Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

Erstens: Mit dem heutigen Beschluss wird gewissermaßen der Prozess der vollständigen Ausgliederung dieser landes

hoheitlichen Aufgaben aus dem Landesdienst unumkehrbar. Ein künftiges Scheitern dieses Prozesses würde das Land teuer kommen. Die ausschließliche Abhängigkeit von einem Thüringer Privatunternehmen weckt keine Zuversicht in die Zukunft.

Zweitens: Es findet ein Prozess seinen vorläufigen Abschluss, der über die ganzen Jahre für meine Begriffe ein Stück weit schöngeredet wurde. So ist jedenfalls nachzulesen, Vertreterinnen und Vertreter von Bundesländern geben sich die Klinke in die Hand, um diese Erfahrungen in Thüringen zu studieren. Ja doch, ich habe es ja auch nachgelesen. Heute, im Jahre 2002, Herr Minister, ist unseres Wissens Thüringen das einzige Bundesland, das bisher in dieser Frage diesen Weg beschreitet. Das Studium unserer Erfahrungen scheint bei anderen Bundesländern nicht dazu geführt zu haben oder eher abgehalten zu haben, diesen Weg ebenfalls zu gehen. So jedenfalls bringen es Schreiben zum Ausdruck, die unserer Fraktion auf entsprechende Nachfrage aus anderen Bundesländern vorliegen.

Drittens: Ähnliches trifft auch auf das ehemals bekundete Interesse der Großindustrie an der TSI zu. Demgegenüber bringt der Bericht des Finanzministers zum Ausdruck, dass dieses Interesse der Großindustrie, jedenfalls in diesem Jahr, gegen Null zu gehen scheint. Lediglich ein Bewerber schien letztlich ein hinreichendes Interesse am Erwerb der TSI gehabt zu haben. Dieser eine Bewerber soll, oder sollte man besser sagen muss, nun die TSI bekommen. Der selbst auferlegte Verkaufszwang zu diesem Zeitpunkt bringt unter dieser Option vielleicht nicht die besten Verhandlungspositionen.

Viertens: Die materielle Privatisierung betrifft nicht ein sach- und fachgerecht ausgestaltetes Unternehmen, sondern ein für die Bietergemeinschaft eventuell vielleicht Zugeschnittenes. Herr Minister Schuster, Sie haben in der 57. Sitzung des Landtags am 22. Mai 1997 hier zum Ausdruck gebracht, die Perspektive für die Anzahl der Beschäftigten richte sich nach der wirtschaftlichen Entwicklung der TSI GmbH. Damals gab es ja bekanntlich 595, wenn meine Zahlen mich nicht trügen, Beschäftigte. Die heutigen Wirtschaftspläne der TSI, die bis 2004 durch die Bietergemeinschaft akzeptiert werden, so steht es jedenfalls im Bericht des Finanzministers, sehen 380 Arbeitsplätze vor, der Abbau von 41 Arbeitsplätzen unterliegt aber nicht mittelbar wirtschaftlichen Zwängen.

Fünftens: Diese vorgesehene Zuversicht der Arbeitsplatzentwicklung birgt zahlreiche Unwegbarkeiten. Im Bericht steht, 23 Beschäftigte werden z.B. an ein Autobahnamt wechseln.

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Richtig.)

So ist es nachzulesen. Diese Stellen sind aber, so ist es doch sicherlich zu erwarten, beim Autobahnamt öffentlich ausgeschrieben. Ist denn ihre Besetzung durch die

entsprechenden jetzigen Mitarbeiter der TSI, also eines Privatunternehmens, bereits verbindlich?

Sechstens: Herr Kollege Höhn machte schon darauf aufmerksam, der ermittelte Verkaufspreis über die Ertragsmethode, sicherlich ein zulässiges Verfahren, völlig unstrittig, fordert aber die Frage nach dem Verbleib der Finanz- und Kapitalmittel von 12,1 Mio. am Beginn der TSI gerade heraus, auch wenn man den Bundesanteil an den Kapitalrücklagen in Rechnung stellt. Auf den ist er ja schon eingegangen.

Siebentens und letztens: Es ist zu vermuten, dass die Qualität der Straßenwartung und -instandhaltung, insbesondere durch zeitliche Streckung der Auftragsvergabe und Realisierung abnehmen wird. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass der nach ausschließlich wirtschaftlichen Gesichtspunkten geregelte Straßenunterhaltungsdienst mit den hoheitlichen Aufgaben des Landes kollidiert. Die künftigen Schäden am Straßenkörper durch mangelnde Wartung und Pflege treten erst in der Zukunft auf. Ob dafür die Zunahme sicherheitsbedingter und sicherheitsrelevanter Unfallursachen, möglicherweise messbar an entsprechenden gerichtlichen Verfahren, ein Indiz sein wird, wird sich zeigen. Aus diesen und anderen Überlegungen werden die Abgeordneten der Fraktion der PDS - wie bereits eingangs gesagt - der materiellen Privatisierung nicht zustimmen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Frau Abgeordnete Lehmann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ein bekannter Ausspruch lautet, was lange währt, wird gut. So könnte man die heutige Beschlussfassung zur materiellen Privatisierung der TSI sicher auch bezeichnen. Da ich ein grundsätzlich positiv denkender Mensch bin, schließe ich mich schon den Auffassungen des Herrn Kollegen Höhn im positiven Sinne an und an den Spekulationen und Vermutungen auch des Vorredners, Herrn Buse, wollen wir uns lieber hier nicht beteiligen.

(Beifall bei CDU)

Drei Baufirmen als Bietergemeinschaft übernehmen nun die Thüringer Straßenwartungs- und Instandhaltungsgesellschaft. Der Vertrag zur Übernahme von jeweils 33,3 Prozent durch diese Unternehmen wurde im Dezember des letzten Jahres bereits beglaubigt. Dem Verkauf der bisher landeseigenen Gesellschaft müssen wir heute also noch zustimmen. Um es an dieser Stelle ganz deutlich zu sagen, im Gegensatz zum Haushalt des Bundestages, wo es in Bezug auf das Handeln des Bundesverteidigungsministers mit der Beschaffung von Airbussen für die Bundeswehr

mächtigen Druck gibt, sehen wir uns hier diesem Druck nicht ausgesetzt, denn das Parlament, die Abgeordneten hatten ausreichend Möglichkeiten sich zur Vertragsgestaltung zu informieren. Wir werden also nicht so erpresst, wie man das manchmal im Bundestag erlebt. Der Herr Abgeordnete Höhn hat ja auch dankenswerterweise darauf aufmerksam gemacht, dass von dieser Möglichkeit rege Gebrauch gemacht wurde.

Meine Damen und Herren, ich möchte jedoch auch betonen, dass eine Zustimmungsverweigerung erhebliche Probleme für die Zukunft der TSI und ihrer Beschäftigten, und um die geht es hier ja auch, mit sich bringen würde. Angesichts der geforderten Kritierien wie Gewährleistung eines hohen Standards im Straßenbetriebsdienst, dem Erhalt der 380 Arbeitsplätze und eines angemessenen Kaufpreises waren die Angebote auf diesem schwierigen, mit vielen Unwägbarkeiten belasteten Markt nicht sehr zahlreich, das stimmt. Diesen Prozess jetzt scheitern zu lassen, würde bedeuten, dass das gesamte Verfahren neu aufgerollt werden muss mit unbekanntem Ausgang. Deshalb wird meine Fraktion der materiellen Privatisierung der TSI heute zustimmen. Das Abstimmverhalten im Haushalts- und Finanzausschuss hat gezeigt, dass auch Mitglieder einer anderen Fraktion parteipolitische Erwägungen hinten anstellen, um mit ihrer Zustimmung letztlich den Weg für eine positive Zukunft der TSI freizumachen. Das ist gut so, denn die geäußerten Bedenken gegen eine Privatisierung sind zumindest für mich nicht stichhaltig. Auch wenn diese Privatisierung ein Novum ist, so ist eine Insolvenz der TSI infolge mangelnder Auftragslage sicher nicht zu erwarten, da die gesamtschuldnerische Haftung der Bietergemeinschaft die Leistungen auf jeden Fall bis 2004 sichert. Zudem ist es sehr unwahrscheinlich, dass gleich alle Gesellschafter der TSI, wie Bickhardt Bau Thüringen, die Kölner STRABAG und die Fa. Poßögel & Partner aus Hermsdorf nicht in der Lage wären, der TSI über eine mögliche Durststrecke hinwegzuhelfen. Zudem ist bis 2004 im Übrigen ein gutes Auftragsvolumen in der Höhe von über 12 Mio.      

Sehr geehrte Damen und Herren, die Privatisierung wurde nicht nur seitens der Landesregierung und des Parlaments forciert, sondern auch vom Bund seit 1996 nachhaltig gefordert. Die entsprechenden Kostenerstattungen an den Bund sind bereits im August des letzten Jahres erfolgt. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 508 vom November des letzten Jahres. Es macht keinen Sinn, Straßenwinterdienst, Fahrbahnunterhaltung, Straßenausstattung, Grasmahd, Gehölz- und Reinigungsarbeiten in hoheitlicher oder staatlicher Verwaltung insofern durchzuführen. Ich bin der Überzeugung, die Privatisierung der TSI kann als Beispiel für die Aufgabenüberprüfung staatlichen Handelns dienen und auch Vorlage für weitere Privatisierungen sein. Dass sich die TSI dem Wettbewerb stellen muss, ist für Land und Kommunen durchaus von Vorteil und wird zu Kostensenkungen und Qualitätssteigerungen führen. Die Abschottung von Staatsbetrieben vom Wettbewerb führt letztendlich zu

Verkrustungen und somit zur Kostensteigerung und zur Ineffizienz. Das wollen wir ja nicht. Ich teile auch nicht die in den Beratungen und in einem Vermerk der Landtagsverwaltung vorgetragenen Bedenken, dass bei einem Konkurs der TSI durch das Land als Straßenbaulastträger eine neue TSI gebildet werden müsste. Die Gewährleistung eines hohen Standards bei der Wartung und Instandhaltung der Bundes- und Landesstraßen ist vertraglich abgesichert. Bei Nichterfüllung des bisher von der TSI gesetzten Standards gelten die allgemeinen Schadenersatzleistungen des BGB, das ist schließlich bei allen Verträgen so und uns gut bekannt. Dies kann letztlich nur bis zu einer für die Erwerber der TSI kostenpflichtigen Ersatzvornahme durch Dritte führen bzw. in einem möglichen letzten Schritt bis zu einem Rücktritt vom Kaufvertrag. Parallel hierzu stehen dem Land über die von dem Landesamt für Straßenbau vergebenen Einzelaufträge vergleichbare Ansprüche wie nach VOB zu.

Sehr verehrte Damen und Herren, mit einem Kaufpreis von 894.760           einzelnen Käufer, der Arbeitsplatzsicherung und der schon bereits erläuterten Qualitätssicherung des Straßendienstes hat die Landesregierung für mich jedenfalls einen akzeptablen Vertrag ausgehandelt.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Vorkehrungen wie die Übermittlung von Kalkulationsgrundlagen oder die Verankerung von Verpflichtungen der Gesellschaft, Aufgaben im Auftrag des Freistaats zu übernehmen, hätten bestimmt zum Scheitern der Verhandlungen geführt. Gleiches gilt für ein Entsenderecht von Vertretern in den Aufsichtsrat. Kein Investor, meine Damen und Herren, gewährt Einblick in seine Kalkulationsgrundlagen oder akzeptiert Klauseln, wonach das Land einseitig Aufgaben aufoktroyieren kann. Ich und auch meine Fraktion halten den ausgehandelten Vertrag für einen guten Kompromiss und bitten heute um Ihre Zustimmung. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Trautvetter, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, einige Bemerkungen zur jetzigen Debatte. Ich weiß nicht, warum einige Abgeordnete die Arbeit der TSI hier im Landtag so schlechtreden. Die TSI hat eine hervorragende Arbeit in den letzten Jahren gemacht.

(Beifall bei der CDU)

Und das, obwohl in der Verwaltung vor 1996 600 Planstellen und Stellen waren und die TSI die gleichen Aufgaben jetzt in einer privatwirtschaftlichen Rechtsform

hervorragend mit 400 Mitarbeitern erfüllt. Ganz am Anfang waren es 900. Das zeigt doch, dass diese Umstrukturierung zu wirtschaftlicher Arbeit geführt hat. Herr Höhn, ich habe überhaupt keine Bedenken, dass der Untersuchungsausschuss 3/2 zu einem Ergebnis kommen wird. Es wird nur nicht so aussehen, wie Sie das prophezeien.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wer weiß?)

Wir haben diesem Untersuchungsausschuss 6.008 Seiten Papier zugeleitet. Sie haben 42 Beweisanträge gestellt, es sind 52 Zeugen bis jetzt vernommen worden. Nicht in einem einzigen Fall ist bis jetzt irgendein Beweisantrag zu einem Ergebnis gekommen,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Warten Sie es einmal ab, Herr Trautvetter.)

das zeigt doch für mich erst einmal, wie haltlos die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses war,

(Beifall bei der CDU)

aber es ist parlamentarisches Recht und insbesondere ein Minderheitsrecht der Opposition, so etwas machen zu dürfen.

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Die SPD verhöhnt das Parlament.)

Einen Moment, Herr Trautvetter. Herr Schwäblein, das war jetzt nicht einem Abgeordneten hier in diesem Plenum zuträglich, was Sie da gerade eben verkündet haben. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.

(Beifall Abg. Pelke, SPD)

Minister Trautvetter, bitte, fahren Sie fort.

Es wird immer wieder die Qualität angesprochen. Die TSI ist mit Rahmenvereinbarungen ausgestattet, Laufzeit bis 2004. In diesen Rahmenvereinbarungen sind feste Qualitätsparameter vereinbart. Das heißt, wir haben natürlich feste Qualitätsparameter bis 2004 und es wird Aufgabe der Ämter sein, diese Qualität zu kontrollieren. Es wird danach natürlich Aufgabe sein, bei der weiteren Vergabe von Leistungen diese Qualität in die neuen Verträge, die nach 2004 kommen werden, wieder hineinzuschreiben. Da bin ich mit allen einig. Aber, dass jetzt Bedenken kommen, die Qualität könnte durch einen Privaten nicht gehalten werden, wie soll ich denn den Aushang des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden verstehen, in dem er uns ausdrücklich gratuliert und sagt, der bestehende Standard in der Straßenunterhaltung wird gehalten, der derzeitige Tarifvertrag bleibt bestehen. Es ist der Aushang des Betriebsrats bei

der TSI. Da verstehe ich nun die Bedenken der Opposition hier im Thüringer Landtag überhaupt nicht, dass dann immer wieder Äußerungen gemacht werden, über Private könnte die Qualität nicht erhalten bleiben. Wo ist denn die Qualität bei der Privatisierung der Post oder der Telekommunikation gesunken?

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das kann ich Ihnen sagen.)

Die Qualität ist da überhaupt nicht gesunken. Das Angebot ist vielfältiger geworden,

(Beifall Abg. Wunderlich, CDU)

die Preise sind gesunken und die Briefe kommen in gleicher Qualität und in kürzerer Zeit.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Welche Briefmarken kaufen Sie?)

Ich will noch auf einen Punkt eingehen. Herr Buse,

(Zuruf Abg. Buse, PDS: Ja?)

Sie haben gesagt, es wird privatisiert an einen Thüringer Mittelständler.

(Zuruf Abg. Buse, PDS: Ja, einem.)

Wir haben uns vorher sehr überlegt, kann man regionale, kann man kleine mittelständische Unternehmen mit der Aufgabe betreuen? Das haben wir dann aus zwei Gründen nicht gemacht. Erstens wegen der Qualitätsfrage, weil wir gesagt haben, wir wollen nur privatisieren, wenn wir einen Partner bekommen, der auch von der Leistung her dazu in der Lage ist. Wir haben ein Konsortium gefunden, welches sich zusammengefunden hat aus einem Baukonzern in Deutschland bis hin zu einem Thüringer Mittelständler. STRABAG AG kann man nicht mehr ganz als Mittelstand bezeichnen, Bickhardt und der Thüringer Mittelständler ist die Fa. Poßögel, die in der Gesamtverantwortung sind. Das heißt, selbst wenn ein Unternehmen mal in Schwierigkeiten kommen sollte, habe ich dann weitere zwei Partner, die für dieses Unternehmen geradestehen. Das war der eine Grund und der zweite Grund war der ausdrückliche Wunsch der Belegschaft des Unternehmens, dass wir nur an einen einzigen und als Ganzes privatisieren sollten. Ich glaube, auch dort haben wir den Betroffenen der TSI Rechnung getragen. Dass die 23 Beschäftigten, die zum Autobahnamt wechseln, nicht in dieser Vorlage enthalten sind, hat allein den Grund, weil das überhaupt nichts mit dem Verkauf der TSI zu tun hat. Ich kann nicht fremde Sachen in eine solche Vorlage hineinschreiben. Ich bin mir auch sicher, dass wir Partner gefunden haben, die eine technische Ausstattung in ihren Unternehmen haben, die dann auch solchen Extremsituationen, wie diesem starken Winter Dezember/Januar 2001/2002 Rechnung tragen wird. Wir setzen mit dieser Privatisierung den konsequenten Schluss