Zugleich mit dem Hochwasser in Thüringen gab es in den Nachbarländern Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt eine weit schlimmere Hochwasserkatastrophe. Sachsen hat bisher 18 Todesopfer zu beklagen. Die Schäden an Infrastruktur und Gebäuden übersteigen jegliches Vorstellungsvermögen. Nach dem Motto: "Wer sofort hilft, hilft doppelt" hat Thüringen sofort seine Hilfe angeboten. Ich bin stolz darauf, dass viele freiwillige Feuerwehren im Land sofort bereitstanden, um auch zu helfen.
Ich bitte aber, und das sage ich vor allem gerade an diejenigen im Land, die bereitstanden, sofort zu helfen, dafür um Verständnis, dass man gerade in einer Katastrophensituation nicht einfach losfahren kann. Damit die Hilfe auch koordiniert und effizient erfolgt, wurde zwischen den betreffenden Innenministern vereinbart, dass die Hilfe nur auf Ersuchen des jeweiligen Landes einsetzt. Thüringen hat bisher insgesamt 394 Polizisten nach Sachsen und Sachsen-Anhalt geschickt, ausgestattet mit entsprechender Technik wie Schlauchbooten, Tauchausrüstung und Spezialkraftfahrzeugen. 441 Hilfskräfte der Feuerwehren und der Hilfsorganisationen aus Thüringen sind in Sachsen und Sachsen-Anhalt bisher eingesetzt gewesen mit 42 Löschfahrzeugen, Einsatzleitwagen, Krankentransportwagen, Lastkraftwagen, auch Feldküchen. Zwei Rettungsboote, Anhänger, Führungskraftwagen waren auch dabei. Insgesamt 71 Fahrzeuge und zwei Hubschrauber waren ebenfalls auf Anforderung in Dresden in Einsatz. Im Rahmen des Katastrophenschutzes hat Thüringen den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt insgesamt 740 Feldbetten, 1.500 Decken, Campingliegen, Luftmatratzen und - das ist auch ein wichtiger Punkt - 120.000 Sandsäcke, 1 Sandsackabfüllmaschine nebst 20 Notstromaggregaten geliefert. Das Thüringer
Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt veranlasste, dass 12 Mitarbeiter aus den staatlichen Umweltämtern und Talsperrenverwaltungen bereits seit einer Woche zur fachlichen Anleitung der Deichverteidigung eingesetzt wurden. Das Landesamt für Straßenbau hat zwei Prüftrupps mit insgesamt fünf Personen zur Prüfung der Standsicherheit von Straßenbrücken nach Sachsen geschickt. Insgesamt konnte Thüringen mit fachlich geschultem Personal und geeigneter Technik tatkräftig Hilfe leisten, sei es bei der Verkehrsregelung, bei Sicherungs- und Absperrmaßnahmen, beim Schutz vor Plünderungen, bei der Evakuierung und Bergung eingeschlossener Personen, bei der Versorgung mit Trinkwasser und bei Aufräumarbeiten. Wobei Letzteres in den nächsten Tagen sicher noch zunehmend anstehen wird. Thüringen wird für seine Hilfeleistungen bei den Nachbarländern keine Kosten erheben.
In den nächsten Tagen wird es für Thüringen darum gehen, die weiteren Hilfeleistungen, die Mittelverteilung an die Betroffenen mit zu koordinieren und vor allen Dingen zwischen den Hilfsorganisationen, den Kommunen und dem Innenministerium jeweils Koordinierungsaufgaben wahrzunehmen. Die Innenstaatssekretäre des Bundes und der vom Hochwasser geschädigten acht Länder haben sich am 20. August 2002 über die Soforthilfe des Bundes in Höhe von 100 Mio. 'digt. Die Mittelzuweisung erfolgt an die Landkreise und kreisfreien Städte, die Katastrophenalarm ausgelöst haben und in denen Hochwasserschäden eingetreten sind. Die Kreise und kreisfreien Städte zahlen die Soforthilfen in eigener Verantwortung an die besonders Betroffenen aus. Allerdings dürfen diese Mittel nur für Privatgeschädigte und Gewerbetreibende verwandt werden. Über die zusätzlich aus dem Solidarfonds geplanten Bundesmittel aus Steuerentlastungen wird gesondert berichtet werden.
Im Berichtsersuchen der CDU-Fraktion wird auch danach gefragt, welche baurechtlichen Konsequenzen aus dem Hochwasser gezogen werden. Nach bundesrechtlichem Bauplanungsrecht, aber auch nach der Thüringer Bauordnung, sind bauliche Anlagen so anzuordnen, dass die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung nicht gefährdet wird. Seit dem In-Kraft-Treten des Thüringer Wassergesetzes 1994 bestehen in Thüringen hohe Hürden zur Bebauung in Überschwemmungsgebieten. Für ausnahmsweise Bebauungen sind hier ausdrückliche Genehmigungen der Wasserbehörden, in der Regel der Landkreise, erforderlich. Weder der Hochwasserfluss noch das öffentliche Interesse dürfen dabei beeinträchtigt werden. Faktum ist aber, der weit überwiegende Teil der Bebauung in diesen Problemzonen geht bereits auf DDR-Zeiten zurück. Völlig unrealistisch wäre es allerdings, das bautechnische Regelwerk auf jede denkbare Katastrophensituation hin auszurichten.
Die Flutwelle in den ostdeutschen Ländern hat zugleich zu einer Welle der Hilfsbereitschaft geführt, zu einer bisher nicht gekannten Solidarität. Die Menschen haben selbst mit angepackt. Unglaubliche Nachbarschaftshilfe wurde geleistet und es gab im gesamten Bundesgebiet eine erfreuliche Spendenbereitschaft der Bürger und auch der Unternehmen. In der Not hat unsere Nation den Gemeinsinn neu entdeckt und es hat sich gezeigt, wir alle zahlen nicht nur den Solidaritätszuschlag, sondern wir üben auch tatsächliche Solidarität.
Diese Solidarität wird allerdings noch lange notwendig sein, um den Wiederaufbau voranzutreiben nach dieser Katastrophe. Man kann nicht allen helfen, sagt der Engherzige und hilft keinem. Dies darf nicht unsere Einstellung sein und sie ist es, Gott sei Dank, auch nicht. "Wenn jeder dem anderen helfen wollte, wäre allen geholfen", sagt Marie von Ebner-Eschenbach. Bei dieser Hochwasserkatastrophe hat sich eines wieder gezeigt: Der Freund in der Not ist der wahre Freund. Thüringen hat rasch geholfen und hat gern geholfen, sowohl den Betroffenen im eigenen Land, als auch denen in unseren Nachbarländern. Danke schön.
Vielen Dank für den Bericht, Herr Staatssekretär. Ich frage die Fraktionen: Wird Aussprache gewünscht? Ja. Zwei Fraktionen haben sich gemeldet. Dann eröffne ich die Aussprache und bitte als ersten Redner Herrn Abgeordneten Schemmel an das Rednerpult.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, als Abgeordneter aus dem Altenburger Land, Sie haben die Betroffenheit gehört, habe ich zuerst die Aufgabe, ja fast die Pflicht, mich bei all denen zu bedanken, die im Landkreis Altenburger Land sofort geholfen haben. Das waren Kräfte aus Thüringen - da kann ich stellvertretend das Technische Hilfswerk Arnstadt nennen -, das waren Kräfte aus den Nachbarländern - stellvertretend das Technische Hilfswerk Lauf aus Bayern -, die Bundeswehr, die angrenzenden Gebietskörperschaften haben geholfen, der Landkreis Greiz und die Stadt Gera, die kreiseigenen Kräfte von Polizei, THW, die freiwilligen Feuerwehren, die Berufsfeuerwehr, Firmen und nicht zuletzt die schon erwähnten mindestens 3.000 Bürgerinnen und Bürger, die Soforthilfe geleistet haben und die auch diese Hilfe weiterhin leisten, indem sie die bereitstehenden Spendenkonten vom Altenburger Landkreis und von der Stadt Altenburg nutzen. Befremdlicherweise hat auch die CDU ein eigenes Spendenkonto in Altenburg eingerichtet. Das haben die anderen Parteien aus guten Gründen nicht getan an dieser Stelle.
(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Im Unstrut-Hainich-Kreis hat es die SPD gemacht, regen Sie sich doch nicht auf.)
Der Umfang, wie die Stadt Altenburg und der Kreis betroffen waren, ist vom Staatssekretär korrekt geschildert worden. Es geht jetzt um die Frage: Was ist zu tun? Da ist natürlich zuerst die Soforthilfe und als Zweites dann, dass man über vorbeugende Maßnahmen nachdenkt. Die Soforthilfe ist unbürokratisch angelaufen. Der Bund hat sofort 1,3 Mio. gung gestellt, das ist erwähnt worden.
(Zwischenruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Das hat er nicht, wir haben es anmahnen müssen, das wissen Sie genau!)
Die Schadenskommission des Altenburger Landes ist, wenn ich richtig informiert bin, ab heute dabei, diese Gelder unter die Betroffenen zu bringen. Weiterhin sind gleichzeitig oder haben schon begonnen 150 neue ABM-Stellen und auch erste SAM in Gößnitz. Das ist der Beginn für die 500 Maßnahmen, die bereitgestellt worden sind, die selbstverständlich mit einer 100-prozentigen Förderung bereitgestellt worden sind, und wo natürlich auch die entsprechenden Ausrüstungsgegenstände, Arbeitsschutzbekleidung usw. bereitgestellt werden. Eine große Hilfe ist natürlich auch die Nichtinrechnungstellung der staatlichen Hilfsleistung. Das Land hat schnell und unbürokratisch reagiert, Herr Staatssekretär Scherer hat dieses vorgetragen. Es ist also dieser Schadensfall, dieses Schadensereignis festgestellt worden und dann sind - so wie es die Verwaltungsvorschrift sagt - im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel Finanzmittel zur Verfügung gestellt worden. Ich glaube, Sie hatten es nicht erwähnt, es sind 1,28 Mio. so habe ich gehört. Diese Mittel werden jetzt entsprechend der Verwaltungsvorschrift umgesetzt.
Ein Problem gibt es bei dieser ganzen Sache. Die Mittel, die der Bund zur Verfügung gestellt hat, dürfen, so sagt es die Verwaltungsvorschrift, nicht an die Kommunen weitergeleitet werden. Im Altenburger Land sind für die Kommunen Schäden in Höhe von ca. 10 Mio. gestellt worden, das sind Schäden an Wasserläufen, an Straßen, an Brückenbauwerken, an Kanalisationen und Ähnlichem. Diese 10 Mio. nen erstens von der Höhe nicht, aber auch nicht von den Mechanismen dieser Richtlinie her, aus diesen bisher bereitgestellten Geldern ausgereicht werden.
Nun habe ich in der Zeitung gelesen, Herr Ministerpräsident, dass Sie auf einer Wahlkampfveranstaltung in Altenburg nahezu wörtlich gesagt haben: Landeshilfe wird dort gegeben, wo andere Hilfe nicht greift.
Da glaube ich doch jetzt ein Feld gefunden zu haben und ich bin sicher, dass das Land Thüringen an dieser Stelle auch Landeshilfe für die Kommunen geben wird. Aber es gibt nicht nur die Frage der Volumina des Geldes, was
für die Kommunen gegeben wird, sondern es gibt aber auch dort eine Reihe sachlicher und fachlicher Probleme. Ich bin von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern angesprochen worden, in deren Gemeinden Straßen so geschädigt sind, dass sie grundhaft ausgebaut werden müssen. Man muss natürlich jetzt an dieser Stelle bei den Betroffenen - wer in dieser Straße wohnt, ist ja ein Betroffener, wenn die Straße grundhaft ausgebaut werden muss - ob man an dieser Stelle nicht darüber nachdenken muss, die erforderlichen Straßenausbaubeitragszahlungen punktuell auszusetzen und irgendwie zu ergänzen.
Ich glaube nicht, dass es zumutbar ist, jemandem, der in einer solchen Straße wohnt, die jetzt durch das Ereignis grundhaft hergerichtet werden muss, jetzt auch noch die Straßenausbaubeträge abzuziehen. Ich nehme das bloß als Anregung, sage also noch einmal deutlich, man muss noch Mittel und Wege finden, wie den Kommunen geholfen werden kann, einmal mit Geld, aber auch mit solchen Maßnahmen, die in der Kommune dann umgesetzt werden können.
Zu den vorbeugenden Maßnahmen möchte ich natürlich auch ein paar Worte sagen. Es ist klar, dass eine solche Katastrophe anregen muss, die Schutzmaßnahmen, die ja bestanden haben, zu überprüfen und zu überdenken. An dieser Stelle ist schon das Baurecht angesprochen worden. Irgendetwas hat an vielen Stellen sicherlich nicht geklappt, und zwar Hochwasserschutzanalyse einerseits und zum anderen Flächennutzungs- und Bebauungspläne. Ich glaube, das kann man in einem so kurzen Diskussionsbeitrag nicht darstellen, da muss einiges getan werden.
Die Hochwasserschutzanalyse muss vielleicht einmal auf ein neues Niveau gebracht werden und muss dann eigentlich mit den Städten und Gemeinden auch im Bebauungsplan, in den Bauleitplänen und Ähnlichem ihren Niederschlag finden. Ich könnte jetzt von Gößnitz einiges erzählen, wo das offensichtlich nicht so richtig harmoniert hat und wo dann auch die entsprechenden Schäden aufgetreten sind. Aber es gibt noch andere Probleme, denen wir uns stellen müssen. Ich meine, das sind erst einmal die Dämme der Pleiße. Die sind nicht kommunal, sondern die sind durch das Land vorzuhalten und herzurichten. Dort muss sicherlich nachgedacht werden, wie diese Dämme der Pleiße wieder auf einen ordentlichen Stand gebracht werden.
Dann gibt es noch ein grundsätzliches Problem im Landkreis Altenburger Land, das wird Herr Dr. Sklenar kennen, das ist die Talsperre Windischleuba. Die Talsperre Windischleuba war einstmals zum Hochwasserschutz errichtet worden, speziell aber für die Tagebaue, die unterhalb liegen, und zwar auf sächsischem Gebiet. Diese Tagebaue sind jetzt nicht mehr in Betrieb, so dass das Interesse der Sachsen, die man jetzt natürlich nicht besonders heranziehen kann in dieser Situation, aber bloß zum Verständnis, an dieser Talsperre zurückgegangen ist, weil nicht mehr der Hochwasserschutz für diese Tagebaue notwendig ist. Die Talsperre gehört damit auch folgerichtig zur Talsperrenverwaltung Röta, also zu Sachsen, liegt aber
auf Thüringer Gebiet. Es gibt schon einen längeren Streit, wer verantwortlich ist. Nun hat sich aber gezeigt, dass diese Talsperre Windischleuba eigentlich nicht nur für den Hochwasserschutz der weiter unten liegenden Tagebaue benutzt worden wäre, sondern auch einen wichtigen Beitrag für den Hochwasserschutz hätte leisten können im Bereich der Gemeinden Treben und Serbitz, so dass sich die Frage aufdrängt, wie mit dieser Talsperre zwischen Thüringen und Sachsen umgegangen wird und wie man sich jetzt dazu verständigt.
Da die Ereignisse in Altenburg natürlich überlagert werden durch die Ereignisse in Sachsen und Sachsen-Anhalt, möchte ich das jetzt auch nicht in besonderer Breite alles darstellen. Aber Bereitstellung von Hilfen für die Kommunen und weiter gehende Maßnahmen in der Vorbeugung von Hochwasserschutz muss das sein, was noch zu leisten ist. Für alles andere unter anderem auch der Landesregierung herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir haben den Antrag gestellt, weil im Angesicht dieses unvorstellbaren Ausmaßes an Verwüstung und Zerstörung, das die Hochwasserkatastrophe in einigen Ländern Deutschlands, aber auch in Österreich und Tschechien, hinterlassen hat, es sicher notwendig ist, auch hier im Thüringer Landtag das, was uns als Land betrifft, aber auch uns als Nation betrifft, inhaltlich zu thematisieren. Wir haben alle die Bilder vor Augen, aber die Katastrophe ist noch nicht beendet, immer noch drohen Deiche zu brechen und die Schäden insgesamt sind noch längst nicht vollständig sichtbar. Thüringen, das ist dargestellt worden, ist im Altenburger Land und einem kleinen Teil des Eichsfeldes betroffen, aber stärker - und das ist in den Folgetagen ja deutlich geworden - hat es unsere Nachbarn getroffen. Wir alle haben Grimma oder Dresden, aber auch viele kleine Dörfer vor Augen, die zum Teil vollständig vom Erdboden verschwunden sind. Zehntausende Menschen waren und sind auch noch evakuiert und noch ist nicht vollständig klar, wie zerstört ihre Wohnungen, ihre Häuser, ihre Betriebe sind. Die Aufbauarbeit der letzten Jahre seit der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes ist in einigen Regionen vollständig zerstört und viele private und unternehmerische Existenzen sind bedroht oder bereits vernichtet. Leider sind auch 16 Menschen bisher dem Hochwasser zum Opfer gefallen. Das Leid ist groß und in gleicher Stunde ist in Deutschland wiederum deutlich geworden, dass die Betroffenheit nicht bei der Betroffenheit Halt macht, sondern dass die Welle der Solidarität im Kampf gegen das Wasser eine außergewöhnliche Größe erreicht hat. Dafür unseren herzlichen Dank für die
Der Bericht des Staatssekretärs hat es deutlich gemacht, wie konkret die Hilfe aus Thüringen in Thüringen, aber auch in der Nachbarschaft war und auch noch ist. Tausende Bundeswehrsoldaten, der Bundesgrenzschutz, das Technische Hilfswerk, Freiwillige Feuerwehren, Rettungsorganisationen vom Roten Kreuz bis hin zur DLRG, aber auch viele private Helfer, die sich eingebracht haben und die zum Teil Unmenschliches Tag und Nacht geleistet haben und leisten - auch ihnen unseren ganz herzlichen Dank und unsere Unterstützung für die Zukunft.
Leider musste innerhalb weniger Monate erneut deutlich werden, dass Deutschland in schwierigen Notsituationen zusammensteht und dass es ganz anders ist, als oft in Reden dargestellt - Deutschland ist in der Lage, Hilfe und Solidarität und Mitgefühl ganz konkret zu leben. Wir erinnern uns, als im April in Thüringen, hier in Erfurt, das schreckliche Attentat am Gutenberg-Gymnasium Deutschland aufgerüttelt hat und zu erheblicher Solidarität angespornt hat. Jetzt in dieser Katastrophe ist erneut deutlich, dass wir in der Lage sind, Gemeinwohl auch sehr konkret zu leben. Wichtig ist nun aber, dass mit dem Wasser nicht auch die Solidarität abebbt. Wir dürfen die Betroffenen mit den Schäden nicht allein lassen. Nach der aktuellen praktischen Hilfe, die in diesen Tagen fortgesetzt wird, aber danach ja beendet ist, ist weiter schnelle Hilfe gefragt. Das bedeutet jetzt vor allem und auch in Zukunft finanzielle Hilfe. Die private Spendenbereitschaft ist enorm und hat ein Ausmaß angenommen, das ich persönlich so nicht erwartet hätte. Davon zeugen die Spendenaufrufe der Hilfsorganisationen, der Medien, der Vereine, der Verbände und auch der Parteien, für die ich dankbar bin, denn auch sie machen damit deutlich, dass sie bereit sind, ihre ganz persönliche Spende in die Aufarbeitung der Probleme einzubringen. Ich danke auch den vielen Thüringer Unternehmern, die finanzielle Hilfen oder auch Sachleistungen in diesen Tagen zur Verfügung stellen.
Aber, und das wird deutlich, die Schäden sind weitaus größer, wahrscheinlich zweistellige Milliardenbeträge, und deshalb ist der Staat gefordert, verlässliche finanzielle Leistungen für die nächsten Jahre aufzubringen. Deshalb lassen Sie mich auch ein kurzes Wort zu der Diskussion sagen, die in diesen Tagen durch Deutschland geht und die ja wohl auch Grund des SPD-Antrags ist, der nachher noch verhandelt wird. Auch wenn der Antrag der SPD jetzt noch nicht zur Debatte steht, so denke ich, dass es trotzdem wichtig ist, die Frage, wie wir zu der finanziellen
Hilfe des Staates stehen und welchen Beitrag wir dazu leisten, zu thematisieren. Dass die Flutkatastrophe eine nationale Katastrophe ist, die auch national geschultert werden muss, ist uneingeschränkt von allen bisher betont worden. Darüber herrscht also nicht nur Übereinstimmung in der Bevölkerung, sondern auch in der Politik. Ich denke, das ist die wichtigste Basis für die Bewältigung der schweren Aufgaben. Es besteht auch völlige Einigkeit darüber, dass wir einen gemeinsamen Fonds von Bund und Ländern, aber auch die Anstrengung der Kommunen brauchen und dass derzeit etwa 10 Mrd. % . , namens unserer Fraktion sehr, dass die Bundesregierung den Plan aufgegeben hat, den Solidarpakt II zur Behebung der Hochwasserschäden zu verwenden, denn dieser ist und bleibt dazu eingerichtet, dass die gravierenden Defizite, die mit der Vergangenheitsaufarbeitung zusammenhängen, auch in Zukunft überwunden werden können. Dafür ist der Solidarpakt II für alle jungen Länder in Kraft gesetzt und muss auch seine Wirkung haben. Es hieße, die Menschen in den Regionen doppelt bestrafen, hätte man den Solidarpakt II für diese Maßnahmen vorgezogen.
Und nun der von der Bundesregierung vorgeschlagene Weg, die zweite Stufe der Steuerreform um ein Jahr zu verschieben: Wir werden ihn letztlich - das ist auch deutlich geworden - unterstützen. Aber es muss doch erlaubt sein, kritische Nachfragen zu stellen. Deutschland braucht, vielleicht gerade nach der nationalen Katastrophe, ein erhebliches Wirtschaftswachstum und gerade der Mittelstand und die Einkommensempfänger haben auf die Steuersenkung im nächsten Jahr gebaut, weil dadurch das Wachstum stärker in Gang gesetzt wird.
Nur dadurch können die Arbeitslosigkeit wirkungsvoll bekämpft, die Steuereinnahmen erhöht und die Ausgaben verringert werden, was wiederum den Staat in die Lage versetzt, natürlich auch solche Leistungen, wie im Blick auf die Überwindung dieser Katastrophe, wirklich umfassend aufzubringen. Das heißt, der Plan der Bundesregierung wird unterstützt, aber wir wollen schon deutlich machen, er ist letztlich Gift für unsere Konjunktur.
Deshalb plädieren wir als Union dafür, die jetzt notwendigen Hilfen aus aktuell verfügbarem Geld zu entnehmen. Der Bundesbankgewinn ist angesprochen und zusammen mit Mitteln aus der Haushaltssperre und Umschichtung von EU-Mitteln könnte man kurzfristig nicht auf Geld in der Zukunft verweisen, sondern kurzfristig einen Hilfsplafond auflegen, der auch eingesetzt werden könnte. Jetzt ist aber schnelle Hilfe erforderlich und nicht der Streit um die Quellen für die Hilfe, da sind wir uns ebenfalls einig.
Sollte die Bundesregierung, wie es den Anschein hat, an ihrem Plan festhalten, die zweite Stufe der Steuerreform vorzuziehen, werden wir uns natürlich nicht verweigern. Aber - und auch das ist deutlich geworden - nach dem Wahlsieg am 22. September müssen wir dieses Thema erneut aufgreifen, denn den Mittelstand nicht zu entlasten, heißt, erneut Wachstumspotenziale zu verschenken.
Als Thüringer Union und Thüringer CDU-Landtagsfraktion sind wir uns bewusst, Deutschland muss auch deshalb wirtschaftlich aufholen, damit wir die Zukunftsfähigkeit dieses Landes wieder herstellen und damit wir zukünftig auch in der Lage sind, unsere Hilfsfähigkeit in Katastrophen wie diesen wirklich zu leisten. Wir werden den Weg der Bundesregierung im Bundesrat nicht blockieren, aber diese Debatte muss geführt werden. Ich darf "Die Welt" von heute zitieren, sehr geehrter Herr Lippmann, damit Sie vielleicht einmal etwas tiefer denken.
"In Zeiten großer Not lässt sich schlecht Wahlkampf führen. Alle anderen Probleme werden von der Flut bedeckt. Was aber, wenn das Wasser wieder zurückgewichen ist? Hat sich dann auch die politische Landschaft verändert? Wenn die Hilfe für die Opfer in den nächsten Tagen geregelt ist und die Hochwasserbilder aus den Medien verschwunden sind, wird die tiefere nationale Katastrophe wieder sichtbar, die der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes."