Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

desregierung richten.

(Beifall Abg. Thierbach, PDS)

Meine Damen und Herren, der Bundestag hat das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze in der Fassung der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses - Sie sagten es - am 28.02. im Bundestag beschlossen, und zwar mit einer großen parteiübergreifenden Mehrheit.

(Beifall bei der CDU)

Nur die Fraktion der PDS hat sich der Stimme enthalten. Bevor ich auf Ihren Antrag speziell eingehe, möchte ich grundsätzlich noch mal etwas zum Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene sagen. Es scheint mir ganz einfach immer hin und wieder mal notwendig zu sein. Im Übrigen, Frau Abgeordnete Thierbach, auch dieses Gesetz wir sind nicht mehr in DDR-Zeiten und beim MarxismusLeninismus - so haben Sie formuliert, von einem modernen Behindertenbegriff ausgehend, also Sie stellen fest, was modern ist und wer das nicht macht, was Sie für notwendig halten, der ist schon automatisch unmodern und antiquiert. Das halte ich für etwas vermessen.

Meine Damen und Herren, ich habe schon mehrfach hier im Landtag ausgeführt, die Landesregierung, d.h. das Kabinett, entscheidet über die Stimmabgabe für die Sitzung des Bundesrates jeweils in der Sitzungswoche des Bundesrates. Das heißt mit anderen Worten: Anlässlich der 774. Sitzung des Bundesrates am 22. März wird in der Kabinettsitzung am 19. März dann über die Abstimmung im Bundesrat entschieden. Ich sehe, nach einem gewissen zeitlichen Abstand ist es wieder einmal nötig, auf Artikel 77 Abs. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen hinzuweisen: "Die Landesregierung beschließt über die Stimmabgabe". Die Landesregierung wird sich auch nicht festlegen lassen, solange es noch Abstimmungen mit anderen Landesregierungen gibt, wie wir im Bundesrat verfahren werden.

Meine Damen und Herren, wir befinden uns in der Schlussphase des Gesetzgebungsverfahrens. Es liegt also ein Gesetzbeschluss des Deutschen Bundestages vor, der nur meine Damen und Herren, das will ich hier ganz deutlich sagen - durch Anrufung des Vermittlungsausschusses oder durch Ablehnung im Bundesrat aufgehalten werden kann. Dann möchte ich nicht Ihren Antrag, aber allenfalls Ihre Bitte hören, ob wir dieses Gesetz im Bundesrat ablehnen sollen. Da möchte ich hören, ob ich dieses so auffassen soll, dass es Ihr Ziel ist, dass Thüringen diesem Gesetz im Bundesrat nicht zustimmt.

Gestatten Sie, dass ich den Bundestagsabgeordneten Dr. Seifert, PDS-Abgeordneter, anlässlich der Debatte zum Gleichstellungsgesetz im Deutschen Bundestag zitiere. Er hat gesagt: "Wenn die Länder dieses Gesetz scheitern lassen sollten, dann wäre das unverantwortlich. Das will

ich ausdrücklich sagen." - einer Ihrer Abgeordneten im Deutschen Bundestag.

Meine Damen und Herren, ich könnte mir durchaus vorstellen, wie Sie reagieren, wenn die Landesregierung aus welchem Grund auch immer - sich dazu entscheiden würde, dieses Gesetz abzulehnen. Soweit mir bekannt ist, werden Landesregierungen mit einer PDS-Koalition, also Mecklenburg-Vorpommern und Berlin

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Und Sachsen-Anhalt!)

und auch die von der PDS tolerierte Landesregierung in Sachsen-Anhalt voraussichtlich dem Gesetz im Bundesrat am 22. März zustimmen.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Besser eins als keins. Aber wir wollen, dass es bes- ser ist.)

Sie haben Ihre eigenen Ausputzer. Wir verständigen uns mit den CDU/CSU-Regierungen und nicht mit PDS-Regierungen.

(Beifall bei der CDU)

Sofern die Thüringer PDS das Gesetz auch unterstützen will, müsste sie wirklich ihren Antrag zurückziehen. Wenn dies der Fall ist, könnte ich an dieser Stelle natürlich meine Ausführungen beenden.

Meine Damen und Herren, der Antrag der PDS ist nicht neu. Er wurde bereits von der PDS-Bundestagsfraktion in die Ausschüsse des Bundestags eingebracht. Ich habe dieses gesagt, allerdings ohne jeden Erfolg. Im Bundesrat haben die Länder, in denen die PDS an der Regierung beteiligt ist bzw. Einfluss hat, im ersten Durchgang im November und Dezember des vergangenen Jahres im Rahmen der Stellungnahme des Bundesrats zum Gesetzentwurf übrigens keine Änderungsanträge in der von Ihnen gewünschten Art eingebracht, weder bezüglich der Definition des Behindertenbegriffs oder einer Antidiskriminierungsregelung. Dies wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, meine Damen und Herren von der PDS, Anträge in das Bundesratsverfahren einzubringen.

Lassen Sie mich zum Abschluss darauf verweisen, dass der Bundesrat eine Beschlussempfehlung eines Bundestagsausschusses übrigens nicht ändern kann, wie im Antrag der PDS gefordert. Allein schon aus diesem allerdings formalen Grund muss, denke ich, der Antrag abgelehnt werden.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Bechthum zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, am 28. Februar 2002 verabschiedete der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, der CDU, der CSU, der FDP das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze. Herr Minister Pietzsch hat das auch schon sehr ausführlich dargestellt. Es ist trotzdem erstaunlich; die PDS war die einzige Fraktion, die diesem nicht zugestimmt hat, sondern sich, wie sie es oft macht oder fast immer, der Stimme enthielt. Sie legt uns nun in der Drucksache 3/2251 einen Antrag vor, über dessen Inhalt, nämlich die Frage der Definition der Behinderung, schon lang und breit im Bundestag und seinen Ausschüssen beraten und diskutiert wurde. Im Ergebnis dessen wurde von den Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen ein Entschließungsantrag zur Bundestagsdrucksache 14/8331 erarbeitet; dieser betrifft den Punkt 1 der hier vorliegenden Drucksache. Ich darf daraus zitieren: "Der Deutsche Bundestag bittet die Bundesregierung, im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Verbänden behinderter Menschen zu bilden, die sich, ausgehend von der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO), mit dem Behindertenbegriff befasst und die Ergebnisse im Rahmen ihres Berichtsauftrags nach § 66 SGB IX vorzustellen." Dieser Entschließungsantrag wurde, wie im Protokoll der 221. Sitzung des Bundestags nachzulesen, einstimmig, also auch mit den Stimmen der PDS, angenommen. Was soll das jetzt hier, haben wir uns gefragt, als wir den Antrag sahen.

Zu Punkt 2 Ihres Antrags ist zu sagen: In § 3 a wird suggeriert, als hätten wir kein Grundgesetz. Ich möchte klarstellen: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gilt für alle Menschen, für behinderte genauso wie für nicht behinderte.

(Beifall bei der CDU)

Somit darf keiner benachteiligt oder herabgewürdigt oder verunglimpft, was auf Deutsch "Diskriminierung" heißt, werden.

Zum Abschluss: Im ersten Punkt hat uns die PDS selbst mit ihrer Zustimmung zum Entschließungsantrag der Regierungskoalition in Berlin die Richtung vorgegeben. Punkt 2 ist im höherrangigen Recht in unserer Verfassung bereits geregelt; wir sehen deshalb keinen Handlungsbedarf. Wenn ich hier noch einmal aus der großen Sitzung des Landesbehindertenbeirats am 08.03. zitieren darf, da wurde gesagt, Behinderte in Thüringen fordern Bundesratzustimmung und zu seiner ersten Sitzung in diesem Jahr kam

der Landesbehindertenbeirat Thüringens in Erfurt zusammen. Dieses Gremium besteht aus Vertretern der Behindertenverbände im Freistaat Thüringen, Vertretern des Thüringer Landtags sowie Vertretern der kommunalen Spitzenverbände. Der Behindertenbeirat forderte die Thüringer Landesregierung in einem Beschluss dazu auf, diesem Gesetzentwurf im Bundesrat zuzustimmen, auch wenn nicht alle der ursprünglichen Erwartungen damit erfüllt worden seien. Und Sozialminister Dr. Pietzsch - Sie haben auch zugesichert, dass Sie die gestellten Anträge berücksichtigen werden, ich sage es dann noch mal - sicherte den Behindertenverbänden zu, dass ihre Meinung bei der Diskussion über das Abstimmungsverhalten Thüringens im Bundesrat mit berücksichtigt werde. Ich denke, dem kann man nichts hinzufügen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Arenhövel zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Vorredner haben schon so viel Richtiges und Wichtiges gesagt, dass ich es kurz machen kann. Ich möchte nur sagen, ich bin Mitglied im Landesbehindertenbeirat und ich habe dort die Diskussion miterlebt. Ich war beeindruckt, wie sachlich dort Behinderte und nicht Behinderte miteinander diskutiert und sich darauf geeinigt haben, dass diesem Gleichstellungsgesetz zugestimmt werden soll. Ich glaube auch, wir tun gut daran, wirklich alles zu unterlassen, damit dieses Gleichstellungsgesetz am Ende etwa noch gefährdet würde. Ich möchte für meine Fraktion auch sagen, dass wir diesen Paradigmenwechsel - also mehr weg von der Betreuung, hin zur Selbstbestimmung von Behinderten - immer sehr aufmerksam und auch zustimmend begleiten. Wir haben einem solchen Gleichstellungsgesetz vom Grundsatz her nie ablehnend gegenübergestanden. Das möchte ich hier noch einmal betonen. Ich bin auch sehr froh gewesen über die Debatte und Herr Minister Pietzsch hat ja zugesagt, auch im Sozialbericht, der demnächst vorgelegt wird, den Behinderten einen erhöhten Stellenwert einzuräumen und eingehend über die Lage der Behinderten in Thüringen zu berichten. Wir alle haben festgestellt, es hat sich seit der Wende sehr viel in diesem Bereich getan und das, was es an Defiziten gibt, wollen wir gemeinsam aufarbeiten. Ich glaube, der PDS-Antrag dient diesem Ziel nicht. Deswegen wird meine Fraktion den Antrag ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Nothnagel zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Pietzsch, wir haben diesen Antrag nicht vom ZK bekommen, aber Sie haben schon Recht, dass er fast identisch ist mit dem Antrag der PDS im Deutschen Bundestag. Das Ziel dieses Antrags ist die qualitative Verbesserung des Bundesgleichstellungsgesetzes und nicht mehr und nicht weniger. Der Sinneswandel, was die Definition von Behinderung betrifft innerhalb des Deutschen Behindertenrats, der ist ja auch erst in den letzten 14 Tagen eingetreten. Die Forderung war ja immer eindeutig gewesen, dass dieser Behindertenbegriff, so wie er im Behindertengleichstellungsgesetz getroffen ist, identisch mit dem des SGB IX, eben nicht so zu tragen ist. Aber das Machbarkeitsprinzip hat hier im Vordergrund gestanden und somit hat nun auch der Deutsche Behindertenrat den Begrifflichkeiten zugestimmt. Es ist natürlich letztendlich die Haltung entstanden, lieber ein unzulängliches und nicht gerade tolles Behindertengleichstellungsgesetz als gar keins. Am 28. Februar dieses Jahres wurde das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz im Deutschen Bundestag eingebracht und verabschiedet. Ich denke, es ist ein historischer Tag für die Behindertenverbände, Selbsthilfegruppen, aber auch für politische Vertreter. Auch dieser Tag ist für mich persönlich ein besonderer Tag, denn ich habe nun mittlerweile zehn Jahre für die Gleichstellung behinderter Menschen gekämpft. Zwischenzeitlich habe ich mich jedoch häufiger gefragt: Wofür denn das Ganze? Es will uns - hierbei meine ich Menschen mit Behinderungen eh keiner verstehen. Das traditionell gewachsene Bild von Behinderung hat unsere Kultur über Jahrhunderte so geprägt, dass es bürgerrechts- und menschenrechtsorientierte Ansätze der Bewegung "selbstbestimmt leben" sehr schwer haben und diese sich auch sehr schwer durchsetzen lassen. Aber so ist es immer mit neuen Konzepten, die die altbewährte Ordnung ändern und die Lebensqualität verbessern wollen. Der Wertewandel - Frau Arenhövel hatte es ja auch schon gesagt - von der Betreuung hin zum selbstbestimmten Leben behinderter Menschen ist nicht mehr aufzuhalten, wie auch die Namensänderung, aber auch die Inhaltsänderung der "Aktion Sorgenkind" hin zur "Aktion Mensch" das auch sehr deutlich zeigt, obwohl es noch wesentliche Kräfte in unserer Gesellschaft gibt, die alles tun werden, um diesen Prozess auch aufzuhalten. Betreuung ist für einige auch weiterhin wirtschaftlich attraktiver als das selbstbestimmte Leben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau vor zwei Wochen wurde vom Deutschen Bundestag dieses Gleichstellungsgesetz durch die übergroße Mehrheit - wie es auch schon erwähnt wurde - durch die Abgeordneten verabschiedet. Aus inhaltlichen Gründen konnte die PDS sich hier nur enthalten und nicht aus grundsätzlichen Gründen. Seit Beginn der 90er-Jahre treten Behindertenverbände, Vereine, aber auch die PDS für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen in Würde ein, für Gleichstellung, gegen Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen. Dazu wurden in den zurück

liegenden Legislaturen auf Bundes-, aber auch auf Landesebene eine Vielzahl von Vorschlägen, Anträgen und Gesetzesinitiativen eingereicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit der Änderung und Erweiterung des Grundgesetzes Artikel 3 Abs. 3 "Niemand darf wegen seiner Behinderung diskriminiert werden" im Jahre 1994 wird auf breiter Front um eine rechtliche Ausgestaltung dieses Diskriminierungsverbots gekämpft. Nach Auffassung von uns behinderten Menschen sollte ein bürgerrechtsorientiertes Gleichstellungsund Antidiskriminierungsgesetz auf den Weg gebracht werden. Nun, dies ist leider nicht so passiert. Mit dem heute zur Rede stehenden Gesetz wurde bestimmten Wünschen und Forderungen der Behinderten- und Sozialverbände sowie der Wohlfahrt- und Selbsthilfegruppen in begrenztem Rahmen entsprochen, wie z.B. der Forderung nach dem Verbandsklagerecht, das Berücksichtigen von Belangen von behinderten Frauen, die Barrierefreiheit in den Bereichen von Bau und Verkehr, dass hörgeschädigte Menschen das Recht bekommen, mit Trägern der öffentlichen Gewalt unter Verwendung von Gebärdensprache mit lautsprachbegleitender Gebärde zu kommunizieren, dass Träger der öffentlichen Gewalt ihre Intra- und Internetseiten sowie Programmoberflächen so zu gestalten haben, dass behinderte Menschen diese grundsätzlich uneingeschränkt nutzen können - dies ist auch dringend erforderlich vor allem für blinde und sehbehinderte Menschen -, dass Träger der öffentlichen Gewalt Bescheide amtlich und Informationen und Vordrucke so zu gestalten haben, dass sie für blinde Menschen zu nutzen sind. Aber ich möchte auch daran erinnern, dass Leichtlese- und Leichtschreibweise für Menschen mit so genannter geistiger Behinderung zu berücksichtigen sind. Wahlen sollen barrierefrei durchgeführt werden.

Dies aber ist nur die eine Seite der Medaille und wer kennt nicht das Sprichwort "Wo viel Sonne, da ist auch viel Schatten". Das heißt, die PDS-Fraktion im Bundestag sowie im Landtag haben natürlich auch massive Kritiken an dem verabschiedeten Gesetz. Nach unserer Ansicht widerspiegelt dieses Gesetz die Halbherzigkeit der Bundesregierung in der Behindertenpolitik und deren Gesetzgebung. Bereits mit dem SGB IX - das Gesetz zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - verzichtete die Bundesregierung auf ein von Menschen mit Behinderung von den Verbänden und Vereinen nachdrücklich gefordertes Leistungsgesetz. Diese Halbherzigkeit von vor knapp einem Jahr schlägt sich auch heute in diesem Behindertengleichstellungsgesetz in folgenden Punkten nieder:

1. Hauptmangel im vorgelegten Gesetz ist nach Auffassung der PDS, dass die Bundesregierung kein bürgerrechtsorientiertes Gesetz vorgelegt hat. Damit bleibt sie weit hinter den Forderungen der Behindertenbewegung zurück, die bereits 1991 im Düsseldorfer Appell formuliert wurden. Insbesondere fehlen zivilrechtliche Regelungen zur Bekämpfung, Vermeidung und Sanktionierung von

Diskriminierung, zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen im Privatrechtsverkehr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine verehrte und hoch geschätzte Weggefährtin Theresa Degner nannte Deutschland aufgrund des Fehlens dieser Regelungen ein - ich zitiere - "bedauernswert rückständiges Entwicklungsland". Nur am Rande erwähnt, in rund 40 Staaten, darunter Länder der Dritten Welt, wie Indien, Bolivien und Korsika, gibt es Antidiskriminierungsgesetze.

2. Ich bin der Auffassung, mit dem Gesetzentwurf wird nicht in ausreichendem Maße dem gewandelten Selbstverständnis behinderter Menschen sowie dem oft eingeforderten Paradigmenwechsel in der Politik Rechnung getragen, weil privatrechtliche Umsetzung einfach fehlt.

3. Mit der Zielvereinbarung, die in Artikel 1 Abs. 4 geregelt ist, wird ein neues System vorgeschlagen, das so, wie es jetzt geregelt ist, viele Unsicherheiten und Unwägbarkeiten für Menschen mit Behinderungen aufweist. Die PDS ist der Auffassung, dass Zielvereinbarung als eine Möglichkeit bestimmte Prozesse unterstützen kann, aber nicht Grundsatzfragen der Gleichstellung und Antidiskriminierung wirksam regelt.

4. Über die Barrierefreiheit und deren Wirksamkeit könnte ich jetzt hier lange lamentieren, aber Fakt ist, die Barrierefreiheit im Gesetz wird im Wesentlichen auf Menschen mit Mobilitätseinschränkungen begrenzt. So werden z.B. Bedürfnisse von Hörgeschädigten und Blinden nicht ausreichend berücksichtigt.

5. Die Berichtspflicht ist nicht ausreichend gestaltet und geregelt, konkrete Kriterien zur Umsetzung fehlen.

Die Anzahl der Kritikpunkte ließe sich beliebig fortsetzen, aber an dieser Stelle will ich es bei den genannten belassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem Ihnen vorliegenden Antrag in Drucksache 3/2251 möchte die PDS-Fraktion die Landesregierung nochmals ermuntern, am 22. März in der Bundesratsabstimmung folgende Änderungen einzubringen.

Zum Ersten: Die vorliegende Definition...

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Das geht doch nicht mehr.)

Natürlich, es ist durch die Ausschüsse gegangen, aber die Bundesratssitzung findet ja am 22. März noch statt.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Da gibt es keine Anträge mehr.)

Wie gesagt, die ganze Definition, die ich oben auch schon einmal erwähnt habe und zum Zweiten die klaren zivilrechtlichen Regelungen sowie Antidiskriminierungsklauseln. In den letzten Monaten konnte ich vor allem bei diesem Punkt eine Rolle rückwärts feststellen. Diese wichtigen Forderungen der Behindertenbewegung und -verbände, die sich im Gesetzentwurf des Forums der behinderten Juristinnen und Juristen vom 8. Januar 2000 noch fanden, wurden sukzessive systematisch herausgenommen. Das Lobbyistentum und ein fehlender Reformwille lassen hierbei grüßen. Es ist aus Berlin zu hören, dass zivilrechtliche Regelungen zu einem späteren Zeitpunkt in einem Antidiskriminierungsgesetz ihren Niederschlag finden sollen. Die Frage bleibt jedoch nach dem Wann und nach dem Wie.