Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

(Beifall bei der PDS)

Doch, das haben Sie vorhin erst wieder gesagt. Dass hierzu der Wunsch bei den Bürgern besteht, hat das Ergebnis des Volksbegehrens "Mehr Demokratie in Thüringen" eindrucksvoll belegt.

Meine Damen und Herren, die kommunale Praxis zeigt immer wieder, dass das Verhältnis zwischen Bürgermeister und Gemeinderat nicht ausgeglichen genug gestaltet ist. Die Bürgermeister haben eine dominierende Stellung, die sich aus der Direktwahl nicht begründen lässt. Die PDSFraktion hat umfassende Vorschläge für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bürgermeister und Gemeinderat vorgelegt. Mit Änderungsanträgen zum Regierungsentwurf werden Sie sich mit diesen Vorstellungen erneut auseinander setzen können, wenn Sie wollen. Die PDS-Fraktion will die Stellung der Bürgermeister nicht aushöhlen, sondern modifizieren. Wir wollen, dass Bürgermeister und Gemeinderat gleichberechtigt an der Lösung kommunaler Probleme zusammenarbeiten.

(Beifall bei der PDS)

Dies ist zurzeit in vielen Fällen nicht möglich, weil der Gemeinderat gegenüber den Bürgermeistern oftmals rechtlich schlechter gestellt ist. Diese Unausgewogenheit verstärkt sich noch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf. Sie entziehen dem Gemeinderat weitere Kompetenzen und verstärken somit die Konflikte auf kommunaler Ebene. So soll der Gemeinderat künftig bei Fragen der Verwaltungsorganisation und der Verwaltungsstruktur keine Beteiligungsmöglichkeiten mehr haben, der Bürgermeister allein soll entscheiden können; dies ist mit uns nicht zu machen.

Auch im Verfahren zur Auswahl und zur Wahl der Beigeordneten weisen Sie dem Gemeinderat nur noch eine Statistenrolle zu. Hinzu kommt, dass in diesem Verfahren künftig die Landesregierung in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise in die Personalhoheit der Kommunen eingreifen will. So will künftig die oberste Kommunalaufsicht den Anforderungskatalog an Bewerbern für den Posten hauptamtliche Beigeordnete bestimmen und auch die Vergütungsgruppe festlegen.

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Wo steht das denn? Wo lesen Sie denn diesen Unsinn, den Sie hier verbreiten? Das stimmt einfach nicht.)

Es hat jeder das Recht, sich danach noch einmal zu Wort zu melden, im Moment redet Frau Abgeordnete Sedlacik. Herr Minister, Sie können sich auch gern noch einmal melden.

Schon dieses Ansinnen spricht für sich, es bedeutet einen eindeutigen Eingriff in die Personalhoheit der Kommunen und zeugt zudem von einem permanenten Misstrauen gegenüber der kommunalen Ebene.

(Beifall bei der PDS)

Der Gemeinderat hat also kein Beteiligungsrecht mehr, nur der Bürgermeister trifft die Vorauswahl. Der Gemeinderat kann den vorgeschlagenen Bewerber wählen oder kann ihn eben nicht wählen. Auf die Auswahl hat der Gemeinderat keinen Einfluss mehr. Ein solches Verfahren wird durch uns abgelehnt.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Der wird doch gewählt!)

Durch Ihr Verfahren wollen Sie nach eigenem Bekunden erreichen, dass nur geeignete und befähigte Personen zu Beigeordneten gewählt werden können. Diese Begrenzung der Anforderungsvoraussetzungen nur auf die Gruppe der hauptamtlichen Beigeordneten ist dann aber meiner Meinung nach sehr inkonsequent. Wie steht es denn dann mit gleichen Anforderungs- und Qualifikationsprofilen von hauptamtlichen Bürgermeistern, Landräten, ich möchte das noch weiter spannen, von Ministern und Staatssekretären? Also hören Sie auf, in die Personalhoheit der Kommunen einzugreifen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung will die Bestimmungen im kommunalen Wirtschaftsrecht weiterentwickeln. Hört, hört! Damit gesteht die Landesregierung zunächst ein, wie lückenhaft ihre diesbezügliche Novellierung im Sommer 2000 war. Doch auch die jetzige so genannte Weiterentwicklung greift grundsätzliche Probleme des kommunalen Wirtschaftsrechts nicht auf.

Frau Abgeordnete, der Abgeordnete Köckert möchte Ihnen eine Frage stellen, gestatten Sie dies?

Ja, bitte.

Frau Kollegin Sedlacik, ich höre mit Erstaunen Ausführungen über einen vermeintlichen Gesetzentwurf und kann

in dem Gesetzentwurf das nicht finden, was Sie hier behaupten. Ich wäre Ihnen dankbar, Sie würden mir bitte einmal die Stelle sagen, wo Sie das gelesen haben, dass die Landesregierung über die oberste Kommunalaufsicht in die Personalpolitik der Kommune eingreifen kann. Wenn Sie das mal bitte sagen können, in welchem Paragraphen das steht, wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Ja, da ich das Gesetz jetzt nicht mithabe,...

(Heiterkeit bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ich kann Ihnen das Gesetz leihen, aber Sie denken, erst mal verbreiten und dann...)

Wir haben noch genügend Zeit, uns im Ausschuss zu unterhalten. Der Minister hatte das ja auch gesagt. Aber ich habe das so herausgelesen und ich kann hier doch wohl bitte schön, meine Meinung sagen. Wenn die Gemeinderäte keine Auswahlmöglichkeiten mehr haben,

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Wenn Sie es nicht verstehen, sollten Sie hier nicht reden.)

sondern nur noch wählen können ja oder nein, sehe ich diese Begrenzung so, und das müssen Sie mir schon abnehmen.

Ich möchte gern weitermachen, wir waren bei dem Thema, dass die Landesregierung die Novellierung jetzt auch bei dem Wirtschaftsrecht vorantreiben möchte. Doch auch diese jetzige so genannte Weiterentwicklung greift grundsätzliche Probleme des kommunalen Wirtschaftsrechts nicht auf. Die so genannte verschärfte Subsidiaritätsklausel, die es neben Thüringen nur noch in Rheinland-Pfalz gibt, wollen Sie beibehalten. Damit behindern Sie in unnötiger Art und Weise die Entwicklung kommunaler Unternehmen und der Stadtwerke in diesem Land. Die enge Beschreibung des Begriffs öffentlicher Auftrag verstärkt die Beschränkung der kommunalen Wirtschaftstätigkeit. Offenbar wollen Sie eine weitere Privatisierungswelle im kommunalen Bereich mit all ihren Folgen für die Wirtschaft, die Kommunen und die Bürger. Ohne kommunale Wirtschaftstätigkeit kann kommunale Selbstverwaltung nicht mehr gestaltet werden. Selbst die Europäische Kommission sieht das so. Nur in Thüringen wird einseitig auf die Wirkung des freien Marktes gesetzt. Wir sind auf dem besten Weg, nur noch die Probleme in den Kommunen zu verwalten und immer weniger Prozesse gestalten zu können.

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Sie wissen nicht, wovon Sie reden.)

Damit wird die kommunale Selbstverwaltung in einem weiteren Schritt zu Grabe getragen, das kann doch nicht

Ihr Ziel sein.

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Finanzkrise der Kommunen wollen Sie damit beheben, dass Sie nunmehr die Erstellung von Haushaltssicherungskonzepten gesetzlich vorschreiben. Damit wird nicht ein Problem gelöst, sondern die Probleme höchst bürokratisch verwaltet. Mit der Änderung der Kommunalordnung allein ist sicherlich die Finanzkrise der Kommunen nicht zu lösen, doch mit einer Flexibilisierung des kommunalen Haushaltsrechts, so, wie es die PDS-Fraktion vorgeschlagen hat, könnte ein Beitrag zur Bewältigung der Finanzmisere der Kommunen geleistet werden. Die Jährlichkeit des kommunalen Haushalts muss durchbrochen werden. Dies ist schon wegen der Dynamik der fiskalischen Entwicklung erforderlich. Die Regelungen für vorläufige Haushaltsführung bedürfen einer Modifizierung, so dass Investitionen nicht verzögert und Zuweisungen an Dritte nicht behindert werden, schließlich brauchen die Kommunen aus vielen Gründen eine Investitionsoffensive. Neben der verstärkten Bereitstellung von Landesmitteln, die dringend geboten und gerechtfertigt sind, müssen die Kriterien für die Kreditgenehmigung flexibilisiert werden. Dass dies geht, wenn das Land es will, zeigt das Verfahren zur Umsetzung des Landesprogramms zur Sanierung der Plattenbauschulen. Hier will das Land gemeinsam mit den Schulträgern in den nächsten Jahren insgesamt 17 Plattenbauschulen sanieren. Dies ist begrüßenswert. Das Land fördert hier mit rund 50 Prozent. Da die betroffenen Schulträger aber die Eigenanteile meist nicht aufbringen können und auch eine zusätzliche Kreditaufnahme im Rahmen der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich ist, hat hier das Land Abweichungen vom gesetzlichen kommunalen Haushaltsrecht ermöglicht. So dürfen hier zusätzliche Kredite außerhalb der allgemeinen Kreditgenehmigung aufgenommen werden und die Tilgung kann über die Schulinvestitionspauschale, also aus dem Vermögenshaushalt, erfolgen. Diese Verfahrensweise ist eigentlich rechtlich unzulässig. Sie ist aber sinnvoll und hilft den Schulträgern. Es werden Schulen saniert, die es notwendig haben, und das spart künftige Kosten. Das, was unsere Fraktion will, ist, dass solche Verfahren auch in anderen Bereichen zur Anwendung kommen. Wir haben dies vorgeschlagen, unverständlich ist dabei die ablehnende Haltung der Landesregierung und der CDU-Fraktion. Rational ist diese Haltung nicht erklärbar.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat sich mit diesem Gesetz viel Zeit gelassen. Insofern bestand die Hoffnung, dass man mit dem Gesetzentwurf tatsächlich einen Rechtsrahmen zur Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltung vorschlagen würde. Die Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt. Der Gesetzentwurf ist enttäuschend, grundlegende Probleme der rechtlichen Ausgestaltung kommunalen Handelns werden nicht gelöst, kommunale Demokratie wird weiter erschwert, die Ortsverfassungen bleiben lückenhaft, die kommunalen Unternehmen haben keine gleichen Wettbewerbschancen, das

kommunale Haushaltsrecht bleibt unflexibel, die Rechte des Gemeinderats werden weiter eingeschränkt. Ein Signal geht von diesem Gesetzentwurf nicht aus. Unsere Fraktion wird eine Vielzahl von Änderungsanträgen einbringen, um den Gesetzentwurf gemeinsam zu qualifizieren, dass Thüringen tatsächlich ein modernes Kommunalrecht erhalten kann. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Als nächster Redner hat sich Abgeordneter Fiedler, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, einer hat gerade gesagt, warum nimmt er denn so viel mit vor? Im Gegensatz zur Kollegin Sedlacik habe ich den Gesetzentwurf dabei.

(Beifall Abg. Groß, CDU)

Wenn man einmal eine Fragestellung hat, kann man da hineinschauen und sich noch einmal kundig machen. Ich glaube, das gehört zum Handwerkszeug dazu.

Meine Damen und Herren, wir reden heute über die Veränderung der Kommunalordnung, in den einschlägigen Kreisen auch Kommunalverfassung genannt, obwohl es in dem Sinne keine Verfassung ist, aber es ist für die kommunale Ebene das wichtigste Gesetz, was sie dort haben. Ich glaube, es ist sachgerecht, dass hier die Landesregierung so ruhig, sachlich und ausgewogen an dem Gesetzentwurf gearbeitet hat. Ich denke, dass diese Vorlage, die uns heute hier vorgelegt wird, wirklich sehr viele gute Elemente hat, sicher auch Elemente, über die noch zu reden sein wird.

Meine Damen und Herren, heute früh hatten wir im ersten Tagesordnungspunkt schon eine Diskussion unter dem Motto: Die CDU-Fraktion segnet alles ab, was die Landesregierung vorlegt. Weitestgehend selbstverständlich, aber wir sind Parlament und wir bringen unsere Dinge ein, wo wir meinen, dass sie zu ändern sind. Nebenbei bemerkt, wir reden natürlich permanent mit unserer Landesregierung, also es ist nicht so, dass wir nur dann reden, wenn es eingebracht ist, sondern natürlich auch zwischendrin. Ich glaube, es ist notwendig, dass die Kommunalordnung gerade jetzt mit Ruhe und Sachverstand geändert wurde.

Meine Damen und Herren, wenn ich das gehört habe, was gerade Frau Kollegin Sedlacik hier losgelassen hat, ich wollte eigentlich hier vorgehen und sagen, die Kommunalordnung hat es verdient, ich sage es vielleicht trotzdem noch, dass wir großen Konsens in diesem Hause versuchen herzustellen. Aber das, was Frau Sedlacik losgelassen hat, nimmt mir etwas den Mut, dass wir von der Seite der PDS weitere Zustimmung zu dem Gesetz erreichen können. Ich

habe die große Hoffnung, dass die Volkspartei SPD, die ja die vorhergehende Kommunalordnung und die Dinge immer mitgetragen hat,

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Genau.)

und ich erkenne das wirklich an

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Um Gottes willen.)

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD:... nur zum Teil.)

jawohl, Herr Pohl, das ist auch, wenn es von hinten kommt -, bisher war das so. Wir sollten uns auch bei unterschiedlichen Auffassungen gemeinsam bemühen, in dieser wichtigen Kommunalordnung weitestgehend einen Konsens hinzubekommen. Ich werbe für diesen Konsens. Ich glaube, ich muss nicht auf jeden einzelnen Punkt eingehen, weil diese schon ausgiebig von den Einzelnen benannt wurden und auch vom zuständigen Innenminister Christian Köckert.

Ich glaube, meine Damen und Herren, und das muss man festhalten, im Gegensatz zu dem, was Frau Sedlacik hier behauptet hat - ich frage mich manchmal, wo sie Bürgermeister ist, ob dort alles anders läuft als im Land, ich weiß es nicht, man muss vielleicht einmal vor Ort gehen und sich das anschauen. Es ist unbestritten und, meine Damen und Herren, wir bekommen in den letzten Wochen und Monaten Zuschriften von vielen, vielen Kommunen.

Meine Damen und Herren, wir, die CDU-Fraktion in diesem Landtag, haben in diesem Saal drei Anhörungen zu dieser zu verändernden Kommunalordnung gemacht. Der Saal war jedes Mal voll. Einmal war sogar Frau Kollegin Dr. Wildauer mit hier, die sich das angehört hat. Frau Sedlacik, vielleicht hätten Sie sie einmal konsultieren sollen, bevor Sie sich so etwas aufschreiben lassen.

(Zwischenruf Abg. Sedlacik, PDS: Ich war auch dabei.)

Ich empfehle Ihnen, vielleicht sollten Sie Ihren Referenten einmal wechseln. Der schreibt Ihnen Dinge rein, vielleicht kann er Sie nicht leiden, ich weiß es nicht, aber das kommt mir manchmal so vor, dass so etwas hier passiert.

(Beifall bei der CDU)