Protokoll der Sitzung vom 25.04.2002

(Beifall bei der SPD)

Für die PDS-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Dr. Fischer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mein Vorredner Maik Nothnagel hat schon gesagt, dass es sehr bedauerlich ist, dass zu wenig Zeit für Kinder und dann in einer Aktuellen Stunde, deswegen habe ich mich entschlossen, hier doch noch zu reden. Sie wissen ja, ich

komme aus Südthüringen und ich will hier feststellen, dass in Ost- sowie Südthüringen nach unserer Meinung das Angebot an Kinderschutzdiensten erweitert werden muss und außerdem über eine Außenstellenregelung nachgedacht werden sollte. Die vorgeschriebene 50-50-Finanzierung Land-Kommune kann in den wenigsten Fällen, und das wissen wir alle, noch realisiert werden. Es wäre, so glaube ich, zu einfach - und hier spreche ich im Namen von Kommunalpolitikern - mit dem Zeigefinger auf die Kommunen zu deuten. Wenn uns die Aufrechterhaltung der Arbeit der Kinderschutzdienste thüringenweit am Herzen liegt, müssen hier gemeinsam von Kommune und Land Wege gefunden werden, um diese Arbeit sicher und kontinuierlich zu finanzieren. Ein Weg dahin wäre die Festschreibung, sprich die gesetzliche Verankerung des Kinderschutzes im Thüringer Ausführungsgesetz zum KJHG sowie im KJHG. Eine entsprechende Initiative wird seitens der PDS-Fraktion zurzeit geprüft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn es vielleicht ein bisschen zu emotional für Sie klingt, möchte ich enden mit einem Gedicht von Bettina Wegner, dem Gedicht "Kinder". Frau Präsidentin, ich zitiere:

"Sind so kleine Hände, winz'ge Finger dran. Darf man nie drauf schlagen, die zerbrechen dann. Sind so kleine Füße, mit so kleinen Zehn. Darf man nie drauf treten, können sie sonst nicht gehn. Sind so kleine Ohren, scharf und ihr erlaubt. Darf man nie zerbrüllen, werden davon taub. Sind so schöne Münder, sprechen alles aus. Darf man nie verbieten, kommt sonst nichts mehr raus. Sind so klare Augen, die noch alles sehn. Darf man nie verbinden, können sie nichts verstehn. Sind so kleine Seelen, offen und ganz frei. Darf man niemals quälen, gehn kaputt dabei. Ist so'n kleines Rückgrat, sieht man fast noch nicht. Darf man niemals beugen, weil es sonst zerbricht. Gerade, klare Menschen wärn ein schönes Ziel. Leute ohne Rückgrat hab'n wir schon zu viel."

Als Kinderärztin und als Mutter von vier Kindern darf ich das vielleicht sagen, denn wenn diese Forderungen in der Gesellschaft umgesetzt wären, wäre Kinderschutz in meinen Augen realisiert und die Arbeit der Kinderschutzdienste und ähnlicher Einrichtungen vielleicht gar nicht mehr so dringend vonnöten. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Für die Landesregierung hat sich Minister Dr. Pietzsch zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, erst einmal darf ich allen Vorrednern herzlich danken. Es ist selten eine solch große Einmütigkeit in diesem

Plenum, wie bei diesem Thema "Gewaltschutz für Kinder". Ich freue mich, bei der zu Ende gehenden Aktuellen Stunde auch die Plätze im Plenum wieder etwas besser besetzt zu sehen als am Anfang dieser zweiten Aktuellen halben Stunde.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU; Abg. Pelke, SPD)

Es ist ein Thema, das uns wohl alle angeht, das uns nie in Ruhe lassen darf und das nie abgeschlossen ist.

Meine Damen und Herren, Frau Bechthum, Sie haben über einen Gerichtsprozess berichtet. Die Aktualität ist vielleicht untermauert durch die Nachrichten von heute Morgen. Ein Vorfall in Gera, wo ein 36-Jähriger in vielen Malen Kinder sexuell missbraucht hat. Morgen, in der nächsten Woche oder im nächsten Monat kann dieses wieder passieren. Charles Dickens hat einmal gesagt: "Kinder erleben nichts so scharf und bitter wie Ungerechtigkeit." Ungerechtigkeit, meine Damen und Herren, ist ein subjektiver Begriff und Kinder empfinden dieses ganz besonders scharf - Ungerechtigkeit. Ungerechtigkeit, wo wir vielleicht noch sagen, Schwamm drüber, es ist nicht so schlimm, verbiegt Kinder. Diese Feststellung, die er getroffen hat, hat er zu einer Zeit getroffen, da Ungerechtigkeit gegenüber Kindern keineswegs den Stellenwert hatte, den Ungerechtigkeit gegenüber Kindern heute hat.

Ich bin sehr froh, nicht nur wegen des Haushalts, dass hier deutlich geworden ist, es geht darum, Kinder zu bewahren und nicht gegenseitig Vorwürfe zu machen. Um deutlich zu machen - und das soll vielleicht auch rüberkommen -, dass Schutz vor Kindesmissbrauch unser aller Aufgabe ist: Es ist nicht Aufgabe der Schule, der Jugendhilfe oder des Elternhauses, es ist Aufgabe der Schule, der Jugendhilfe, es ist Aufgabe der Kommunen, der Kindergärten und auch aller Nachbarn. Heute Morgen - ich komme noch mal drauf zurück - ist der Leiter des Schlupfwinkels Gera, Herr Uwe Werner, interviewt worden. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, nicht wegschauen, weil er auch gefragt worden ist, ja wie kann denn das passieren, wenn da Kinder irgendwo in eine Wohnung gehen, die eigentlich sonst gar nicht dahin gehören, da muss doch was auffallen.

Meine Damen und Herren, da möge sich jeder mal selbst an die eigene Brust fassen, was fällt uns manchmal auf und welche Konsequenzen ziehen wir manchmal daraus? Ich denke, das ist deutlich, dieses Thema geht uns alle an. Trotzdem, auch dieses muss ich sagen, es gibt Zuständigkeiten und die Zuständigkeiten sind gesetzlich wohl geregelt

(Zwischenruf Abg. Bechthum, SPD: Kontrol- lieren!)

im KJHG, im Thüringer Ausführungsgesetz zum KJHG und sogar, und da sind wir vorbildlich gewesen, in der

Thüringer Verfassung ist es niedergelegt der Kinderschutz bzw. dass Kindern nichts widerfahren darf.

Ich sage auch hier und ich sage dieses dankbar, dass die allermeisten Kommunen in unserem Freistaat damit sehr verantwortungsvoll umgehen und dieser Verantwortung durchaus auch nachkommen. Ich gebe auf der anderen Seite zu, dass es auch differenzierte Auffassungen, was die Verantwortung angeht, gibt.

Herr Nothnagel, da widerspreche ich Ihnen ausdrücklich. Das Land kann nicht all das heilen, was auf kommunaler Ebene an Verantwortung nicht wahrgenommen wird. Das geht nicht. Nach dem Motto, weil es auf kommunaler Ebene "nicht leistbar ist", deswegen muss das Land dafür einstehen. Wir werden uns auch in Zukunft mit den Kommunen zusammensetzen, beraten, wie wir gemeinsam mit den Kommunen ein Angebot an Kinderschutzdiensten weiter vervollkommnen können. Wir haben es ja mit ihnen gemeinsam aufgebaut. Wir haben es umfassend aufgebaut - dieses darf ich auch noch einmal sagen und da gilt mein Dank denen, die es gemacht haben, dass wir ein Niveau in Thüringen haben, wie es schwer vergleichbar in den anderen Bundesländern ist, allenfalls vergleichbar noch mit Rheinland-Pfalz. Sie haben von einem Nachholebedarf gesprochen. In der Tat, ein Nachholebedarf besteht im Altenburger Land, im Saale-OrlaKreis und in der Südthüringer Region und auch dort soll etwas passieren.

Wir stellen Mittel nicht nur für die Kinderschutzdienste zur Verfügung, sondern wir stellen auch Mittel für die Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Beschaffung von Fachliteratur, für die Herausgabe von öffentlichkeitswirksamen Materialien zur Verfügung. Das heißt, wir stellen praktisch pro Kinderschutzdienst Landeszuschüsse von durchschnittlich 40.000 - gung. Die diesbezüglichen Zuschüsse der Landesregierung wurden übrigens nicht gekürzt, sondern sind von 400.000   "   /889 inzwischen 550.000 $ +**/   561.000 $ +**+ 

Meine Damen und Herren, auch das Kinder- und Jugendsorgentelefon, das eine landesweite Rufnummer hat, muss an dieser Stelle erwähnt werden. Ich sage ganz ausdrücklich den 82 ausgebildeten Telefonberaterinnen und Telefonberatern, und den 36 Jugendlichen, die selbst als Jugendliche für Jugendliche Telefonberatung durchführen, meinen herzlich Dank.

(Beifall bei der CDU)

Neben den Kinder- und Jugendschutzdiensten haben wir andere Hilfen, die wir anbieten. Auch dieses muss deutlich sein und es muss rübergebracht werden. Dies sind beispielsweise Erziehungsberatungsstellen, Inobhutnahmeeinrichtungen, Jugendschutzstellen und die allgemeinen sozialen Dienste der Jugendämter.

Meine Damen und Herren, gestern hat ja die KonradAdenauer-Stiftung mit Professor Fthenakis, der ja gerade mit diesem frühkindlichen Bereich Erfahrung hat, eine Veranstaltung durchgeführt, wo auf eines ganz entschieden hingewiesen werden muss - deswegen ist Familienpolitik so wichtig: Wir sind alle dafür verantwortlich, dass Kindern und Jugendlichen nichts widerfährt und wir haben Einrichtungen, aber all dieses kann eine gut funktionierende Familie nicht ersetzen.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen ist die Förderung der Familien so immanent wichtig. Ich möchte Ihnen allen für die Redebeiträge noch einmal herzlich danken. Ich sage Ihnen an dieser Stelle, die Thüringer Landesregierung wird sich ihrer Verantwortung zum Kinder- und Jugendschutz auch in der Zukunft bewusst sein. Wir werden auch in der Zukunft einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten. Aber ich sage es noch einmal: Es kann nicht nur die Landesregierung sein, es kann nicht nur die einzelne Institution sein, wir sind alle verpflichtet, darauf zu achten und nicht wegzuschauen, wenn wir irgendetwas in dieser Richtung erleben. Herzlichen Dank.

Ich kann damit die Aktuelle Stunde schließen.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 3

Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Ausführungsgesetzes zum Bundesausbildungsförderungsgesetz Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/2254 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kunst - Drucksache 3/2357 ZWEITE BERATUNG

Als Berichterstatter ist der Abgeordnete Prof. Dr. Goebel benannt. Ich eröffne die zweite Beratung mit der Berichterstattung.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Landesregierung "Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Ausführungsgesetzes zum Bundesausbildungsförderungsgesetz" wurde in der 59. Sitzung des Thüringer Landtags am 14. März in erster Lesung beraten. Der Gesetzentwurf wurde nach einer Aufforderung durch die Frau Vizepräsidentin Ellenberger an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst überwiesen. Am 19. April behandelte der Ausschuss den Gesetzentwurf und beschloss einstimmig, dem hohen Hause dessen Annah

me zu empfehlen. Ich bitte Sie daher namens des Ausschusses um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt in der Aussprache keine Redemeldungen. Damit kann ich die Aussprache eröffnen und schließen und wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksachennummer 3/2254, da die Beschlussempfehlung die Annahme des Gesetzentwurfes empfiehlt. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? Das ist auch nicht der Fall. Damit komme ich zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmt, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall und das Gesetz ist so beschlossen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 3 und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 4

Thüringer Gesetz zum Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/2276 ERSTE BERATUNG

In erster Beratung wünscht die einreichende Landesregierung die Begründung vorzunehmen. Herr Medienminister, möchten Sie Ihren Gesetzentwurf begründen? Dann würde ich Sie darum bitten.

(Heiterkeit im Hause)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich bedanke mich für den Hinweis, ich bin durch ein sehr angeregtes Gespräch etwas abgehalten gewesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, Ihnen liegt heute das Zustimmungsgesetz zum Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag zur Beratung vor. Der Sechste Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde seitens der Regierungschefs der Länder anlässlich der Ministerpräsidentenkonferenz am 20. und 21. Dezember 2001 unterzeichnet. Mit dem Zustimmungsgesetz wird nunmehr der Landtag gebeten, dem Staatsvertrag seine Zustimmung zu erteilen und somit die entsprechende Transformation der Regelungen in Landesrecht vorzunehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bereits am 6. Dezember 2001 hatte ich den Landtagsausschuss für Bildung und Medien über die wesentlichen Inhalte und das Verfahren informiert. Gerne nutze ich die Gelegenheit, auch das Plenum nochmals kurz zu den wesentlichen Inhalten zu informieren. Der Staatsvertrag, zu dem Ihnen heute das Zu

stimmungsgesetz vorliegt, beinhaltet Novellierungsvorschläge in drei Teilbereichen: erstens im Bereich des Mediendienstestaatsvertrags, zweitens im Bereich des Rundfunkstaatsvertrags und drittens im Bereich des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags und hierbei die Neuerung der verbesserten Information der Landtage.

Die umfangreichsten Änderungen im Rahmen des Staatsvertrags werden am Mediendienstestaatsvertrag vorgenommen, auf den ich zu Beginn eingehen möchte. Sie sind im Hinblick auf die Umsetzungspflicht bezüglich der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt, die so genannte E-Commerce-Richtlinie erforderlich. Deshalb müssen die Bestimmungen des Mediendienstestaatsvertrags der Länder und des Teledienstgesetzes des Bundes für die neuen Medien an das europäische Recht angepasst werden. In diesem Zusammenhang ist auf eine gewisse zeitliche Enge hinzuweisen, die sich aus der Pflicht ergibt, die E-Commerce-Richtlinie zügig umzusetzen. Daher ist hier eine baldige Umsetzung in Thüringer Landesrecht anzustreben, um ein einheitliches InKraft-Treten aller einzelnen geänderten Bestimmungen der Staatsverträge zum 1. Juli 2002 zu gewährleisten.

Zu den Einzelheiten der Änderungen des Mediendienstestaatsvertrags:

1. Änderungen von Begriffsbestimmungen: In § 3 Mediendienstestaatsvertrag werden gesetzliche Legaldefinitionen geschaffen für die Begriffe Diensteanbieter, Nutzer, Verteildienst, Abrufdienst, kommerzielle Kommunikation sowie niedergelassene Diensteanbieter, um hier europaweit einheitliche Klassifizierungen vornehmen zu können.

2. Einführung des Herkunftslandsprinzips: Mit dem in § 5 Mediendienstestaatsvertrag festgeschriebenen Herkunftslandsprinzip wird die gegenseitige Anerkennung der für die jeweiligen Dienste geltenden einzelstaatlichen Regelungen festgeschrieben, der einen in sich konsistenten europaweiten Rechtsstandard ermöglicht.

3. Allgemeine Grundsätze der Verantwortlichkeit: In § 6 Mediendienstestaatsvertrag wird eine klare Haftungsnorm des Diensteanbieters, vergleichbar zum Presserecht, für seine eigenen Informationen festgeschrieben.

4. Überarbeitung des Datenschutzrechts: In Zusammenarbeit mit den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder wurden in den §§ 7 bis 10 und 16 bis 21 Mediendienstestaatsvertrag Novellierungsansätze eingearbeitet, die sich aus den Erfahrungen und Entwicklungen bei den neuen Informations- und Kommunikationsdiensten im Zusammenhang mit der Umsetzung des Informationsund Kommunikationsdienstegesetzes ergeben hatten. Dabei war gesetzgeberischer Handlungsbedarf in zwei Richtungen gegeben. Zum einen geht es durch Neuregelungen be

züglich der "Durchleitung, Zwischenspeicherung und Speicherung von Informationen" um die Verbesserung des allgemeinen bundesbereichsspezifischen Datenschutzrechts. Zum anderen wird aufgrund der bisherigen Erfahrung eine Optimierung der sonstigen Datenschutzbestimmungen, wie z.B. der "Auskunftsrechte des Nutzers" und bezüglich des "Datenschutzaudits" angestrebt.