Protokoll der Sitzung vom 14.06.2002

Berichtsvorlage der Enquetekommission 3/1 "Wahrung der Würde des menschlichen Lebens in Grenzsituationen" Antrag der Abgeordneten Arenhövel, Bechthum, Braasch, Dr. Fischer, Prof. Dr. Goebel, Nothnagel, Pelke, Sonntag, Tasch, Zitzmann - Drucksache 3/2482

Begründung durch den Einreicher sehe ich nicht. Es gibt auch keinen Wunsch nach Aussprache, denn was dort begehrt wird, ist eindeutig, nämlich Verlängerung des Termins. Dann können wir unmittelbar zur Abstimmung kommen, da auch eine Ausschussüberweisung unsinnig ist. Also, stimmen wir über den Antrag in Drucksache 3/2482 direkt ab. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? Auch nicht, dann einstimmig so be

schlossen und ich kann den Tagesordnungspunkt 16 schließen.

Aufruf des Tagesordnungspunkts 17

Benachteiligungen und Überführungslücken im Rentenrecht beseitigen Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/2485 - korrigierte Neufassung

Wird Begründung durch den Einreicher gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann können wir zum Sofortbericht der Landesregierung kommen. Der wird gegeben, ja, aber der Minister ist abhanden...

(Heiterkeit im Hause)

Jetzt haben wir uns so beeilt. Herr Minister, sind Sie in der Lage und willens, uns den Sofortbericht zum Tagesordnungspunkt 17 zu geben? Sie haben die richtige Mappe? Gut.

Also erstens, ich habe überhaupt eine Mappe und zweitens die richtige und ich bin überrascht von der Geschwindigkeit des letzten Tagesordnungspunkts.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Antrag der PDS-Fraktion zum Rentenrecht finde ich schon etwas merkwürdig. Es ist vieles zusammengeschrieben worden, was wir mehrfach hier beraten haben, was zum Teil geklärt wird, einiges allerdings auch, wo gerade Thüringen dran ist, im Bundesrat immer wieder Initiativen zu ergreifen und zum Teil, und das befürchte ich manchmal bei diesen Anträgen der PDS, um alte Kamellen hochzuziehen, um Sonderversorgungssysteme für ihre Altparteimitglieder doch noch irgendwie durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, offenbar leiden die Antragsteller der PDS-Fraktion an Amnesie. Erinnern Sie sich noch an das Rentenrecht der DDR ausreichend?

(Unruhe im Hause)

Auch darauf muss man einmal hinweisen, die vielen Sonder- und Zusatzversorgungssysteme in der DDR waren Streicheleinheiten für etwas, was man im Augenblick nicht leisten konnte und wo man auf die Zukunft gebaut hat, vertraut hat, in die Zukunft vertröstet hat, will ich einmal sagen, denn, dass man diese ganzen Sonder- und Zusatzversorgungssysteme nicht hätte auf die Dauer bedienen können, das dürfte auch klar sein. Die DDR hat damit ein Rentenrecht geschaffen, was eben nicht mehr Recht war,

(Beifall bei der CDU)

sondern was Willkür und Privilegien geschaffen hat und wo diejenigen, die es damals geschaffen haben, wohl wissend, dass es nicht erfüllt werden kann, jetzt plötzlich die Umsetzung dieser Versprechungen verlangen. Meine Damen und Herren, das ist beim besten Willen nicht alles möglich. Das Rentenrecht, auch oder gerade in den neuen Bundesländern entscheidet sich eben nach Rechtslage und dort, wo zum Teil keine Beiträge bezahlt worden sind, besteht auch leider, muss man dann sagen, für die älteren Mitbürger keine Möglichkeit, daraus Rechtsansprüche ableiten zu können.

Meine Damen und Herren, wir haben unterdessen ein einheitliches deutsches Recht, das für alle Bürger gilt, und wir können nicht ehemals zugesagte - ich sage es hier so Privilegien - es hört sich merkwürdig an - aber Privilegien realisieren, die die Rentner in den alten Bundesländern dann nicht haben,

(Beifall bei der CDU)

nur weil die SED-Regierung einmal irgendwelche Zusagen gemacht hat. Ich denke, dass insbesondere unsere Rentner Gewinner der deutschen Einheit sind und das ist auch recht so und das ist auch gut so und ich gönne es unseren Rentnern von Herzen. Wir müssen natürlich aber auch sehen, was möglich ist. Es wird nicht möglich sein, alle Ansprüche und alle Wünsche zu erfüllen. Das liegt in der Natur der Sache, dass z.B. Stichtagsregelungen für einen Teil der Betroffenen als ungerecht empfunden werden, wenngleich das nicht zu ändern ist. Es gibt auf der anderen Seite natürlich auch Dinge, die durchaus noch einer Klärung harren. Was wir nicht ändern können ist beispielsweise das Problem der mithelfenden Familienangehörigen als eine Ihrer Forderungen. Wenn schon nach DDR-Recht keine Versicherungspflicht bestand und keine freiwilligen Beträge gezahlt wurden, dann kann es natürlich auch im neuen Rentenrecht nicht zu einer Anrechnung kommen. Denn auch nach DDR-Recht unterlag dieser Personenkreis nicht zu jener Zeit der Versicherungspflicht bzw. sie konnten sich von der Versicherungspflicht befreien lassen. Viele haben davon Gebrauch gemacht. Soweit Beiträge entrichtet wurden, wird es ja berücksichtigt. Nur dort, wo keine Beiträge gezahlt worden sind, kann es selbstverständlich auch nicht berücksichtigt werden.

Die weitere Forderung nach Regelung für das Personal im Gesundheits- und Sozialwesen, die nach DDR-Recht einen besonderen Steigerungssatz für die Rentenberechnung erhielten, passt nicht in das System des SGB VI. Das ist ein ganz typisches Beispiel für das, was ich vorhin gesagt habe. Als es nämlich nicht mehr genügend Personal im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens gab, da hat man eine Zusage gemacht, eine Zusage mit Vertröstung auf die Zukunft hin. Weil man nämlich nicht Löhne zahlen wollte und nicht Löhne zahlen konnte, die nötig und sinnvoll gewesen wären, also hat man in die Zukunft ver

tröstet. Diese Vertröstung in die Zukunft kann man nicht in das bundesdeutsche Rentenrecht so übernehmen.

Eine weitere im Antrag angesprochene Gruppe sind die Balletttänzerinnen und -tänzer. Wenn sie ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben konnten und sich in einem Arbeitsverhältnis zu einem Theater oder zum Fernsehen befanden, erhielten sie nach DDR-Recht eine berufsbezogene Zuwendung, deren Höhe betrug 50 Prozent der monatlichen Bruttogage, höchstens jedoch 800 Mark monatlich. Diese Leistungen konnten bereits mit dem vollendeten 35. Lebensjahr und nach 15 Berufsjahren gezahlt werden. Das heißt jedoch nicht, dass insgesamt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorlag oder vorliegen musste. Es handelt sich hier um eine Leistung, die im Rentenrecht der Bundesrepublik eben keine Berücksichtigung findet.

Zum Nächsten: Die Gruppe derer, die nach DDR-Recht geschieden wurden und weder einen Versorgungsausgleich noch eine Geschiedenenhinterbliebenenrente erhalten, hat in der Tat Anspruch auf eine befriedigende Regelung. Aber hier weise ich darauf hin, dass die Landesregierung sich gemeinsam mit Sachsen bereits im Rahmen der Rentenreform 2001 für eine Lösung eingesetzt hat. Die Bundesregierung hatte übrigens eine Prüfung zugesagt. Diese Zusage ist bis zum heutigen Tage nicht eingelöst. Mit Bundesratsbeschluss vom 1. März 2002 - und hier wiederum auf Antrag von Thüringen und Sachsen - ist die Bundesregierung erneut aufgefordert worden, endlich Ergebnisse vorzulegen. Sie liegen uns bis zum heutigen Tage nicht vor.

Meine Damen und Herren, ich bin mir darüber im Klaren, dass es noch weitere kleinere, manchmal subjektiv empfundene, manchmal, sage ich auch nach meinem Dafürhalten, objektive Gerechtigkeitslücken im Rentenrecht gibt, die von der Bundesregierung nachgebessert werden müssen. Dazu gehört beispielsweise auch, dass diejenigen Professoren - und hierauf lege ich ganz großen Wert, meine Damen und Herren, es geht hier um akademisches Personal -, die nach der Wende an unseren Hochschulen die demokratischen Strukturen mit aufgebaut haben, wenn sie jetzt in Rente gehen, rentenrechtlich schlechter gestellt sind, als diejenigen, die 1990 oder 1991 aus ihrer Tätigkeit ausscheiden mussten, weil sie politisch evaluiert, das heißt, politisch untragbar waren. Das kann nicht gerecht sein, hier müssen wir eine Lösung finden.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Dr. Pietzsch, einen kleinen Moment. Gestern habe ich die Staatssekretäre wegen des Handys ermahnt, aber wenn die Herren Minister mit dem Laptop hier entsprechend gemeinschaftlich Vergnügungen begehen,

(Heiterkeit im Hause)

ist dies mindestens genauso rügenswürdig. Ich bitte doch, das zu unterlassen. Man sieht das ja von hier oben, Ihr seht ja nur die Rückseite. Bitte.

Frau Präsidentin, Sie haben mich erschreckt. Ich habe natürlich auch gleich in die Tasche gegriffen, aber...

(Heiterkeit im Hause)

Meine Damen und Herren, die weitere Forderung nach Einbeziehung der so genannten 3-Mark-Beiträge ist ebenfalls bereits früher abschließend diskutiert worden. Diese freiwillig gezahlten Beiträge dienten lediglich zur Aufrechterhaltung eines bereits erworbenen Rentenanspruchs. Sie wurden deshalb auch bei der Rentenberechnung nach dem ehemaligen DDR-Rentenrecht nicht wie Arbeitsjahre berücksichtigt, stattdessen wurde für freiwillige Beiträge ein Steigerungsbetrag in Höhe von 0,85 Prozent der gezahlten Beiträge geleistet. Das, was Sie auch fordern, die vollständige Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern an das Niveau in den alten Bundesländern, halte ich für sehr wünschenswert. Wir haben uns auch dazu ausdrücklich geäußert. Aber wir müssen aufpassen, dass diese Forderung nicht von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt wird,

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Ach nee.)

denn damit würden wir die dynamisierte Rente infrage stellen,

(Beifall bei der CDU)

denn wir kämen genau dahin, dass dann Politik, Bundesregierung, Bundestag darüber entscheiden, wie hoch die Renten sind.

Meine Damen und Herren, ich denke, dass die Einführung der dynamischen lohnbezogenen Rente 1957 wirklich ein Meilenstein in der Rentenversicherung der Bundesrepublik gewesen ist.

Meine Damen und Herren, eine weitere Forderung steht in Nr. 3 Ihres Antrags, wonach Sie für bestimmte Gruppen Verbesserungen im Auge haben. Ich habe mich schon am Anfang darüber geäußert. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Diskussion um das zweite Änderungsgesetz zum AAÜG. Wir haben uns auch im Thüringer Landtag damit befasst. Aber bei selbstverständlicher Akzeptanz der Verfassungsgerichtsentscheidung war und ist diese Landesregierung der Auffassung, dass die Opfer des DDR-Regimes bei dieser Diskussion nicht vergessen werden dürfen, sondern dass die Opfer des DDR-Regimes an erster Stelle stehen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Dies möchte ich auch ganz besonders einige Tage vor dem 17. Juni hier im Landtag sagen. Der PDS-Antrag ist sozialpolitisch Augenauswischerei. Da es Ihre Vorgängerpartei war, die den Menschen in der DDR erhebliches Leid zugefügt und gleichzeitig Versprechungen gemacht hat ich habe vorhin darauf hingewiesen -, von denen man wusste, dass man sie nicht einhalten kann. Ich denke, dieser Antrag ist schlecht formuliert, schlecht zusammengestellt und deswegen halte ich diesen Antrag für nicht umsetzungsfähig. Dort, wo es Nachbesserungsbedarf gibt, wird sich die Thüringer Landesregierung so, wie auch in der zurückliegenden Zeit, intensiv über den Bundestag in die Diskussion einbringen. Danke sehr.

(Beifall bei der CDU)

Beantragt jemand die Aussprache? Frau Nitzpon.

Die PDS-Fraktion beantragt die Aussprache.

Sie beantragen die Aussprache und die SPD-Fraktion auch, dann kommen wir zur Aussprache, und zwar hat Frau Abgeordnete Bechthum, SPD-Fraktion, als Erste das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem Berichtsersuchen hat die PDS-Fraktion eine leicht verkürzte Fassung Ihres Bundestagsantrags - Drucksache 14/9045 - in den Thüringer Landtag eingebracht. Die aufgestellten Forderungen sind inhaltlich zum großen Teil nicht neu und wurden teilweise schon seit 1990 gestellt. Außerdem wurde ein nicht geringer Teil bereits - und darauf möchte ich ganz besonders verweisen - abschließend durch das Bundesverfassungsgericht und das Bundessozialgericht entschieden. Allgemein unbestritten ist doch, dass sich die Lebenslage der Rentnerinnen und Rentner im Osten Deutschlands zumindest materiell wesentlich verbessert hat, das kann doch keiner bestreiten. Wenn man aber die von der PDS in der Drucksache 3/2485 ausgemachten vielen Benachteiligungen und Überführungslücken im Rentenrecht liest, hat man beinahe den Eindruck, als würden die Rentner im Osten vor den Sozialämtern aufgrund des Einigungsvertrags und des darauf fußenden Rentenüberleitungsgesetzes Schlange stehen müssen. Ich will damit nicht ausdrücken, dass alle durch die DDR-Regierung versprochenen Rentenansprüche optimal überführt worden wären. Die Frage der Rentenleistungen von in der DDR geschiedenen Frauen ist im positiven Sinne für die Betroffenen zu klären. Die Landesregierung hat sich hier ja laut eigener Presse dafür stark gemacht, aber, Herr Minister Pietzsch, man muss auch allerdings sehr klar sagen, wir haben uns zu der letzten Konferenz gerade auch der

Fachsprecher für Renten damit sehr ausführlich befasst. Es ist eine schwierige Sache, das wissen Sie auch. Einen einstimmigen Entschließungsantrag im Bundesrat, der die Arbeit an die Bundesregierung wegschiebt und die Länder erst einmal nichts kostet, zustande zu bringen, dürfte nicht allzu schwer sein. Hier möchte die Landesregierung doch bitte ausführlich und präzise berichten, welche Vorstellungen sie im Hinblick auf gesetzliche Änderungen und ebenfalls zur Finanzierung hat. Sie kann ja ihre Vorschläge an die seit vorigem Jahr arbeitende interministerielle Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, des Bundesministeriums der Justiz, des Bundesministeriums der Finanzen und des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einreichen. Die haben uns über den Stand auch berichtet. Es ist kompliziert.

Nun kurz zu einigen Punkten des Antrags der PDS:

Punkt 1, zweiter Anstrich: Der besondere Steigerungssatz bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitsund Sozialwesens der DDR - übrigens trifft diese DDRZusage noch für die Beschäftigten der Reichsbahn, der Deutschen Post und andere zu - ist ein rein politisches Versprechen der DDR-Regierung gewesen und durch keine einzige Mark Beitragsmittel untersetzt worden.

(Beifall bei der CDU)

Der Grundsatz des Rentenrechts der Bundesrepublik Deutschland ist die Lohn- und Beitragsbezogenheit, die hier sonst zugunsten einer relativ kleinen Gruppe durchbrochen würde.

Sechster Anstrich - Anerkennung von im Ausland erworbenen Rentenansprüchen für im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ständig lebenden Rentnerinnen und Renter -: International anerkannter Grundsatz ist, dass der Rentenversicherungsträger, an den die Beiträge gezahlt wurden, auch die Renten zu zahlen hat. Die wurden mit den damaligen Vertragspartnern bzw. ihren Nachfolgestaaten grundsätzlich zum 31. Dezember 1992 beendet. Für die Personen, die sich seit dem 02.10.1990 in den neuen Ländern bereits aufhielten und deren Anspruch bis zum 31. Dezember 1995 entstand, gab es somit eine außergewöhnlich lange Übergangsregelung. Das muss man doch alles berücksichtigen. In den Verträgen, die die DDR abgeschlossen hatte, war übrigens überhaupt keine Übergangs- bzw. Vertrauensschutzregelung vorgesehen.