Protokoll der Sitzung vom 23.08.2002

Sie können es schriftlich haben von mir. "Nach Auffassung von Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel können vorübergehend Mittel aus verfügbaren Fonds wie dem Solidarpakt II bereitgestellt werden."

(Zwischenruf aus dem Hause: Das kann doch nicht wahr sein!)

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident:... Das stammt nicht von mir. Das muss doch nicht wahr sein.)

Natürlich weiß ich, dass ungefähr 12 Stunden später - das ist die gleiche Quelle - gesagt wird, dass Sie gesagt haben, der Solidarpakt ist keine Kasse für Not- und Katastrophenfälle. Aber das zeigt doch die Konfusion, die bei Ihnen geherrscht hat in diesem Zeitraum.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man innerhalb von 12 Stunden über ADN zwei anders lautende Meldungen dazu bekommt.

Aber nun zu Ihrem Vorschlag: Der Vorschlag bedeutet, dass bis Ende des Jahres noch einmal 7,7 Mrd.   Schulden im Bundeshaushalt anfallen. Daraus folgt für die nächsten 11 Jahre noch einmal pro Jahr eine Zinszahlung - denn es sind mehr Schulden, deshalb sind mehr Zinsen fällig - von jeweils 400 Mio.   /  heißt, mir müssen uns Ihre 7,7 Mio. ) hilfe auf die nächsten 11 Jahre mit 4,4 Mrd.     (men und Herren, an der Stelle bin ich ziemlich deutlich, das ist die Fortsetzung der Waigel'schen Schuldenpolitik und da machen wir nicht mit.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage auch, in einer Phase, in der uns die Europäische Union Hoffnung auf nicht unerhebliche Hilfe zur Beseitigung der Hochwasserkatastrophe macht, sollten wir im Übrigen auch die Maastricht-Kriterien nicht ganz aus dem Auge verlieren.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Aha, plötzlich.)

Zweitens: Meine Damen und Herren, ich möchte warnen vor einer "Stattdessen"-Politik. Nicht in dem gleichen Stil, wie es heute die Frankfurter Rundschau getan hat unter

der Überschrift "Der Stoibersalto", auf dieses will ich gar nicht eingehen. Ich will auf etwas anderes aufmerksam machen. Wenn es stimmt und es gibt keinen Grund, dies zu bezweifeln, gibt der Sächsische Ministerpräsident so ungefähr den Schaden allein in Sachsen mit 15 Mrd.  an. Das heißt, es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir in Zukunft noch einmal über zusätzliche Mittel für diesen Fond reden müssen und in diesem Zeitraum eine "Stattdessen"Politik zu führen und den Leuten andere Dinge zu versprechen, halte ich - vorsichtig gesagt - für sehr gefährlich schon im Ansatz.

(Beifall bei der SPD)

Als Drittes, auch das will ich hier deutlich sagen, ich habe es schon gesagt: Die Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform schmerzt, aber wenn ich mich erinnere, wie diese Steuerreform und auch die zweite Stufe von einigen Leuten in Grund und Boden geredet worden ist, als nutzlos und sinnlos dargestellt worden ist und genau die Gleichen beweinen jetzt das Verschieben dieser zweiten Stufe der Steuerreform, dann muss ich mich schon fragen, wie ernsthaft die Argumente und die Befürchtungen wirklich auf diesen Seiten sind.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, aber die CDU hat gestern auch angekündigt, die Vorschläge der Bundesregierung nicht zu blockieren. Wir halten diese Entscheidung für richtig, weil die somit umgesetzten Vorschläge der Bundesregierung am besten geeignet sind, den Menschen vor Ort zu helfen. Ich glaube, wir freuen uns alle, wenn den Menschen vor Ort geholfen wird. Jetzt ist der Weg frei für eine schnelle und konsequente Hilfe. Wir werden so auch in diesem Haus nicht nur von Solidarität reden, sondern wir werden sie praktisch üben. Auch deshalb bitte ich Sie, auch im Sinne sicherlich der Menschen in diesen geschundenen Gegenden, in den Katastrophengebieten, um Zustimmung zum SPD-Antrag. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abgeordneter Huster, Sie haben als Nächster das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist an dieser Stelle heute schon sehr häufig geäußert worden, wie stark der Rückschlag für den Aufbau Ost durch dieses verheerende Hochwasser in Deutschland ist. Fakt ist auch, dass möglichst schnelle und unbürokratische Hilfe für die Betroffenen kommen muss, damit nicht Resignation, Abwanderung oder beides gemeinsam entsteht. Richtig ist deshalb vom Grundsatz her die Einigung der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler von gestern und

auch die nun anlaufenden Hilfen für Bürger, Unternehmen und die betroffenen Länder. Ich sage aber auch, vom Grundsatz her richtig. Über die Finanzierung der Hilfen bestehen bekanntlich zwischen den Parteien Unterschiede. Die Union will die Bundestagsgewinne verwenden

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Der Bundestag hat noch keine Gewinne gemacht.)

- Entschuldigung, die Bundesbankgewinne - und ich stimme dem zu, was Herr Gentzel gesagt hat, ich halte das für falsch, weil es doch bloß eine verdeckte Schuldenaufnahme ist. Nein, ich denke, auch wenn wir uns einig sind, dass die Beseitigung der Schäden eine nationale Anstrengung erfordert, dann sollte das überlegt werden, was 1990 verabsäumt wurde. Vermögende und große Unternehmen sollen zur Finanzierung der Schäden mit herangezogen werden, denn klar ist schon jetzt, dass die Gesellschaft und dass vor allem die kleinen und mittleren Einkommen die Last mittragen werden. Aber ich meine, vermögende und große Unternehmen sollten zur Finanzierung mit herangezogen werden.

(Beifall bei der PDS)

Die Aussetzung der zweiten Stufe der Steuerreform als kurzfristige Maßnahme bezeichnen wir als sinnvoll, allerdings aus verteilungspolitischen Gesichtspunkten als nicht ausreichend. Auch was gestern angekündigt wurde, den Körperschaftssteuersatz von 25 auf 26,5 Prozent für ein Jahr zu erhöhen, ist absolut nicht ausreichend, wenn man an dieser Stelle vielleicht zwei Fakten bedenkt: erstens, dass gerade dieser Teil der Steuerreform sich für die öffentlichen Haushalte sehr verheerend ausgewirkt hat, und zweitens, dass es zumindest bisher so war, dass 1 Prozent der Körperschaftssteuer in etwa 1 Mrd. 0nahmen gebracht hat. Allein im 1. Halbjahr 2002 ist es so, dass die Kapitalgesellschaften in Deutschland 1,3 Mrd.   vom Fiskus rückerstattet bekommen haben, als sie Steuern gezahlt haben. An der Stelle macht es sicher keinen Sinn, die Steuerreform insgesamt zu bewerten, weil wir sicher auch in der Pflicht stehen, hier parteipolitische Auseinandersetzungen aus dem Raum zu halten. Ich meine aber, dass gerade dieser Teil der Steuerreform insgesamt der problematischste ist, und man sollte sich überlegen, ob man nicht Teile dieser Reform kräftiger rückgängig machen könnte, und dann hätten wir möglicherweise auch Spielräume, die mittleren und kleinen Einkommen so, wie beabsichtigt, auch zu entlasten.

(Beifall bei der PDS)

Wenn man die prognostizierte Höhe der Schäden in Sachsen-Anhalt und in Sachsen beziffert - das ist überschlagen, jetzt sind 25 Mrd. %!   , dass es nach den jetzigen Finanzierungsvorschlägen weitere Finanzierungsvorschläge geben muss und die bis jetzt in Aussicht gestellten Gelder bei weitem nicht ausreichen werden. Am problematischsten am jetzigen Vorschlag, Herr

Gentzel, ist - das ist in der öffentlichen Debatte und das haben Sie selbst angesprochen -, dass der Teil der Steuerreform ausgesetzt wurde, der die mittleren und kleinen Betriebe, die als Personengesellschaften organisiert sind, und im Prinzip alle Einkommenssteuer Zahlenden in diesem Land nicht entlastet, wie das beabsichtigt war. Das ist konjunkturpolitisch höchst fragwürdig, aber ich würde mich Ihrer Auffassung anschließen, dass es schmerzhaft ist, ich denke aber auch eben skizziert zu haben, dass es nicht alternativlos ist, wie Sie das dargestellt haben.

Man könnte natürlich im Bundeshaushalt, wie das Österreich sofort gemacht hat, andere Prioritäten setzen. Und Sie wissen ja, Österreich hat zumindest einen Teil des Eurofighter-Programms sofort gestoppt.

(Beifall bei der PDS)

Aber auch dann, meine Damen und Herren, ist klar, dass das Geld nicht reichen wird und zusätzliche Überlegungen anzustellen sind auch über die unmittelbare Beseitigung der Hochwasserschäden hinaus. Ihnen ist bekannt, dass die PDS hier insbesondere an die Verteilungsgerechtigkeit im Land denkt. Da möchte ich nur daran erinnern, dass wir die Wiedereinführung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen für Kapitalgesellschaften wollen, dass wir eine Vermögenssteuer wieder einführen wollen auf einer veränderten, verfassungskonformen Grundlage und dass ich auch der festen Überzeugung bin, dass die von den Attac-Verbänden geforderte Tobin Tax tatsächlich ein Mittel wäre, erstens die Ausuferung in den Börsenmärkten zu kontrollieren, Geld wieder in reale Wirtschaftskreisläufe zu bringen und zusätzliche Einnahmen auch im Bundeshaushalt zu ermöglichen. Die Experten gehen davon aus, dass schon eine geringe Besteuerung zu Mehreinnahmen von mindestens 100 Mrd.  im Jahr führen würde.

(Beifall bei der PDS)

Summa summarum, zur Finanzierung der Schäden müssen weitere Einnahmemöglichkeiten geprüft werden und die Gesellschaft darf nicht im Wesentlichen die Schäden aus diesem Hochwasser allein tragen. Aus dem Genannten, Herr Gentzel, folgt für uns, dass wir Ihren Antrag nicht blockieren wollen, aber eben nach dem Gesagten auch nicht kritiklos hinnehmen. In Punkt 2 Ihres Antrags plädiere ich ebenso wie die CDU für die Ausschussüberweisung. Ich halte das für das Sinnvollste.

Abschließend lassen Sie mich sagen, dass das verheerende Hochwasser und seine Folgen nicht in einem Jahr zu bewältigen sein werden. Es wird noch über Jahre hinaus erhebliche Mittel brauchen, vor allem dann, wenn der Aufbau II genutzt wird, alte Fehler zu vermeiden. Insofern ist dann auch die Chance gegeben, durch eine integrierte Wirtschafts-, Struktur- und Arbeitsmarktpolitik in den betroffenen Gebieten sich langfristig selbsttragende Wirtschaftskreisläufe zu entwickeln.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Huster, lassen Sie Herrn Schwäblein's Nachfrage zu? Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Abgeordneter, ist Ihnen bekannt, dass der Herr Haider in Österreich die zugegebenermaßen sehr populistische Debatte mit den Rüstungsbeschränkungen eingeführt hat, und das vornehmlich aus innerparteilichen Gründen? Ist Ihnen der Name bekannt in dem Zusammenhang

(Heiterkeit bei der CDU, SPD)

und der Anlass und die sehr starke Form des Populismus und merken Sie, dass Sie auf einem ähnlichen Weg sind, mit Populismus hier zu versuchen Punkte zu machen?

Herr Schwäblein, bei allem Bemühen, Ihre Parallelität kann ich natürlich nicht nachvollziehen. Das ist mir so nicht bekannt. Ich habe mich lediglich darauf bezogen, dass über die Medien die Nachricht kam, dass Österreich andere Prioritäten setzt,

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Das ist aber weich gewaschen, sehr weich gewaschen.)

und ich bin der Meinung, dass auch wir im Rahmen genau dieser Debatte im Bundeshaushalt darüber nachdenken sollten, ob man andere Prioritäten setzen kann.

(Beifall bei der PDS)

Ob das nun Herr Haider fordert oder nicht, dass die PDS zu Rüstungsprojekten eine äußerst kritische Auffassung hat, dürfte Ihnen bekannt sein. Das ändert sich auch nicht, wenn Herr Haider in diese Richtung Politik macht.

(Beifall bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir erleben eine Naturkatastrophe von in Deutschland nicht gekanntem Ausmaß und Schäden, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland nicht mehr erlebt haben. Es ist selbstverständlich, und das haben auch die Redner vor mir getan, unsere Gedanken sind zunächst bei den Betroffenen, denen geholfen werden muss, aber fast noch wichtiger, denen Mut gemacht werden muss,

(Beifall bei der CDU; Abg. Gentzel, SPD)

damit die Hilfe nützt. Natürlich gilt auch mein Dank den Helfern, den dienstlich dazu Tätigen wie den Freiwilligen in besonderem Maß. Herr Kollege Milbradt hat gestern gesagt, in Dresden haben sich alle deutschen Landsmannschaften wiedergefunden. Das ist ein gutes Zeichen. Ich danke natürlich vor allem den Helfern, die aus Thüringen kamen, und ich wiederhole einen Satz, den ich vor Monaten in ganz anderem Zusammenhang gebraucht habe: Die Tugend der Mitmenschlichkeit ist in Deutschland nicht verloren gegangen, sie wird in vorbildlichem Umfang geübt.

(Beifall bei der CDU)

Ein Beispiel dafür sind die vielen Initiativen für private Hilfen. Denn was wir auch tun und beschließen, der Staat stößt in dieser Sache irgendwo an Grenzen. Allein das eine Beispiel, dass die Gemeinschaftssendung vom Mitteldeutschen Rundfunk und Bayrischen Rundfunk aus Burg bei Magdeburg in wenigen Tagen 24 Mio.  )&   ! bracht hat, das ist eine Summe, die für eine solche Aktion völlig ohne Beispiel ist. Ich bedanke mich für alle Initiativen, die diesbezüglich - von wem auch immer - im Freistaat ergriffen worden sind. Unser Land ist nur in überschaubarem Maß betroffen, obwohl das den Betroffenen natürlich nichts hilft im Altenburger Land, in einigen Eichsfeldgemeinden und in einigen Nachbargemeinden des Altenburger Landes. Auch da ist Hilfe notwendig. Der Herr Staatssekretär hat es vorhin gesagt, wo notwendig, wird sie von uns auch geleistet. Wir sind froh, dass der Bund, der uns verständlicherweise in der ersten Eile übersehen hatte, jetzt auch Hilfe in das Altenburger Land aus den Sofortprogrammen hat fließen lassen.