Protokoll der Sitzung vom 23.08.2002

Da mit der Bundestagswahl wichtige Entscheidungen bezüglich des Finanzierungsmodus noch ausstehen, die auch unseren Doppelhaushalt betreffen, so ja auch der Antrag, können jetzt noch gar keine Festlegungen für unseren zukünftigen Doppelhaushalt vorgenommen werden. Wir plädieren deshalb dafür, den Antrag der SPD an den Haushalts- und Finanzausschuss zur weiteren Beratung zu überweisen.

(Zwischenruf Abg. Doht, SPD: So weit sind wir doch noch gar nicht.)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Die Betroffenen in den Hochwassergebieten dürfen jetzt nicht resignieren, das heißt, dass die Politik handeln muss. Dazu sind wir, denke ich, nicht nur hier im Thüringer Landtag, sondern in Deutschland insgesamt bereit, das hat die Diskussion der letzten Tage, aber auch die konkrete Hilfe der letzten Tage bewiesen. Deshalb muss schnell Geld zur Verfügung gestellt werden und das Geld muss bei denen, die betroffen sind, auch kurzfristig ankommen. Wichtig ist, dass wir aber auch weiter zusammenstehen und dort Hilfe organisieren, wo sie notwendig ist. Wichtig ist auch, dass wir als Thüringerinnen und Thüringer die Hilfe fortset

zen, die wir in den letzten Tagen durch unsere Rettungskräfte und Hilfskräfte, aber auch im Land aufgebracht haben. Ich freue mich, dass eine Thüringer Initiative jungen Menschen z.B. ihre Ausbildung sichert, die jetzt ihre Ausbildung aufgrund weggebrochener Betriebe nicht mehr vor Ort fortsetzen können.

(Beifall bei der CDU)

Ich freue mich auch, dass alte Menschen, denen sprichwörtlich ihr Heim weggeschwommen ist, in Thüringen Heimat gefunden haben und die nächsten Wochen hier sein können, damit die Schäden von dem Hochwasser auch beseitigt werden können - auch eine Thüringer Initiative, privat ergriffen mit großer Wirkung. Wichtig ist auch, dass zahlreiche betroffene Betriebe schnell wieder arbeitsfähig werden, damit sich die Arbeitslosigkeit dort nicht noch weiter erhöht und auch die Möglichkeit für die Betriebe besteht, sich in die Aufarbeitung der Probleme aktiv einzubringen, denn auch wir wollen insgesamt im Mittelstand natürlich die Aufbauarbeit unterstützen und entsprechend von den Möglichkeiten, die dafür eingesetzt werden, auch partizipieren. Das heißt, wenn wir diese Aufgabe als nationalen Kraftakt verstehen, das ist deutlich geworden, werden wir diese Aufgabe auch meistern, nicht von heute auf morgen, aber in den nächsten Monaten und Jahren. Die Behebung der Schäden, da bin ich ganz sicher, braucht Zeit, aber ich bin sicher, dass das Beispiel an Solidarität und Mitmenschlichkeit der letzten Tage die richtige Orientierung für die nächsten Wochen gibt. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Kummer, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte den Anfang meiner Rede auch dazu nutzen, um in meinem Namen und im Namen meiner Fraktion den zahllosen Helfern, die uneigennützig den Kampf gegen die Fluten aufgenommen haben, recht herzlich zu danken.

(Beifall bei der PDS; Abg. Gentzel, SPD)

Ich denke hier nicht nur an diejenigen, die sich in Thüringen engagiert haben, ich denke unter anderem auch an diejenigen, die z.B. in der Stadt Dessau, wo Mulde und Elbe zusammenfließen, gewirkt haben, in meiner Heimatstadt, weshalb mich diese Frage "Hochwasserschutz" auch ganz besonders berührt. Die Thüringer haben hier viel geleistet. Wir haben es über die Medien verfolgen können und ich denke, das ist mit vielem Dank auch von unserer Seite zu versehen.

Wir haben in den vorangegangenen Redebeiträgen sehr viel gehört, welche Schäden die Fluten angerichtet haben und was zur Behebung der Schäden notwendig ist. Die Frage der Finanzen hat eine große Rolle gespielt. Diese Frage wird mein Kollege Mike Huster im nächsten Tagesordnungspunkt für unsere Fraktion noch einmal beleuchten. Ich möchte in meinem Redebeitrag den Schwerpunkt auf eine andere Seite der Flutkatastrophe lenken. Dazu möchte ich mit einem Zitat beginnen, das den meisten von uns sicherlich bekannt ist: "Als aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzen nur böse war immerda, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen... Da sprach Gott zu Noah: Das Ende allen Fleisches ist bei mir beschlossen, denn die Erde ist voller Frevel von ihnen, und siehe, ich will sie verderben mit der Erde. Mache dir einen Kasten von Tannenholz und mache Kammern darin und verpiche ihn mit Pech innen und außen.... Denn siehe, ich will eine Sintflut kommen lassen auf Erden, zu verderben alles Fleisch, darin Odem des Lebens ist, unter dem Himmel. Alles, was auf Erden ist, soll untergehen."

Meine Damen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Das tut ja weh, wenn Sie...)

warum bringe ich dieses Bibelzitat?

(Unruhe bei der CDU)

Es hat verschiedene Gründe. Der erste Grund ist sicherlich, dass die Überschwemmungsflächen der Elbe und der Nebenflüsse, die von der Hochwasserkatastrophe betroffen waren, sehr an eine Sintflut erinnern. Aber es sind nicht nur die Überschwemmungsflächen der Elbe. Ich möchte auch auf etwas weiter entferntere Nachbarn eingehen, die heute keine Rolle gespielt haben und dazu einen Auszug von "GERMANWATCH" zitieren: "Allein in China kamen in diesem Sommer mehr als 900 Menschen durch Unwetter um. In Nepal sind in den seit Wochen andauernden Überschwemmungen mindestens 422 Menschen gestorben, 30.000 Menschen wurden obdachlos. Mehrere Tausend Häuser wurden in den letzten Tagen auf den Philippinen zerstört. In Laos wurden 7.000 Unterkünfte von den Wassermassen mitgerissen." Meine Damen und Herren, auch diese Menschen haben unsere Solidarität dringend nötig.

(Beifall bei der PDS)

Aber es ist nicht nur das Bild von der Sintflut, Parallelen ergeben sich auch bei den Ursachen. Heute ist es zwar kein erzürnter Gott, der hier strafend wirkt, aber es ist die Natur, die auf menschliche Eingriffe reagiert. Wodurch entstanden diese extrem starken Niederschläge? Diese Frage muss man sich stellen. Ich denke, sie sind bedingt durch die Klimaveränderungen infolge des Anstiegs der Konzen

tration von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Eine Zunahme von extremen Ereignissen ist in wissenschaftlichen Szenarien klar als erste Auswirkung dieser Klimakatastrophe vorhergesehen worden.

(Unruhe bei der CDU)

Die ständig zunehmende Verbrennung fossiler Energieträger führt dazu.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Es gab schon einmal eine Sintflut, haben Sie erzählt.)

Durch die verringerte Aufnahmefähigkeit der Böden infolge großflächiger Versiegelungen kommt es dazu, dass der Abfluss unserer Flüsse wesentlich schneller erfolgt als früher. Das Hochwasser richtet also die Schäden wesentlich schneller an und man hat weniger Zeit, darauf zu reagieren. Durch begradigte Fließgewässer und weniger Überschwemmungsgebiete kommt es ebenfalls zu einem schnelleren Abfluss.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Weil es dichter besiedelt ist, junger Mann.)

Meine Damen und Herren, nicht nur die Behebung der Schäden, sondern auch die Verständigung auf einen Maßnahmekatalog zur Situationsverbesserung sollte uns heute beschäftigen,

(Beifall bei der PDS)

denn das nächste Hochwasser kommt bestimmt. Dämme reichen zur Verhinderung von Katastrophen nicht aus. Ein Bild hat mich bei den Berichterstattungen besonders beschäftigt. Es war ein Feuerwehrmann auf einem Damm in Bitterfeld, der voller Verzweiflung da stand und in die Mikrofone der Medien sagte: Wenigstens diesen einen Damm müssen wir doch halten. Wir müssen doch beweisen, dass man der Natur entgegenstehen kann. Auch wenn ich großes Verständnis für diesen Feuerwehrmann habe, aber ich denke, dieser Ansatz ist falsch. Wir brauchen ein anderes Verständnis. Der Mensch darf sich nicht als Beherrscher der Natur fühlen, sondern als Teil der Natur.

(Beifall bei der PDS; Abg. Doht, SPD)

Wir sind ein Rad in einem komplizierten Getriebe. Wenn dieses Rad nicht mitspielt, dann hat es Auswirkungen auf den gesamten Mechanismus.

Meine Damen und Herren, welche möglichen Maßnahmen sehen wir? In Bezug auf die Gewässerstruktur muss man feststellen, die Gewässerstrukturkarte des Freistaats Thüringen bescheinigt der Pleiße, dass wir hier die schlechteste Gewässerstruktur haben, die man sich für ein Fließgewässer vorstellen kann. Verbesserungen sind hier dringend notwendig. Die Gewässerstrukturkarte Thüringens zeigt aber

so gut wie nur die Gewässer erster Ordnung. Einen Überblick über die Gewässer zweiter Ordnung haben wir fast gar nicht. Hier ist die Frage, wie es aussieht, die noch gestellt werden muss, und hier ergibt sich ein großer Teil an Arbeit, um die Gewässerstruktur zu verbessern und in Zukunft solchen Problemen vorzubeugen. Wir müssen den Fließgewässern in Thüringen wieder mehr Platz geben. Dazu ist meiner Ansicht nach ein Programm zum Aufkauf von betroffenen Uferbereichen notwendig - ich möchte hier an das Beispiel der fränkischen Saale erinnern, wo so etwas im Freistaat Bayern schon ganz gut läuft -, ein Programm, das nicht nur Kosten verursacht, sondern dadurch auch wieder Kosten einspart, dass Uferbefestigungsmaßnahmen in Zukunft nicht mehr notwendig sind.

Ein paar Gedanken noch zur Versiegelung: Täglich werden in Deutschland über 100 Hektar Fläche versiegelt. Auch in Thüringen brauchen immer weniger Thüringer immer mehr Flächen. In den letzten Jahren hat es hier Straßenbau gegeben. Es gab den Neubau von Einkaufszentren und Gewerbegebieten auf der grünen Wiese und der Rückbau von nicht mehr benötigten Flächen geht längst nicht so schnell voran, wie wir uns das wünschen würden. Auch die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand ist nicht so besonders. Ich möchte hier einmal ein medienträchtiges Beispiel aus den letzten Tagen erwähnen, das nicht aus Thüringen stammt, den Sächsischen Landtag.

Meine Damen und Herren, wenn die öffentliche Hand schon direkt an das Ufer eines Fließgewässers baut, wie wollen wir denn die anderen Menschen davon abhalten, dass sie sich so verhalten. Entschiedene Maßnahmen gegen eine weitere Versiegelung sind notwendig.

(Zwischenruf Abg. Sonntag, CDU: Quatsch.)

Und, Herr Sonntag, weil Sie eben "Quatsch" gerufen haben, wenn ich das richtig gehört habe, ich möchte hier an ein anderes Beispiel erinnern. In Thüringen ist ja dieser Autoverteiler zu ziemlicher Berühmtheit gelangt, wo über 100 Neuwagen in den Fluten abgesoffen sind. Wenn die Informationen stimmen, die ich habe, hat hier der Kreistag beschlossen, dass das Hochwasserschutzgebiet aufgehoben wird. Damit konnte der Investor dort bauen. Wenn Menschen meinen, dass sie kraft ihrer Wassersuppe ein Hochwasserschutzgebiet aufheben können, dann sind sie wirklich auf dem falschen Dampfer.

(Beifall bei der PDS)

(Unruhe im Hause)

Ich möchte noch etwas zum Klimaschutz sagen. Vielleicht könnten Sie mich hier noch ein bisschen weiterreden lassen. Im Bereich des Klimaschutzes sollten nicht nur Sonntagsreden gehalten werden. Auch unser Haus hat sich mit der Frage schon beschäftigt. Es hat schon viele positive Aktivitäten gegeben, aber auch vieles, was noch unzulänglich ist. Ich möchte hier nur an den Verkehrs

bereich denken, der im Klimaschutzbericht der Landesregierung ein großes Problem darstellt für unsere Fraktion, denn der Straßenverkehr als die Nummer eins beim Ausstoß der klimarelevanten Gase wird weiter steigen und in diesem Bericht ist nichts zu entnehmen, dass man dagegen etwas tun will. Was ich aber an die CDU auch noch für Fragen stellen möchte in diesem Zusammenhang, ist die Frage der Energiepolitik. Das ist ein Bereich, unter dem es unter der rotgrünen Bundesregierung doch einige Fortschritte gegeben hat,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Oh, oh.)

und ich muss Ihnen schon die Frage stellen: Wie hält es die CDU im Fall, dass sie an die Regierung kommen sollte nach den Wahlen zum Bundestag, mit dem erneuerbaren Energiegesetz?

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Sie machen jetzt hier aber keinen Wahlkampf.)

Wie halten Sie es mit der Besteuerung des Primärenergieverbrauchs? Das sind Fragen, die in Sachen des Klimaschutzes unbedingt beantwortet werden müssen,

(Beifall bei der PDS; Abg. Dr. Botz, SPD)

denn nur, wenn wir in der Energiewirtschaft endlich deutliche Zeichen setzen, dass wir hier willens sind, den Umbau vorzunehmen, weg von der Nutzung von Kohle, Heizöl und Erdgas, nur dann werden wir in Zukunft weniger Probleme mit dem Klima bekommen. Aber es gibt auch noch andere Probleme, die ich am Rande deutlich machen möchte. So stellt sich mir z.B. die Frage: Hätte man nicht über Versicherungen mehr erreichen können? Ein Beispiel aus der Landwirtschaft möchte ich hier nennen. Viele Landwirtschaftsbetriebe sind durch das Hochwasser auch in Thüringen stark betroffen und das hat zwar eine Rolle gespielt, aber nicht die Rolle, die vielleicht notwendig gewesen wäre. Wie sieht es aus mit einer Mehrgefahrenversicherung im Bereich der Landwirtschaft. Wir haben dieses Thema im Landwirtschaftsausschuss schon angesprochen und, ich denke, es ist dringend Zeit, hier zu handeln, um den Betrieben ihre Einkommen abzusichern und sie gegen diese extremen Ereignisse noch zu schützen, die uns in nächster Zeit öfter heimsuchen werden.

(Beifall bei der PDS)

Eine Unterstützung durch die öffentliche Hand ist aber dringend notwendig, Herr Wunderlich, das wissen Sie auch. Die Mehrgefahrenversicherung kann nicht durch die Landwirte allein getragen werden, denn die Landwirte allein sind auch nicht für die Katastrophen im Klimaschutz zuständig.

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Setzen Sie sich mal mit Herrn Scheringer auseinan- der. Vielleicht hat er einen besseren Vor- schlag.)

(Beifall bei der PDS)