Und schon fast auf den Tag genau, diese Woche hat der Geschäftsführer der Handwerkskammer Erfurt, Herr Dr. Artymiak, das genau richtig gesagt: Man kann die Uhr danach stellen. Man kann wirklich die Uhr danach stellen, wenn Anfang September genau dieses Thema aufgerufen
wird. Wider besseres Wissen kennen Sie genau die Fakten, die Daten und die Zahlen, ab wann man verlässlich über dieses Thema diskutieren muss und wo man eingreifen muss, wo man sagen kann, jetzt sind wir gefragt, jetzt müssen wir versuchen, auf welchem Weg auch immer, nach Möglichkeiten zu suchen, die noch nicht vermittelten jungen Menschen in diese Ausbildungsplätze hineinzubekommen. Das ist natürlich völlig klar, dass im September, im Oktober, im November, wenn man gerade mit den Ausbildungsbetrieben spricht, weitere Lehrverträge abgeschlossen werden. Das war jedes Jahr so, das wird auch in diesem Jahr wieder so sein, das ist unstrittig. Für die 5.500 erwähnten bis jetzt noch nicht mit Ausbildungsplätzen bedachten Menschen haben wir eine Verantwortung, das ist völlig klar.
Ich sage noch einmal eines dazu, weil die Wirtschaft angesprochen worden ist, man muss sich mal die Zahlen anschauen. Wenn man die aktuelle Zahl aus dem produzierenden Gewerbe sieht, nehmen wir mal das Baugewerbe, das ist ja maßgeblich daran beteiligt, dass die Zahlen so schlecht liegen. Der Umsatzverlust gegenüber dem vorigen Jahr betrug über 14 Prozent. Da müssen Sie mal in so ein Unternehmen gehen, die haben immer ausgebildet, wenn sie Umsätze hatten, gerade die Handwerksbetriebe, sehr verantwortlich ausgebildet, aber wenn diese Entwicklung da ist und die - das sage ich hier ganz klipp und klar - einer völlig verfehlten Steuerpolitik von Rotgrün geschuldet ist, wo kein Wachstum stattfindet in der Wirtschaft, dann muss man den kleinen und mittelständischen Unternehmen auch zugestehen, dass sie Schwierigkeiten haben, junge Leute einzustellen und auszubilden. Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, die 3,1 Prozent, die es genau ausmacht im Vergleich der Zahlen zum vorigen Jahr, die im Moment etwas höher liegen, an jungen Menschen, die noch nicht in der Ausbildung sind, die werden wir - da bin ich mir sehr sicher - gemeinsam mit der Landesregierung und mit den bisher anstehenden Programmen auch bewältigen können.
Was mich allerdings auch ein Stück verwundert - das ist heute noch nicht angesprochen worden - Frau Kollegin Pelke, Sie kennen ja auch das Bund-Länder-Programm der 14.000 zusätzlichen Lehrstellen. Ich glaube, darauf muss man hinweisen. Thüringen hat dieses Jahr 1.679 Stellen gefördert bekommen. Warum der Bund uns dieses Jahr exakt ausgerechnet 240 Stellen weniger bewilligt, die Frage müsste man allerdings auch einmal weitergeben. Vielleicht können Sie das tun, dann geht es auch wieder ein kleines Stückchen aufwärts.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Frau Wackernagel, Sie können ja auf den Berufsbildungsbericht warten und ihn lesen.
(Zwischenruf Abg. Wackernagel, CDU: Auf den Bericht muss ich nicht warten, ich habe das jeden Tag am eigenen Leib gespürt.)
Ich kann Ihnen aber empfehlen, so im Mai/Juni herum mal in die Abschlussklassen zu gehen und sich dort die Stimmung anzuschauen und mit Schülerinnen und Schülern zu reden. Ich bin auch sehr dafür, dass man diese Landtagsdebatte in Zukunft live überträgt, das ist wirklich ein Beitrag für den Sozialkundeunterricht. Ich kann Ihnen versichern, dass wir dieses Thema jedes Jahr, und zwar um diese Zeit, wieder auf die Tagesordnung setzen werden, weil das neue Ausbildungsjahr - ich weiß nicht, ob Sie das wissen - das beginnt eben am 1. August - jedes Jahr wieder. Immer noch suchen über 5.000 junge Leute eine sinnvolle Perspektive, über 5.000 junge Menschen, die sich mehr oder weniger damit abfinden müssen oder schon abgefunden haben, dass diese Gesellschaft sie hier im Moment nicht braucht. Wissen Sie, was in diesen jungen Leuten vorgeht, was das möglicherweise für psychische Folgen hat? Große Probleme, Sozialhilfekarrieren - möglicherweise lebenslang sind vorprogrammiert. Ich weiß, wie schwer es ist, in den Abschlussklassen gegen die zunehmende Depressivität anzukämpfen, Motivation und Lebensmut zu geben.
Dann fragen Sie sie. Fehlende Prüfungsvorbereitung und Null-Bock-Stimmung sind keine vereinzelten Symptome mehr, vor allem dann, wenn der familiäre Hintergrund auch nicht mehr stabil ist. Wenn Thüringen seit 1997 5 Prozent der Jugendlichen zwischen 18 und 25 Jahren verloren hat und trotzdem die Jugendarbeitslosigkeit weiter gestiegen ist, so tickt hier eine Zeitbombe, meine Damen und Herren.
Die Anzahl der betrieblichen Lehrstellen - das wurde schon gesagt - reicht nicht einmal für die Hälfte der Bewerberinnen und Bewerber.
Nein, der Bewerberinnen und Bewerber, nicht, die Sie herausgerechnet haben, nachdem Sie die in Vollzeitmaßnahmen geschickt haben. Nein, nein, ich habe lange gebraucht, um Ihre Zahl von 78 Prozent nachzuvollziehen. Ich habe es jetzt begriffen. Aber ich meine die Bewerberinnen und Bewerber und das sind nur 41 Prozent, die dieses Jahr eine berufliche Ausbildung bekommen, eine duale.
Lassen Sie mich reden, Sie können ja dann noch einmal reden. Die Alternative: Schulische Überbrückungsmaßnahmen bis zur Jagd nach einer Lehrstelle im nächsten Jahr, Sonderprogramme, die erst Monate später als zum 1. August greifen und die die Zweitrangigkeit der Maßnahmen deutlich machen, auch das bereits besprochene BVJ zeigen Jahr für Jahr die Hilf- und Konzeptlosigkeit der Landesregierung.
Ein erster Schritt wäre die Fördermittelzusage und Auftragsvergabe ausschließlich an Unternehmen, die ihrem Ausbildungsauftrag entsprechend ihrer Wirtschaftskraft gerecht werden.
Es ist bereits gesagt worden, für den August 2002 - Sie dürfen auch dann noch mal reden - stellt das Landesarbeitsamt erneut einen dramatischen Rückgang der betrieblichen Ausbildungsstellen um fast 18 Prozent fest. 2.835 fehlende Ausbildungsstellen, weil die Hälfte der ausbildungsberechtigten Unternehmen sich verweigert, das ist ungerecht und teuer. Bei kleinen und mittelständischen Betrieben soll die Gerechtigkeit durch eine Ausbildungsplatzumlage erzielt werden, das würde im Moment eine Bezuschussung vieler der ausbildenden Betriebe bedeuten und wäre allein dadurch gerechtfertigt, dass die Alimentierung von zusätzlichen Vollzeitmaßnahmen bei privaten Bildungsträgern mit Sicherheit weder kostengünstiger noch langfristig sinnvoller ist. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Entschließungsantrag der PDS zum Tagesordnungspunkt 11 und hoffe, dass er zu einem Zeitpunkt im Plenum beraten werden kann, wo nötige Ruhe und Aufmerksamkeit ein sachliches, parteiübergreifendes Beraten möglich macht.
Die Gründung eines Landesinstituts für Berufsbildung, das auf Ausbildung gerichtete Aktivitäten wissenschaftlich begleitet und Förderinstrumente evaluiert, sollte Erkenntnisvorlauf schaffen, so dass im nächsten Jahr eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema unnötig würde. Die Thüringer Jugend sollte es uns wert sein. Zeigen wir ihnen, dass wir sie brauchen, dann werden sie uns zeigen, dass sie es auch können. Danke.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin, das Ritual geht bis in die Formulierungen hinein, auch die kehren immer wieder.
Es geschieht längst sehr viel, Herr Nothnagel, es sind laufend 14 Ausbildungsplatzwerber unterwegs, 19 Qualifizierungskoordinatoren, alle Kammern sind aktiv, um die Unternehmen zu ermutigen auszubilden. Es gibt viele andere, die sich in den Dienst dieser Aufgabe stellen, die Medien z.B., da kann man doch nicht sagen, es muss endlich etwas geschehen, angesichts dieser Anstrengungen, die es gibt. Werten Sie doch die Arbeit dieser Leute nicht ab mit solchen Aussagen.
Sie wissen, seit Jahren gibt es eine Ausbildungsinitiative der Landesregierung mit allen Trägern der beruflichen Ausbildung, wo man sich dieser Aufgabe stellt. Es ist doch nicht so, dass die Landesregierung diese Aufgabe nicht sieht. Darüber besteht Einigkeit, glücklicherweise auch in diesem Haus. Die Frage ist, wie wir das Problem lösen können.
Trend Nr. 1: Es wirkt inzwischen der demographische Faktor, das heißt, die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen geht zurück, und zwar bereits beachtlich. Wir alle reden ja davon, dass wir in wenigen Jahren die Situation haben, dass gerade noch die Hälfte der Ausbildungsplatzbewerber auf dem Markt sein wird. Wie Frau Pelke schon gesagt hat, es werden dann die Betriebe händeringend Auszubildende suchen. Diese Entwicklung ist bereits im Gange.
Im Gange ist aber auch ein anderer Trend, nämlich der, dass zwar im Bereich der Industrie- und Handelskammern noch zusätzliche Ausbildungsplätze angeboten werden
(plus 2,8 Prozent im Bereich des Handwerks) , aber aus bekannten Gründen das Angebot an Ausbildungsplätzen zurückgeht, und zwar beachtlich. (Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Das wurde von der PDS beschimpft, sie hätte keine Qualität.)
Wir haben es dennoch damit zu tun, dass von den Auszubildenden bei uns 78 Prozent in den Betrieben ausgebildet werden.
Wir haben damit die höchste Quote im Vergleich aller neuen Länder, eindeutig die höchste Quote der betrieblichen Ausbildungsplätze. Nun kann man jetzt natürlich sagen: Und die restlichen 22 Prozent? Frau Pelke, die werden nicht in berufsvorbereitenden Maßnahmen untergebracht, wie Sie formuliert haben, die gehen in Ausbildungsverbünde oder in die überbetriebliche Lehrunterweisung, ÜLU. Das hat nichts mit Berufsvorbereitung zu tun, dort wird nämlich ausgebildet und ein Berufsabschluss erworben.
Klar ist, dass wir nicht einfach davon ausgehen können, es wird schon wieder die Vermittlungsquote 98 Prozent erreicht werden. Ich bin nicht sicher, ob wir diese Quote automatisch werden erreichen können. Die Situation ist gravierender für die Unternehmen, insbesondere für das Handwerk. Die Frage ist: Was passiert, wenn wir im Laufe des Herbstes nicht bei 98 Prozent Vermittlungsquote ankommen? In diesem Fall stellt sich dann die Frage nach einem zusätzlichen Bund-Länder-Sonderprogramm. Frau Pelke, es ist nicht in Ordnung, dass die SPD in dieser Frage eine Doppelstrategie fährt. Hier beklagen Sie die Situation und auf Bundesebene werden glatt 2.000 Stellen im BundLänder-Programm gestrichen. Das geht nicht in Ordnung.
Was ist im überbetrieblichen Bereich zu tun? Es ist häufig gefordert worden, eine Berufsbildungsumlage zu erheben. Sie haben das seit Jahr und Tag gefordert. Die SPD hat es früher gefordert, ich weiß nicht, ob sie es heute noch fordern oder nicht mehr fordern dürfen. Man ist sich heute einig, dass eine solche Umlage kontraproduktiv wirken würde. Es würde mit Sicherheit weniger ausgebildet, als dies bisher der Fall ist. Man würde sozusagen die Ausbildungsverpflichtung ablösen durch eine Umlage und sagen, bilde aus, wer will. Dies kann nicht der richtige Weg sein.
Was nun den Vorschlag anlangt, weitere Fördermittel bereitzustellen, ist zu bemerken, dass das längst geschieht. Wir haben im Rahmen des LiP-Mittel-Zuschüsse für Unternehmen, die ausbilden, Zuschüsse in beachtlichem Umfang.
Dann gibt es im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe auch eine Differenzierung. Auch da gibt es einen Sonderbonus für ausbildende Unternehmen. Das Fördersystem ist bereits auf diese Aufgabe abgestellt, berufliche Ausbildung zu fördern.
Probleme haben wir noch mit der Ausbildung junger Menschen, die die Ausbildungsreife oder den Schulabschluss nicht haben. Diese Aufgabe erfordert weitere Anstrengungen. Die Zahl der Ausbildungsplätze hängt aber nicht zuletzt von der wirtschaftlichen Lage ab. Je schlechter die Konjunktur, umso geringer das Angebot an Ausbildungsplätzen. Diesen Zusammenhang kann niemand wegreden. Wenn wir die Zahl der Ausbildungsplätze steigern wollen, dann muss die wirtschaftliche Lage durch eine veränderte Wirtschaftspolitik in Deutschland insgesamt verbessert werden.