Protokoll der Sitzung vom 21.11.2002

Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Abgeordneter, wenn schon der Begriff "kleines Karo" hier in die Debatte eingeführt wird, gestatten Sie einem, der ein kleines Karo vor sich herschiebt, die Frage, ob Ihnen bewusst ist, dass es auch einem in letzter Konsequenz die Möglichkeit gegeben hätte, die wissenschaftliche, geistige Partnerschaft im Rahmen des Trierer Modells, wenn die Integration nicht funktioniert, letzten Endes auch in diesem Rahmen zu vollziehen. Ist Ihnen das bekannt, dass das eine Alternative gewesen wäre?

Das ist mir bekannt. Es wäre auch möglich gewesen den jetzigen Status beizubehalten. Selbstverständlich hätte es dann weiterhin Priesterausbildungen in Erfurt gegeben und katholisch-theologische Forschungen. Aber ich habe deutlich gemacht und ich mache es noch weiter deutlich, welchen Zugewinn die staatliche Universität in Thüringen, das Hochschulwesen in Thüringen hat, wenn es zu dieser Integration dieser Fakultät kommt.

(Beifall bei der CDU)

Es hat in den Jahren seit Gründung dieses KatholischTheologischen Studiums seitens des Repressionsstaates immer wieder Versuche gegeben auch dort seine Spitzel zu

platzieren. Man weiß heute - und die Abarbeitung ist in der katholischen Kirche entschieden konsequenter gemacht worden als in der evangelischen, das darf ich als evangelischer Christ durchaus anmerken -, es ist einmalig gelungen von 1957 bis 1962 einen IM dort zu platzieren. Er ist glücklicherweise dann nicht zum Priester geweiht worden. Es ist also geglückt, durch feste moralische Prinzipien und durch eine ganz strenge Verhaltensregelung gegenüber staatlichen Stellen sich der Einflussnahme durch Stasi und andere Repressionsorgane zu entziehen. Ich hätte mir gewünscht, Herr Stolpe hätte dort mal konsultiert,

(Beifall bei der CDU)

was den Umgang mit staatlichen Stellen anbetrifft. Herr Ministerpräsident, bei dieser Haltung bleibe ich. Wir können feststellen, dass das geistige Leben, das am Anfang oder bis 1989 tatsächlich für die Bevölkerung im Verborgenen gewirkt hat, mit der Öffnung der Gesellschaft sich auch der gesamten Gesellschaft geboten hat. Das Katholisch-Theologische Seminar bietet seit 1989/1990 vielfältige Vorträge an, bezieht die interessierte Öffentlichkeit in seine wissenschaftlichen Diskussionen mit ein, beteiligt sich über den Rahmen der Kirche hinaus an der gesellschaftlichen Debatte und dies ist der erkennbare Zugewinn, von dem ich gesprochen habe. Dies kann ich sehr dankbar heute sagen: Wir sind trotz vieler Kritik, die auch seitens der Kirche kommt - sie bringt sich mit ihren Prinzipien ein, das ist richtig -, dankbar für die Begleitung, die wir durch die Kirchen, insbesondere durch die katholische Kirche, auf unserem oftmals sehr schwierigen Weg erfahren haben.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Schuchardt, Sie haben Ihre Bedenken vorgebracht, die haben Sie auch im Ausschuss vorgebracht. Sie haben in den Raum gestellt, ob es sich nicht lohnt, noch einmal nachzuverhandeln, um möglicherweise in Ihrem Sinne Verbesserungen beizubringen. Ich darf sagen, dass die Regierung sehr wohl verhandelt hat, sonst hätte es nicht Jahre gedauert. Man hat aber an irgendeinem Punkt auch den Partner wirklich ernst zu nehmen, so zu nehmen, wie er ist, und ihn nicht zu überfordern. Die katholische Kirche ist Weltkirche mit Prinzipien. Wir tun gut daran, sie zu respektieren, auch wenn wir in dem einen oder anderen Punkt anderer Meinung sind.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Forderung aufrecht zu erhalten, die Sie zum Glück nicht noch einmal hier am Pult wiederholt haben, hieße, diesen Staatsvertrag und diese Integration auf den nicht gerade Sankt-Nimmerleins-Tag, aber doch über unsere Generation hinaus zu verschieben.

(Zwischenruf Abg. Dr. Schuchardt, SPD: Das habe ich nie gesagt.)

Das habe ich jetzt gedeutet, das wäre die Konsequenz daraus, bei dem nihil obstat tatsächlich erstmalig in Deutschland Ihren Wunsch umgesetzt zu sehen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Schuchardt, SPD: Bleiben Sie mal bei den Tatsachen, Herr Schwäblein.)

Ich bleibe bei dem, was Sie mir gesagt haben im Beisein anderer Kollegen, verhandelt doch nach, das ist doch möglich. Ich sage, dann werden wir es nicht mehr erleben, aber der Zugewinn...

(Zwischenruf Abg. Dr. Schuchardt, SPD: Das sagen Sie.)

Ja, ich bleibe bei dieser Meinung, ich äußere Sie ja auch, es ist meine Überzeugung und ich bin mit dieser Überzeugung nicht allein. Wenn wir in absehbarer Zeit diese Integration wollen und nicht bloß davon reden, haben wir heute zu handeln, sonst wird das auf absehbare Zeit nichts.

(Beifall bei der CDU)

Nun haben Sie das Problem der Frauen angesprochen. Ihnen sollte nicht entgangen sein, und ich hoffe, dass Sie da korrekturfähig sind, dass es katholische Professorinnen gibt, die Theologie lehren. Dass sie Theologie lehren, das ist wieder der Respekt, dass es Punkte gibt, an denen die katholische Kirche darauf besteht, dass der Lehrende dann das Priesteramt innehat. Daran wird sich wahrscheinlich auf lange Zeit, obwohl die Diskussion auch in den Reihen der katholischen Kirche existiert, nichts ändern. Aber dürfen wir vielleicht hier auch öffentlich zur Kenntnis nehmen, welche Modernität sich in der Katholisch-Theologischen Fakultät findet. Sie hat nach der Musikhochschule Weimar den zweithöchsten Ausländeranteil unter den Studierenden, sie hat 44 Prozent weibliche Studierende - kann denn das einfach ignoriert werden und hier ein Bild der Frauenfeindlichkeit hingesetzt werden, das den Gegebenheiten nicht gerecht wird? Ich finde, das muss man zurückweisen, das tue ich hiermit.

(Beifall bei der CDU)

Ich wünsche mir eine breite Zustimmung in diesem Hause. Wir verzichten darauf, Ausschussüberweisung zu beantragen und bitten das hohe Haus, morgen diesen Staatsvertrag in zweiter Lesung abschließend zu behandeln. Ich will noch einmal die Überzeugung unserer Fraktion zum Ausdruck bringen, Thüringen gewinnt mit dieser Integration in die wiederbegründete Universität und ich weiß um den Charakter vieler Weltkirchen, die sagen, wir sind alle Gottes Kinder, ob wir es nun wissen oder nicht. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Abgeordnete Klaubert, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, nach zwei Männern spricht nun eine Frau zu diesem Vertrag. Das kann sicher noch nicht als Gender Mainstreaming der katholischen Kirche ausgelegt werden, aber ich denke, es ist auch angebracht, dass sich eine Frau dazu äußert.

Eine Vorbemerkung dazu: Bisher ist sehr viel Pathos in den Meinungsäußerungen gewesen. Ich möchte mal ganz schlicht sagen, wir haben es mit einem Zustimmungsgesetz zu einem Staatsvertrag zu tun, der eine Fakultät an der Erfurter Universität errichtet. Die heißt Katholische Fakultät und ist gewissermaßen eine Überführung aus einer kirchlichen Einrichtung in eine Fakultät an einer staatlichen Universität, damit wir mal wieder auf den rationalen Boden all dieser Erklärungen kommen. In diesem Zusammenhang liegt uns also ein Zustimmungsgesetz vor. Ich kann es gleich vorwegnehmen, wir beantragen auch keine Ausschussüberweisung, weil sowohl der Ausschuss für Bildung und Medien als auch der Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst vorab zum Vertrag beraten haben. Die Argumente sind ausgetauscht und als Abgeordnete, das bleibt natürlich zunächst festzustellen, haben wir heute drei Optionen: Wir können sagen, ja, nein, oder wir können uns enthalten. Der Landtag, das ist bereits gesagt worden, hat keine Möglichkeit der Mitwirkung an diesem Vertrag, wobei natürlich keinesfalls gesagt sein soll, dass wir nichts vom Vorhaben gewusst haben, dass wir nicht bestimmte Vorstellungen eingebracht haben, über viele Dinge diskutiert haben. Eigentlich könnte man ja fragen: Gibt es irgendetwas, was nicht irgendjemand in den vergangenen Wochen schon gesagt hat?

Wir möchten also auch in der heutigen Debatte deutlich machen, und das trifft wieder auf mein Verständnis, dass wir uns als Parlamentarier sachkundig verhalten und wir möchten diese Sachkunde in die Beratung zu diesem Zustimmungsgesetz einbringen.

Demzufolge eine grundsätzliche Anmerkung zum Zustimmungsgesetz: Die Zuständigkeit für Verträge zwischen Staat und Kirche liegt nach dem Grundgesetz bei den Bundesländern. Über den Rechtscharakter der Kirchenverträge besteht keine einheitliche Auffassung. Die Verträge mit dem Heiligen Stuhl werden manchmal als völkerrechtliche, manchmal als Staat-Kirche-Verträge oder als innerstaatliche Verträge gekennzeichnet. Das Bundesverfassungsgericht sprach in seinem Konkordatsurteil, wir haben dazu in den letzten Wochen viel gehört, dem Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 völkerrechtliche Qualität zu. Gleichzeitig stellte es fest, der Heilige Stuhl sei aber kein auswärtiger Staat im Sinne des Artikels 32 Abs. 3 des Grundgesetzes, weshalb die Länder Kirchenverträge ohne Zustimmung der Bundesregierung schließen können. Der Heilige Stuhl sei

nicht der Staat der Vatikanstadt, sondern ein Organ der katholischen Kirche generell und auch der der Bundesrepublik Deutschland. Er sei mithin Organ eines innerstaatlichen Verbandes. Damit diese Kirchenstaatsverträge aber den Charakter von Staatsverträgen erlangen, bedürfen sie der parlamentarischen Zustimmung. Nur so werden sie Gesetzesrecht und ohne die parlamentarische Zustimmung würde es sich nur um Verwaltungsvereinbarungen handeln. Das wollen wir nicht, wir wollen ein Gesetz haben und deswegen beraten wir im Parlament dazu.

Ich stelle also fest, meine Damen und Herren Abgeordneten, unsere Entscheidung ist dann doch nicht ganz ohne Bedeutung und auch die öffentliche Aufmerksamkeit richtet sich sicher - mehr als es sich jetzt dort oben wahrnehmen lässt - auf unser Agieren und auf unsere Entscheidung zu diesem Vertrag.

Es liegt auf der Hand, in Kirchenverträgen darf, kann und soll die verfassungsrechtliche Stellung der Kirche nicht verändert werden. Daher ist es völlig unerheblich, welche Bedeutung man den einzelnen Kirchen beimisst. Aber es ist unverzichtbar, zwischen dem Christentum als einem prägenden Kulturfaktor in der Geschichte und dem Anspruch der Institution auf Glaubenswahrheit zu unterscheiden. Letzterer gehört zu jeder Religion und häufig auch zur Weltanschauung. Doch dabei sind wir schon direkt beim Inhalt von Verträgen zwischen Staat und Kirche über die Einrichtung und Erhaltung von theologischen Fakultäten und der Besetzung ihrer Lehrstühle. Die einschlägige Literatur kennt keine Bedenken gegen theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten. Solche Fakultäten sind üblich und übrigens auch in der DDR wurden theologische Fakultäten wie andere Fakultäten von staatlicher Seite finanziert. Für die Studierenden gab es Stipendien wie für andere Studierende. Es lag sicher nicht nur an der DDR, dass es nur protestantische Fakultäten waren.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Und das war gut so.)

Meine Fraktion sieht daher auch keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Einrichtung der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Erfurter Universität. Sie würdigt diesen Schritt auch als Bereicherung des Angebots der Universität und deren Bereitschaft zur Öffnung in die Gesellschaft hinein - wir konnten ja in diesem Zusammenhang einen durchaus interessanten Vortrag des Staatsministers a.D. Meier hören. Verfassungsrechtliche Zweifel gibt es allerdings unter dem Gesichtspunkt des Artikels 137 des Grundgesetzes an Verträgen wie dem uns vorliegenden, und zwar deshalb, weil Sie den katholisch-theologischen Fakultäten ein kirchliches Veto-, Aufsichts- und Beanstandungsrecht bei der Berufung von Professoren und gegenüber ihrer Lehr- und Lebensweise zumessen. Ich spreche von einem Kommentar zum Grundgesetz. Zu den vom Grundgesetz in Artikel 7 Abs. 3 und 5 vorgesehenen Fällen schaffen Sie einen Bereich, in dem kirchliche Bestimmungen den Vorrang vor gesetzlichen Regelun

gen eingeräumt erhalten. Die Kirche hat besondere Rechte und die Kritik daran kann man nachlesen im Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland aus der Reihe "Alternativkommentare", Gesamtherausgeber Rudolf Wassermann. Ich glaube nicht, dass er ein besonders der PDS nahe stehender Kommentator ist. Anzunehmen, theologische Fakultäten besäßen einen Doppelcharakter und seien zugleich staatliche und kirchliche Einrichtungen, steht im Widerspruch zu Artikel 137 Abs. 1 des Grundgesetzes über das Beamtentum. Wir haben darüber im Ausschuss gesprochen, es ist dort auch noch einmal die Frage gestellt worden, inwiefern die beamtenrechtlichen Regelungen greifen. Es ist gesagt worden, dort, wo Verbeamtungen vorgenommen werden können, werden sie auch vorgenommen. Dann kommt es eben zu den doch in recht großer Breite von Dr. Schuchardt beschriebenen Interessenkollissionen zwischen Staat und Kirche. Wir meinen, das kirchliche Selbstbestimmungsrecht kann sich allenfalls auf die kirchliche Lehre, nicht auf den weltlichen Rahmen der Theologischen Fakultät erstrecken. Es sei auch darauf hingewiesen, dass es bei der evangelischen Kirche anders geregelt ist, wenngleich wir wissen, dass die evangelische Kirche keine grundsätzlichen Bedenken gegen diesen Vertrag anmeldet. Der Staat muss bekanntlich die im Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes verankerte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre respektieren und er darf auch hinsichtlich der theologischen Disziplinen keine Ausnahme machen. Er darf also bezüglich der theologischen Lehrinhalte keinen Einfluss ausüben und ebenso wenig bezüglich der Repräsentanz dieser Fachdisziplinen. Er hat, und das ist gut so, weltanschaulich neutral zu bleiben. Wenn nun die authentische katholische Lehre stets nur die Lehre der Kirche als Institution sein kann, ist das ein Problem der katholischen Kirche und keines des Staats. Folgerichtig hat sie für die Folgen von Eingriffen der katholischen Kirche in die Freiheit der Forschung und Lehre die Folgen zu tragen. Es ist auch für uns ein sichtbarer Mangel des vorliegenden Texts, dass diese Position in dem vorliegenden Vertrag nicht weiter ausgearbeitet werden konnte. Aber wir machen uns natürlich auch keinerlei Illusionen darüber, dass wir mit einem Änderungsantrag in irgendeiner Art und Weise etwas verändern würden. Da ist es dann schon eher so: Der Weg war lang, der gegangen worden ist. Vor dem Hintergrund der viel längeren Zeit, in der sich katholische Kirche bewegt, war es vielleicht auch ein kurzer Weg. Aber der Weg ist gegangen worden und nun liegt ein Ergebnis vor, welches wir wiederum - ich habe es eingangs gesagt - nur mit einer Ja-, Nein- oder Enthaltungsentscheidung begleiten können. Ich erkläre aber auch im Zusammenhang mit den aufgeworfenen Problemen zu Kollisionen von Beamtenrecht und den Abberufungsrechten durch den Bischof von Erfurt bzw. den Vatikan, wenn ich an solche zwangsweise entfernte Theologen wie Hans Küng, Uta Ranke-Heinemann oder Eugen Drevermann, allerdings bei letzterem nicht aus einer staatlichen Universität, denke, deren außerordentliche Verdienste nach unserem Dafürhalten für sich sprechen, dass solche Wissenschaftler ihren Platz an der Universität behalten sollten; wenn nicht an der katholisch-theologischen Fakultät, dann eben an

einer anderen Fakultät. In dieser Weise wird nun die Freiheit der Wissenschaft subsidiär aber letztendlich doch gewährleistet. Katholische Theologen sollten auch keine demütigen Diener der Kirche bleiben. Die Zeiten sind vorbei, das dürfte im Interesse aller Beteiligten, also eben auch der katholischen Kirche liegen.

Meine Damen und Herren, Sie haben zur Kenntnis genommen, dass mit dem vorliegenden Vertragswerk auch in sehr nobler Weise mit der Fakultät umgegangen wird. 10 C 4- Professuren, zwei C 3 wenn ich mich recht erinnere, die Ausstattung ist festgeschrieben. Es ist vorgesehen, bis zum Jahr 2009 den akademischen Mittelbau aufzubauen. Wir halten es für außerordentlich wichtig, dass auch der Mittelbau ausreichend ausgestattet werden kann. Aber wir werden uns nun auch gestatten, dieses Maß der Ausstattung der Fakultät, die gemessen natürlich an der philosophischen Fakultät ist, für andere Wissenschaftsgänge in Thüringen einzufordern, insbesondere für die, aus denen man sich besondere Anregungen und Innovation erwartet. Das heißt, wir drehen den Spieß um und sagen, die Wissenschaft in Thüringen soll außerordentlich gut finanziert sein, sie ist ein wichtiger Baustein für unser Land.

Schließlich erinnere ich an die Zielbestimmung der Wissenschaft, wie man sie bei Berthold Brecht im "Galilei", 14. Szene, nachlesen kann: "Ich halte dafür, dass das einzige Ziel der Wissenschaft darin besteht, die Mühseligkeit der menschlichen Existenz zu erleichtern." In diesem Sinne bedanke ich mich für die umfangreichen Beratungsgespräche, für die interessanten Debatten, ganz besonders bei Herrn Weinrich vom Katholischen Büro für seine Beratung über eine längere Zeit. Ich glaube, wir haben die Positionen in ausreichender Art und Weise dargestellt, wir haben versucht die gesamte Bandbreite des Spektrums des Errichtens einer solchen Fakultät zu streifen. Es gäbe sicher noch manches zu sagen. Ich kann nur feststellen, die Umstände sind bekannt, nun mag jeder nach seinem Gewissen entscheiden. Es wird auch bei uns unterschiedliche Entscheidungen geben.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Goebel, bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mich treibt eine Interpretation des Herrn Abgeordneten Dr. Schuchardt hier ans Pult, eine Äußerung, die ich getan habe in der öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Ich habe in der Tat die Einschätzung gegeben, die hier andere Redner wiederholt haben, dass eine Nachverhandlung zu keinem anderen Ergebnis führen würde. Herr Dr. Schuchardt, dies bedeutet nicht,

dass ich der Meinung bin, dies sei ein Ergebnis, das um jeden Preis erzielt wäre. Wir haben den Preis sehr wohl abgewogen. Auch ich für mich habe den Preis abgewogen und ich muss sagen, der Vertrag, wie er von der Landesregierung ausgehandelt worden ist, ist ein guter Vertrag und die Integration der katholischen Fakultät in die Erfurter Universität ist ein wichtiges Ergebnis für die Hochschullandschaft in Thüringen. Das einmal zuerst. Dann bin ich durchaus der Meinung, dass die Nihil-Obstat-Regelung, so wie sie seit 1929 in unterschiedlichsten Konkordaten und Verträgen in Deutschland gefunden und getroffen worden ist, prinzipiell eine Regelung ist, die man akzeptieren kann, wenn man akzeptiert, dass die katholische Theologie - auch wenn sie an einer staatlichen Hochschule etabliert ist - nicht nur eine Wissenschaft ist, sondern auch eine Bekenntniswissenschaft ist, und die Seite, die das Bekenntnis vertritt, natürlich darüber wachen muss. Ich weiß sehr wohl auch, dass es in der Ausführung dieser Regelung gegebenenfalls und gelegentlich Probleme gibt und gegeben hat. Das ist auch den deutschen Bischöfen bewusst. Es gibt einen Brief des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Lehmann, in dem das ausdrücklich eingeräumt wird. Das ist aber ein innerkirchliches Problem und ich hoffe sehr, dass die deutschen Bischöfe das mit dem Heiligen Stuhl lösen können. Bei Abwägung, wie gesagt, aller Dinge, die hier für die Universität Erfurt und für unseren Wissenschaftsstandort stehen, bin ich der Meinung, das ist ein Preis, der zu tragen ist. Ich werde auch in Zukunft immer Abwägungen treffen, die zu tragen sind und nicht um jeden Preis diesem oder jenem zustimmen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, bitte schön, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, das Gesetz zu einem Staatsvertrag steht auf der Tagesordnung und ich bin dankbar, dass vorhin gesagt worden ist, die Parlamentarier fühlten sich hinlänglich unterrichtet. Denn ich nehme das zum Anlass zu sagen, wir haben ja viele Staatsverträge und weitere in Vorbereitung, dass die Landesregierung selbstverständlich ihrer Pflicht nach Artikel 67 der Landesverfassung nachkommt. Wenn das einmal in einem Fall nach der Meinung der Betroffenen nicht hinlänglich geschehen sein soll, sind wir bestrebt, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Aber in diesem Fall ist ja bescheinigt worden, dass es geschehen ist.

Herr Kollege Schuchardt, und deswegen habe ich mich gemeldet, hat Bedenken gegen die so genannte Nihil-ObstatRegelung und er hat angemahnt, dass man die Zweifel ernst nehmen möge. Ich will, meine Damen und Herren, ausdrücklich sagen, dass ich die Zweifel ernst nehme. Ich komme zu einem anderen Schluss, nicht weil ich die Zwei

fel für unberechtigt halte, sondern ich komme zu einem anderen Schluss, weil die Summe der Argumente mir zum Schluss sagt, es ist zweckmäßig, diesen Staatsvertrag so zu schließen.

(Beifall bei der CDU)

Ausgangspunkt, meine Damen und Herren, ist die Tatsache, dass es gegen den Abschluss dieses Staatsvertrages auf der Seite beider Partner erhebliche Bedenken gab. Ich mache darauf aufmerksam, damit das nicht vergessen wird, fünf Jahre ist über diesen Vertrag, wenn auch in Intervallen und mit Unterbrechungen, verhandelt worden, weil es auf beiden Seiten Bedenken gab. Ich lege Wert darauf zu sagen, ich weiß sehr wohl, dass von Seiten der Kirchen ernsthafte Repräsentanten sagen, die Zeit staatlicher katholisch-theologischer Fakultäten sei zu Ende und man solle zumindest keine neuen derartigen Bündnisse mehr eingehen. Das hat sich im deutschsprachigen Raum durch Repräsentanten der katholischen Kirche artikuliert und wie, wenn man sich Rom näherte, zu hören war, in noch deutlicherer Artikulation auch in Rom. Auf der anderen, auf unserer Seite gab es in der Tat unter anderem die Bedenken, die Sie, Herr Kollege Schuchardt, vorhin hier vorgetragen und begründet haben. Im Verlauf der Debatte war relativ frühzeitig klar, entweder man will einen solchen Vertrag trotz der bedenklichen Stimmen auf beiden Seiten oder man verzichtet auf einen solchen Vertrag. Ich gestehe, dass bei uns die Gründe überwogen haben, warum wir einen solchen Vertrag wollten. Wenn man aber mit einer Religionsgemeinschaft einen Vertrag schließt, dann darf man nicht verlangen, dass diese Gemeinschaft auf ihre konstitutiven Elemente verzichtet oder sie gar einer Mehrheitsabstimmung in einem Staat unterwirft.

Meine Damen und Herren, wir überlassen es der Jüdischen Landesgemeinde, eine Definition, wer Jude ist, zu wählen, die aus der jüdischen Religionstradition erfolgt und von uns nicht geteilt wird. Wir überlassen es selbstverständlich ebenso der evangelischen Kirche, in der hier in Frage stehenden Problematik ihre Vorstellungen zur Grundlage des Vertragsabschlusses zu machen. Herr Kollege Schuchardt, ich erinnere Sie daran, dass wir mit der evangelischen Kirche 1994 eine Vereinbarung geschlossen haben, einen Staatsvertrag, in dem der evangelischen Kirche die unter ihren Vorstellungen notwendigen Einspruchsrechte eingeräumt worden sind. Dort heißt es: "Vor der Anstellung eines Professors und vor der unbefristeten Anstellung eines Hochschuldozenten für ein Fachgebiet der evangelischen Theologie oder Religionspädagogik an einer Hochschule des Freistaats wird den Kirchen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Werden Bedenken geäußert, die sich auf die kirchliche Lehre und auf das Bekenntnis beziehen und im Einzelnen begründet werden, wird die Landesregierung diese Stellungnahme beachten." Ich räume ein, das ist nicht wortgleich. Es geht mir nur darum, das war der Wunsch der evangelischen Kirche, dass wir zusagen, deren Einwendungen gegen das Bekenntnis zu beachten. Wir haben es akzeptiert. Ich habe vorhin schon auf das

Beispiel des Judentums verwiesen und andere Beispiele werden wahrscheinlich in Deutschland in absehbarer Zeit folgen. Wenn ich mit einer Religionsgemeinschaft, wenn ich mit einem Bekenntnis einen Vertrag abschließen will, muss ich akzeptieren, dass das Bekenntnis die Hoheit über die Festlegung der Grundzüge seines Bekenntnisses behält. Insofern ist das hier keine neue Qualität und insofern haben in der Tat alle anderen deutschen Länder, die Verträge geschlossen haben, wenn auch in etwas unterschiedlichen Formulierungen, solche Nihil-Obstat-Regelungen akzeptiert. Nun ist zu Recht, Herr Schuchardt, gesagt worden, wir sind aber nicht ein anderes Land, wir sind Thüringen. Da ich diese Formulierung auch gern gebrauche, muss ich auch Ihnen gestatten, sie zu gebrauchen. Nur hat diese Aussage - wir aber sind Thüringen - natürlich zwei Seiten. Wir können sagen, wir aber sind Thüringen, nur müssen wir dann in Kauf nehmen, dass mit uns niemand über eine Theologische Fakultät einen Vertrag schließt. Dann muss eben entschieden werden - Sie sind ja zu diesem Schluss auch gekommen -, sind wir so weit Thüringen, dass wir etwas, was wir wollen, nur deswegen nicht wollen, weil wir Thüringen sind, oder sind wir so weit Thüringen, dass wir etwas, was wir wollen, auch wollen, wenn es andere auch wollen. Ich will ausdrücklich sagen, wir sind zu dem Ergebnis gekommen, wir wollen es.

(Beifall bei der CDU)