Protokoll der Sitzung vom 13.09.2002

(Unruhe bei der CDU)

Mal abgesehen davon, das ist natürlich wiederum ein Grund, es dem Ministerium zu danken, wir haben natürlich für die kommenden Haushaltsverhandlungen schon einen kleinen Tipp bekommen, wo wir noch ein bisschen was einsparen können. Aber, meine Damen und Herren, eines muss man den Broschüren lassen, sie sind inhaltlich sehr gut.

(Beifall bei der CDU)

(Unruhe bei der SPD)

Die Ursachen für das Hochwasser sind dort sehr gut dargestellt. Der Herr Staatssekretär hat ja in seiner Rede auch schon viel gesagt, so dass ich jetzt nur noch zu Schwerpunkten für uns kommen muss. Der Ausgang für ein Hochwasser sind Extremniederschläge und Schneeschmelzen, aber was mit diesem Wasser wird und wie schnell es dann zu seinen schrecklichen Wirkungen kommen kann, das liegt unter anderem auch daran, was wir als Menschen bereits getan haben. Hier möchte ich als Erstes das Problem der Versiegelung und der Verdichtung nennen. Laut Diagramm in dieser Broschüre "Vorbeugender Hochwasserschutz" kann es hier bis zu einem achtfachen Abfluss gegenüber dem normalen natürlichen Abfluss kommen.

Die nächste Frage ist die Fließgewässerbegradigung. Sie führt dazu, dass Hochwasser wesentlich schneller abfließt und kann hier zu einem eineinhalbfachen Abfluss gegenüber den natürlichen Bedingungen kommen. Wir haben es also durch diese menschlichen Eingriffe in wesentlich kürzerer Zeit mit gravierenderen Auswirkungen zu tun. Folgerichtig kommt auch in der Broschüre die Forderung zum Ausdruck, dass kein weiteres Überschwem

mungsgebiet in Bauland umgewandelt werden sollte. Aber, meine Damen und Herren, eine Sache ist mir nicht ganz klar geworden, ich möchte hier mal kurz zitieren aus der Broschüre. Zum Beispiel: "Vorsorgender naturnaher Hochwasserschutz": "Es ist die Aufgabe der Städte und Gemeinden, die Flächennutzungs- und Bebauungspläne in den Auen zu überdenken und in Anbetracht potenzieller Hochwässer keine weiteren Baugebiete in Überschwemmungsgebieten auszuweisen." Das Thüringer Wassergesetz spricht hier allerdings eine andere Sprache. Ich denke, wir können den Städten und Gemeinden nicht so einfach die Verantwortung geben, denn, ich möchte hier aus § 81 des Wassergesetzes "Genehmigung in Überschwemmungsgebieten" zitieren: "In Überschwemmungsgebieten dürfen nur mit Genehmigung der Wasserbehörde die Erdoberfläche erhöht oder vertieft, bauliche Anlagen hergestellt oder verändert, Grünland umgebrochen werden. Bei Genehmigung nach Satz 1 Nr. 2 ist sicherzustellen, dass die Anlagen auch bei Hochwasser standsicher und Gewässerverunreinigungen nicht zu besorgen sind." Das heißt also, die Wasserbehörden sind die eigentlich zuständigen dafür, ob in Überschwemmungsgebieten gebaut werden kann oder nicht und hier haben sie auch die entsprechende Verantwortung, die sie wahrnehmen müssen.

Ich möchte auch noch auf den § 84 zur Gewässeraufsicht eingehen. Im Rahmen der Gewässeraufsicht haben die Wasserbehörden und die Umweltämter die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit im Einzelnen oder den Gewässern Gefahren abzuwehren, die durch den Zustand oder die Benutzung der Gewässer, der Ufer, der Deiche, der Überschwemmungs-, Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebiete und -anlagen hervorgerufen werden.

Meine Damen und Herren, es geht also nicht, dass man sich hinstellt und sagt, wir haben in Thüringen das Problem, dass in einigen Überschwemmungsgebieten gebaut worden ist, aber das haben die Behörden vor Ort nun mal so entschieden. Die Wasserbehörden haben hier eine deutliche Verantwortung und müssen dieser Verantwortung in der nächsten Zeit auch deutlicher nachkommen.

Nun zu dem Problem der Ausweisung von Überschwemmungsgebieten. Der Minister hat in seiner Pressekonferenz am Mittwoch dazu auch noch ein paar Worte gesagt. Es konnten in Thüringen erst 10 Verfahren abgeschlossen werden. Wir haben noch einige Verfahren vor uns und das Wassergesetz lässt uns dazu Zeit bis 2010. Ich denke aber, wir müssen uns hier wirklich etwas sputen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus meinem Wahlkreis vortragen, welche Probleme diese bisher nicht erfolgte Ausweisung

(Zwischenrufe aus dem Hause)

- dort wo ich gewählt wurde, ja, oder besser gesagt, wo ich kandidiert habe.

(Unruhe bei der CDU)

Sicher, aber Sie müssen das verstehen, meine Damen und Herren, wenn ich das ein bisschen deutlicher hier rüberbringe, es gibt leider keinen direkt gewählten Abgeordneten in diesem Kreis mehr, so dass ich hier also doch ein bisschen unterstützen muss.

(Beifall bei der PDS)

In der Verwaltungsgemeinschaft Feldstein hat ein Bauunternehmer beantragt, für sein Unternehmen eine Fläche zur Verfügung gestellt zu bekommen, wo er sich ein wenig ausbreiten kann. Es geht jetzt hin und her, auch der Petitionsausschuss des Landtags ist mit dieser Frage schon beschäftigt worden. Das Hauptproblem ist bei dieser Baugenehmigung, ob sie erfolgt oder nicht, dass der Bleistiftstrich, der das vorläufige Überschwemmungsgebiet kennzeichnet, eine Breite hat, die fast sein gesamtes Grundstück berührt und man streitet sich jetzt trefflich darum, ob die innere oder äußere Grenze des Bleistiftstrichs maßgeblich ist dafür, ob er nun eine Baugenehmigung bekommt oder nicht. Wir brauchen hier in kürzester Zeit Entscheidungen, was diese Überschwemmungsgebiete anbelangt, wo wir auch konkret die Grundstücke zuordnen können, damit diese Diskussionen aus der Welt sind und damit nicht weiter in betroffenen Gebieten gebaut werden kann, bloß weil man sagt, die rechtlichen Rahmenbedingungen sind hier nicht klar.

(Beifall Abg. Dr. Kaschuba, PDS)

Meine Damen und Herren, ich möchte zur Neuversiegelung kommen. Im Jahr 2000 sind in Thüringen 8,8 Prozent bezogen auf die gegenwärtige Siedlungs- und Verkehrsfläche zusätzlich neu versiegelt worden. Das ist eine Entwicklung, die ist zwar ein bisschen geringfügiger als im Durchschnitt Deutschlands, aber sie muss dringend gestoppt werden. Wenn wir irgendwo noch Flächen neu versiegeln, dann muss im Gegenzug dazu eine Entsiegelung durchgeführt werden von Flächen, die nicht mehr benötigt werden oder es müssen Maßnahmen wie Dachbegrünung u.ä. genutzt werden, um das schnelle Abfließen von Regenwasser zu verhindern.

Die Rückdrängung der Versiegelung forderte u.a. auch die Staatskanzlei auf der Thüringer Regionalplanertagung in Nordhausen. Meine Damen und Herren, ich denke, mit Wünschen oder mit Forderungen allein ist es aber nicht getan, Sanktionen sind notwendig. Darüber sollten wir auch bei der Weiterbehandlung dieses Themas reden. Unter anderem fordert der Sachverständigenrat für Umweltfragen seit Jahren, dass bei Neubebauung und Versiegelung Abgaben zu erheben sind oder dass die Grundsteuer für Neuversiegelung erhöht werden soll.

Als nächstes Thema möchte ich zur Fließgewässerrenaturierung kommen. Wir haben ja in Thüringen eine Gewässerstrukturkarte vorliegen, die dort deutlich zeigt, wo wir noch große Lücken haben und wo wir schon relativ gute Zustände haben. Ich bin da auch in der letzten Ple

narsitzung schon einmal darauf eingegangen. Die Wasserrahmenrichtlinie verpflichtet uns, unsere Fließgewässer bis 2015 in einen naturnahen Zustand zu versetzen.Wir haben da noch große Aufgaben vor uns. Es gibt Pilotprojekte u.a. an der fränkischen Saale, die zeigen, dass man damit nicht nur Geld investieren muss, sondern dass man hier auch Geld sparen kann, nämlich für Wasserbaumaßnahmen. Ich denke, es ist dringend notwendig, dass wir in den nächsten Jahren auch beim Haushalt - der Finanzminister kommt ja gerade vor - Mittel für den Flächenaufkauf einstellen, um unseren Fließgewässern wieder die Möglichkeit zu geben, dass sie sich natürlich ausbreiten können. Nur so kann die Hochwasserwelle zeitlich verschoben werden, nur so kann es uns gelingen, dass wir mehr Zeit haben um Vorbereitungen zu treffen.

Meine Damen und Herren, ich möchte hier noch einmal auf die Gewässer zweiter Ordnung zurückkommen, die in der Gewässerstrukturkarte fast nicht berücksichtigt worden sind. Es wird dringend notwendig, dass wir feststellen, wie der Zustand bei Gewässern zweiter Ordnung wirklich ist und dass wir auch hier dafür sorgen, dass bei der knappen Kasse unserer Kommunen die Mittel bereitgestellt werden, den Kommunen die Möglichkeit gegeben wird, dass sie ihre Gewässer auch in einen vernünftigen Zustand bringen.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, jetzt noch zu einem Thema, das auch in der Rede von Herrn Staatssekretär relativ wenig Beachtung - oder ich habe es gar nicht gehört - gefunden hat, zur Frage des Klimaschutzes als eines der Hauptprobleme, die uns diese verheerenden Niederschlagsmengen auch bescheren. Auch hierauf ist der Minister in seiner Pressekonferenz am Mittwoch eingegangen. Thüringen nimmt das Zweieinhalbfache des Weltdurchschnitts an CO2-Emmisionen für sich in Anspruch. Das heißt also, wir haben hier eine konkrete Verantwortung für die Entwicklung und hier sind wir verpflichtet, etwas zu tun. Wir leben über unsere Verhältnisse. Das Hauptproblem in Thüringen ist dabei der Verkehr. Wir haben es mit einem steigenden Individualverkehr zu tun aufgrund von weiten Arbeitswegen, aufgrund von weit vom Wohnort entfernten Kindergärten und Schulen. Wir haben Einkaufszentren außerhalb der Orte, wo wir mit dem Auto hinfahren; wir haben eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straße zu verzeichnen. Im Umweltbericht 2002 des Ministeriums steht Folgendes zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik, was ich ausdrücklich begrüße: "Eine nachdrückliche Verkehrspolitik muss Strategien langfristiger Verkehrsplanung und -vermeidung entwickeln, die gekennzeichnet sind durch die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe mit kürzeren Transportwegen und effizienten Warenverteilungen,

(Beifall bei der PDS)

Ausbau und Nutzung der Möglichkeiten des kombinierten Ladeverkehrs, Verlagerung des Güterfernverkehrs auf die Schiene, Einführung einer streckenabhängigen Schwer

verkehrsabgabe (Lkw-Maut) als verkehrslenkende Maßnahme, stärkere Förderung des Schienenverkehrs, Ausbau eines leistungsfähigen ÖPNV in Verbindung mit Carsharing."

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, solche klaren Worte hätte ich mir vom Verkehrsminister gewünscht, aber aus dem Verkehrsministerium kommen ja andere Ideen zu diesen Problemen, wie Ausbau von Autobahnen, Neubau von Autobahnen, Flughafenausbau, ICE-Bau durch unbesiedelte Gebiete. Meine Damen und Herren, damit werden wir unserer Verantwortung nicht gerecht.

(Beifall bei der PDS)

Wir müssen etwas tun, um das Problem des Hochwasserschutzes in den Griff zu bekommen und um etwas für den Klimaschutz zu tun. Notwendige Maßnahmen wären Maßnahmen gegen die Versiegelungen, wäre die Fließgewässerrenaturierung, die Bereitstellung von weiteren Überschwemmungsflächen, der Bau von weiteren Rückhaltebecken, wo ich auch dem Herrn Staatssekretär sehr dankbar bin, dass hier darüber gesprochen wurde, dass die Prüfung von Eisfeld erfolgt. Ich denke, hier ist auch notwendig, dass man etwas tut. Es ist auch richtig, die Wahl der richtigen Bepflanzung in den Hochwasserentstehungsgebieten zu prüfen und Klimaschutzmaßnahmen durchzuführen, die ernst gemeint sind und die gerade das Problem, das wir im Verkehr haben, hier auch beseitigen.

(Beifall bei der PDS)

Um darüber zu reden und ein rundes Paket zu schnüren, sollten wir die Ausschussbehandlung nutzen. Und, meine Damen und Herren, es sind nicht nur schöne Reden, es ist auch die Umsetzung des Problems nötig.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Kummer, gestatten Sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Seela?

Aber gern.

Bitte schön, Herr Seela.

Das dachte ich mir, herzlichen Dank, Herr Kummer. Herr Kummer, stimmen Sie mir zu, dass es auch im 18. und 19. Jahrhundert Hochwasser gab, wo der Autoverkehr fak

tisch Null war?

Herr Seela,

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Wir hatten auch schon eine Eiszeit.)

erst einmal diese Fragen "stimmen Sie mir zu", finde ich ja ganz besonders toll

(Beifall bei der PDS)

und außerdem, sicherlich hat es auch früher schon Hochwässer gegeben, aber es gibt eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse, die auch von Ihrer Landesregierung nicht bezweifelt werden, dass die Zunahme der extremen Ereignisse, die wir heutzutage zu verzeichnen haben, auf eine Klimaveränderung, die von Menschen verursacht wird, zurückzuführen ist. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Krauße zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, eines ist klar, das Hochwasser in diesem Jahr in Sachsen, Sachsen-Anhalt und zum Glück in geringerem Maß in Thüringen ist in unserem Bewusstsein wesentlich deutlicher geworden als zum Beispiel die Flutkatastrophe an der Oder vor fünf Jahren. Warum? Weil man einfach näher dran ist. Sicher ist für mich eines: Hochwasserkatastrophen dieser Art wird man auch in Zukunft nicht verhindern können, aber die Minderung

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das ist schon mal falsch, Hochwasser kann man verhindern.)

der zerstörerischen Wirkung, die solche Hochwässer mit sich bringen, ist durchaus möglich. Das wird sicher nicht dadurch möglich sein, dass man nun alle Bäume stehen lässt und kein Papier mehr herstellt, sondern das wird durch ein ganzes Bündel anderer Maßnahmen, z.B. die hier angesprochenen baulichen Maßnahmen, bauliche Veränderungen in Überschwemmungsgebieten durchaus möglich sein. Wichtig ist auch eine Frühwarnung, ein guter Katastrophenschutz, der immer auf dem bestmöglichen Ausbildungs- und Ausrüstungsstand ist.

(Beifall bei der CDU)