehr Sicherheit getan. Im Juni 2001 legte die Landesregierung fest, dass aufgrund der Besonderheiten des Maßregelvollzugs eine Sperrminorität an der jeweiligen Gesellschaft in Höhe von 25,1 Prozent durch das Land gehalten werden soll. Hierdurch besteht die Möglichkeit, auf geplante Strukturen in den Fachkrankenhäusern weiterhin Einfluss zu nehmen. Insofern war die Beteiligung, wie ursprünglich geplant, von Gebietskörperschaften auch nicht mehr erforderlich. Ziel war außerdem die Beibehaltung der drei Standorte als Maßregelvollzug und unabdingbar die Übertragung als integrierte Abteilung der psychiatrischen Fachkrankenhäuser. Ich hatte dieses schon als unsere Prämisse zum Anfang gesagt. Ich denke, der Trägerwechsel ist dadurch, dass sehr viel Vorarbeit geleistet wurde, dass die Personalräte eingebunden waren, dass wir sehr viel Transparenz in die Verhandlungen eingebracht haben, weit gehend bei allen Befürchtungen, die solch ein Trägerwechsel immer macht, von den Mitarbeitern unterdessen ebenfalls mitgetragen worden. Ich denke, wir haben mit diesem Trägerwechsel und mit den Verhandlungen die gesteckten Ziele erreicht; zum Ersten die Übernahme der Maßregelvollzüge durch die neuen Träger als integrierte Abteilungen, zum Zweiten die Übernahme des gesamten Personalbestands an allen drei Krankenhäusern, zum Dritten die Erzielung

eines angemessenen Kaufpreises für das bisherige Landeseigentum unter Berücksichtigung der vertraglich gesicherten Investitionen, zum Vierten die Verpflichtung der neuen Träger, innerhalb einer festgelegten Zeitspanne die dringend erforderlichen Neubauten für den Maßregelvollzug zu errichten und zum Fünften die vertragliche Kooperationsverpflichtung für Stadtroda, um mit der FriedrichSchiller-Universität Jena im Bereich der Psychiatrie noch enger zusammenzuarbeiten.

Meine Damen und Herren, ich denke, im Ergebnis des Trägerwechsels wird die bisherige hohe Qualität der psychiatrischen Betreuung und des Maßregelvollzugs in Thüringen nicht Schaden leiden, sondern ich behaupte, sich sogar noch verbessern und die wirtschaftliche Existenz der Krankenhäuser kann ebenfalls verbessert werden. Die Erfüllung der Sicherheitsanforderungen in der Vergangenheit wird durch die geplante Maßnahme weiterhin garantiert oder verbessert sein. Ich bin der festen Überzeugung, dass mit den vorliegenden Verträgen eine gute Grundlage für die Weiterentwicklung unserer bisherigen Landesfachkrankenhäuser gegeben ist und dass die Arbeit in der bisherigen ausgezeichneten Art und Weise dort unverändert oder verbessert fortgesetzt werden kann.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, kann ich Ihnen mitteilen, dass mehrere andere Bundesländer sich unterdessen nach diesem Thüringer Modell erkundigt haben, dass reges Interesse auch in anderen Ländern daran besteht, in ähnlicher Weise Verträge zu machen, wie hier in Thüringen. Ich bitte Sie, dem Trägerwechsel zuzustimmen. Danke sehr.

(Beifall bei der CDU)

Das war die Berichterstattung. Damit kommen wir zur Aussprache. Ich gehe davon aus, dass die Aussprache gewünscht wird. Bekennt sich jemand zur Aussprache? Herr Abgeordneter Stauch beantragt die Aussprache. Wir haben die erste Rednerin, und zwar Frau Abgeordnete Dr. Fischer, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der heutige Tagesordnungspunkt oder, besser gesagt, seit kurzem die Tagesordnungspunkte sind seit langem durch die Landesregierung vorbereitet worden und müssten richtigerweise "Vollprivatisierung der Landesfachkrankenhäuser für Psychiatrie und Neurologie im Freistaat Thüringen" heißen. Diese Formulierung träfe den Kern ihres Vorhabens mit dem Verkauf dieser drei Häuser.

Meine Damen und Herren, in Bezug auf die Veräußerung der Landesfachkrankenhäuser wurde im Ausschuss, aber auch hier im Plenum wiederholt versichert, es gibt keine Ausschreibung, es handelt sich um einen öffentlichen Teil

nahmewettbewerb, "Krankenhausumschau 6/2000", und es geht um die besten Konzepte zur psychiatrischen Versorgung von Patienten. Seitens des Fachministeriums wurde dann auch vehement widersprochen, dass der Trägerwechsel der Landesfachkrankenhäuser ausschließlich an private Träger erfolge. Ein privater Träger solle lediglich ebenso wie gemeinnützige oder öffentlich-rechtliche Träger die Möglichkeit erhalten, sich um die Trägerschaft eines Landesfachkrankenhauses zu bewerben. Aus der Konzeption sollen auch die fachlichen Präferenzen hervorgehen. Wie wichtig die Landesfachkrankenhäuser für diesen expandierenden Markt sind, geht aus verschiedenen zeitversetzten Pressemeldungen deutlich hervor. Ein Beispiel: Am 4. November 2000 titelte eine Thüringer Zeitung "Abreißen und neu bauen - Konzern will Henneberg und Nervenklinik kaufen" - und weiter: "Der Vorstandschef rechnet sich gute Chancen aus, da Landräte und Bürgermeister immer mehr begreifen würden, dass gut funktionierende und moderne Krankenhäuser auch ein wichtiger Standortfaktor seien. Am meisten interessiere er sich für das Fachkrankenhaus in Hildburghausen - und eigentlich hätte man gern alle drei -, um das sich auch die HennebergKliniken bewerben." Eine andere Pressemitteilung veranlasste eine Fachzeitung zu folgender Schlagzeile: "Rhönklinikum knackt mit Zukäufen die Umsatzmilliarde". Ich glaube, das ist sehr deutlich. Seit 1994 hält die Entwicklung zu hohen Zuwachsraten des Konzerns an, Optimismus bei Rhön, dass auch Ertrag und Cashflow überproportional steigen werden. Ich stelle hier eine Frage: Wie lange wird es denn dauern und Rhön schluckt auch die Henneberg-Kliniken? Wir werden das jedenfalls sehr aufmerksam beobachten. Im Übrigen, was einen anderen neuen Träger eines Landesfachkrankenhauses betrifft, hat das Pokern um Abteilungen und Betten zum 4. Thüringer Krankenhausplan gezeigt, wer in diesem Land auf welche Weise Einfluss nimmt.

Meine Damen und Herren, worum geht es nun tatsächlich? Der Landesregierung geht es um Einnahmen für das schrumpfende Staatssäckel, aber auch um den Verzicht auf Landeszuschüsse bei Investitionen durch die neuen Träger. Das mag fürs Erste verlockend klingen, aber auch private Kliniken haben Anspruch, sofern sie im Landeskrankenhausplan stehen, auf Förderung. Das schließt nicht aus, dass sich die künftigen Betreiber diese Kosten über die Pflegesatzverhandlungen wieder hereinholen. Im Ergebnis, das wird ja wohl einleuchtend sein, kommt es zu einer Kostenverlagerung vom Landeshaushalt auf die Krankenkassen, vom Steuerzahler auf den Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung. Das ist die logische Kette.

(Beifall Abg. Kummer, Abg. Nitzpon, PDS; Abg. Heß, SPD)

Meine Damen und Herren, hinsichtlich des Verschiebebahnhofs Steuerzahler/Beitragszahler im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung kann ich im Übrigen keinen Unterschied zur Bundesregierung sehen. Wer wird hier eigentlich wirklich hinters Licht geführt?

Aber einen weiteren Hintergrund möchte ich doch etwas stärker beleuchten. Im zweiten halbjährigen Bericht der Landesregierung zum Stand der Verwaltungsmodernisierung im Freistaat Thüringen in Drucksache 3/1964 heißt es - und ich zitiere -: "Beispielhaft sei der Bereich der präventiven Sicherheitskontrollen zum Schutz der Allgemeinheit erwähnt, so im Gesundheits- und Veterinärbereich. Im Sinne einer staatlichen Verantwortungsdifferenzierung wäre zu überlegen, ob nicht Kontrolltätigkeiten von privaten Unternehmen wahrgenommen werden können oder ob die hoheitliche Kontrolle mit Hilfe von beliehenen Unternehmen über private Inspektoren erfolgen kann. Bereits jetzt hat die Landesregierung nach diesen Maßgaben beispielsweise beschlossen, die Landesfachkrankenhäuser zu privatisieren." Übrigens ist im gleichen Papier nachzulesen, dass der Kernbereich staatlicher Hoheitsaufgaben nicht zur Disposition steht. Diese Schrankensetzung nimmt auch das Thüringer Haushaltsrecht vor. So geht der § 65 der Landeshaushaltsordnung davon aus, dass Privatisierung von Aufgaben und Einrichtungen des Landes nur erfolgen darf, wenn ein wichtiges Interesse des Landes vorliegt und sich der angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt.

Daraus ergeben sich für mich eine Reihe von Fragen und ich hoffe, die Landesregierung beantwortet die im Folgenden auch. Zum Beispiel: Wie definiert die Landesregierung den Kernbereich staatlicher Aufgaben? Das würde mich schon interessieren, auch wie das weitergeht. Ist der Maßregelvollzug in Thüringen auf Kontrolltätigkeit zu reduzieren und in welcher Weise? Auf wessen Kosten sollen die Reformen durchgeführt werden? Wie werden im Zuge der Thüringer Verwaltungsreform Gesetzesfolgenabschätzungen vorgenommen? Dabei denke ich natürlich auch an die Kommunalisierung weiterer Aufgaben aus dem Veterinärbereich.

Meine Damen und Herren, das Land Thüringen hat sich eine Sperrminorität von 25,1 Prozent vorbehalten. Auch hier eine Frage: Reicht das, um ausreichend Einfluss auf die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen nehmen zu können? Neben dieser Frage möchte ich auf eine weitere wichtige Vorgabe des Haushaltsrechts kurz hinweisen. So geht § 67 der Landeshaushaltsordnung davon aus, dass das Land gerade auch bei einer Minderheitenbeteiligung gehalten ist, Kontroll- und Prüfungsrechte für den Rechnungshof vertraglich bzw. per Satzung zu sichern, wenn das Interesse des Landes dies erfordert. Gehen Sie, Herr Minister, davon aus, dass in diesem sensiblen Bereich solche Prüfungsrechte nicht notwendig sind oder haben Sie diese Rechte - nachzulesen im Haushaltsgrundsätzegesetz des Bundes doch im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung gesichert? Wie sehen diese Vereinbarungen aus? Geben Sie den Inhalt dieser Dokumente dem Landtag auch zur Kenntnis? Oder haben Sie entgegen der Regelung des Haushaltsgrundsätzegesetzes darauf verzichtet, dem Rechnungshof die Informations- und Prüfungsrechte zu sichern? Das ist eine Frage. Welche parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten bestehen bei dieser Rechtskonstruktion noch? Inwiefern wurde

die Auffassung aus dem Thesenpapier zur Privatisierung parlamentarischer Verantwortung in Drucksache 3/50, das von den Präsidentinnen und Präsidenten der Länder, also auch von der Thüringer Landtagspräsidentin erarbeitet wurde, berücksichtigt, dass auch wesentliche Aufgaben staatlicher Daseinsvorsorge dem so genannten Funktionsvorbehalt unterliegen? Ich darf daraus zitieren: "Zur Wahrung des allgemeinen Demokratieprinzips (Artikel 20 Abs. 1 und Artikel 28 Abs. 1 Satz 1 GG) und seiner konkreten Ausformung durch das Haushaltsrecht muss eine angemessene parlamentarische Kontrolle und Steuerung der Aufgabenerfüllung durch den privaten oder privatrechtlich organisierten Träger gewährleistet sein. So darf sich die Regierung der Kontrolle, die durch die herkömmlichen Instrumente des parlamentarischen Fragerechts, der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse und im Rahmen des Petitionswesens ausgeübt wird, nicht unter Berufung auf gesellschaftliche Vorschriften oder auf Grundrechte privater Dritter entziehen können. Privatisierung darf auch grundsätzlich nicht zu einem Verlust der Öffentlichkeit bei der Kontrolle führen, denn nur die öffentliche Kontrolle sichert die uneingeschränkte Rückbindung an das Volk."

Meine Damen und Herren, eine weitere Frage: Würde eine Mehrheit von 50 plus x nicht mehr Einflussmöglichkeiten auf die Änderung der Satzung bzw. des Gesellschaftsvertrags sichern, um den hoheitlichen Auftrag des Maßregelvollzugs auch angemessen erfüllen zu können? Oder hätte die Sperrminorität von 25,1 Prozent nicht so ausgestattet sein müssen, dass alle Kontroll- und Gestaltungsrechte gesichert sind? Ich denke auch, ich sage da sicher nichts Falsches, mit den Kommunen wäre dieses sicherlich eine leichtere Aufgabenlösung gewesen.

(Beifall bei der PDS)

Unserer Auffassung nach, das sage ich hier sehr deutlich, darf eine gewisse Schwelle nicht unterschritten werden und die ist mit diesen ganzen Geschichten hier deutlich unterschritten worden. Das wollen wir auch hier so deutlich sagen.

(Beifall bei der PDS; Abg. Heß, SPD)

Der Maßregelvollzug ist eine besondere Form des Strafvollzugs und darf aus dem staatlichen Überprüfungsbereich nicht herausgelöst werden. Ich war nicht begeistert, Herr Minister, als ich gehört habe, dass ein Teil von Mühlhausen ausgelagert wird in das Gefängnis Gotha. Ich sage das deshalb auch mit besonderer Betonung. Ich weiß genau, wie es aussieht, wir brauchen Plätze usw., aber da werden auch wieder bestimmte Dinge bedient, die ich so nicht mittrage.

Meine Damen und Herren, mit dieser Regelung zum Maßregelvollzug ist der Eindruck nicht zu vertuschen, dass hier ausgetestet werden soll - ich kann sehr gut verstehen, Herr Minister Dr. Pietzsch, dass andere Länder sich nach unserer Lösung erkundigen, das wundert mich nicht -,