Protokoll der Sitzung vom 25.01.2002

Aber nun zum CDU-Antrag: Meine Damen und Herren, der Antrag ist leider von der Zeit überholt. Ich hatte eigentlich gehofft, die CDU schmeißt ihn in den Papierkorb und schreibt noch mal einen neuen.

(Beifall bei der SPD)

Aber das ist nicht geschehen. Deshalb nutzen wir ihn als gute Möglichkeit, um noch mal über die immer akuter werdenden Probleme der Zukunft der Fernwasserversorgung zu reden und vor allem, um richtige Schritte einzuleiten. Aber zuerst ein paar Bemerkungen, warum der Antrag in den Papierkorb gehört. Die Fernwasserverbände in Thüringen, die ja laut Ihrem Antrag bis zum 01.01.2003 mit der Thüringer Talsperrenverwaltung fusionieren sollen, scheinen das nicht so richtig gut zu finden. Es gibt einen Beschluss des Fernwasserzweckverbands Südthüringen, dem u.a. auch der Oberbürgermeister der Stadt Ilmenau zugestimmt hat, der merkwürdigerweise als Aufsichtsratsmitglied in der Thüringer Talsperrenverwaltung sitzt und dementsprechend sicher sehr gut wusste, was er dort entscheidet. Aus diesem Beschluss möchte ich Ihnen jetzt am Anfang mal ein bisschen was vorlesen, damit Sie wissen, inwieweit Ihr Antrag noch aktuell ist.

Frau Präsidentin, ich zitiere: "Durch das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt wurde das Büro Fichtner/Kienbaum beauftragt, betriebswirtschaftliche Untersuchungen zum Rohwasserentgelt und Organisation der Trinkwasserversorgung durchzuführen. Die vom Fernwasserzweckverband Südthüringen eingebrachten Vorschläge, Optimierungen in regionaler Verantwortung mit zu untersuchen, wurden nicht bzw. nicht aus

reichend berücksichtigt. Die im Bericht von Kienbaum dargestellten Ergebnisse und Vorschläge können von den Verbandsorganen des Fernwasserzweckverbands Südthüringen wegen fehlender Plausibilität nicht anerkannt werden. Eine langfristige Preisgarantie bzw. eine Bürgschaft des Freistaats Thüringen für das Erreichen des im Fusionsmodell dargestellten Fernwasserpreises von 1,20 DM pro m3 konnte nicht gegeben werden.

(Beifall bei der PDS)

Der Fernwasserzweckverband Südthüringen hat grundsätzliche Zweifel an der Plausibilität der von Kienbaum dargestellten Einsparpotenziale, insbesondere auf die Mengenentwicklung des Fernwasserabsatzes in Thüringen. Der Fernwasserzweckverband Südthüringen hat deshalb mit Beschluss 4/2001 der Verbandsversammlung vom 13.09.2001 die Beteiligung an der Fusion abgelehnt." Ein Stück weiter heißt es: "Die Verbandsversammlung bestätigte den Beschluss 4/2001 der Verbandsversammlung vom 13.09.2001 über die Ablehnung der Beteiligung an der Fusion", und zwar ist das vor einer Woche passiert. Noch ein Stück weiter: "Dies nimmt der Fernwasserzweckverband Südthüringen zum Anlass, an den Freistaat Thüringen den Antrag zu stellen, die beiden Trinkwassertalsperren Erletor und Schönbrunn an den Fernwasserzweckverband Südthüringen zu übertragen. Damit wird der Fernwasserzweckverband Südthüringen in die Lage versetzt, den Rohwasserpreis in eigener Verantwortung zu beeinflussen und kostengünstiger zu gestalten."

Meine Damen und Herren, ich denke, das war deutlich. Aber auch noch ein paar Worte zum Nordostverband, nicht dass es hier nur heißt, die Südthüringer, stehen hier quer. Auch der Nordostverband stellt Forderungen. Denen ist die Landesregierung bisher ebenfalls nicht nachgekommen. Zu diesen Forderungen gehört u.a. ein zehn Jahre Garantiepreis von 62 bis 65 Cent und keine Kürzung wasserrechtlicher Erlaubnisse.

Meine Damen und Herren, vielleicht kann von Seiten der Landesregierung noch eine Ausführung gemacht werden, ob man diesen Forderungen nachkommt und ob damit eine Fusion mit Nordost möglich wäre.

Nun noch zu einem weiteren Punkt im Antrag der CDU, der mir ein bisschen Bauchschmerzen macht. Missverständlich kann man nämlich die Forderung der CDU an die Landesregierung deuten, dass die Landesregierung alles ihr Mögliche tun soll, damit die Fusion der Thüringer Talsperrenverwaltung mit Unternehmen - wo Sie leider nicht ausgesagt haben, mit welchen - bis spätestens zum 01.01.2003 erfolgt. Meine Damen und Herren, ist da u.a. auch finanzieller Druck auf die Kommunen beinhaltet?

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das ist eine Unterstellung.)

Das ist eine Frage gewesen, Herr Minister, keine Unterstellung.

(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Das war eine Frage!)

Meine Damen und Herren, wir werden in nächster Zeit sehr genau ein Auge darauf haben, ob so etwas vorkommt.

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU: Möglichst zwei, denn mit dem Zweiten sieht man bes- ser.)

Weil wir gerade beim Thema Druck sind, die PDS-Fraktion kann in diesem Zusammenhang auch schon so etwas wie Druck verspüren. Das Fax von Kienbaum, das an die SPD-Fraktion ging, das haben auch wir bekommen. Meine Damen und Herren, dadurch erfuhren wir schon von einer - und da sage ich das mal wirklich ganz deutlich unverschämten Unterstellung der Landesregierung,

(Beifall bei der PDS, SPD)

dass wir den Abschlussbericht von Kienbaum veröffentlichen wollten. Meine Damen und Herren, weil es vorhin erbeten wurde, möchte ich Ihnen das entsprechende Fax jetzt mal vorlesen, damit Sie sich eine Meinung bilden können: Überschrift: "Veröffentlichung des KienbaumGutachtens zur Zukunft der Fernwasserversorgung", "Sehr geehrter Herr Ramelow, unser Auftraggeber zu der o.g. Untersuchung", also die Landesregierung eindeutig, "teilte uns mit, dass von Seiten der PDS-Fraktion gegebenenfalls beabsichtigt ist, den Kienbaum-Schlussbericht ganz oder in Teilen zu veröffentlichen. Wir möchten in diesem Zusammenhang vorsorglich darauf hinweisen, dass Kienbaum auf das Urheberrecht an diesem Bericht ausschließlich gegenüber dem Auftraggeber, der Thüringer Landesregierung, verzichtet hat. Nur die Thüringer Landesregierung ist von Kienbaum zur Veröffentlichung von Beratungsergebnissen autorisiert. Wir möchten Sie daher nachdrücklich darum bitten, von einer Veröffentlichung ohne vorheriger Konsultation mit dem Auftraggeber und Kienbaum abzusehen."

Meine Damen und Herren, wenn das keine Drohung ist, dann weiß ich auch nicht.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Das ist doch normal.)

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

Bevor wir einen solchen Bericht veröffentlichen könnten, hätten wir ihn vielleicht wirklich erst einmal bekommen müssen.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Viel Lärm um nichts.)

Ich frage mich, wie kommt denn die Landesregierung zu der Meinung, dass wir das Papier hätten? Gibt es da vielleicht verdeckte Ermittlungen?

(Unruhe bei der CDU)

Ich meine, dass die PDS vom Verfassungsschutz beobachtet wird, das wissen wir ja, aber so etwas hätte ich mir auch nicht ausmalen können. Oder kommt man vielleicht darauf, weil wir einfach Zahlen haben, die vielleicht der eine oder andere CDU-Abgeordnete nicht hat?

Meine Damen und Herren, da möchte ich nur sagen, Herr Staatssekretär Illert sagte einmal zu mir, die Verbandszahlen möchte ich mir bei den Verbänden bitte selber holen. Das habe ich. Es ist nur ein Problem, wenn Herr Illert bei der Vorstellung von Zahlen aus dem Kienbaum-Bericht, die in Südthüringen stattgefunden hat, sagt, diese Zahlen wären falsch interpretiert. Meine Damen und Herren, geben Sie uns das Gutachten endlich, dann interpretieren wir die Zahlen auch selber.

(Beifall bei der PDS)

Problematisch sehe ich es auch an, wenn Zahlen der Thüringer Talsperrenverwaltung nicht herausgegeben werden. Ich habe gestern eine Mündliche Anfrage dazu gestellt und dann wurde gesagt, dass uns diese Zahlen nicht öffentlich gegeben werden.

Meine Damen und Herren, wir werden einen entsprechenden Antrag stellen und wenn sie uns nicht öffentlich gegeben werden können, dann möchten wir sie in vertraulicher Sitzung haben.

Nun noch einmal zu dieser Geheimniskrämerei und der Eile, in der die Fusion durchgeboxt werden soll. Was ist eigentlich Sinn und Zweck des Ganzen? Ich denke, Sinn und Zweck des Ganzen ist es, die desaströse Fernwasserpolitik der Landesregierung zu verschleiern.

(Beifall bei der PDS; Abg. Becker, SPD)

Ich habe eine Befürchtung - das möchte ich auch an Herrn Lenz noch einmal richten, der oben auf der Besuchertribüne sitzt -, dass mit der Fusion die finanziellen Probleme in gewohnter Weise auf die Kommunen und Beitragszahler abgewälzt werden sollen. Meine Damen und Herren, das wird es mit uns nicht geben.

Die Grundlage für den Fusionsvorschlag, also der Kienbaum-Bericht, hat vermutlich zwei große Fehler, der erste: es sind fehlende aktuelle Zahlen, z.B. von der Thüringer Talsperrenverwaltung, und der zweite: aus den vorhandenen Daten wurden falsche Schlüsse gezogen. Nur ein Beispiel dazu. Wie und wo soll denn in Thüringer mehr

Wasser abgesetzt werden?

Meine Damen und Herren, die demographischen Erkenntnisse belehren uns erstens eines Besseren, was die Bevölkerungsentwicklung angeht. Zweitens möchte ich einmal die Frage in den Raum stellen: Was wollen wir denn mit dem Mehr an Wasser machen? Wenn Sie sich das einmal ansehen, was wir zurzeit noch für Wasserverluste in den Verbänden haben. Bloß mal ein Beispiel: Erfurt 40 Prozent, Gera - als zweites Beispiel - ca. 30 Prozent. Da haben wir noch Einsparpotenziale, die ungeahnt sind. Da brauchte man eigentlich keine neue Talsperre bauen.

(Beifall bei der PDS; Abg. Becker, Abg. Dr. Klaus, SPD)

Auch die Wirtschaftsentwicklung, meine Damen und Herren, sieht nun wirklich nicht so rosig aus, dass man befürchten müsste, dass die Wirtschaft demnächst wahnsinnig viel Trinkwasser abnimmt. Wenn ich mir mal ansehe, was wir an Brauchwasser verkaufen, da haben wir noch jede Menge freie Kapazitäten. Je länger wir uns mit dem Problem beschäftigen, desto mehr Abgründe tun sich auf. Ich habe z.B. Informationen, dass es einen Verlustvortrag des Fernwasserzweckverbands Nordostthüringen gibt in Höhe von ca. 18 Mio.     0 ren, wie kann denn so etwas bei kostendeckenden Wasserpreisen passieren und wie aktuell sind denn dann die Wasserpreise des Fernwasserzweckverbands mit 2,10 DM, von denen die Kienbaum-Studie wahrscheinlich ausgegangen ist?

Meine Damen und Herren, mein Fazit ist, dass wir mit der Suche nach Lösungsansätzen im Bereich Fernwasserversorgung neu anfangen müssen. Dazu ist es wichtig, dass wir uns erst einmal Daten beschaffen. Diese Daten müssen wir für alle an den Fragen Beteiligten beschaffen. Dem wird ein Antrag der PDS-Fraktion im nächsten Plenum dienen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: So ein Auf- wand.)

Meine Damen und Herren, es muss auch über andere Möglichkeiten als eine große Fusion nachgedacht werden. Das Südthüringer Modell könnte z.B. auch für andere Regionen Charme haben, vielleicht unter Einbeziehung der Wasser-/Abwasserzweckverbände. Herr Minister, wenn Sie sagen, Berechnungen zu diesem Südthüringer Preis von 1,20 DM liegen nicht vor. Bloß ein Beispiel dazu, was den Südthüringern eigentlich immer so im Kopf rumspukt, weil sie es ja mit einer Nachbarregion zu tun haben. Im Fernwasserzweckverband Oberfranken kostet der Kubikmeter Rohwasser 5 Pfennig.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Was?)

Meine Damen und Herren, wenn der Kubikmeter Rohwasser in Thüringen mit 5 Pfennig abgegeben würde, dann hätten wir jetzt in Südthüringen schon einen Preis von 1,25 DM und wären fast da, wo wir hinwollten. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Krauße zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Kummer, Frau Becker, in Abwandlung eines gestrigen Tagesordnungspunkts kann ich Ihnen nur sagen: Willkommen in der Denkfabrik. Schön, dass Sie auch schon aufgewacht sind. Nun ärgern Sie sich kräftig, dass Sie dieses Problem, eigentlich ein originäres Problem der Opposition, bis heute nicht erkannt und auf die Tagesordnung gebracht haben.

(Unruhe bei der PDS)

Gerade Sie, Frau Becker, die von 1994 bis 1999 mit in der Regierungsverantwortung gesessen hat, die die Probleme von Anfang an kennen musste, stellen sich heute hier hin und spielen die Dumme. Das fällt Ihnen nicht schwer, das ist mir klar,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: He, he lang- sam.)

aber das ist unredlich.