Protokoll der Sitzung vom 22.08.2002

(Beifall bei der CDU, SPD)

(Zwischenruf Abg. Hahnemann, PDS: Ich bin es ja nicht geworden.)

Ja, aber einer, der dafür in Frage stand, muss zumindest aus dem Sachverhalt, dass er es nicht wurde, seine Schlussfolgerung ziehen. Dann waren Sie offensichtlich der Stasi, die damals mit den Kulturhausleitern immer viel zu tun hatte, nicht systemgetreu genug. Das spricht ja für Sie. Aber aus diesem eigenen Erleben heraus müssten Sie doch den Unterschied deutlich sehen. Hier wird überprüft nur mit Einverständnis der Betroffenen. Wenn Sie anderes behaupten und wenn Sie hier die Trennlinien, die einen diktatorischen Staat von einem demokratisch verfassten Staat trennen, verwischen wollen, dann betreiben Sie gerade das Geschäft von Diktatoren. Das sollten Sie nicht verkennen, Herr Hahnemann.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb will ich hier noch einmal einige Sachen klarstellen. Jeder, der verantwortlich mit Dingen zu tun hatte, die Versorgungsanlagen usw. betrafen, weiß, dass nach dem 11. September auch bei uns in Mitteldeutschland, auch bei uns in Thüringen große Sorgen auftauchten. Ich nenne nur einmal den Bereich der Wasserversorgung. Was passiert zum Beispiel, wenn wir nicht nur Milzbrandanschläge, die sich glücklicherweise als Trittbrettfahrereien herausgestellt haben, zu verzeichnen haben, sondern großflächige Verseuchungen in der Wasserversorgung?

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Wir for- dern den Innnenminister zum Rücktritt auf, weil er nicht kontrolliert hat.)

Ja, da wäre Herr Hahnemann der Erste gewesen, der dann gesagt hätte, der Innenminister hat die Sicherheit unserer Wasserversorgungsanlagen nicht sichergestellt und klären lassen und deshalb muss er zurücktreten. Diese Spielchen kennen wir ja.

Die ganzen Fragen, die mit dem 11. September aufgetaucht sind, die können sie doch nicht jetzt ein knappes Jahr später als nicht mehr relevant einstufen. Die Welt hat sich doch nicht geändert seit der am 11. September deutlich gewordenen Situation. Wir wissen nur viel klarer, dass die Terroristen, die damals ihre verhängnisvolle Tat in New York verübten, sich in einem terroristischen Netzwerk weltweit ausgebreitet haben und dass nicht zuletzt die Bundesrepublik Deutschland ein bevorzugter Aufenthaltsraum dieser Terroristen gewesen ist. Das können sie doch bitteschön nicht verniedlichen oder ungeschehen machen. Deshalb haben die Regelungen zum personellen Sabotageschutz insbesondere bei lebenswichtigen Versorgungseinrichtungen einen guten Grund. Sie weisen mit Recht darauf hin, dass der Bund noch nicht festgelegt hat, welche Einrichtungen dazu zählen, welche Einrichtungen lebenswichtig und verteidigungswichtig sind. Wir haben bislang nur ein Land, das diese Einrichtungen festgelegt hat, und das ist der Stadtstaat Hamburg. In seiner "Verordnung zur Bestimmung sicherheitsempfindlicher Bereiche" sieht Hamburg nur die Hamburgischen Elektrizitätswerke vor. Das sollte einmal so einen Maßstab darstellen. Warum die Elektrizitätswerke lebenswichtig sind und deshalb besonders geschützt werden müssen, das dürfte jedem zivilisierten Mitteleuropäer einleuchten. Auch in diesen Hamburgischen Elektrizitätswerken wird nicht jeder Mitarbeiter einer Sicherheitsprüfung unterzogen, sondern, und ich wiederhole das auch hier zur Klarstellung Ihrer Rede, nur diejenigen Mitarbeiter, die an einer besonders sicherheitsrelevanten Stelle arbeiten und diejenigen auch nur mit ihrem eigenen Einverständnis. Die wissen, dass sie überprüft werden. Hier fummelt keiner heimlich herum, weder die Kriminalpolizei noch der Verfassungsschutz noch irgendjemand. Ich denke, das ist noch einmal wichtig hier als Gegenbild zu zeigen zu dem, was Sie hier vorgetragen haben.

Auch die Aussage des Kollegen Ramelow in einer Thüringer Zeitung, mit dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz würden die Überprüfungen auf Mitarbeiter privater Unternehmen ausgedehnt, als würde jetzt ein erweitertes Verfahren stattfinden, ist schlicht und ergreifend unzutreffend. Denn die Mitarbeiter privater Unternehmen wurden und werden wie die Mitarbeiter im öffentlichen Bereich im Freistaat bereits seit 1991, da waren Sie nur noch nicht in der Politik tätig, Herr Ramelow, nach den Sicherheitsrichtlinien überprüft. Wir machen mit der Vorlage dieses Sicherheitsüberprüfungsgesetzes jetzt nun gerade einen Schritt nach vorn, eigentlich positiv auch in Ihrem Sinne, weil wir das jetzt nicht mehr mit irgendwelchen Richtlinien machen wollen, sondern mit einem Gesetz normieren wollen, das der Landtag beschließt und nicht das Innenministerium

(Beifall bei der CDU, SPD)

hier selbsttätig irgendwelche Richtlinien festgelegt hat. Dass es noch nicht geregelte Differenzen mit der Landesdatenschutzbeauftragten geben mag, das ist nicht etwas

Überraschendes oder Absonderliches. Die Landesregierung hat die Überlegungen der Landesdatenschutzbeauftragten sehr wohl in ihren eigenen Überlegungen mit berücksichtigt. Sie hat nicht alle Vorschläge übernommen. Wie ich die Frau Kollegin Landesdatenschutzbeauftragte kenne, wird sie diese von der Landesregierung nicht aufgenommenen Vorschläge sehr wohl auch hier im Parlament noch einmal im Ausschuss zur Geltung zu bringen wissen. Dann wird zu diskutieren sein, hat die Landesregierung mit der Nichtaufnahme dieser Vorschläge vernünftig gehandelt oder ist es nicht besser, dass das Parlament diese Vorschläge mit hineinbringt. Das ist doch nun wirklich ein Vorgang, der nicht überraschend ist, sondern sehr normal. Der Datenschutz wird in Thüringen nicht klein geschrieben. Das wissen Sie und Sie sollten bitteschön nicht immer versuchen, einen anderen Eindruck zu erwecken.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Gentzel, Sie wollen eine Frage an den Innenminister stellen. Und Herr Innenminister, gestatten Sie diese Anfrage?

(Zuruf Köckert, Innenminister: Er kommt zu spät...)

Der Innenminister gestattet diese Anfrage.

Herr Innenminister, Sie haben nach meiner Auffassung richtigerweise die Unterschiede in den Zeiten geschildert. Ein wesentlicher positiver Unterschied ist ja auch die Transparenz, die damit verbunden ist. Was halten Sie denn in diesem Zusammenhang von unserem Vorschlag, dass, wenn die Rechtsverordnung kommt, die ja dann diese Projekte auch beschreibt, wir das auch hier in dem Landtag besprechen? Denn dann geht es ja wirklich erst an das Eingemachte.

Eine Rechtsverordnung, die im Landtag beschlossen wird, ist etwas sehr Außergewöhnliches. Das haben wir, glaube ich, bislang nur ein- oder zweimal gehabt.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Aber es ist möglich.)

Es ist nicht unmöglich. Was ist alles nicht unmöglich, Herr Abgeordneter Pohl? Das ist nicht der Punkt. Dem Innenausschuss ist es ganz unbenommen, diese Fragestellung im Selbstbefassungsrecht in die Landtagsbehandlung mit hineinzuholen. Ich denke schon, dass es eine interessante Frage ist, welche Einrichtungen die Ministerien für diesen sicherheitsrelevanten Bereich vorsehen. Da könnten

sogar einige Ängste der Kollegen, die hier rechter Hand von mir sitzen, abgebaut werden. Wenn sie sie denn abbauen lassen wollen, das weiß man bei denen immer nicht so ganz genau.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Ramelow zu Wort gemeldet.

Herr Innenminister, nichts ist unmöglich, so hieß, glaube ich, die Werbung. Und nichts ist unmöglich, haben wir versucht in einem Problemaufriss deutlich zu machen, dass es eben auch bei einer Einbringung eines Gesetzes, das Transparenz schaffen soll, Unklarheiten gibt, wenn man nicht gleichzeitig den Personenkreis einengt und das Verfahren exakt beschreibt. Da beides nicht der Fall ist, haben wir Ängste beschrieben. Herr Fiedler, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört, Sie werden es nicht glauben, selbst wenn ich nicht am Platz war. Wenn Sie mir erklären, wie in der Bundesrepublik, aus der ich komme, der Rechtsstaat funktioniert hat und welche Zeit die Notstandsgesetzgebungsdiskussionen in Westdeutschland, welche politische Diskussion, welche Sprengkraft unter Demokraten damals ausgemacht worden ist, dann kann ich mich gern von Ihnen belehren lassen über die Verhältnisse in Westdeutschland. Ich gebe zu, dass mir MfS und Mielke fern sind. Ich weiß nur aus einer gewissen Ahnung, dass ein übermächtiger Staat, der sich überall einmischt und nicht zu erkennen gibt, wann er sich einmischt, wie er sich einmischt, dass mir dieser Staat zuwider ist. Ich habe nur gewarnt, dass wir in Westdeutschland eine ähnliche Diskussion hatten, das waren die Notstandsgesetze. Das meint historisch einen ganz speziellen Vorgang und an den fühle ich mich erinnert, wenn nicht gleichzeitig das sichergestellt wird, was Herr Innenminister jetzt so vielwortig vorgetragen hat, dass sich ja nichts ändern würde zu dem, was bisher durch die Richtlinie abgedeckt worden ist. Wenn dem so ist, dann bitte schön, Herr Innenminister, genau den Katalog dazu geführt und dann weiß man, über was wir reden. Im Moment ist eine Breite offen, wo sich Privatfirmen eben an die staatlichen Stellen wenden können und sagen können, wir hätten gern eine Überprüfung. Als Arbeitsrechtler darf ich Ihnen sagen, die Freiwilligkeit, von der Sie sprechen, die gibt es im Arbeitsrecht nicht. Wenn bei einer Bewerbung im Bewerbungsbogen drin steht, dass ich mich dieser Freiwilligkeit zu unterwerfen habe, habe ich ein für allemal meine Freiwilligkeit erklärt. Da würde ich gern wissen, wo wir abgrenzen. Staatliche Interessen, die ich sehr wohl sehe, und wo ich die Frage aufwerfe, warum dort dann nicht staatliche Personen handeln. Also, wenn wir von der Sicherheit dieses hohen Hauses reden, dann frage ich mich, warum die Pförtner nicht Angestellte des Staates sind und damit als Beschäftigte des Landtags entspre

chenden Regularien unterworfen werden. Dasselbe gilt auch im Übrigen für die Flugsicherung. Da weiß ich nicht, warum vieles davon privatisiert worden ist in einem Privatisierungswahn, wo es mir lieber wäre, es wären die entsprechenden öffentlichen Bediensteten, die für Sicherheit und Ordnung an den Stellen sorgen. Ich möchte ungern immer weiteren privatisierten Gesellschaften Tür und Tor öffnen, dass sie mit staatlicher Hilfe an Informationen kommen, die der einzelne Betroffene nicht mehr zurückweisen, nicht mehr bearbeiten kann und Ähnliches.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Wir haben in der DDR gelebt. Wir haben genug erlebt.)

Ja, ich habe einmal von deinem neben dir sitzenden Kollegen eine Broschüre gesehen, da wird meine Hochzeitsannonce von 1982 als Beleg meiner Verfassungsfeindlichkeit abgedruckt. Da habe ich mich auch gefragt, wie so etwas sozusagen auf einmal in den öffentlichen Umlauf kommt, mit CDU und CDA versehen wird und dann noch mit Glaubwürdigkeit untersetzt wird, wo ich sage: Aha, "Horch und Guck" von Westdeutschland lässt grüßen. Die Frage ist, wie wehrt man sich dagegen, wenn man auf einmal auf eine derartige Art und Weise eben in einem Verfahren denunziert wird, in dem man sich rechtsstaatlich eben nicht mehr wehren kann. Die Grenzen des Rechtsstaats, Kollege Fiedler, beginnen dort, wo Behauptungen von Nachbarn, von anderen mit staatlichem Segen weitergegeben werden, ohne dass ich mich einer rechtlichen Instanz bedienen kann, um mich dagegen zu wehren. Da lege ich mahnend den Finger hinein und sage, Herr Innenminister, ich fühle mich eingeladen an der Diskussion, wenn die Richtlinie, von der Kollege Gentzel gesprochen hat, da ist, wenn wir exakt wissen, wer ist gemeint und wie ist das Verfahren. Wenn das in das Gesetz hineinkommt, dann werden wir prüfen, ob wir als PDS-Fraktion genau die sicherheitsrelevanten Punkte anerkennen und nachvollziehen können. Denn es bleibt die Vermischung zwischen Privatwirtschaft und öffentlich-staatlichen Institutionen und in dem Fall sogar noch des Verfassungsschutzes, wo ich große Zweifel habe, ob der Verfassungsschutz wirklich geeignet ist, rechtsstaatlich sichere Informationen in die Welt zu setzen. Deswegen spreche ich von Schnüffeln und einer Grauzone, bei der ich nicht glauben will, was Sie hier einfach vortragen. Legen Sie es vor mit klaren Angaben, dann können wir es prüfen. Solange Sie das nicht machen, und Kollege Fiedler Sie auch nicht,

(Unruhe bei der CDU)

so lange, sage ich, öffnen Sie Tür und Tor auch einem Staat, in dem geschnüffelt wird.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Un- sinn!)

Der Innenminister hat sich noch einmal zu Wort gemeldet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist natürlich purer Unsinn, denn am Verfahren hat sich doch nichts geändert, wir haben die Richtlinien, der Sabotageschutz ist dazu gekommen. Aber die Sicherheitsüberprüfungen erfolgen nach demselben Muster wie bisher.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Dem Straßenbahnschaffner droht in Zukunft Über- prüfung.)

Sehr großer Unsinn, und das ist genau das, was Sie erwecken wollen, so ungefähr hinter jeder Ecke lauert die Sicherheitsüberprüfung.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Sie wol- len es zulassen.)

Nein, nein, ich freue mich schon auf die Diskussion dann im Ausschuss, wenn Sie zur Kenntnis bekommen, was sind die sicherheitsrelevanten Elemente.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Warum legen Sie es jetzt nicht vor?)

Weil es in der Verantwortung der jeweiligen Ressorts liegt, werter Herr Ramelow. Sie brauchen sich nun nicht so zu erregen, aber ich sage nur, man sollte nicht im Vorfeld dieser Dinge so viele Grauzonen, so viele Ängste, so viel Käse erzählen, wie Sie es tun.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Da geben Sie das Gesetz erst rein, wenn es komplett auf dem Tisch ist.)

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine Wortmeldung des Abgeordneten Schemmel, SPD-Fraktion.

Also, ich glaube, wir sollten in unserem Haus so richtig dankbar sein, dass wir die PDS haben.

(Heiterkeit bei der SPD)

Es erscheint ja für uns nahezu unmöglich, uns mit einem solchen Gesetz auseinander zu setzen, weil wir offensichtlich die DDR-Erfahrung nicht in diesem Maß mit einbringen können. Herr Ramelow, an dieser Stelle, Sie sind zur Debatte ein bisschen zu spät gekommen, Sie hätten

dann auch auf diesen Zeitungseinsatz jetzt noch verzichten können an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Herr Pohl hat für unsere Fraktion ganz klar gesagt, was wahr ist.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Die Mehrheit im Haus beschließt ja was wahr ist.)

Erstens, es ist richtig, dass nun endlich ein Gesetz für diese Sicherheitsüberprüfung geschaffen wird. Ich bin einer Ü 3 zugeführt worden, das können Sie lesen, die habe ich eigentlich relativ unbeschadet überstanden. Aber ich bin eigentlich froh, dass dieses jetzt auf einer gesetzlichen Basis geschehen soll. Ich bin auch von der Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik überprüft worden. Das habe ich natürlich nicht, wie in dem Fall, vorweg erfahren, sondern erst eine ganze Menge Jahre hinterher. Ich kann mir sehr wohl einen Reim auf diesen Unterschied machen und ich verstehe auch ein Stückchen weit, dass Sie ausloten, was für Risiken in einem solchen Gesetz sein könnten. Man muss diese Risiken ausloten, ja, man darf sie aber nicht an die Wand malen, als wenn sie in einem Rechtsstaat die logische Folge dieses Gesetzes würden.