Protokoll der Sitzung vom 14.06.2002

(Beifall bei der CDU)

Ja, gut, das steht Ihnen selbstverständlich zu. Aber Sie werden doch verstehen, dass ich hier ein bisschen Klarheit schaffen muss, weil ich gehört habe, dass es andere Absprachen gegeben hat. Das musste ich jetzt vorher erst einmal klären.

Dann machen wir in der Aussprache weiter. Ich bitte Herrn Dr. Botz ans Rednerpult.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zuerst möchte ich zu dem sprechen, was der Herr Minister uns hier vorgestellt hat, und dann noch auf einige Teile der Beschlussempfehlung eingehen.

Zuerst zur Weiterentwicklung der europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung: Öffentlichkeitsarbeit in EU-Angelegenheiten gehört auch für die Bundesländer zur Pflichtaufgabe und nicht nur zur Kür, wie man ab und zu den Eindruck haben kann. Das ergibt sich schlicht und einfach aus den EG- und aus den neueren, jüngeren EUVerträgen, in denen sich die Mitgliedsstaaten verpflichtet haben, ihren Bürgern und Institutionen gegenüber die sich aus den Verträgen ergebenden Konsequenzen zu erläutern, zu erklären und ihnen nahe zu legen. Dazu gehört, dass neben den Rechten auch die Pflichten, neben den Belastungen auch die Vorteile, die sich aus dem Integrationsprozess ergeben, öffentlich verbreitet und erläutert werden. Für Deutschland heißt das als Mitgliedsstaat, neben dem Bund sind im Zusammenhang mit unserem föderalen Staatsaufbau auch die jeweiligen Länderregierungen in der Pflicht. So weit zur Sachlage.

Natürlich kann man erwarten, dass ein Minister für Bundesund Europaangelegenheiten, wie eben geschehen, sich dieser Pflicht als Erster stellt. Das, erlaube ich mir hier anzufügen, ist auch von der Reihenfolge hier auf jeden Fall, so schätze ich das jedenfalls ein, die richtige gewesen, dass der Minister diesen Punkt, den man auch von ihm erwartet hat, jetzt hier vorgestellt hat. Aber dabei darf es nicht bleiben. Da möchte ich auch mit einer Kritik beginnen.

Eine Landesregierung, die allein schon über vier Minister verfügt, die direkt oder indirekt in der Funktion von Fondsverwaltern der Europäischen Strukturfonds sind, muss auch in diesem Aufgabenbereich zum Mannschaftsspiel übergehen. Wenn ich mich da hier so umschaue, dann bin ich ja froh, dass zwei wichtige Ministerien, die ich jetzt hier mit gemeint habe, ja vertreten sind.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Schauen Sie in Ihre Fraktion, da sehe ich auch nicht viele.)

Ich spreche von einer Landesregierung,

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU)

schauen Sie sich die Tagesordnung an, hier geht es um die Weiterentwicklung der europäischen Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung. Insgesamt möchte ich einmal sagen, dass ich schon einigermaßen froh bin, wenn ich mir das insgesamt anschaue. Wir haben da schon Schlechteres erlebt. Deswegen wollte ich auch zu einer Kritik gegenüber dem gesamten Hause jetzt gar nicht ausholen. Ich bin angesichts des Zeitpunkts, in dem wir uns jetzt in beiden Plenartagungen befinden, dankbar dafür, dass relativ viele Kollegen sich die Zeit nehmen.

(Beifall bei der PDS)

Lassen Sie mich fortfahren. Es darf trotzdem nicht dabei bleiben - und das fassen Sie doch bitte einmal als eine nach vorn gerichtete fruchtbare Kritik auf -, dass natürlich nicht nur in erster Linie der zuständige Minister, sondern auch andere eventuell hier in der Debatte dann das Wort ergreifen, das kann ja auch noch passieren, wir würden uns freuen.

Der Integrationsprozess hat inzwischen, weil die Mitgliedsstaaten es so wollten, viele Politikbereiche erfasst. Da ich das eingeschoben habe, weil die Mitgliedsstaaten das wollten, für uns in Deutschland heißt das ja seit vielen Jahrzehnten, dass die Bundesländerkammer immer mit überragender Mehrheit, sehr oft in Einstimmigkeit, diesen Willen der nationalen Mitgliedsstaaten untersetzt hat. Das heißt, es drückt sich darin aus, dass es so viele Politikbereiche schon sind, in denen wir miteinander integriert umgehen innerhalb der Europäischen Union. Das ist auch ein Ausdruck der Willensbildung der Bundesländer, und zwar auch über Jahrzehnte. Die politischen Akteure in diesen Bereichen stehen in der Pflicht, auch ihren Teil zur

Öffentlichkeitsarbeit beizutragen. Dort, wo es Kritik an europäischen Entscheidungen gibt - das darf ich hier fraktionsübergreifend einmal zum Ausdruck bringen, ich hoffe, damit können Sie leben, ich kann meine Partei jedenfalls weder auf Landes- noch auf Kommunal- und Bundesebene irgendwann historisch rückschauend ausnehmen -, kommt das häufiger in der Öffentlichkeit zum Tragen. Das ist letzten Endes auch gut so, weil kritikwürdige Zustände natürlich stark beleuchtet werden müssen. Dort, wo es Nutzen und Vorteile gibt, ist das nicht immer ganz so stark. Darauf komme ich auch noch einmal zurück.

Dabei geht es meines Erachtens nicht in erster Linie darum, Bürger von einer Idee zu begeistern, das hört man sehr oft aus unseren Reihen. Ich glaube nicht, dass es in erster Linie um Begeisterung geht. Ich finde diese Begeisterung auch sehr selten vor Ort vor. Auch bei Bürgerinnen und Bürgern, die sich seit vielen Jahren mit Europa intensiv beschäftigen, hält sich die Begeisterung in Grenzen. Das hat auch gute Gründe. Der Herr Minister hat das im ersten Teil seines Betrags noch einmal begründet und analysiert. Es geht eigentlich darum, den nüchternen Abwägungsprozess, den die großen Parteien Deutschlands bisher immer in großer Übereinstimmung vollzogen haben, auch für die Bürger besser nachvollziehbar und auch verständlicher darzustellen. Das Ergebnis dieses Bemühens, das, so sehe ich das, unser gemeinsames Bemühen ist, ist auch relativ selten Begeisterung. Aber eine gewisse Anerkennung und nüchternes Erfassen, das sich Hineinfügen auch in Realitäten, selbst das kann sehr hilfreich sein.

Es ist sehr wichtig, dass wir - da die Nation und die nationalen Ebenen sich immer sehr stark und auch öffentlich wahrnehmbar zu europapolitischen Fragen äußern als Region, hier also als Länderkammer - uns stärker in diesen begonnenen Integrationsprozess einfügen und einbringen. Das ist allerdings schwierig und bringt seltener Beifall vom oft unzureichend informierten Publikum. Aber es ist unsere Pflicht, in der wir stehen und der wir uns auf Dauer auch stellen müssen, wenn wir als Politiker glaubwürdig bleiben wollen.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, lassen Sie mich das vielleicht einmal überspitzt sagen, aber davon bin ich überzeugt: Jeder Politiker ist, unabhängig auf welcher Ebene er arbeitet, vom Kommunalpolitiker bis hin zum Europaabgeordneten, letzten Endes ein Europapolitiker. Ich will das auch noch einmal unterstreichen. Wenn wir, viele von uns hatten dazu schon Gelegenheit, mit Politikern aus den Vereinigten Staaten von Amerika zusammentreffen, ob das nun in den USA oder ab und zu auch hier in Europa, in Thüringen, der Fall ist, wir haben ja häufiger diese Gelegenheit, dann werden Sie nie auf irgendeinen Politiker der kommunalen, der einzelstaatlichen Ebene der Vereinigten Staaten von Amerika treffen, der auch nur ansatzweise Ihnen gegenüber bezweifeln oder klarstellen würde, dass er nur der oder der Politiker in den Vereinigten Staaten von Amerika ist, sondern er lässt sich auf jeder Ebene selbstverständlich als Politiker der Vereinig

ten Staaten von Amerika ansprechen. Ohne dem Modell der Vereinigten Staaten von Amerika irgendwie hinterher rennen zu wollen, hinsichtlich des Selbstverständnisses dessen, was man ist und woran man arbeitet, würde ich das auch uns, damit meine ich jetzt nicht nur die Anwesenden in diesem Hause, sondern alle, die zeitlich befristet in politischer Verantwortung stehen, nahe legen, sich das vielleicht auch stärker zu verinnerlichen.

Nun noch einige Bemerkungen zur Beschlussempfehlung. Natürlich begrüßen wir in der SPD-Landtagsfraktion vom Grundsatz her europapolitische Aktivitäten der Landesregierung. Ob diese nun als umfassend eingeschätzt werden, wie es hier im Antrag klingt, oder nicht - ich möchte damit nicht allzu viel Zeit verschwenden. Die Damen und Herren in der Mitte des Hauses werden eher geneigt sein, zu sagen, ja, das sind umfassende europapolitische Aktivitäten. Ich freue mich über die Bemerkung des Herrn Ministers, der ja selber darauf hingewiesen hat, dass es noch Reserven, mögliche Verstärkungen von Synergieeffekten gibt. Niemand ist so gut - das erlaube ich mir hier ganz klar zu sagen -, dass er auch in der 2. Legislaturperiode nicht auf diesem Gebiet noch besser werden könnte. Aber ich habe keine Lust, mich über diesen Begriff umfassend zu streiten. Ich denke, dass es grundsätzlich gut ist, dass es diese Vielzahl europapolitischer Aktivitäten gibt, die auch der Minister aufgezählt hat. Ich erspare mir, noch einmal im Detail darauf einzugehen.

Der europäische Integrationsprozess braucht eine aktive Mitgestaltung aus der regionalen Ebene heraus, unterhalb der nach wie vor dominierenden nationalen Ebene. Dass das im Interesse des Föderalismus geschieht, ist selbstverständlich. Die Orientierung am Prinzip der Subsidiarität, die in der Beschlussvorlage ausdrücklich auftaucht, hat natürlich auch zwei Seiten. Die eine betonen wir hier von der Ebene des Landes aus berechtigt sehr oft und sehr laut und das ist auch unsere Verantwortung und der möchte ich mich mit meiner Fraktion selbstverständlich inhaltlich anschließen. Dabei geht es darum, dass wir alle die Überzeugung teilen, dass auf unterer politischer Ebene besser und bürgernäher entschieden werden kann und deshalb alles, was dort entschieden werden kann, auch dort entschieden werden sollte, um mit einfachen deutschen Worten noch einmal diesen schwierigen Begriff der Subsidiarität kurz zu umreißen.

Im Umkehrschluss, meine Damen und Herren, und auch das will ich an der Stelle noch einmal zum Ausdruck bringen, muss man auch sagen, dass die Dinge, die besser gemeinschaftlich geregelt werden, natürlich auch als solche dargestellt werden müssen. Auch wenn sie oft so selbstverständlich sind, müssen wir in dieser Verantwortung, die ich eingangs beschrieben habe, auch den Umkehrschluss in der europäischen Öffentlichkeitsarbeit unseren Bürgern gegenüber - auch wenn es schwieriger ist, wenn es mehr Kraft kostet - stärker ausführen. Wir als Landtagsabgeordnete oder Sie in der Exekutive stehen natürlich auch in dieser Verantwortung.

Allzu oft beugt man sich in Brüssel und in Berlin auch als Landespolitiker diesen gemeinschaftlichen Notwendigkeiten, lässt es dann aber zu Hause an Kraft und Ausdauer fehlen, auch diese einer zweifelnden Bürgerschaft nahe zu bringen. Es ist natürlich viel leichter, meine Damen und Herren, das wissen wir alle, wenn wir ehrlich sind, auf eine ferne Eurokratie in Brüssel einzuprügeln, und zwar unabhängig davon, ob diese Fehlleistungen erbracht hat oder nicht. Dass sie regelmäßig Fehlleistungen aus unserer Sicht erbringt, ist unstrittig. Das will ich hier ausdrücklich noch einmal erwähnen. Ich brauche auch die ganzen Beispiele, einige davon wurden kurz angerissen, nicht noch einmal aufzählen, um diesen Beitrag nicht zu lange auszudehnen.

Lassen Sie mich, verehrte Kollegen aus der CDU, aber noch auf einen Punkt kommen, der im Entschlussantrag zum Ausdruck kommt, über den wir uns freuen, den wir nachdrücklich unterstützen, und zwar geht es hier um die Einbeziehung der zivilgesellschaftlichen Kräfte in die laufenden öffentlichen Debatten zur Zukunft der Europäischen Union. Meine Damen und Herren in der CDU, Sie müssen sich natürlich klar darüber sein, dass mit ernsthaften Bemühungen auf diesem Wege genau diejenigen Teile der Bürgerschaft Thüringens zur stärkeren Teilhabe aufgefordert werden und die werden sich auch dazu aufgefordert fühlen, die das zurzeit auch auf anderen Gebieten tun. Es geht, genauer gesagt, um die 100.000 Bürger, die sich mit ihrer Unterschrift für eine Verstärkung des Verfassungselements Volksbegehren in Thüringen eindeutig geäußert haben. Diese Klientel wird auf eine solche Beschlussvorlage, sich in den Meinungsbildungsprozess in Europa stärker einzubringen, sich auch am stärksten ansprechen lassen.

An dieser Stelle möchte ich Sie noch einmal darauf hinweisen, dass man auf der einen politischen Ebene dem Bürger nicht etwas versagen sollte, wozu man sie auf einer anderen politischen Ebene, weil es ganz einfach erst einmal schneller ausgesprochen ist und besser klingt, auffordert.

Abschließend noch zu dem Teil, den wir hier in der Beschlussvorlage sozusagen im eigenen Interesse als Abgeordnete dieses Hauses mit Blick auf die kommenden Verstärkungen unserer eigenen europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit zum Ausdruck bringen. Wir stimmen prinzipiell zu. Ich gestatte mir noch eine Erläuterung, auch wenn das eine persönliche ist, das geht sicher auch etwas auf meine älteren Erfahrungen zurück. Ich sage es einmal ausdrücklich, ich habe nach wie vor, und bitte das wirklich vielleicht in Zukunft etwas zu bedenken, Probleme mit dieser Art und Weise des Vorgehens, Europa in eine Woche zu packen und veranstaltungsmäßig und deklarativ in einer Woche während eines Jahres sozusagen dem Bürger näher zu bringen. Das sind redliche Bemühungen. Wir erreichen damit durchaus auch etwas, aber dieses Verfahren, meine Damen und Herren, stammt aus einer Zeit, in der Europa in Stagnation war. Wir sind viel weiter. Wir haben nicht nur den Euro in der Tasche, wir sind zeitlich und thematisch dort angelangt, wo Europa allgegenwärtig ist. Wir brauchen dazu nicht eine Woche, wir können derartige Veran

staltungen und Bemühungen auch als Parlament fast an jedem Tag oder auch in jeder Woche unserer parlamentarischen Aktivitäten ansetzen. Zur Beteiligung von Schulklassen, die wir ausdrücklich auch angesichts der Debatte des heutigen Tages unterstützen, möchte ich nur noch eine Anmerkung machen. Unsere Erfahrung ist, wenn man da möglichst breit und schnell in die Fläche kommen will, ist man mit wenigen Klassen vielleicht, die man zu so einem Tag einladen kann, nicht allzu gut beraten. Vielleicht können wir bei den Detailüberlegungen dann zukünftig darüber nachdenken, Gruppen von Schülern aus mehreren Klassen, hoffentlich breiträumig verteilt über den Freistaat, zu solchen Debatten hierher zu holen und sie sozusagen als Multiplikatoren, als kleine Botschafter angeregt, wieder zurückzuschicken in ihre Schulen, um dort etwas auszulösen. Aber das nur als Anregung.

Einen letzten Vorschlag möchte ich Ihnen noch machen, meine Damen und Herren, zu den Parlamentspartnerschaften, zu denen wir hier eine Aussage treffen, dass wir sie aktiv weiterführen wollen, eventuell ergänzen wollen. Wir wissen alle, dass Geld auch für dieses Parlament knapper wird und dass es uns schwer fallen wird, zu weiteren regionalen oder auch nationalen Parlamenten Kontakte aufrechtzuerhalten oder neu aufzunehmen. Das hat letzten Endes, da müssen wir ehrlich sein, etwas mit dem Status von Parlamentariern zu tun. Die kann man nicht überall unterbringen, die muss man statusgemäß, so wie wir das bei uns ja auch erwarten, immer mit etwas höherem finanziellen Aufwand natürlich begleiten. Vielleicht greifen Sie, verehrte Kollegen einen Vorschlag meinerseits einmal auf. Wir haben eine sehr gute Tradition hier, die manchmal belächelt wird, die aber sehr sinnvoll ist, die Tradition der parlamentarischen Abende. Warum sollten wir nicht mit einem Teil von finanzieller Unterstützung aus dem Parlament heraus diejenigen, die diese parlamentarischen Abende für uns und mit uns hier ausrichten, auffordern, ladet doch ihr als Branche, ihr als Verband, ihr als Interessenvertretung den einen oder anderen Freund oder Kollegen aus einem anderen Mitgliedsstaat, vergleichbare Branche, vergleichbare Interessengruppen, vielleicht auch aus einem beitrittswilligen Staat, mit zu einem solchen Abend ein, damit eben die Allgegenwärtigkeit Europas auch personell besser vertreten ist und damit wir nicht nur in Worten, sondern auch in Taten europäische Öffentlichkeitsarbeit auch für uns alle emotional vielleicht tiefer gehend in Zukunft ausgestalten können. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort Frau Abgeordnete Sedlacik, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mein Fraktionskollege, der Abgeordnete Dr. Koch, hat sich bereits am 12. August 2001 in der Aussprache zur Großen Anfrage der CDU-Fraktion und der Antwort der Landesregierung zum Thema "Anstehende europäische Herausforderungen" zum Antrag geäußert. Er kündigte damals an, dass er diesem Antrag nicht zustimmen werde,

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: So was.)

weil er zwar harmlos und weit gehend unschädlich sei, im Übrigen aber nicht geeignet sei, die Landesregierung zu veranlassen, ein stärkeres europäisches, europapolitisches Profil zu zeigen. Diese damalige Feststellung möchte ich ergänzen. Den in der Beschlussempfehlung vorgesehenen Maßnahmen europapolitischer Öffentlichkeitsarbeit des Landtags könnte meine Fraktion zustimmen, stünden nur diese zur Abstimmung. Wie heißt es denn im ersten Abschnitt der Beschlussempfehlung, ich zitiere wörtlich: "Der Landtag begrüßt die umfassenden europäischen Aktivitäten der Landesregierung als wichtigen Beitrag zur Mitgestaltung des europäischen Integrationsprozesses. Er unterstützt die Bestrebung der Landesregierung zur Fortentwicklung des europäischen Vertragswerks im Interesse einer am Föderalismus und am Subsidiaritätsprinzip orientierten Landespolitik." Meine Fraktion wird weder die umfassenden europäischen Aktivitäten der Landesregierung begrüßen, noch die Bestrebung der Landesregierung zur Fortentwicklung des europäischen Vertragswerks unterstützen. Dies widerspräche nämlich unserem Verständnis von der Rolle der Opposition in einer parlamentarischen Demokratie.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Gleiches Prinzip dagegen.)

Wir verstehen unsere Aufgabe, hören Sie gut zu, Frau Groß, als Opposition darin, die Landesregierung zu kontrollieren und gegebenenfalls alternative Handlungsvorschläge zu machen. Selbstverständlich machen wir uns nicht zu bezahlten Beifallsklatschern der Landesregierung.

(Unruhe bei der CDU)

Deshalb wird sich meine Fraktion mehrheitlich bei der Abstimmung des Entschließungsantrags enthalten. Das heißt aber nicht, dass wir uns über unsere europapolitischen Vorstellungen nicht an den Prinzipien des Föderalismus und der Subsidiarität orientieren. Allerdings wären die Bestrebungen der Landesregierung zur Fortentwicklung des europäischen Vertragswerks ungenügend, wenn sie sich darauf beschränkten, die Ausdehnung der Politik der EU auf Kosten von Länderkompetenzen zu verhindern bzw. rückgängig zu machen. Für uns ist der Ausbau der demokratischen Grundlagen der Union entscheidend. Das heißt zum einen eine Parlamentarisierung der EU-Entscheidungsverfahren zu anderen Formen und Möglichkeiten

der politischen Einflussnahme von unten durch die Institutionalisierung von Referenten zu wichtigen Fragen der EUEbene und durch den Ausbau von Beteiligungsrechten von nicht Regierungsorganisationen. Daneben allerdings müssen Entscheidungsbereiche auch auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene verbleiben, weil bekanntlich die demokratischen Einflussmöglichkeiten des Individuums vor Ort meist noch am größten sind. Insoweit hat das Postulat eines Europa der Regionen für uns einen demokratischen Sinngehalt.

Meine Damen und Herren, der Landtag sollte sich nicht nur für seine eigene Parlamentspartnerschaft im zukünftigen EU-Beitrittsland Litauen zuständig fühlen, sondern sich verstärkt um die Zusammenarbeit mit den bestehenden Thüringer Partnerregionen Picardie in Frankreich und Essex in Großbritannien kümmern. Das Land Thüringen sollte sich aber im Interesse der Förderung des Verständnisses für die Arbeit mit den Partnerregionen als Teil der Arbeit in der EU und der Entwicklung stabiler Kontakte, auch bei wirtschaftlichen Aktivitäten, wieder mehr für die bestehenden Partnerregionen interessieren. Das muss nicht unbedingt mehr Geld kosten. Als Kommunal- und Landespolitikerin meine ich, dass es vor allem wichtig ist, sich überhaupt mit der europäischen Dimension von Kommunalpolitik zu befassen. Wie erleben unsere Bürger in den Kommunen die EU? Einerseits verstehe ich, dass die Bevölkerung weit verbreitetes Desinteresse zeigt, Skepsis, das Misstrauen gegenüber euopäischer Politik, der europäischen Integration und den europäischen Institutionen. Wenn ich einmal verkürzt von Europapolitik sprechen darf, so ist sie nicht nur in der Sicht vieler Menschen, sondern auch real von einem Verlust strategischer Orientierung, von Bürokratie, Bürgerferne und Demokratiedefiziten gekennzeichnet. Der Beitritt der Mittel- und Osteuropäischen Staaten zur EU hat zweifelsohne eine historische Dimension. Er wird meiner Meinung nach jedoch eher buchhalterisch, ohne Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger betrieben. Das Ziel eines freien wirtschaftlichen Wettbewerbs dominiert eindeutig über soziale, kulturelle, ökologische, demokratische Belange. Die Auseinandersetzung um die Leistungen der Daseinsfürsorge ist dafür ein konkretes und beredtes Beispiel. Ich glaube jedoch, dass viele Menschen die Wasser- und Abwasserpreise, die Qualität des öffentlichen Personenverkehrs oder auch die Angriffe auf das Sparkassensystem ganz und gar nicht als solche Verbesserung erfahren haben. Dass Deregulierung und Privatisierung zudem in den meisten Fällen auch mit der Gefährdung von Arbeitsplätzen, tariflicher Bezahlung und kommunaler Gestaltungsmöglichkeiten einhergehen, ist zumindest den Betroffenen bekannt. Dies sind Gründe, die nach meiner Überzeugung Gleichgültigkeit und Ablehnung gegenüber der EU und der europäischen Integration in Deutschland genährt haben. Wie immer man zur EU stehen mag, Passivität und Gleichgültigkeit sind die falsche Antwort, denn Europa ist eine machtvolle, kommunale und alltägliche Realität. Wir sind von europäischer Politik umfassend betroffen, zumindest unter diesem Gesichtspunkt sind wir gut beraten, uns unsererseits auch um sie zu kümmern, uns

zu informieren und wo immer es möglich ist, selbst Einfluss zu nehmen. Gegenwärtig ist der vorgeschlagene Entschließungsantrag für mich schon wieder ein Stück Papier. Ich hoffe, dass das nicht so bleibt. Ich will das auch begründen. Denn wenn es konkret wird und ich mich als Landespolitikerin und als Frau weiterbilden will, wie zu der kürzlich angekündigten Fachtagung unter dem Thema "Politische Partizipation von Frauen im europäischen Kontext" in der Thüringer Staatskanzlei, bekomme ich die Antwort, ich zitiere: "Aufgrund der Sperrung der Haushaltsmittel für die Universität Erfurt müssen wir bedauerlicherweise die Veranstaltung absagen." Absender: Landeszentrale für politische Bildung. Die interessierten Frauen Thüringens werden also ein Jahr auf ihre Weiterbildung warten müssen. So hat uns das Leben wieder eingeholt. Also, nutzen wir doch wenigstens unseren bevorstehenden Urlaub, um uns für Europa fit zu machen. Wer nicht verreisen will oder verreisen kann, dem bleibt ja, wie wir heute hörten von unserem Minister Herrn Gnauck, immer noch das Internet.

(Beifall bei der PDS)

So, das Wort hat jetzt der Abgeordnete Bergemann, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Botz, das ist so wie im Eiskunstlaufen, da ist die Pflicht vorgeschrieben, die muss man durchführen, aber die Kür, die bleibt den Aktiven individuell vorbehalten. Für die Kür, die die Landesregierung heute hier geboten hat, herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Das war ja ganz neu.)

Europäische Demokratie setzt auch europäische Öffentlichkeit voraus. Frau Kollegin Sedlacik, es ist klar, Sie sind ja noch recht jung dabei. Ich hoffe, dass die PDS inzwischen die Frage des Nachrückens im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten nach Monaten geklärt hat. Das zeigt auch das Europaverständnis in der Fraktion, dass man über Wochen nicht in der Lage ist, irgendeinen Menschen zu benennen. Aber Sie sind noch jung dabei, deshalb nehme ich Ihnen das überhaupt nicht übel. Zu dem, was Sie vorgetragen haben, empfehle ich Ihnen mal in der Urlaubszeit, beschäftigen Sie sich mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, da stehen all die Dinge drin, die Sie jetzt einmal so aufgezählt haben, die von Ihnen verlangt werden. Es wäre vielleicht eine sinnvolle Lektüre für die Urlaubszeit. Dass die PDS noch nie eine Europapartei war im Gegensatz zur Union, das brauche ich, glaube ich, hier überhaupt nicht zu erwähnen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Ärgern Sie uns nicht, dann beantrage ich nament- liche Abstimmung.)

Das können Sie gern tun, Frau Nitzpon.

Ausgangspunkt der ganzen Diskussionen war tatsächlich die Drucksache 3/1825 zu den anstehenden europapolitischen Herausforderungen. Ich kann mich nicht erinnern, wenn man mal in die Legislaturen zurückschaut, dass jemals seit 1990 europapolitisch eine solch umfassende Diskussion in einer Legislaturperiode stattgefunden hat, mit einer Großen Anfrage, die flächendeckend solche Themen aufgreift, die wir heute diskutieren, die wir auch in der Drucksache 3/1878 diskutiert haben, die Landesregierung hat Regierungserklärungen abgegeben. Wir haben Europa ein ganzes Stück vorangebracht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)