Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Fraktion der PDS greift zu kurz. Die derzeitige Situation der Wasser- und Abwasserwirtschaft erfordert kein Stückwerk, sondern verlangt oftmals Strukturveränderungen der Aufgabenträger nach belastbaren Rechtsgrundlagen. Der Landtag hat mit der Novelle des Thüringer Gesetzes über die Kommunale Gemeinschaftsarbeit im September des vergangenen Jahres die notwendigen Voraussetzungen geschaffen und Möglichkeiten eröffnet, dass neue Verbandsstrukturen auch dann verwirklicht werden können, wenn sie von einzelnen Gemeinden nicht mitgetragen werden, aber zwingend erforderlich sind. Nur mit einer langfristig angelegten Gesamtkonzeption kann in vielen Fällen eine Sanierung der Aufgabenträger bei gleichzeitig stabiler Beitrags- und Gebührenstruktur erreicht und die vor uns liegende Aufgabe gemeistert werden.

Meine Damen und Herren, zur Ablehnung des Gesetzentwurfs der Fraktion der PDS bleibt, meine ich, keine Alternative. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Doch!)

Doch, Herr Abgeordneter Fiedler, CDU-Fraktion.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine Damen und Herren, da ja der Einbringer zuletzt dran war, denke ich, sollte man ganz kurz einige Dinge noch mal dazu sagen. Frau Dr. Wildauer, es ist unredlich, was Sie hier versuchen, da Sie den Parlamentariern unterstellen, dass sie sich in den Ausschüssen nicht intensiv und an der Sache orientiert mit der Materie beschäftigt haben. Ich weise das ausdrücklich insbesondere für den Innenausschuss zurück, weil wir uns ausgiebig damit befasst haben. Wenn ich dem Kollegen Schemmel gefolgt wäre, heute sage ich, er hat Recht gehabt, hätten wir es gleich abgelehnt, aber wir haben uns mit den Dingen beschäftigt. Man muss das doch wirklich mal zur Kenntnis nehmen und Sie wollen es einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Landesregierung, die CDU-Fraktion und die SPD-Fraktion geschlossen gegen diese hohle Nuss, ich wiederhole es noch einmal,

hier sagen, es ist nicht umsetzbar. Wenn Sie meinen, Sie haben die Wahrheit gepachtet, ja dann muss ich eben einfach sagen, Sie wollen doch nur den Leuten draußen suggerieren, hier ist was, was man auf einmal lösen kann. Wir wissen es - und deswegen haben wir doch jetzt noch mal die Überprüfung der gesamten Verbände -, dass das Problem im Lande steht. Wir wollen uns dem nicht verschließen, sondern wir wollen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln Entlastung für die Gebühren- und Beitragszahler auf den Weg bringen. Dazu gehört, dass man nicht alle Minuten was Neues macht, sondern dass man kontinuierlich einen Weg weiterführt. Diesen kontinuierlichen Weg hat die Landesregierung beschritten und wir begleiten diesen Weg. Wir werden die Landesregierung, da können Sie sicher sein, ganz genau auch mit beobachten, dass die Ergebnisse umgesetzt werden. Sie brauchen keine Angst zu haben, auch die Konsolidierungsmittel, die notwendig sind, dass die Verbände, wo sie entsprechende Mängel aufzeigen, werden, damit sie dann langfristig gesichert sind, nicht einfach mal Geld austeilen, wie das vielleicht mal zu alten Zeiten üblich war, bloß heute haben wir eben das Geld nicht mehr und drucken können wir es auch nicht, dass man das Geld gut einsetzen kann, dass man Verbände bekommt, die dann wirklich für lange Zeit konsolidiert sind. Dieses Geld wird bereitgestellt, dass auch die Verbände hier weiterhin konsolidiert werden. Ich denke, meine Damen und Herren, wir sollten doch mal deutlich machen, dass wir - zumindest diese Seite des Hauses - mit der Landesregierung diesen Weg weiter beschreiten und wenn wir dort wirklich Dinge noch mal mit einfließen lassen können, die zur Verbesserung führen, dann wollen wir dies aufnehmen. Sie haben uns aber leider nichts dazu beigesteuert.

(Beifall bei der CDU)

Frau Abgeordnete Dr. Wildauer, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Fiedler, nun kann ich das auch nicht im Raum stehen lassen.

(Beifall bei der PDS)

Ich habe noch nie behauptet, dass der Innenausschuss eine unsolide und unseriöse Arbeit leistet. Aber in diesem konkreten Fall - und ich habe das, glaube ich, auch ausführlich begründet - war ich bitter enttäuscht, weil es nach meinem Dafürhalten nicht angeht, dass eine gutachterliche Stellungnahme, die eine Landesregierung zu einem Gesetz abgibt, gerade mal mündlich erteilt wird und wir keine Gelegenheit haben, uns zu den einzelnen inhaltlichen Schwerpunkten zu positionieren. So etwas gehört sich einfach, dass man es entweder vorher hat

(Beifall bei der PDS)

oder dass man hinterher anhand des Protokolltextes dies noch einmal durcharbeitet. Das wäre seriös gewesen, es ist nicht erfolgt.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Machen Sie es doch einfach.)

Also bleibe ich dabei und da steht Aussage gegen Aussage. Ich bin der Meinung, in dem Fall war es unseriöses Handeln.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ich könnte noch einmal vorgehen, aber es bringt nichts.)

Gibt es jetzt noch weitere Redewünsche? Das scheint nicht der Fall zu sein. Damit schließe ich die Aussprache. Die Beschlussempfehlung des Innenausschusses sieht die Ablehnung des Gesetzentwurfs vor, demzufolge stimmen wir unmittelbar über den Gesetzentwurf der Fraktion der PDS in der Drucksache 3/936 ab. Frau Nitzpon.

Die PDS beantragt namentliche Abstimmung.

(Heiterkeit bei der CDU)

Dann werden wir in namentlicher Abstimmung über diesen Gesetzentwurf abstimmen.

Ich nehme an, jetzt hatte jeder die Gelegenheit, seine Stimmkarte abzugeben, so dass ausgezählt werden kann.

Mir liegt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Thüringer Kommunalabgabenentlastungsgesetz, Gesetzentwurf der Fraktion der PDS, in der Drucksache 3/936 vor. Es wurden 71 Stimmen abgegeben, mit Ja haben gestimmt 17, mit Nein 54, damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt (namentliche Abstimmung siehe Anlage 1).

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 2 und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 3

a) Zweites Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/2237 ERSTE BERATUNG

b) Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/2238 ERSTE BERATUNG

Ich nehme an, dass Justizminister Birkmann die Begründung vornimmt.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Landesregierung hat zwei Gesetzentwürfe zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements erarbeitet, die sie hiermit in den Landtag einbringt. Geändert werden sollen die Thüringer Verfassung und das Thüringer Gesetz über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid - kurz: ThürBVVG. Die vorgesehene Absenkung der Quoren wie die Vorverlagerung des verfassungsgerichtlichen Überprüfungsverfahrens bei Volksbegehren erfordern eine Änderung der Verfassung. Die Einführung der amtlichen Sammlung könnte zwar durch einfaches Gesetz geregelt werden, sollte jedoch ebenfalls in der Verfassung niedergelegt werden, um alle wesentlichen Bestandteile des Verfahrens in der Verfassung zu verankern. Die Änderung des ThürBVVG erfolgt im Wesentlichen zur Regelung der Einzelheiten der vorgesehenen amtlichen Sammlung.

Doch bevor ich die Regierungsentwürfe im Detail vorstelle, möchte ich einen kurzen Blick auf die Vorgeschichte werfen: Meine Damen und Herren Abgeordneten, wir wissen alle, dass die Bürgerinitiative "Mehr Demokratie in Thüringen" erfolgreich ein Volksbegehren durchgeführt hat. Mehr als 360.000 Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben dieses Volksbegehren unterstützt. Sie meinten, sich dabei für eine gute, sinnvolle und rechtlich einwandfreie Sache einzusetzen. Was sie aber überwiegend nicht wussten, ist, dass die Initiatoren des Volksbegehrens in ihren Gesetzentwurf aus den verschiedenen Ländern die jeweils niedrigsten Hürden für die Verfahren direkter Demokratie eingebaut hatten und damit den nach der Thüringer Verfassung wie dem Grundgesetz vorgegebenen Grundsatz des Vorrangs der parlamentarischen Demokratie verletzten. Deshalb musste die Landesregierung den Thüringer Verfassungsgerichtshof anrufen. Sie konnte gar nicht anders, sondern war hierzu nach Artikel 82 Abs. 5 der Thüringer Verfassung verpflichtet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, Sie wissen, wie viel Schelte die Landesregierung dafür in diesem Haus und in den Medien bekommen hat, aber verantwortliche Politik heißt nicht, den populären oder gar den populistischen Weg zu gehen, den Weg des geringsten Widerstands. Verantwortliche Politik heißt, dem Gebot der Verfassung und des Rechts zu folgen, auch wenn dies unpopulär ist. Und Sie wissen, die verfassungsrecht

lichen Bedenken der Landesregierung waren berechtigt. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat mit seinem nahezu einmütig - nämlich mit einer Stimmenmehrheit von 8 : 1 Richterstimmen - getroffenen Urteil vom 19. September letzten Jahres festgestellt, dass das Volksbegehren "Mehr Demokratie in Thüringen" nicht mit der Thüringer Verfassung vereinbar ist. Der Verfassungsgerichtshof hat zugleich Hinweise darauf gegeben, wie die Absenkung der Hürden in diesem Bereich verfassungsrechtlich zulässig erfolgen kann.

Was lässt sich dem Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs insoweit entnehmen? Sieht man von den Ausführungen zum Haushaltsvorbehalt ab, die in der aktuellen politischen Debatte keine Rolle mehr spielen, sind dies vor allem zwei Aspekte:

1. Das Legitimationsniveau des so genannten Volksgesetzgebungsverfahrens muss hinreichend hoch sein. Weniger juristisch ausgedrückt: Die Hürden müssen insgesamt hoch genug sein. Wenn sie vorn - sprich beim Volksbegehren - relativ niedrig sind, müssen sie hinten - sprich beim Volksentscheid - entsprechend höher sein. Einzustellen in die Betrachtung sind hierbei die Quoren und die Sammlungsmodalitäten, also Sammlungsart und Sammlungsfrist.

2. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat starke Bedenken hinsichtlich der freien Sammlung geäußert. Zur rechtlichen Einordnung: Die Thüringer Verfassung trifft keine Regelung zur Sammlungsart; das ThürBVVG sieht derzeit die freie Sammlung vor. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat nun in seinem Urteil ausgeführt ich darf, verehrte Frau Präsidentin, wörtlich zitieren: "dass die Möglichkeit der Unterschriftensammlung an beliebigem Ort die Abstimmungsfreiheit der Bürger beeinträchtigen kann." Er hat dies unter anderem mit der Gefahr begründet, dass Bürgerinnen und Bürger unzulässig beeinflusst und zur Unterschrift gedrängt werden könnten.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, diese beiden zentralen Aussagen des Urteils des Thüringer Verfassungsgerichtshofs wurden in dem Antrag der CDU-Fraktion des Thüringer Landtags zum 1. Oktober 2001 berücksichtigt, der Grundlage des Plenumsbeschlusses vom 11. Oktober vergangenen Jahres und damit auch der Regierungsentwürfe der Landesregierung geworden ist.

Auf zweierlei darf ich in diesem Zusammenhang hinweisen:

1. Es war die CDU, die zuerst, nämlich gerade einmal zwei Wochen nach dem Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs, ein Konzept zur Stärkung des bürgerlichen Engagements erarbeitet hat, die zuerst dem Parlament konkrete inhaltliche Vorstellungen für Gesetzesänderungen vorgelegt hat. Vorwürfe, wir würden dieses Anliegen nicht ernst genug nehmen, sind bereits deshalb völlig aus der Luft gegriffen.

(Beifall bei der CDU)

2. Die Regierungsentwürfe berücksichtigen anders als die Entwürfe von PDS und SPD das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das ist Ihre Behauptung!)

Das ist nicht nur meine Behauptung, das ist Tatsache. Das können Sie den

(Beifall bei der CDU)

weiteren Ausführungen auch entnehmen. Das ist genauso Tatsache wie die Tatsache, dass Ihre Vorlage wieder nicht mit der Verfassung übereinstimmt.

(Beifall bei der CDU)

Dies gilt für das Verfahren der Volksgesetzgebung insgesamt,

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das ist dann eine Tatsachenbehauptung, aber deswegen noch nicht richtig.)

also für die Quoren und die Sammlungsmodalitäten. Ihr Einwand kam an der rechten Stelle meines Manuskripts.

Der mangelnde Respekt, den Sie, die PDS, vor dem Thüringer Verfassungsgericht haben, zeigt sich zum einen in unangemessener Schelte des Urteils und des Gerichts; Herr Abgeordneter Hahnemann sprach in der letzten Landtagssitzung am 21. Februar davon, dass die Landesregierung mit Hilfe des Thüringer Verfassungsgerichtshofs das Volksbegehren "Mehr Demokratie in Thüringen" zu Fall gebracht habe. Dies ist eine ungeheuerliche Verzerrung der Realitäten, indem geleugnet wird, dass beide Verfassungsorgane - Landesregierung und Verfassungsgerichtshof - jeweils nur ihre verfassungsmäßige Pflicht getan haben.

(Beifall bei der CDU)