Protokoll der Sitzung vom 13.09.2002

(Beifall bei der SPD)

Es ging eigentlich mit diesem Antrag wirklich nur darum ich bin dankbar, dass es heute gelungen ist, von diesem Podium gleich den Kommunen dieses zu sagen -, nachzufragen, ob und wann Hilfe für die Kommunen möglich ist. Das ist kein Bumerang. Ich habe selbstverständlich auch diese Antwort bedacht, dass nun alles in Butter sei. Aber das ist doch gerade das Gute an der Frage, dass das meiste nun geregelt ist. Es wäre nicht gut gewesen heute zu hören, die Bundes- oder Landesregierung hätte versagt und würde nicht helfen. Die gute und erwartete Nachricht ist, dass den Kommunen im Altenburger Land geholfen wird. Ich verstehe ihre Aussage nicht.

(Beifall bei der SPD)

Damit schließe ich die Aussprache zum Bericht und stelle fest, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist. Dem wird nicht widersprochen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 17

Maßnahmen des vorsorgenden Hochwasserschutzes Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/2677

Ich nehme an, eine Begründung durch die einreichende Fraktion wird nicht gewünscht, da der Bericht gegeben wird. Herr Staatssekretär Illert, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Bundesrepublik Deutschland, insbesondere die unmittelbaren Elbanliegerländer Sachsen und Sachsen-Anhalt, aber auch Brandenburg wurden im August 2002 von einem außerordentlichen Hochwasserereignis der Elbe heimgesucht. In Sachsen wurde dies zusätzlich verschärft durch ein historisch noch nie belegtes Katastrophenhochwasser vor allem an den Elbenebenflüssen Mulde und Müglitz. Die Bilder sind auch uns noch frisch in Erinnerung und sie haben zu einer Betroffenheit geführt, die ihresgleichen in der neueren deutschen Geschichte seit der Hochwasserflutkatastrophe in Hamburg 1962 sucht.

Thüringen war hiervon nur im äußersten Osten und Nordosten im Landkreis Altenburger Land betroffen, durch den die Pleiße mit ihren Nebengewässern fließt. In erheblichem Umfang nahmen Sachgüter und infrastrukturelle Einrichtungen leider auch im Altenburger Land Schaden. Glücklicherweise kamen keine Menschen in ernsthafte Gefahr. Zudem ließ uns der Hochwasserablauf Zeit und Raum rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu aktivieren. Unser Hochwassermeldedienst und die Alarmierungspläne in Thüringen haben gut funktioniert. Dies ist eine bedeutende Leistung, denn der Wasserstand stieg in 16 Stunden um 3,40 m. Allein der Anstieg am 12. August zwischen 7.15 Uhr und 8.15 Uhr betrug 60 Zentimeter in einer Stunde. Ich danke herzlich allen, die in dauerndem Einsatz halfen zu warnen, zu retten und zu schützen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich werde, meine Damen und Herren, meinen Bericht ausschließlich auf die Erfahrungen und Möglichkeiten des Hochwasserschutzes innerhalb des Freistaats Thüringen beschränken. Eine Auswertung der aktuellen Hochwassererfahrungen in unseren Nachbarländern ist solide derzeit noch nicht möglich. Ich bitte daher um Verständnis, dass weiter gehende Abstimmungen mit den Nachbarländern im Ergebnis der aktuellen Ereignisse noch nicht erfolgt sein können. Natürlich werden wir uns mit den Nachbarländern beraten, wenn die Erfahrungen dort so weit aufgearbeitet sind, dass Folgerungen gezogen werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, anders, als wohl die SPD meint, ist vorbeugender Hochwasserschutz in Thü

ringen kein neues Thema. Die andauernde Aktualität können Sie allein daran ersehen, dass aktuelle Novellierungen des Thüringer Wassergesetzes oder Rechtsverordnungen zu Überschwemmungsgebieten hierauf Bezug nehmen und auch in der öffentlichen Diskussion stehen. Neben der den Thüringern traditionell innewohnenden Sensibilität bezüglich Hochwasser existieren im Hochwasserentstehungsgebiet Thüringen eine Vielzahl von wasserwirtschaftlichen Anlagen, die sich in dieser Aufgabe bewährt haben und Teil der Daseinsvorsorge geworden sind. Inhaltlich brandaktuelle Broschüren sowie "Vorbeugender Hochwasserschutz in Thüringen" und "Vorsorgender naturnaher Hochwasserschutz" wurden in den letzten zwei Jahren herausgegeben und sorgen dafür, dass nicht nur die Verwaltung, sondern auch die interessierte Öffentlichkeit weiterhin Informationen aus erster Hand zur Thematik bekommen. Wir haben Ihnen diese Broschüren noch einmal in Ihre Fächer legen lassen.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass oftmals wohlmeinend diskutierte Maßnahmen im Einzugsgebiet, die die Speicherwirkung des Bewuchses, des Bodens, des Geländes oder des Gewässernetzes nutzen und verbessern sollen und auch ökologisch eine Aufwertung darstellen können, für große Hochwässer - erst recht für außergewöhnliche Katastrophenhochwässer - ohne messbare Wirkung bleiben. So können ausgedehnte und lang anhaltende Niederschläge in kürzester Zeit zu einem vollständigen Verbrauch aller natürlichen Speicherwirkung im Boden bis hin zu seiner Sättigung führen, so dass eine natürliche Versiegelung der Oberfläche auftritt. Der Abfluss erfolgt dann vergleichbar wie von einer Asphaltfläche. Es ist also die Wirkungsabschätzung von Maßnahmen von großer Bedeutung, auf welches Stauziel für die örtliche Wirkung oder den Fernbereich sie gerichtet werden soll.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Hochwasservorsorge hat das Ziel, langfristig und mit angemessenem Aufwand die Schadwirkung von Hochwasser - soweit denn möglich - in Grenzen zu halten. Da große Hochwässer zu unvermeidbaren Überschwemmungen führen, müssen Vorsorgemaßnahmen vorbereitet sein bzw. werden, um für diesen Fall in den überschwemmungsgefährdeten Gebieten gerüstet zu sein. Staatliche und kommunale Vorsorge, aber auch eigenverantwortliches Handeln der Bürgerinnen und Bürger sollten dabei aufeinander abgestimmt sein. Die Vorsorge bezieht sich 1. auf die Verhaltensvorsorge, die alle Maßnahmen umfasst, die im Hochwasserfall durch richtiges Verhalten den Schaden gering halten. Dieses, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, betrifft wohl den Punkt 8, wenn Sie den so gemeint haben. Punkt 2. - Flächenvorsorge -, die das Freihalten hochwassergefährdeter Bereiche vor Bebauung beschreibt; dies betrifft wohl Ihre Punkte 1 bis 7 in Ihrem Antrag. 3. - Bauvorsorge -, die den Schutz der bestehenden Gebäude und deren Nutzung gegen Hochwasser zum Inhalt hat; dies betrifft wohl Ihre Punkte 3 und 4. 4., ein Punkt, den Sie nicht angesprochen haben, der uns aber von Bedeutung zu sein scheint - Risikovorsorge für den Fall, dass die Hochwasserschutz

maßnahmen bei extremem Hochwasser nicht ausreichen und dadurch Hochwasserschäden eintreten.

Zunächst zur Verhaltensvorsorge: Hierzu zählen die Vorhaltung und Fortschreibung der Hochwassermeldeordnung, die Verbesserung der Hochwasservorhersage, die Information der Bevölkerung über ihre individuelle Hochwassergefährdung, die Aufstellung und Fortschreibung von Alarmund Einsatzplänen, die Aus- und Fortbildung von Einsatzkräften. Thüringen hat einen leistungsfähigen Hochwassermeldedienst mit 52 Hochwassermeldepegeln. Dies ist im Vergleich mit anderen Ländern in Deutschland eine sehr hohe Dichte. Zur Verwendung im Hochwassernachrichtendienst werden die Werte automatisch fernübertragen und in den drei Hochwassernachrichtenzentralen verarbeitet. Dazu steht in den Zentralen moderne EDV-Technik zur Verfügung, die aus den fernübertragenen Werten sowie aus Angaben zu Niederschlag, ggf. Schneeabtau, Prognosen über die nächsten Stunden ermöglicht. Alle Daten werden laufend aktualisiert und stehen der Öffentlichkeit - also jedermann - im Internet permanent über die Internetadresse der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie zur Verfügung.

Die Thüringer Flussgebiete, meine Damen und Herren, sind Hochwasserentstehungsgebiete. Die Laufzeiten entstehender Hochwasser sind kurz und die Vorwarnzeiten anders als man dieses von Rhein, Elbe oder Donau kennt, nur in Stunden anzusetzen. Die Reaktionszeiten, um operativ Schutzmaßnahmen einleiten zu können, sind begrenzt. Es wird derzeit auch unter Mithilfe von Thüringen daran gearbeitet, Wetterradardaten zur Niederschlagsprognose in Hochwassermodelle zu implementieren. Hierdurch lassen sich möglicherweise die Entscheidungszeitpunkte vorverlegen, was die Reaktionszeiträume vergrößert. Bisher allerdings geht dieses mit einem noch nicht hinnehmbaren Verlust an Vorhersagegenauigkeit einher.

Gekoppelt an den Hochwasserwarn- und -meldedienst ist die Ausrufung von Alarmstufen für einzelne Gewässer oder ganze Landkreise durch die Wasserbehörden. Die hierfür maßgeblichen Richtwasserstände sind orientiert an den bekannten Gefahrenpotenzialen in den betroffenen Gebieten. Werden die überschritten, sind Folgemaßnahmen wie Kontrolldienst, Wachdienst und Hochwasserabwehr zu treffen. Es ist nach dem letzten Ereignis erneut zu überprüfen, inwieweit Veränderungen bei den Richtwasserständen, der Einschätzung der Gefährdungspotenziale oder den Folgemaßnahmen vorzunehmen sind. Die bei den örtlichen zuständigen Katastrophenschutzbehörden - dies sind die Landkreise bzw. kreisfreien Städte - vorliegenden Kreisbeschreibungen, Einsatz- und Alarmpläne, werden regelmäßig aktualisiert, um einen reibungslosen Handlungsablauf auch unter Einbeziehung ziviler Kräfte und Mittel zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang ist stets und immer wieder aufs Neue die Nutzung der verschiedenartigen Möglichkeiten der Medien für eine sachgerechte Alarmierung zu prüfen. Dies gilt insbesondere auch für die Erstwarnung der Bewohner zu ungünstigen Zeitpunkten, wie

etwa nachts oder auch bei Strom- und Telefonausfall.

Zum zweiten Hauptpunkt, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, zur Flächenvorsorge: Als gemeinhin geeignetste Form der Flächenvorsorge, mancherorts auch geeignetste Vorsorgemaßnahmen schlechthin, gilt die Sicherung der überschwemmungsgefährdeten Gebiete vor anderweitigen Nutzern. In festgestellten Überschwemmungsgebieten bedarf die Errichtung von baulichen Anlagen einer wasserrechtlichen Genehmigung. Diese kann nur in Ausnahmefällen erteilt werden, und zwar nur dann, wenn keine wesentliche Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses und keine Gefahr für die Gewässergüte vorliegt und auch sonst Belange des Wasserhaushalts nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Verlust von Retentionsraum muss danach im betroffenen Gewässerabschnitt ausgeglichen werden, so dass für den Abfluss des so genannten hundertjährlichen Hochwassers der notwendige Raum zur Verfügung steht. Im Zuge von ca. 120 Rechtsverordnungsverfahren werden die bisher bestehenden Hochwasserschutzgebiete nach DDR-Recht als auch die Arbeitskarten der oberen Wasserbehörde in bundesdeutsches Recht überführt. Dieses geschieht bis längstens zum Jahre 2010. Da bis zu diesem Zeitpunkt die ausgesprochenen Verbote und Einschränkungen Bestandskraft haben, besteht keine Rechtslücke.

Um den Ausnahmecharakter einer Bebauung im Überschwemmungsgebiet zu verdeutlichen, soll § 81 des Thüringer Wassergesetzes unmissverständlicher gefasst werden. Ziel ist es, die Ausweisung neuer Baugebiete und die nachteilige Beeinflussung der Überschwemmungsgebiete im Außenbereich konsequent zu unterbinden. Im Übrigen sollen mit der Neuregelung auch die Anforderungen an eine Ausnahmegenehmigung präzisiert werden. In Einzugsgebietsbereichen, in denen keine rechtlichen Absicherungen als Überschwemmungsgebiet bestehen, sind die Einwirkungsmöglichkeiten etwa auf das Baugeschehen durch die Wasserbehörden gering. Bis zu einer förmlichen Feststellung können die Wasserbehörden bei der Freihaltung der Überschwemmungsflächen nur dadurch unterstützt werden, dass die Baubehörden im Rahmen ihres Vollzugs die einschlägigen baurechtlichen Normen konsequent anwenden. Probleme treten derzeit regelmäßig noch dort auf, wo Bebauungspläne bereits bestehen und diese umgesetzt werden.

Bereits im Landesentwicklungsprogramm von 1993, meine Damen und Herren, wurden Aussagen zur Bewahrung und Verbesserung natürlicher Retentionsräume zur Flächenversiegelung sowie zum Bau von Hochwasserrückhaltebecken getroffen. Im Entwurf zum Landesentwicklungsplan 2003 werden konsequent die raumordnerischen Instrumente zum Erhalt und zur Wiederherstellung von Retentionsräumen und versickerungsfähigen Böden eingesetzt, und es wird auf eine vorsorgende Risikobetrachtung in überflutungsgefährdeten Räumen, das heißt, in den Räumen hinter den Deichen, die bisher als sicher galten, hingewirkt. Insbesondere geht es um die Freihaltung der

natürlichen Überschwemmungsbereiche, die verträgliche Nutzung dieser Bereiche sowie um die Reduzierung der Flächenversiegelung zur Erhaltung der Versickerungsfähigkeit des Bodens.

Die Renaturierung ufernaher Bereiche wird durch das Umwandlungsgebot für Acker in Grünland in den Überschwemmungsgebietsverordnungen ebenfalls mit geregelt. Die Wirkungen solcher Maßnahmen zum Gewässer- und Erosionsschutz sind außerordentlich bedeutsam. Hinsichtlich ihrer Bedeutung zur Rückhaltung von Hochwasser sind sie aber eher als gering einzuschätzen.

Darüber hinaus können, wo immer möglich, ausgedeichte Flächen in die natürliche Abflussdynamik einbezogen werden. Diese als Rückgewinnung früherer Überschwemmungsgebiete im Sinne von § 32 Abs. 2 Satz 2 Wasserhaushaltsgesetz gegebene Möglichkeit wurde im Zuge der Auswertung der Hochwasser am Rhein in den Jahren 1993 und 1995 gesetzlich verankert. Für Thüringen relevante Rückgewinnungen wären gegebenenfalls im Unstrut-Gebiet, aber nur an Standorten, an denen Ringeindeichungen von Ortslagen möglich sind, gegeben. Diese sind aber nur gegen Entschädigungszahlungen gegenüber den Landeigentümern durchsetzbar. An der Werra bei Wartha ist eine Hochwasserschutzmaßnahme in der Planung, die bei Rücknahme einer Verwallung am Werraufer die frühzeitige Inanspruchnahme der Retention in der Aue ermöglicht. Gleichzeitig ist dann eine Ringeindeichung der stets hochwassergefährdeten Ortslage Wartha vorzusehen. Die gewonnenen Erfahrungen sollten in geeigneter Weise auf andere Standorte übertragen werden.

Zur Flächenvorsorge, meine Damen und Herren, gehören auch Maßnahmen, die zur Verbesserung der Infikationskapazität und Wasserspeicherkapazität der Böden führen. Die Agrarministerkonferenz hat sich in ihrer Sitzung in der vergangenen Woche bei intensiver Mitwirkung der Vertreter Thüringens an den Beschlüssen mit diesen Fragen beschäftigt und entsprechende Beschlüsse auch hinsichtlich der Veränderung von Fördergrundsätzen in der Gemeinschaftsausgabe befasst. Für Thüringen ergeben sich allerdings erst dann neue Perspektiven, wenn tatsächlich das Prämiensystem der europäischen Agrarpolitik so verändert werden kann, dass die Benachteiligung von Grünland gegenüber Ackerland aufgehoben wird. Bei diesem Anliegen hat die Bundesregierung unsere Unterstützung.

Der dritte Schwerpunkt, meine Damen und Herren, ist die Bauvorsorge. Technische Hochwasserschutzmaßnahmen können in Bezug auf klar definierte Schutzziele Hochwasserscheitel in besonders effektiver Weise reduzieren. Zu diesen technischen Hochwasserschutzmaßnahmen gehören die Hochwasserrückhaltebecken ebenso wie die Hochwasserschutzräume in den Trink- und Brauchwassertalsperren. Die Wirkung dieser Hochwasserrückhalterräume, die nichts anderes als künstliche Retentionsräume darstellen, nimmt ebenso wie die der natürlichen Retentionsräume, bezogen auf die Unterlieger, mit zunehmender Ent

fernung ab. Man unterscheidet Maßnahmen zum Wasserrückhalt von Maßnahmen in direkt gefährdeten Gebieten. Als Maßnahmen zum Wasserrückhalt gelten in der bautechnischen Rückhaltung Talsperren und Rückhaltebecken, aber auch Polder im Seitenschluss des Gewässers und Hochwasserschutzräume in Mehrzweckspeichern.

Wir sind der Auffassung, dass vor der Festlegung neuer baulicher Hochwasserschutzmaßnahmen stets die Wirkung vorhandener Anlagen und die Möglichkeiten zur Verbesserung der Bewirtschaftung vorhandener Rückhaltungen zu prüfen sind und entsprechende Möglichkeiten genutzt werden müssen. Es stehen in Thüringen zum Hochwasserschutz 150 Talsperren und 22 Hochwasserrückhaltebecken mit einem gesamten Hochwasserschutzraum von rund 170 Mio. m³ zur Verfügung. Dazu gibt es Deichanlagen an 410 Flusskilometern. Diese Anlagen gilt es in Gegenwart und Zukunft nach den technischen Regeln zu unterhalten, bei Erfordernis zu sanieren sowie Schwachstellen je nach Gefährdungsgrad sofort oder schrittweise zu beseitigen. Nach Abwägung von Aufwand und Vorteil von technischen Hochwasserschutzmaßnahmen unter Berücksichtigung bekannter Schäden und Hochwassergefährdungen haben sich in Thüringen Hochwasserrückhaltebecken im Einzelfall bewährt. Sie tragen erheblich zur Scheitelreduzierung und Minimierung von Schadensereignissen bei. Aus diesem Grund werden im Landesentwicklungsprogramm und den regionalen Raumordnungsplänen Räume für derartige Becken freigehalten. Ihre Schutzwirkung wird natürlich durch ihr Volumen bestimmt. Beispiele sind das Rückhaltebecken Lengefeld an der Lahn in Nordthüringen mit überörtlicher Wirkung, aber auch mit regionaler Wirkung etwa wie Straußfurt an der Unstrut. Gegenwärtig wird das Rückhaltebecken Angelroda an der Zahmen Gera planungstechnisch bearbeitet. Für das Rückhaltebecken Eisfeld an der Werra werden die Möglichkeiten der Errichtung geprüft. Gezielte Entlastungen in Überflutungsräumen, wie etwa an den Poldern an der Unstrut, können trotz gegebenenfalls entschädigungspflichtigem Einstau landwirtschaftlicher Flächen dennoch zur Abwendung außerordentlicher Gefahren für die Bevölkerung am Unterlauf der Unstrut führen.

In den Trinkwassertalsperren und größeren Brauchwassertalsperren ist über die in den Bewirtschaftungsdokumenten festgelegten Grenzwerte und die Anpassungen nach dem Hochwasserereignis 1994 keine weitere zusätzliche Freihaltung von Hochwasserschutzraum möglich. Es wird in diesem Zusammenhang aber immer wieder die Frage nach dem Wert von Vorentlastungen von Talsperren gestellt, um bei angekündigten Schadensereignissen schnell zusätzlich Schutzraum in der Sperre zu haben. Bei Eintreten von Unwetterlagen steht in der Regel, meine Damen und Herren, in Thüringen nur ein sehr kurzer Zeitraum zur Verfügung. Ich wies bereits darauf hin. Der durch Vorentlastungen erreichbare Effekt ist daher zeitlich eng befristet und dadurch mengenmäßig relativ gering. Vergleichbare Berechnungen zur Wirkung von Entleerungen von Flussstauhaltungen vor dem Hochwasser

haben klar gezeigt, dass entsprechende Entleerungen im Ereignisfall viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen, um wirksame Effekte zu erreichen.

Wie sieht es nun aus mit Maßnahmen in direkt gefährdeten Bereichen? Hier geht es um Eindeichungen, Erhöhung, Ertüchtigung und Rückverlegung von Deichen, die Vergrößerungen von Abflussquerschnitten in Flutmulden und Mauern um mobile Schutzelemente. Ortsbezogene Hochwasserschutzmaßnahmen, wie z.B. Flutgräben, Mauern und Ringdeiche, haben keine Auswirkungen oder nur geringe auf die Unterlieger. Hochwasserschutz durch Ableitung bieten beispielsweise Flutgräben, wie wir sie in Erfurt oder in Meiningen kennen. Es gibt aber auch Flutkanäle im Unstrut-Gebiet. In den ausgelegten Broschüren können Sie dieses nachlesen. In zunehmendem Maße wird aber in engen Siedlungsbereichen oder wegen der Beeinträchtigung des Stadtbildes durch dauerhafte Hochwasserschutzanlagen Hochwasserschutz durch mobile Schutzelemente vorgezogen. Während die Prüfung dieser Nutzungsfähigkeit für die anstehenden Hochwasserprobleme in Sondershausen zu einer anderen Lösung führte, ist die regionale Vorhaltung entsprechend der Elemente mit Einsatzmöglichkeiten an verschiedenen Orten bei flussbezogenen Kleinereignissen noch in der Diskussion. Voraussetzung hierfür ist aber eine vielmalige Wiederverwendbarkeit sowie das ausreichende Training zum schnellen Aufbau dieser Anlagen im Ereignisfall. Leider muss für unser Land als typisches Hochwasserentstehungsgebiet mit sehr kurzen Vorwarnzeiten gerechnet werden, so dass solche Schutzsysteme in der Regel allein schon aus Zeitgründen weniger geeignete Maßnahmen zum Hochwasserschutz sind.

In Auswertung der Ergebnisse des Oderhochwassers 1997 wurden die wasserwirtschaftlichen Anlagen an Gewässern erster Ordnung, die in der Unterhaltungslast des Freistaats Thüringen stehen, seit 1998 einer Zustandsbewertung unterzogen. Dabei erfolgte neben der Abschätzung der Zustandsbewertung und der Abschätzung der potenziellen Gefahren bei Versagen der Anlage die Ableitung einer Rangfolge der Sanierungspriorität unter Berücksichtigung verschiedener Dringlichkeitsstufen. Diese zunächst in Nordthüringen begonnenen und in den Landkreisen Gotha und Sömmerda sowie den kreisfreien Städten Erfurt und Weimar mit dem Schwerpunkt hochwasserrelevanter Anlagen fortgesetzten Untersuchungen fließen in das staatliche Wasserbauprogramm ein und werden sukzessive abgearbeitet. Mittelfristig müssen unter anderem alle erfassten und bewerteten Deiche nach den Anforderungen der DIN 19712 ertüchtigt werden. Unter der Voraussetzung, dass die Funktionsfähigkeit der Deiche gegeben ist, sind Pflege und Sicherung des Ist-Zustands weitere Unterhaltungserfordernisse, zu beachten etwa die zweite Maht pro Jahr, die Rodung von stark mit Sträuchern und Bäumen bewachsenen Deichen, die ständige Schädlingsbekämpfung, vornehmlich gegen Bisamratten, die Räumung von Deichseitengräben, die Anlage von Deichhinterwegen zur Gewährleistung der Erreichbarkeit usw.

Ein Punkt, der auch jetzt bei dem Elbehochwasser wieder eine große Rolle gespielt hat, ist die Frage des Bewuchses der Deiche mit Sträuchern und Bäumen. Vielfach führt falsch verstandener Naturschutz dazu, dass diese Deichanlagen durch diesen Bewuchs bautechnisch gefährdet sind. Hier werden wir uns auch in Thüringen besonders kümmern müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren, zur Bauvorsorge gehören auch, ich hatte dies eingangs bereits erwähnt, Maßnahmen, die vornehmlich von Gewässerökologen gefordert werden. Maßnahmen zur Verminderung zusätzlicher Flächenversiegelung bzw. zur Flächenentsiegelung sind dies, die Gewässerrenatuierung, die Anlage und der Erhalt von Kleinstrückhalten bzw. die Unterbindung der Verbauung und die Kanalisierung von Gewässern. All diese Maßnahme erfordern auch im Sinne der Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes unsere volle Aufmerksamkeit. Sie sind bei kleineren Hochwässern, aber auch bei örtlichem Starkregen geeignet, einen wesentlichen Beitrag zur Dämpfung von Hochwasserwellen durch Erhöhung der Infiltrationsfähigkeit und Wasserspeicherkapazität des Bodens, aber auch durch Rückhalt im Gewässerraum bei gleichzeitiger Verringerung der Fließzeiten zu leisten. Sie können aber in der Regel keinen bedeutsamen Beitrag bei großen flächenhaften Hochwasserereignissen bringen. Diese angesprochenen so genannten ökologischen Maßnahmen können technische Vorsorgemaßnahmen nicht ersetzen, sie entfalten aber gegebenenfalls in der Kombination mit diesen die erwartete Wirkung. Mit dieser Zielstellung werden sie auch von unseren Wasserbehörden propagiert. Ich verweise hierzu auch besonders auf diese Broschüre "Vorsorgender naturnaher Hochwasserschutz".

Wir achten, meine Damen und Herren, innerhalb des staatlichen Wasserbauprogramms genau darauf, dass der Ausbau von Gewässern nicht zur Kanalisierung führt. Dies findet auch bei der Bewilligung von Geldern zu Maßnahmen an Gewässern zweiter Ordnung für die unterhaltungspflichtigen Gemeinden seinen Niederschlag. In gleicher Weise werden die Instrumente der Ausgleichs- und Eingriffsregelungen nach dem Naturschutzrecht bei planungspflichtigen Ausbaumaßnahmen genutzt. Die Erhaltung und Wiederherstellung des natürlichen Wasserrückhalte- und -speichervermögens wird auch erreicht durch Beschränkung der Bodenversiegelung, durch geeignete Instrumente der Raumordnung im Zuge der Bauleitplanung wie etwa Vorgaben in den Flächenutzungsplänen und Bebauungsplänen sowie auch hier der Nutzung der Eingriffsregelung mit Vermeidungs-, Minderungs- und Kompensationsangeboten. Gegebenfalls sind auch Einflussnahmen über kommunale Entwässerungssatzungen möglich.

Das vierte große Thema zur Vorsorge beim Hochwasserschutz muss der Risikovorsorge gelten. Nach allen Investitionen in den natürlichen Wasserrückhalt, den technischen Hochwasserschutz und weitere Möglichkeiten des vorsorgenden Hochwasserschutzes im oben beschriebenen Umfang bleibt dennoch, meine Damen und Herren,

das Risiko der Hochwasserüberflutung mit realem Hintergrund. Wir haben dies alles erlebt. Bei einer Aufteilung der Risikovorsorge in öffentliche Vorsorge und Eigenvorsorge, etwa durch angepasste Bauweisen, und in versicherungsgestützte Eigenvorsorge können am sinnvollsten bezahlbare Effekte erreicht werden. Die öffentliche Vorsorge erstreckt sich dabei weitestgehend auf den baulichen Hochwasserschutz. Richtig verstandene Eigenvorsorge berücksichtigt das Risiko der Ausübung bestimmter Nutzungen im gewässernahen Raum, etwa das Meiden gefährdeter Gebiete auch ohne Verbot der öffentlichen Verwaltung. Nicht zuletzt haben in Folge der Hochwasser an Rhein, Oder und Donau die Versicherungsgesellschaften begonnen, Versicherungen gegen Elementarschäden, so auch gegen Hochwasser, anzubieten. Der Schlüssel zur Begrenzung von Hochwasserschäden liegt dabei im Zusammenwirken von staatlicher Vorsorge und eigenverantwortlichem Handeln des Einzelnen. Die Agrarministerkonferenz hat sich in der letzten Woche auch zu diesen Belangen verständigt und sich dafür ausgesprochen, eine Mehrgefahrenversicherung einzuführen. Wir hoffen sehr, dass nun endlich die Bundesregierung diesen aus den Hochwassererfahrungen geborenen Vorschlag aufgreift. Frau Künast hatte leider vor einem guten Jahr den von Sachsen vorgetragenen Vorschlag auf Einführung einer derartigen Versicherung abgelehnt. Hoffentlich gibt sie nun vor dem Hintergrund der neuesten Hochwasserereignisse ihren Widerstand auf.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, bevor ich noch auf die Talsperre Windischleuba, das ist der Punkt 10 Ihres Antrags, zu sprechen komme, erlauben Sie bitte noch eine, wenn auch eine kurze, Ausführung zur Frage grenzüberschreitender Abstimmungen mit den Nachbarländern. Dieses ist der Punkt 9 Ihres Antrags. Der Freistaat Thüringen hat Verwaltungsvereinbarungen zum Datenaustausch mit den Nachbarländern Sachsen und Sachsen-Anhalt. Neben den gegenseitig ausgetauschten Hochwassermeldeordnungen, den richtigerweise nicht nach Ländergrenzen orientierten Bewirtschaftungsplänen der Talsperren sowie den Richtlinien zur Steuerung von Hochwasserschutzanlagen im Unstrut-Helbe-Gebiet und der Saaletalsperrensteuerung findet darüber hinaus ein enger und reger Austausch im Rahmen der Flussgebietsgemeinschaften wie der "Arbeitsgemeinschaft zum Schutz der Weser" oder der "Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe" statt. Das "Hochwasseraktionsprogramm Weser" wurde im Jahre 2001 verabschiedet, solche Aktionspläne sind für die anderen Flussgebiete noch zu erstellen. Parallel werden die Bewirtschaftungspläne nach den europäischen Wasserrahmenrichtlinien künftig den Rahmen setzen für länderübergreifende Maßnahmeprogramme. Diese sind zwar nicht vordergründig dem Thema "Hochwasserschutz" zugeordnet, haben aber letztlich auch Auswirkungen auf diesen Bereich.

Was nun die Talsperre Windischleuba angeht, verweise ich auf die Beantwortung der Mündlichen Anfragen der Herren Abgeordneten Sonntag und Kummer. Die Talsperre Windischleuba ist technisch zum ausdrücklichen Hochwasserschutz für die unterhalb liegenden Gemeinden in Thüringen und Sachsen nicht geeignet. Sie kann demnach auch nicht dafür eingesetzt werden. Wir haben in Dresden nun um verbindliche Auskunft gebeten, ob Sachsen als Eigentümer der Anlage vor dem Hintergrund des abgelaufenen Hochwasserereignisses seine Bewirtschaftungspläne für diese Anlage ändert und eine Umnutzung zum Hochwasserschutz für die unterhalb liegenden sächsischen Gemeinden vorsehen will. Für diesen Fall bietet sich eine Beteiligung Thüringens im Umfang des entstehenden Vorteils für sein Landesgebiet an. Sollte Sachsen aber weiterhin daran festhalten, die Anlage eher aufzugeben, wird für uns zu klären sein, in welchem Umfang dortige Hochwasserschutzmaßnahmen, wie etwa Eindeichungen, in das Hochwasserschutzprogramm des Landes eingeordnet werden können.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Der Mensch kann, wenn auch nur begrenzt, Einfluss auf das Hochwassergeschehen nehmen. Vorrangig werden Hochwässer dieser Größenordnung aber durch natürliche Prozesse gesteuert. Hingegen unterliegt das Anwachsen der Werte und Güter, die bei Hochwasserereignissen Schaden nehmen können, nahezu vollständig der Kontrolle des Menschen. Der Mensch kann Naturereignisse letztlich nicht verhindern, er kann aber wohl den Umfang des möglichen Schadens durch rechtzeitige Vorsorge reduzieren. Zum Beispiel war sowohl im Fall des überfluteten Autoverteilungszentrums als auch der neu entstandenen Gebäude des sozialen Wohnungsbaus in Gössnitz vor Baubeginn von den Behörden auf das Gefahrenpotenzial aufmerksam gemacht worden.

Der Freistaat Thüringen ist gut beraten, die von mir dargelegten Aktivitäten fortzusetzen und integriert zu handeln. Nur das Bündel der Maßnahmen von natürlicher Wasserrückhaltung, technischem Hochwasserschutz, Verminderung des Schadenpotenzials, des Bewusstmachens einer verbleibenden Hochwassergefahr und der Notwendigkeit der Eigenvorsorge führt gesamthaft zur Verbesserung des Hochwasserschutzes. Hochwasserschutz muss als fachübergreifendes Flächen- und Gewässermanagement verstanden werden, so wie es die europäische Wasserrahmenrichtlinie insgesamt fordert. Ein alter Spruch unter Wasserleuten sagt, meine Damen und Herren: Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser. Thüringen hat Tradition beim vorsorgenden Hochwasserschutz, dies gilt es zu bewahren und auszubauen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Möchte eine Fraktion - die SPD-Fraktion möchte die Aussprache zu dem Bericht? Als ersten Redner rufe ich auf

Herrn Abgeordneten Kummer, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zuerst möchte ich mich beim Ministerium noch mal ganz herzlich bedanken, dass Sie uns so vorsorgend wunderschöne Materialien zur Verfügung gestellt haben in den letzten Tagen, die allerdings vom September 2000 und November 2001 stammten. Ich meine, sie sind heute immer noch aktuell, aber wenn ich es Ihnen mal zeigen darf, wir haben sie vor einem Jahr schon mal bekommen.

(Beifall bei der PDS)

Sie sind an alle Landtagsmitglieder ausgegeben worden, wir heben so etwas ganz gut auf, ich weiß nicht, wie das bei den Damen und Herren der CDU-Fraktion ist, aber, ich denke, wenn wir etwas weniger von den Broschüren gedruckt hätten und hätten dafür die Bäume stehen lassen, die hätten auch noch ein bisschen was zum Hochwasserschutz tun können.