Es macht keinen Sinn, wenn die Tarifpartner bestimmte Lohnabschlüsse vereinbaren und der Staat hinterher beschimpft wird für die Höhe des Lohnniveaus, meine Damen und Herren.
Trotzdem, es gibt in unserem Lande auch Unternehmen, die Löhne bezahlen, die zu niedrig sind. Manche Unternehmen können nicht mehr bezahlen. Andere bezahlen niedrige Löhne, obwohl sie höhere Löhne zahlen könnten. Wir können und dürfen es nicht zulassen, dass die Löhne dem freien Fall nach unten überlassen werden.
Dies ist nach Auffassung der Landesregierung nicht akzeptabel. Es muss Regelungen geben, die sicherstellen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Lande ein auskömmliches Einkommen durch eine regelmäßige Erwerbstätigkeit erzielen können.
Eine solche Regelung gibt es ja seit länger Zeit im Baubereich - Sie kennen die Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Abschlüsse. Es gibt nun seitens der Bundesregierung den Gesetzentwurf, der den Namen Tariftreuegesetz trägt. Über ihn ist in den letzten Monaten sehr viel diskutiert worden. Dazu hat die Monopolkommission in ihrem 14. Hauptgutachten Folgendes festgestellt - ich zitiere: "Das Tariftreuegesetz ist nach Auffassung der Monopol
kommission eine ordnungspolitische Fehlkonstruktion, die rechtlich äußerst zweifelhaft und wegen der Verteuerung öffentlicher Aufträge finanzpolitisch nicht zu rechtfertigen ist. Zugleich wirkt es tendenziell kontraproduktiv bei der Angleichung der Lebensverhältnisse in den neuen Ländern." Eine andere Lösung, die im Bundesrat damals diskutiert wurde, war, statt Tariftreuegesetz Mindestlöhne einzuführen, die dann in allen Ländern realisiert und verbindlich gemacht würden. Solche Regelungen gibt es schon, trotzdem konnten sie noch klarer gefasst werden.
Man muss auch auf das Thema "Flächentarife" hinweisen. Die Landesregierung ist nicht der Meinung, dass die Flächentarife abgeschafft werden sollten.
Die Landesregierung ist der Meinung, dass sie flexibilisiert werden sollen, um den unterschiedlichen Verhältnissen stärker Rechnung zu tragen. Es gibt nun einmal Unternehmen, die den Flächentarif nicht bezahlen oder noch nicht bezahlen können. Es gibt aber auch Unternehmen, die eine so hohe Produktivität und Wertschöpfung erzielen, dass sie auch mehr als den Flächentarif bezahlen könnten oder auch bezahlen. Nach beiden Richtungen muss die Flexibilität gehen, um den Interessen der Arbeitnehmer zu entsprechen und den Möglichkeiten der Unternehmen.
Ich denke, in puncto Flexibilisierung haben wir immer wieder ein Entgegenkommen unserer Gewerkschaften erlebt, dann nämlich, wenn es um die Ansiedlung von Unternehmen ging und geht. Die Gewerkschaften haben hier durchaus mitgeholfen, Einstiegsregelungen zu finden, die zum Ansiedelungserfolg beigetragen haben.
Auf Vorschlag der Tarifpartner wird es demnächst in unserem Lande eine Kommission geben, die sich mit der Zukunft des Flächentarifvertrags beschäftigt, eine Kommission, die natürlich von den Tarifpartnern gestaltet, von der Landesregierung lediglich moderiert werden soll.
Es gibt dann einen weiteren Ansatz, nämlich Kombilöhne zu ermöglichen, um sicherzustellen, dass das Lohnniveau auf jeden Fall nicht unter das Sozialhilfeniveau absinkt und die Arbeitsmotivation nicht beeinträchtigt wird. Man redet hier sehr viel von dem "Mainzer Modell". Ich bin sicher, dass es sich nicht bewährt hat. Wir haben hier schon darüber gesprochen. Man ist sich bundesweit dahin gehend einig, dass es gescheitert ist.
Dann gab es das Job-Aqtiv-Gesetz, ein Versuch, über effizientere Vermittlung die Arbeitsplätze besser an die Frau oder den Mann zu bringen und auch höherwertige Arbeitsplätze zu vermitteln. Auch hier ist man sich zwischen Regierung, Opposition und Bundesanstalt für Arbeit heute weithin einig, dass dieses Gesetz nichts gebracht hat.
Auch wir haben ein Kombilohn-Einkommens-Modell vorgeschlagen. Ein Modell, das sicher einfacher zu handhaben wäre, aber auch hierzu müssen weitere Diskussionen geführt werden. Dies gilt auch für die Modelle, die etwa vom Freistaat Bayern eingebracht sind, über die noch zu reden sein wird. Jedenfalls muss erreicht werden, ein gewisses Mindesteinkommen abzusichern.
Meine Damen und Herren, eines ist aber klar: Mehr Arbeitsplätze und auch besser bezahlte Arbeitsplätze lassen sich nur über ein größeres Wirtschaftswachstum erzielen.
Nur dann ist es möglich, eine entsprechende Wertschöpfung zu erreichen. Nur dann ist es möglich, die Produktivität zu steigern und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass eine entsprechende Lohnentwicklung möglich wird.
Meine Damen und Herren, auch die Landesregierung wendet sich gegen die Vorstellung, dass wir den Weg in ein Niedriglohnland antreten sollten. Wenn ich immer mit dem Vorteil "niedriger Löhne" zitiert werde, dann bezieht sich diese These auf die Anfangsjahre nach 1990. Da war es wirklich wichtig mit dem "Lohnkostenvorsprung" zu werben, aber diese Zeit ist vorbei. Wir reden heute davon, dass man die jüngere Generation nur dann im Land halten kann, wenn man ihnen ähnliche Löhne bezahlt wie in den alten Ländern. Auch hierzu brauchen wir eine Flexibilisierung der Löhne.
Nun kann man daraus nicht die Forderung ableiten, wir müssten das Lohnniveau generell in allen Branchen, in allen Unternehmen sofort angleichen an das Westniveau. Wer dies will, der hat vielleicht viel Beifall zu erwarten, aber er verspielt die Zukunft unseres Landes. Allerdings, wer auf der anderen Seite als Unternehmer damit spekuliert, dass das Lohnniveau auf lange Zeit auf sehr niedrigem Niveau bleiben wird, der sollte sich auch die Frage stellen, wie lange er noch Unternehmer oder Unternehmen sein kann und sein wird.
Es geht uns darum, hier eine Entwicklung einzuleiten, die zu einem höheren Lohnniveau führt, die aber vorbereitet wird dadurch, dass die Produktivität in den Unternehmen gesteigert wird, damit die Unternehmen auch entsprechende Löhne bezahlen können.
Meine Damen und Herren, es geht aber nicht nur um die Löhne, sondern auch um die Lohnnebenkosten in unserem Lande, es geht um die Zahl der Urlaubstage, es geht um das Gesundheitswesen, es geht um die Sozialversicherung, es geht um das Subventionsgebirge, das Abgabengebirge, das sich über unseren Unternehmen auftürmt. Man kann auf Dauer nicht das höchste Lohnniveau im europäischen Vergleich, die höchsten Lohnnebenkosten,
die höchste Zahl an Urlaubstagen, die größten Leistungen im Gesundheitswesen, die größten Zuschüsse zum Sozialversicherungswesen und das höchste Maß an Regulierungen einführen, ohne dass die Wirtschaft darunter leidet. Sie leidet in unserem Lande massiv darunter und die geringen Wachstumszahlen zeigen dies.
Meine Damen und Herren, was wir dringend in unserem Lande brauchen, ist eine konzertierte Aktion, um die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland insgesamt wieder herzustellen, unter Mitwirkung von Regierung und Opposition, von Wirtschaft und Gewerkschaften. Alle müssen sich zusammenfinden, um einen Weg zu finden, der in die Zukunft führt, der im Interesse der Arbeitnehmer und der Unternehmen liegt. Der alte Klassenkampf, hier Unternehmer, hier Arbeitnehmer, ist doch längst reif für die Mottenkiste. Unternehmer und Arbeitnehmer müssen partnerschaftlich miteinander umgehen.
Der Unternehmer muss sich um die Belange seiner Arbeitnehmer kümmern und dafür sorgen, dass es seinen Arbeitnehmern möglichst gut geht. Die Arbeitnehmer müssen sich um die Belange ihres Unternehmens kümmern, weil sich ohne florierende Entwicklung des Unternehmens auch die Löhne nicht entwickeln können. Es wird allerhöchste Zeit, dass wir die Optik in diesen Fragen in Deutschland insgesamt ändern, auch in unserem Lande. Vielen Dank.
Wird Aussprache zum Bericht gewünscht? Ja. Zwei Fraktionen haben sich gemeldet. Damit eröffne ich die Aussprache und bitte als ersten Redner Herrn Abgeordneten Ramelow ans Rednerpult. Bitte schön.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, werter Herr Wirtschaftsminister, Sie fordern, dass die Optik geändert wird. Sie fordern, dass die Ideologie in die Mottenkiste gepackt werden soll, und der Vortrag, den Sie gehalten haben, das war reine Ideologie.
Der Antrag der SPD - ich habe mich erst gefragt, was er denn soll - verweist ganz klar auf die statistische Erläuterung des Innenministers und die SPD hat geschrieben, sie möchte dazu eine differenziertere Diskussion hier haben. Das kann ich nachvollziehen, aber wir hätten es auch im Ausschuss machen können. Dass Sie aber so darauf antworten und völlig ausblenden, wie die Realitäten in Thüringen sind, und dann aber sagen, was sich hier in Deutschland alles ändern muss, ohne ein Wort darüber zu verlie
ren, was sich in Thüringen ändern müsste, damit wir das Schlusslicht, die rote Laterne des Niedriglohnlands Thüringen abgeben können, dazu haben Sie kein Wort gesagt.
Sie haben allen anderen die Schuld gegeben. Sie selbst haben damit nichts zu tun. Sie fordern eine konzertierte Aktion, heißt Bündnis für Arbeit in meinen Ohren. Sie waren derjenige, der es in Thüringen abgelehnt hat. Sie waren an einer konzertierten Aktion in Thüringen nie interessiert, Sie machen ab und zu Branchengespräche, die so stattfinden, wie mir von Teilnehmern berichtet wird man kommt mit seinen Vorstellungen dorthin, nimmt entgegen, was Sie zu sagen haben, und geht wieder auseinander. Die Elemente, die in Gang gesetzt werden sollten, da fehlen mir die Impulse Ihrer Landesregierung. Ich sage nur das Stichwort Investivlohn. Da gibt es eine Konzeption, die durch und über die Landesregierung mit den Sozialpartnern erarbeitet worden ist. Sie ist im Ansatz stecken geblieben. Kein weiteres Element hat sich da bis heute entwickelt. Wenn Sie zu dem Flächentarifvertrag sagen, der soll nicht abgeschafft werden, aber er muss flexibler sein - werter Herr Wirtschaftsminister, offenkundig scheinen Sie die Thüringer Tarifverträge überhaupt nicht zu kennen. Ihr Haus ist zwar zuständig dafür, bei Ihnen werden alle Tarifverträge gemeldet und ein Tarifvertragsregister geführt; aber wenn Sie sagen, Tarifverträge sollen flexibler werden, da kann ich Ihnen aus eigener Anschauung nun sagen, dass die Thüringer Tarifverträge die flexibelsten in ganz Deutschland sind, und trotzdem hat die Flexibilität die Vernichtung von Arbeitsplätzen nicht verhindert.
Um den Zusammenhang deutlich zu machen, Sie sagen: Ja, das mit dem Billiglohn ist nicht mehr so. Wenn aber Niedriglohnsektor Arbeitsplätze schaffen würde, wenn Ihr Argument am Anfang der zehn Jahre gegolten haben soll, dann können wir feststellen, dass wir immer noch das Land sind mit den niedrigsten Löhnen. Warum kommen denn nicht weltweit die Unternehmen hierher und bauen die Arbeitsplätze auf bei dem Lohnniveau, das wir haben? Wir haben in der Industrie einen Durchschnittslohn in den neuen Ländern von 69 Prozent, in Thüringen von 65 Prozent. Wenn Sie sagen, der Zusammenhang zur Produktivität muss gesehen werden, dann darf ich verweisen auf die Produktivität z.B. bei Opel Eisenach oder im GrissonWerk in der Zwieback-Produktion. Überall dort wird Osttarif bezahlt, nicht der Tarifvertrag oder das tarifliche Entgelt, das gezahlt werden könnte anhand der Produktivität.
Meine Damen und Herren, wenn Sie den Hinweis geben, Tarifverträge sollen erhalten bleiben und die Landesregierung sei sehr dafür, dann kommt mir das so vor wie der Vergleich zwischen Edelstahl und Diebstahl. Sie predigen das eine, Sie tun das andere. Denn wenn Sie sagen, der Staat habe nichts mit den Löhnen und dem Lohnniveau zu tun, dann darf ich Sie daran erinnern, dass es Ihre Lan
desregierung war, die das Vergabegesetz in Thüringen abgelehnt hat, die dann gegen das Tariftreuegesetz polemisiert hat, bei dem ich ordnungspolitisch einige Probleme hatte, weil es auf Bundesebene eine Zuspitzung hat, die mir zu eng ist. Aber auf breiterer Basis zu sagen, dass staatliche Aufträge daran gekoppelt werden, dass der Flächentarifvertrag im Betrieb eingehalten wird, so wie man erwartet, dass auch Gesetze, Recht und Normen in einem Betrieb eingehalten werden, so hätten wir uns vorgestellt, dass wir in allen Bundesländern - wie im Saarland z.B. vorgegeben auch in Thüringen ein Vergabegesetz auf gesetzlicher Ebene eingeführt wird. Das wäre ein Signal an die Menschen in diesem Land, dass es dieser Staat und dieser Arbeitgeber und dieser Auftraggeber ernst meint mit der Lohnentwicklung.
Werter Herr Minister, was Sie völlig verschweigen beim Lohnniveau: das Instrument der Allgemeinverbindlichkeit, für das auch Ihr Haus zuständig ist. Die Flächentarifverträge, die verhandelt werden, haben in Thüringen immer eine Öffnungsklausel gehabt. Der Metalltarifvertrag hat die Härtefallklausel für Betriebe, die in Not sind. Der Einzelhandelstarifvertrag hatte immer die Kleinbetriebsklausel und hat jetzt gerade eine Erweiterung dieser Kleinbetriebsklausel drin gehabt. Es waren immer Bedingungen, um die Allgemeinverbindlichkeit zu erreichen. Das Gezänk um das Bewachungsgewerbe hatte was damit zu tun, dass man nach dem Prinzip "Teile und Herrsche" mehrere Arbeitgeberverbände in diesem Land hat und man sich mal überlegen muss, mit welchem man dann letztendlich ein Lohnniveau erreicht, das dann tatsächlich der menschlichen Arbeit, die hier geleistet wird, entspricht. Wenn man dann Aufträge erteilt, ohne die Verantwortung dafür zu übernehmen, wie denn 4,20 # 524niveau zustande kommen, und dann so tut und sagt, aber statistisch ist das alles gar nicht schlimm. Herr Minister, wenn der Bauer die Kuh...
Ja, Herr Trautvetter, das ist so interessant, auch so polemisch, so hintenrum. Als Finanzminister setzen Sie sich hierher und sagen: "Ver.di hat den Tarifvertrag abgeschlossen." Wenn Sie aber der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst sind und wenn es um den Bundesangestelltentarifvertrag geht, dann ist der Arbeitgeber Finanzminister hier und schreit und sagt, ich habe das Geld nicht dafür und fordert auf, dass es keine entsprechende Entwicklung gibt. Oder wenn wir hier den Antrag stehen haben, wie denn bis 2007 die Angleichung im BAT erfolgen soll, dann sind Sie auf einmal wieder der Sparminister, der sagt, so geht das alles gar nicht und die sollen doch bitte im Westen verzichten. Als wenn der Verzicht im Westen für uns eine Tariferhöhung im Osten ergibt. Das Geheimnis haben Sie das letzte Mal schon nicht beantwortet und jetzt polemisieren Sie nur wieder rum und sagen, also der Schwä
chere, der dort unterschrieben hat, der sei Schuld daran. Sie drängen sich aus der Verantwortung in dem Moment, wo Sie Aufträge vergeben an Unternehmen, die das Lohnniveau, das vorher bezahlt worden ist, nicht mehr einhalten. So geht die Spirale abwärts.
Die Vorschläge, die Sie, werter Herr Minister, hier noch einmal aus der ideologischen Klamottenkiste geholt haben, von wegen Deregulierung, Abschaffung Betriebsverfassungsgesetz, Kündigungsschutzgesetz und was Sie alles mit angesprochen haben, das hat Ihr Super-Ministerkandidat...
(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur:... in meiner Rede vorhin gesagt.)
Das ist wie gestern Abend, Herr Minister, ich darf Sie daran erinnern. Da haben Sie mir auch Dinge vorgeworfen und hinterher sozusagen einen Kunstgriff gemacht. Ich habe mich desselben jetzt bedient. Ich habe von Ihnen gelernt. Von Schuster lernen heißt siechen lernen.
(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Das gibt es nur im Sozialismus.)