Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

Nur eines ist schade, ich habe die Einladung leider erst Montagnachmittag auf dem Tisch gehabt, ich wäre gern zu diesem Expertinnengespräch gekommen und hätte gern die Experten, vor allen Dingen Herrn Hahnemann, gehört. Aber es gab auch eine mutige Frau an diesem Tag, was wir sicher alle für mutig ansehen, es war eine Frau aus Gera da, die von Gewalt betroffen war. Es gibt eine Selbsthilfegruppe in Gera "Ja, ich war von Gewalt betroffen", dieser Frau gegenüber haben Sie gesessen. Sie haben geschwiegen, denn was hätten Sie ihr sagen wollen? Sie hätten ihr sicherlich sagen können: Was Ihnen passiert ist, ist sicher schlimm, aber was dem Ausländer passiert ist, ist schlimmer.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das ist doch unerträglich!)

Ja, das ist nicht unerträglich. Frau, Wolf, eines sage ich Ihnen: Wenn einer meiner Kollegen sich in diesem Haus oder anderswo zu so einer Äußerung hätte hinreißen lassen, nie und nimmer würde ich mit diesem Menschen irgendwo eine Veranstaltung organisieren, geschweige denn daran teilnehmen.

(Beifall bei der CDU)

Da verschlägt es mir die Sprache. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich hätte mich für meinen Fraktionskollegen geschämt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Opfer von Gewalt sind Opfer, ob die Motivation hierfür ein politischer oder ein privater Grund war.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Also gibt es doch unterschiedliche Gründe dafür.)

Innere Sicherheit fängt zuerst zu Hause an. Wer die eigene Frau misshandelt, der misshandelt auch Fremde und wer Frauenhass nicht bekämpft, der wird gegen den Fremdenhass nichts ausrichten,

(Beifall bei der CDU)

denn die Beherrschung von Kindern und Frauen ist das Grundmuster, auf dem alle anderen Gewalt- und Machtver

hältnisse aufbauen. Herr Dr. Hahnemann, die freudlose Kindheitsgeschichte ist eben nicht falsch, wie Sie sagen, sondern das Erlebte der Kindheit und die Verhaltensmuster der Erwachsenen sind die Ursachen für die häusliche Gewalt. Das ist mittlerweile auch wissenschaftlich belegt. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, schließen möchte ich mit einem Satz von unserer Justizministerin Herta Däubler-Gmelin: "Ein Mann, der auf der Straße Schwarze oder Asiaten schlägt, hat schon seine Frau geschlagen oder gesehen, wie sein Vater seine Mutter schlägt. Frauen sind die ersten anderen." Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Dr. Hahnemann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Tasch, ich werde auf das, was Sie hier eben, ich sage ausdrücklich nicht "abgelassen", sondern gesagt haben, nicht eingehen. Wes Geistes Kind diese Aktuelle Stunde ist, das ist mit den Ausführungen meines Kollegen Dr. Koch hinlänglich und eindrucksvoll deutlich geworden.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Es ist unverschämt, dass Sie überhaupt an das Pult gehen.)

Nicht nur, dass eine ganze Fraktion attackiert wird mit dem fadenscheinigen Konstrukt einer angeblich verurteilenswerten Haltung zur Gewalt, nein, die Antragsteller dieser Parlamentsposse gehen tatsächlich so weit, einem Abgeordneten Auffassungen zu unterstellen, die er noch nie und auch nicht am 21. Februar vertreten hat. Natürlich stammt der Satz, der heute den Titel der Aktuellen Stunde abgibt, aus meiner Rede zur Koordinierungsstelle Gewaltprävention. Wer ihn ohne Erläuterung nicht verstehen konnte, hätte zuhören, nachlesen oder die Videoaufzeichnung anschauen können.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist der Gipfel der Frechheit.)

Nur wer bösartige Verleumdungen im Sinne hat, löst einen Satz aus seinem Zusammenhang und macht daraus eine Aktuelle Stunde.

Ich habe vor diesem Satz eine "thematische Spezialisierung der Mitarbeiterinnen für sinnvoll" erachtet und darauf hingewiesen, dass "die Motivation für Gewalt im sozialen Nahraum und rassistische Übergriffe... jeweils anders ist." Ich habe gesagt "Es bedarf deshalb unserer Auffassung nach bereichsspezifischer Ursachenanalysen und Handlungskonzepte." Nirgendwo werden Sie bei mir die Position finden, die eine Art von Gewalt sei schlimmer

oder eine andere Art von Gewalt sei weniger schlimm.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Das ist unverschämt!)

Aber Sie werden bei mir auch nicht die Position finden, dass hinsichtlich der Motivation Gewalt gleich Gewalt sei. Wenn man die Auswirkungen von Gewalt bei den Opfern betrachtet, ergeben Differenzierungen keinen Sinn. Nur, um die Opfer ging es in jenem Tagesordnungspunkt nicht, sondern primär um die Frage, wie wir mit den Tätern umgehen, wie Prävention angelegt sein muss, damit es weniger Opfer gibt. Darüber habe ich gesprochen.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Da sind Sie noch stolz drauf.)

Wer das hören wollte, der hätte es hören können. Wer das verstehen wollte, der hätte es verstehen können. Doch darum ging es Ihnen nicht, meine Damen und Herren,

(Unruhe bei der CDU)

Ihnen geht es darum, auf einem brisanten Thema ein parteipolitisches Süppchen zu kochen.

(Unruhe bei der CDU)

Ich habe mit Frau Petra Beck vom Landesfrauenrat

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Um Gottes willen!)

die Reden dieses Tagesordnungspunkts noch einmal angeschaut. Auch Frau Beck konnte die künstliche Aufregung um diese Debatte nicht verstehen. Ich bin gegen Gewalt als Mittel zur Lösung von Problemen, ganz gleich, ob es um Kriege oder um Schläge geht. Eigentlich beschäftigen mich auch die Opfer von Gewalttaten mehr als die Täter, aber genau die Täter waren Thema am 21. Februar.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Auch die Opfer.)

Nein, meine Damen und Herren, ich stehe zu dem, was ich gesagt habe: Prävention, die weder auf die Ursachen noch auf die unterschiedlichen Motivationen differenziert eingeht, wird unterhalb des Möglichen bleiben oder ganz fehlgehen. Schlimmer noch, fehlende differenzierende Täteranalyse erhöht am Ende die Zahl der Opfer. Dabei, meine Damen und Herren, bleibe ich.

Deshalb, meine Damen und Herren, habe ich nichts zu relativieren, nichts zu modifizieren, nichts zurückzunehmen und ich verwahre mich dagegen, dass meine Ausführungen zu diesem Thema derartig umgedeutet werden für den Zweck eines billigen und durchschaubaren parteipolitischen Manövers.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das war doch unmissverständlich!)

(Unruhe bei der CDU)

Ich bin gegen jede Gewalt und auch dabei, meine Damen und Herren, bleibe ich.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Althaus, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Hierarchisierung von Gewaltopfern, wie sie der Abgeordnete Hahnemann mit seiner Äußerung am 21.02. vorgenommen hat und wie er sie heute bestätigt hat, weist die CDU-Fraktion mit aller Entschiedenheit zurück.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben mit Ihren Äußerungen eine Verharmlosung häuslicher Gewalt vorgenommen und damit die Frauen, die häusliche Gewalt ertragen und erfahren müssen, diskriminiert und verhöhnt.

(Beifall bei der CDU)

Herr Hahnemann irrt - und da bin ich Frau Kollegin Bechthum sehr dankbar -, wenn er glaubt, generell eine unterschiedliche Motivation für Gewalt gegen Frauen einerseits und gegen Ausländer andererseits auszumachen. Frau Bechthum hat sehr nachdrücklich auf die häufig gleiche Motivationslage im Blick auf die Anwendung von Gewalt hingewiesen. Herr Hahnemann, es passt in Ihr Weltbild, dass Sie ausschließlich ideologisch motivierte Gewalt im Blick auf Ausländer hier thematisieren wollen. Aber häufig sind Gewalttaten, insbesondere bei Jugendlichen, nicht originär ideologischer Natur, der ideologische Mantel verdeckt nur allzu häufig persönliche Ursachen, z.B. die Suche nach Selbstbestätigung.

Die Debatte auch am heutigen Tag hat deutlich gemacht, dass Sie durch Ihren Ansatz, Gewalt bei den Tätern und in der Wirkung auch bei den Opfern zu differenzieren, ein ganz anderes Ziel verfolgen. Ich behaupte, wenn die Frau die geringste Gegenwehr darstellt, ist sie Opfer von Gewalt. Wenn sich an ihrer Stelle ein Ausländer bietet, der die geringste Gegenwehr setzt, dann ist für Menschen, die diese Gewalt anwenden wollen, er das Opfer. Nicht vor allem ideologische Gründe zwingen zu solch einer Tat, sondern sehr häufig Erziehungsprobleme, sehr häufig Probleme im persönlichen Umfeld. Zu behaupten, wer seine Frau schlägt, schlägt keine Ausländer, ist nicht nur absurd, sondern ist auch unerträglich klassifizierend.

(Beifall bei der CDU)

Herr Hahnemann, ich unterstelle Ihrem vorgetragenen Pazifismus, dass er überhaupt keine Gründung hat. Sie verfolgen mit Ihrer Partei ein ganz anderes Ziel. Sie beschwören die Gefahr des Rechtsextremismus, um davon abzulenken, dass die PDS mit einem Bein im Linksextremismus verankert ist.

(Beifall bei der CDU)

Was glauben Sie, warum Sie die Verfassungsschutzorgane Deutschlands beobachten? Die Bundesregierung hat dies in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage am 7. Januar dieses Jahres - also vor wenigen Wochen erneut ausdrücklich bestätigt und hinzugefügt, dass "einzelne Vertreter der PDS in Aktionsbündnissen auch mit gewaltbereitem Linksextremismus zusammenarbeiten." Auch bestätigt die Bundesregierung ausdrücklich die Einschätzung von Innenminister Schily im "Bild" vom 27.06. letzten Jahres "dass die PDS immer noch den alten antikapitalistischen Parolen hinterherläuft" und dass hinsichtlich so genannter Globalisierungsgegner "auch nicht die geringste Distanzierung von den Gewalttätern erkennbar" sei. Soweit Ihr Thema "Gewalt und PDS".

Nur über den Rechtsradikalismus versuchen Sie letztlich eine ideologische Debatte herbeizuführen. Herr Hahnemann, ich sage Ihnen, das entspringt den alten Traditionen kommunistischen Denkens. Danach verbietet sich eine Gleichrangigkeit von Links- und Rechtsextremismus.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Herr Alt- haus, jetzt bleiben Sie wirklich unter Ihrem Niveau.)

Linksextremistische Gewalt ist, wie wir alle wissen, genauso demokratiezerstörend und demokratiefeindlich wie rechtsextremistische Gewalt.