Protokoll der Sitzung vom 25.04.2002

(Heiterkeit im Hause)

Uwe Höhn ist der Mann der Schlagzeilen. Alles, was ihm zu unseren Anträgen einfällt, das ist finanzpolitisches Harakiri und dann sind ihm auch die Schlagzeilen sicher. Im inhaltlichen Teil allerdings kommt nicht mehr viel.

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Wo er Recht hat, hat er Recht.)

Zu Ihnen komme ich auch noch, Herr Trautvetter.

(Heiterkeit und Unruhe im Hause)

Ich darf doch um Ernsthaftigkeit bitten. Es ist eine ernste Angelegenheit.

(Unruhe im Hause)

(Glocke der Präsidentin)

Was aber, meine Damen und Herren, ist nun eigentlich Harakiri? Im Computerspiel namens "Wer wird Millionär" gibt es eine 200 DM-Frage, die lautet schlicht: Was ist Harakiri? Die Antwortmöglichkeiten sind a) Wasserpflanze, b) ritueller Selbstmord, c) Blumensteckkunst und d) gefülltes Hähnchen. Angenommen, Sie wissen die richtige Antwort, Herr Höhn: Was wollen Sie damit sagen? Wer der wahre Meister im Harakiri ist, haben wir letzten Sonntag in Magdeburg erlebt.

(Beifall bei der PDS)

Dass Herrn Höhns Aussage 200 DM wert ist, bleibt an dieser Stelle festzuhalten.

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Dr. Schuchardt, SPD: Das ist eine Büttenrede.)

(Glocke der Präsidentin)

Herr Schuchardt, dass Sie sich zu Wort melden, das überrascht mich nun wirklich nicht.

Nun zu Herrn Mohring, der ist nicht ganz so kreativ. "Bekloppt" sagt er und meint damit mich und die PDS-Fraktion. Ich habe ja gar nichts dagegen, dass Herr Mohring ab und zu einmal ins "Neue Deutschland" schaut. Sie sollten aber hin und wieder auch einmal im "Handelsblatt" oder in der "Welt" blättern. Dort findet sich nämlich noch eine weitere Reihe von Bekloppten. Die Herren der sechs führenden deutschen Wirtschaftsinstitute zum Beispiel sehen das Wachstum in Deutschland bei 0,9 Prozent für das Jahr 2002. Franz-Christoph Zeitler, Präsident der Bayerischen Landeszentralbank, glaubt, dass die Prognose der Bundesregierung, 0,75 Prozent Wachstum in Deutschland zu erreichen, realistisch ist. Die Volkswirte der Dresdner Bank rechnen für 2002 mit einem Wachstum von 1,3 Prozent. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft sagt 1,2 Prozent Wachstum voraus, der Deutsche Sachverständigenrat 0,7 Prozent. Die April-Ergebnisse des Handelsblattfrühindikators kommen zu einem Wachstum von 1,4 Prozent. Die Aufzählung von Leuten, die noch bekloppter sein müssen als die PDS, möchte ich abschließen mit einem Zitat aus der neuesten "Welt am Sonntag". Ich zitiere, wenn ich darf: "Sicher ist, die Trendwende zum Besseren ist geschafft. Nachdem im November, Dezember und vielleicht

auch noch im Januar die deutschen Räder still standen, geht es mit der Konjunktur wieder aufwärts. Die westdeutsche Landesbank hofft sogar auf ein Wirtschaftswachstum von plus 3,5 Prozent im 2. Halbjahr dieses Jahres." Alles Bekloppte, Herr Mohring, oder rituelle Selbstmörder, Herr Höhn?

Im Gegensatz zur Landesregierung gingen wir in unserer Schätzung nur von etwa 0,6 bis 0,7 Prozent Wachstum in Deutschland aus. Bei den einzelnen Steuerarten sind noch einige spezielle Faktoren, wie z.B. Änderungen im Steuerrecht, zu berücksichtigen. Dies und nichts anderes haben wir getan. Heraus kam eine Schätzung der voraussichtlichen Einnahmen auf Grundlage der November-Steuerschätzung.

Zum Abschluss meines kleinen Exkurses zum Thema Steuerschätzung möchte ich die Fakten noch einmal klar benennen, weil es so gern missverstanden wird. Wir schätzen den Ansatz im Vergleich zum Doppelhaushalt bei den Steuereinnahmen um 250 Mio.      her - niedriger. Wir schätzen, dass die Steuereinnahmen in diesem Jahr immer noch um rund 40 Mio.    ringen hinter denen des Jahres 2000 zurückbleiben. Wir gehen davon aus, dass sich die Konjunktur in Deutschland im 2. Halbjahr wieder leicht erholt - nicht mehr und nicht weniger, Herr Finanzminister. Bevor Sie wieder eine Schlagzeile aus dem "Handelsblatt" vorbringen, empfehle ich Ihnen, künftig den gesamten Text zu lesen. Dass wir im I. Quartal 2002 ein rückläufiges Wachstum haben gegenüber dem I. Quartal 2001 ist zwar korrekt, aber das hat ja auch niemand angezweifelt. Wir reden hier über das gesamte Jahr und das hat bekanntlich vier Quartale. Wer von uns besser geschätzt hat, werden wir am Jahresende sehen; die Experten der deutschen Wirtschaft, der Banken und der PDS einerseits oder die Experten der Thüringer Landesregierung, der CDU und SPD andererseits.

Im Übrigen, Herr Trautvetter, ist Ihr Aufschrei pure Ablenkung. Wären Sie wirklich um eine - jetzt hört er gar nicht zu, auch sehr tragisch - Debatte bemüht gewesen,

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister:... muss man nicht unbedingt zuhören.)

Ja, das gehört sich aber trotzdem im Parlament, dass man zuhört, dann können Sie hier vorkommen und erwidern.

(Beifall bei der PDS)

Das ist wahr. Ja, bitte.

Ob das für Sie nun Märchen sind oder nicht.

Sie hätten die Möglichkeit gehabt, wären Sie um eine sachliche Debatte bemüht gewesen, im Ausschuss nachzufragen und zu diskutieren - doch Fehlanzeige. So bleibt mir nur der Verdacht, dass alles, was die Opposition vorschlägt, von Ihnen mit der gleichen Ignoranz abgelehnt wird, ohne es richtig gelesen zu haben. Das können ja viele von Ihnen auch nicht, wenn die Hälfte

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Das ist Igno- ranz.)

Herr Böck - Ihrer Abgeordneten im Ausschuss Bildzeitung liest und sich die bunten Bildchen anschaut.

(Beifall bei der PDS)

Zum Vorwurf der SPD muss ich natürlich auch eine kurze Bemerkung machen. Herr Gentzel, Sie haben Recht, wenn Sie in diesem Haushalt tatsächlich ein bisschen Luft vermuten. Nun werfen Sie aber im gleichen Atemzug der PDS Faulheit vor. Ich finde, dass das hier keine Karnevalsveranstaltung ist,

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Ich auch. Das gilt auch für Sie.)

wo jeder unwidersprochen sagen kann, was er will. Deswegen stellen wir es richtig. Richtig ist, Herr Gentzel, dass die PDS-Fraktion auf Ihre durchaus erfolgreiche Ententeichmethode verzichtet hat. Bekanntlich hatte die PDS mit dem Doppelhaushalt 811 Titel genauer geschätzt und in 70 Prozent der Schätzungen näher am Ist gelegen als die Landesregierung. Damit haben wir, denke ich, auch sehr glaubwürdig unsere Bemühungen um realistische Mittelanschläge verdeutlicht.

(Beifall bei der PDS)

Wir meinten, dass mit einem Nachtragshaushalt diese Methode wieder machbar, aber nicht zwingend notwendig ist. Dass die SPD jetzt anfängt, sich mit dem Haushalt zu beschäftigen, kann nun wirklich kein Grund sein, komisches Zeug an dieser Stelle zu erzählen. Fakt ist, dass die Summe, die wir aus geringeren Steuerausfällen veranschlagt haben, leicht auch mit der Ententeichmethode darzustellen wäre. Angesichts der üpl- und apl-Listen der III. und VI. Quartale kein Problem, Beträge im Haushalt in vergleichbarer Höhe zu finden. Des Ministers Bodensatz ist viel höher, viel größer als das halbe Prozent Unterschied in der Steuerschätzung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Äußerungen zum Thema "Nettoneuverschuldung" seitens derer, die den Schuldenberg erst angehäuft haben, werden immer grotesker.

(Beifall bei der PDS)

Sie wagen sich doch tatsächlich, uns der ungehemmten Schuldenmacherei zu bezichtigen, nur weil wir die

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU)

ich erkläre es doch. Sie sind so ungeduldig, das verstehe ich immer nicht - Neuverschuldungen in diesem Jahr auf 500 Mio.    !  "! # mal daran erinnern, wer in den letzten elf Jahren für die Schuldenaufnahme federführend verantwortlich war und wie viel Schulden jedes Jahr aufgenommen wurden 1 Mrd. $ $  %&!#'schuldung auf 0,5 Mrd. "     # Herr Althaus.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU)

Na, Sie nicht, Sie schreien selten.

Unser Vorschlag bedeutet eine Senkung der Neuverschuldung gegenüber dem Jahr 2001 um 250 Mio. (  Sie auf zu erzählen, wir würden ständig die Neuverschuldung erhöhen wollen. Der Maßstab für die Erhöhung oder Senkung ist immer noch das Vorjahr und nicht eine Plankennziffer aus einer Zeit, in der die konjunkturelle Entwicklung wesentlich besser war.

(Beifall bei der PDS)

Ich hatte es in der ersten Rede zum Nachtragshaushalt schon erwähnt, die Annahmen lagen vor der Aufstellung des Doppelhaushalts jenseits der 2 Prozent. Ich darf an dieser Stelle Heiner Flassbeck zitieren aus dem Jahr 1999, damals noch, meines Wissens, Finanzstaatssekretär unter Lafontaine. "Ich bin mir sicher", sagte er, "dass eine Politik, die ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation Haushaltskonsolidierung betreiben will, Schiffbruch erleiden wird, wenn nicht ein Wunder geschieht."

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Wo er Recht hat, hat er Recht.)

An anderer Stelle im Gespräch mit dem "Freitag": "Es gibt eine nur noch irrational zu nennende Dämonisierung von Verschuldung."; und an anderer Stelle: "Wer heute die Kanalisation in Deutschland erneuert, hat davon Erträge nicht nur in den nächsten fünf, sondern noch in 50 Jahren. Wer es aber jetzt unterlässt, bürdet den künftigen Generationen viel höhere Kosten auf." So weit das Zitat. Dieses und anderes mehr finden Sie übrigens auf den Seiten im Internet, die ein gewisser Wolfgang Thierse zur Diskussion seiner Thesen unter dem Motto "Thierse hat Recht" stellt. Vielleicht steht es auch nicht mehr im Internet, das kann ich nicht sagen, dann hätte es Gründe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als die CDU im Dezember 2000 beschlossen hat, die Neuverschuldung

im Jahr 2002 um 356 Mio.     selbe CDU eine Steigerung der Steuereinnahmen um 279 Mio. prophezeit. Als ob das eine mit dem anderen nichts zu tun hätte, sagen Sie jetzt, die Steuereinnahmen bleiben zwar aus, aber am Abbau der Neuverschuldung um 356 Mio. ändert sich trotzdem nichts.

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie daran erinnern, dass in diesem Land schon einmal eine Regierung Schiffbruch erlitten hat, weil sie die ökonomischen Realitäten nicht zur Kenntnis nahm und stattdessen an ihren ideologisch gestrickten Plänen festhielt.

(Beifall bei der PDS)