Protokoll der Sitzung vom 22.11.2002

Zur 14. Shell-Jugendstudie: Sie haben das ja miterlebt, es ist diese Gruppe, die uns vor allem Kummer macht, die 4. Gruppe der vier Jugendgruppen, die uns Angst macht und die ungefähr 25 Prozent ausmacht, wo die Eltern erziehungsunfähig sind; der Begriff "Wischi-Waschi-Eltern", der hier auch gebraucht wurde. Das ist das, was uns hier sehr ans Herz gelegt worden ist.

Das dritte Problem sind die Mädchen und jungen Frauen. Diese wurden in zwei Gruppen unterteilt, einmal die minderjährigen Mütter und zweitens die Mädchen und jungen Frauen aus Problemfamilien, "prekären Familien" wurden sie hier genannt. Auf einer Fachtagung mit dem Titel "Minderjährig und schwanger - Gesellschaftliche Ursachen und Folgen einer frühen Schwangerschaft" zum 11-jährigen Bestehen von Pro Familia, bei der Frau Wolf und ich sowie am ersten Tag auch Frau Arenhövel anwesend waren - es wäre schön gewesen, wenn auch von Ihnen jemand teilgenommen hätte -, wurde genau das bestätigt, was uns hier im Grunde schon beschäftigt, beschäftigen sollte. Jugendamt der Stadt Erfurt und auch die Leite

rin des Mutter-Kind-Hauses und viele, die aus Thüringen dabei waren, sagten, es ist erschreckend und sollte uns beunruhigen, dass die Zahl der minderjährigen Mütter anwächst. Allein in Erfurt noch im vorigen Jahr 24 minderjährige Mütter, sind es jetzt schon 35. Es gibt große Probleme mit diesen jungen Frauen. Damit befassen Sie sich ja hier nicht. Das ist es. Die Ursachen sind auch genannt worden und was man dagegen tun sollte.

Die zweite Gruppe sollte uns vielleicht noch ein bißchen mehr beschäftigen. Es ist eine Studie angefertigt worden von der Fachhochschule, Frau Prof. Bütow, über diese jungen Mädchen aus schwierigen Familiensituationen. Ich habe auch gefragt, ob sie zu diesem Monitor gefragt worden sei, weil sie ganz interessante und aufschlussreiche Untersuchungen mit vielen, vielen jungen Mädchen und Frauen gemacht hat dazu, wie diese ihr Leben dann gestalten. Ich möchte Ihnen hieraus nur ein paar ganz wichtige Informationen geben. Was total auch übersehen wird, diese Mädchen, die aus Familien kommen, die im Grunde viele Probleme haben, wo Gewalt herrscht, wo kein Selbstwertgefühl entwickelt wurde, die keine festen Bindungen eingehen können, die sehr schnell - und sie hat dort Mädchen genannt, die sich dazu geäußert haben - anschließen, Gruppen, auch Rechtsextremismus, und sie sagt, sie war erschrocken, welcher Hass dort geäußert wird auf alles, was fremd ist, vor allem auf Ausländer. Es hat mich sehr berührt, dass gerade den Mädchen viel zu wenig Aufmerksamkeit in der Gesellschaft geschenkt wird, dass Mädchenarbeit, es wurde ja schon von Frau Nitzpon angesprochen, als Luxus und überflüssig angesehen wird. Das sind eindeutige Aussagen. Wir werden uns diese Studien sicher auch heranziehen und uns damit befassen, dass Schule, die auch das, was wir ja nun seit einigen Jahren wollen, mädchenorientiert, auf Mädchen eingehen, überfordert sind, die Lehrerinnen und Lehrer selbst dazu noch nicht in der Lage sind, dass die Schule auf individuelle Probleme überhaupt nicht eingehen kann. Die Mädchen, die betroffen waren, die schwanger wurden, dass man sich um die sich von vornherein erst einmal kümmert oder dass man präventiv arbeitet. Schulsozialarbeit wäre sehr, sehr wichtig, auch die offene Jugendarbeit. Mädchen kommen überall marginal vor, weil sie sich im Grunde auch so fühlen oder so gesehen werden und glauben, so ist das auch. Das kann eigentlich nicht das sein, was wir wollen. Deshalb kann ich Sie auch nur auffordern, das hier ernst zu nehmen. Es kann nicht sein, wir haben in der Enquetekommission, da sind Sie von der CDU auch dabei, diese Probleme auch erkannt. Der Bericht kommt aber erst nächstes Jahr. Wir können doch nicht warten, bis im nächsten Jahr der Bericht vorliegt und wir sagen: Jetzt wissen wir, was wir ändern müssen? Frau Arenhövel, das müssen Sie doch selbst mit unterstützen. Deshalb kann ich nur auffordern, und ich habe das auch dort zu dieser Fachtagung gesagt, im Einzelplan 08 sind 1 Mio.       lienbildung, Familienerziehung und es wurde mit Freude aufgenommen. Man erwartet, dass davon auch Projekte und die Arbeit auf diesem Gebiet gefördert werden. Dazu kann ich Sie eigentlich nur ermutigen und auffordern, uns die ganz konkre

te Familienpolitik, die wir in Thüringen betreiben, zu zeigen und von solchem Wahlkampfreden abzukommen. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Ramelow zu Wort gemeldet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, zuallererst will ich feststellen, dass ich das Erstellen eines solchen Monitors für sehr begrüßenswert halte und dass ich das Verfahren, über ein Monitoring-Verfahren regelmäßig einen Querschnitt zu ziehen, um dann in der Analyse miteinander ins Gespräch zu kommen, für einen guten Ansatz halte. Da muss man aber auch tatsächlich über den Querschnitt reden und nicht hier eine Dauerwahlkampfveranstaltung zwischenzeitlich dazwischenschalten, wie es mir jetzt einigermaßen so vorgekommen ist.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, beim Durchschauen des Monitors ist mir aufgefallen, dass der erste Satz der Einleitung - und das möchte ich ansprechen - von gesunden Familienstrukturen spricht. Ich zitiere: "Gesunde Familienstrukturen sind das A und O für das Gedeihen und für die Zukunft einer jeden Gesellschaft."

Ich habe gestutzt, als ich den Satz gelesen habe, und überlegt, warum springt mich das Wort "gesunde Familienstrukturen" an. Es erinnert mich an gesundes Volksempfinden oder an, Herr Althaus, ideologisch verbrämte Benutzung von Worten. Sie, Herr Ministerpräsident, haben zu Recht in Ihrer Regierungserklärung den Begriff der intakten Familie und - davon abgeleitet - eben auch der nicht intakten Strukturen gewählt. Ich halte das für besser und, ich denke, man sollte mit den Autoren über diese Frage auch mal reden, ob es nicht besser wäre, an dieser Stelle auch auf jedes Wort zu achten.

(Beifall bei der PDS)

Eine weitere Frage, die mir aufgefallen ist, die ich einfach in den Raum stelle: In den Monitoren davor war die Sonntagsfrage jeweils mitgestellt. Diesmal ist sie nicht mitgestellt worden. Da frage ich einfach nach: Hat es da Gründe gegeben oder wollte man vor der Bundestagswahl eine solche Fragestellung nicht in Auftrag geben? Geheimnisse ich vielleicht mehr hinein als hineingehört? Hat es eine einfache Begründung? Ich frage deshalb einfach nach.

Herr Althaus, bei Ihnen ist mir aufgefallen, und das würde ich gern auch hinterfragt haben, wenn Sie von Familie und Ehe - die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben es als oberstes gesellschaftliches Wollen in unsere

Verfassung hineingeschrieben, von Familie und Ehe gleichermaßen normiert im Grundgesetz gesprochen. Wenn ich Ihnen aber aufmerksam zuhöre, komme ich zu dem Ergebnis, dass Sie den Begriff der Ehe in den Vordergrund stellen, dass Ihnen also Ehe an sich wichtiger ist als der Familienbegriff, der sich in den letzten zehn, zwanzig, dreißig Jahren eben erweitert, verändert hat. Man kann nicht mehr sagen, die klassische Ehe, die ja bejaht wird in dem Monitor, das finde ich ja sehr positiv. Aber die klassische Ehe ersetzt sich nicht, sondern verändert sich dadurch, dass Ehen zerbrechen und die Realität einfach dann in dieser Gesellschaft für uns alle zu handhaben ist, wie man mit Patchwork-Familien umgeht, die sich möglicherweise nicht definieren über Trauschein oder nicht Trauschein. Wir hatten beim Ehegattensplitting ja hier mal miteinander erörtert, welche Schlussfolgerungen man daraus eigentlich ziehen muss. Aber wenn man den Familienbegriff ausschließlich reduziert auf Ehe, dann tut man all denjenigen eben keinen Gefallen, die alleine oder in gemeinsamer Partnerschaft, aber ohne Trauschein Kinder großziehen. Ich glaube, Kindererziehung ist im Mittelpunkt dessen,

(Beifall bei der PDS)

was wir hier zu betrachten haben. Eine Bemerkung will ich schon machen. Manch eine Ehe oder manch eine Familie oder manch ein Elternhaus kann extremistisches Gedankengut geradezu prägen, in der Frühphase weitergeben und auch da bedarf es einfach einer wirksamen Beratung. Also, es geht nicht um das Familienbild, dass der Staat anstelle der Familie oder der Ehe tritt, wie Sie es eben der SPD vorgeworfen haben. Also, alles was in Ihrer Wahlkampfrede hier vorgetragen worden ist, hat mich eigentlich daran erinnert, dass sonst immer die PDS dafür verantwortlich ist und dass jetzt Rotgrün in Berlin PDSProgrammatik umsetzt, das ist mir neu. Seit heute weiß ich das. Ich glaube aber, es geht fehl über das, was wir zu diskutieren haben.

Eines möchte ich zurückweisen, Herr Althaus, dass das Thema "Gutenberg-Gymnasium" gestern hier politisch instrumentalisiert worden ist. Das will ich entschieden zurückweisen.

(Beifall bei der PDS)

Ich halte es für notwendig, dass man bei der Schuldebatte auch ausgehen muss vom 26.04., nicht um es zu instrumentalisieren, aber um auch zu schauen, ob die Dinge, die wir seit dem 26.04. in Thüringen diskutieren, im Verhältnis zu den Menschen, die sich alle geäußert haben, auch umgesetzt werden. So habe ich die Diskussion von den Schulpolitikern gestern verstanden, dass die Hinweise der Eltern, der Schüler, die Veränderung seit dem 26.04. im Schulgesetz eingefordert haben, dass diese Veränderung, die sie eingefordert haben, eben nicht im Dialog mit eingefangen worden ist. Wenn das Menschen in diesem Land für sich so formulieren und sagen, sie sind übergangen worden, dann ist das keine Instrumentalisierung des

26.04., sondern dann bleibt meine Feststellung, dass Sie beschlossen haben, die Erde ist eine Scheibe und nur das, was die mittlere Sitzreihe in der eigenen Wahrnehmung hat, ist, glaube ich, das Zentrum dessen, was in Thüringen geschieht. Ich glaube, dass das eine Verengung ist, die nicht zu akzeptieren ist, wenn es um den Dialog mit der Bevölkerung geht.

(Beifall bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, bei Ihnen in der Rede ist mir eine Formulierung aufgefallen, auf die ich auch noch einmal eingehen möchte. Sie sind einerseits zu Recht auf die feinen Risse, die im Fundament der demokratischen Verfasstheit unserer Gesellschaft zu konstatieren sind, eingegangen, haben dann aber gesagt, dass der Umgang der letzten Wochen mit unbewiesenen Behauptungen, Gerüchten, Unterstellungen und unangemessenen Kampagnen keine Beiträge zur Demokratiezufriedenheit seien. Sollten Sie damit einen rasenden Innenminister meinen, dann kann ich nur feststellen, dass das keine Kampagne war, sondern eine Feststellung, die in den Zeitungen zu lesen war, oder sollten Sie damit eine CD meinen, wo dann zugegeben worden ist, dass auf ihr Staatsgeheimnisse, Amtsgeheimnisse und Ähnliches waren und wo unklar ist, warum sich ein Innenminister ausgerechnet eine solche CD brennen lässt und er dann anschließend nicht mehr weiß, wo sie ist, aber zielgerichtet in einer Thüringer Zeitung die Inhalte dann abgedruckt sind, dass man dann Fragen stellt und dass er dann die Konsequenz daraus zieht. Was ist daran eine Kampagne? Ich weise entschieden zurück, dass Sie jetzt die Opposition dafür verantwortlich machen, was in Ihrem eigenen Haus an Skandalen verursacht worden ist. Das ist eine Umdrehung und eine Auf-den-KopfStellung der Verhältnisse in diesem Land, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Ich will auch gar nicht weiter darauf eingehen, es war ein Justizminister, der zu viel telefoniert hat. Das hat er, nachdem er aus dem Amt gegangen ist, dann auch zugegeben. Aber solange wir hier im hohen Haus gesagt haben, er hat eingegriffen, was sich für einen Justizminister nicht gehört, solange buchen Sie das ab unter Kampagne der Opposition. Ich finde, das ist kein Beitrag des Umgehens miteinander und ich weise es deshalb in aller Entschiedenheit auch zurück.

Meine Damen und Herren, es geht um das Ansehen von Politikern - wie wahr, Herr Althaus. Sie haben gesagt, es seien nur die Wahlkampfversprechen von Rotgrün auf die Waagschale zu werfen und die seien das Entscheidende. Ich glaube a), dass das mit dem Monitor überhaupt nichts zu tun hat, weil das gar nicht in der Erhebungsphase zu messen ist, aber b) haben Sie ein so kurzes Gedächtnis, dass man fast schreien möchte. War es nicht ein bedeutender Politiker, der immer von Ihnen so in den Vordergrund gestellt wird, der in diesem Teil des Landes blü

hende Landschaften versprochen hat?

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Die haben wir.)

(Beifall bei der PDS)

Ja, wenn das Frühjahr kommt, Herr Sklenar wird sagen, da blüht es, das Rapsfeld blüht und Ähnliches. Wenn wir nach den Arbeitsplätzen fragen, wenn wir nach den Unternehmen fragen, wenn wir nach der wirtschaftspolitischen, regionalwirtschaftlichen Entwicklung fragen, dann...

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Dazu habe ich gesprochen.)

Ja, dazu haben Sie Leerformeln von sich gegeben, und zwar nur leere Floskeln haben Sie gesagt.

(Beifall bei der PDS)

Wenn wir nach den Arbeitsplätzen der jungen Menschen fragen, die nach ihrer Ausbildung arbeiten wollen, dann geben Sie darauf keine Antwort. Dann ist eben der Zug der Lemminge, der dann abgeht in den Westen, um nicht hier irgendwann später in der Altersarmut in der Falle zu sitzen. Ich denke, dagegen muss man politische Konzepte entwickeln und da habe ich von Ihnen nun gar nichts gehört, was man an regionalwirtschaftlicher Stärkung macht. Das Einzige, was Ihre Fraktion seit Wochen hier betreibt, ist, dieses hohe Haus zu einer Dauerwahlkampfsendung zu missbrauchen. Der gestrige Tag mit den Aktuellen Stunden war ein Beispiel dafür, das gehört sich einfach nicht.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Herr Abgeordneter Ramelow, gestatten Sie eine Frage durch den Abgeordneten Althaus?

Bitte gern.

Bitte schön, Herr Althaus.

Herr Ramelow, sind Sie der Meinung, dass die Aussagen der Wirtschaftsweisen Leerformeln sind?

Danke schön.

Aber Sie haben nur darauf hingewiesen, dass man sie lesen soll. Sie selber haben sie nicht umgesetzt, nicht ein Konzept ausgeführt und uns nicht gesagt, wie wir es in Landespolitik durch Sie umgesetzt bekommen. Sie haben nur darauf verwiesen und das Wiederholen auf etwas Richtiges von den Wirtschaftsweisen bringt uns auch nicht weiter. Außerdem steht auch bei den Wirtschaftsweisen eine Reduzierung auf neoliberale Konzepte im Vordergrund, auch darüber müsste man etwas mehr und etwas genauer nachdenken.

(Beifall bei der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir über die Vorbildfunktion von Politikern reden, dann sollten wir wirklich darüber nachdenken, ob wir jetzt bis 2004 alle Aktuellen Stunden dazu zelebriert bekommen, dass Schuld an allem Rotgrün ist, ab und zu eingestreut 40 Jahre Verantwortung die SED hatte, ohne dass man über Ihre Verantwortung dabei mitredet, sondern dass wir dann nur so tun, als ob wir jetzt nur noch so eine Politik nach außen kommunizieren. Mir wäre es lieber, wir würden diese Form des Umgehens miteinander jetzt beenden und wir würden auf den Monitor zurückkommen. Da sage ich mal - sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich möchte Sie da ansprechen -, wenn festgestellt wird, dass feine Haarrisse in unserem demokratischen Gemeinwesen sich breit machen, dann können Sie, wenn so rechtzeitig gegengesteuert wird, wieder in die Stabilität hineingebracht werden, die wir brauchen, dass nämlich die überwiegende Anzahl der Menschen Demokratie und Parlamentarismus mit den Formen auch direktdemokratischer Elemente als gelebtes Gemeinwesen für verteidigungswürdig halten. Das wäre eine Grundlage, auf der wir miteinander leben, arbeiten und streiten können. Wenn in dieser Zeit einerseits darüber geredet wird, dass man gegen die Regierung auf die Straße gehen möchte - also, ich habe in einer Tageszeitung gelesen, Herr Stoiber kündigt an, dass man gegen Rotgrün auf die Straße gehen möchte -, dann kann ich sagen, das kann ich nachvollziehen. Das ist eine politische Auseinandersetzung...

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Danke.)

Ja, ich höre, Sie gehen mit, also, das würde mich sehr freuen, diese Demonstration, von der CDU angeführt, dann in der Auseinandersetzung zu erleben. Ich halte das für einen Teil des demokratischen Rechts. Wenn Sie also auf die Straße gehen wollen, bitte schön. Wenn Sie sich gemeinsam mit allen anderen Menschen gegen Nazis auf die Straße stellen, wie in Weimar geschehen, wenn Sie es begrüßen, finde ich das sehr gut und sehr begrüßenswert. Lassen Sie uns sowas in ganz Thüringen dort orga

nisieren, wo es notwendig ist. Sehr gut. Dann dürfen wir aber Demonstrationsrechte nicht einschränken, sondern müssen Demonstrationsrechte stärken.

(Beifall bei der PDS)

Ich habe gelesen, dass jetzt auch die Polizei in Thüringen - man muss es prüfen - Polizisten aus Schleswig-Holstein verprügelt haben im Rahmen einer Demonstration. Das ist eine Form, wo ich sage, also, so gefällt mir natürlich dann Demokratie und Demonstrationsrecht nicht. Aber, Herr Ministerpräsident, und da möchte ich Sie ansprechen, weil ich Ihr Empfinden für solche Entwicklungen kenne und schätze, wenn ein Arnulf Baring in der FAZ aufruft gegen diesen Staat, gegen diese Bundesregierung zu demonstrieren, aber dann Formulierungen benutzt, bei denen ich sage, da muss man genau hinhören - ich zitiere, Frau Präsidentin: "Es festigt sich im Lande die Überzeugung, dass unser Parteiensystem, in welcher Farbkombination auch immer, den heutigen Herausforderungen in keiner Weise gewachsen ist." In welcher Kombination auch immer - also, er meint auch die mittlere Sitzreihe und er führt weiter aus: "Wenn unsere Parteien weder programmatisch noch personell in der Lage sind, die Bevölkerung mit klaren Alternativen zu konfrontieren und damit Richtungsentscheidungen zu erzwingen, das wäre das Ende der Republik. Man muss gerecht sein und darf nicht übersehen, dass unsere Verfassung ihrerseits durchgreifende Lösungen erschwert." Also, wenn ein Aufruf zum Demonstrieren kombiniert wird als ein Aufruf gegen die Verfassung, wie es Herr Baring in der FAZ gemacht hat, indem er sagt - genau, wie wir es von Ihnen gehört haben in Richtung SPD - und er endet damit, dass er sagt, nicht nur das Parteiensystem, sondern auch die Verfassung muss jetzt endlich auf den Prüfstand, dann sage ich an dieser Stelle, hoppla, unter solchen Losungen auf die Straße zu gehen, würde, wenn sie von links kämen, sofort zur gesamten Staatsmacht führen. Wenn aber jetzt auf einmal aus dem konservativen Bereich begründet ein Aufruf zur Demonstration kombiniert wird als ein Aufruf zur Demonstration auch gegen die Verfassung und das Einfordern von Notverordnung am Parlament vorbei, dann sage ich, da sollten wir uns gemeinsam dagegen wehren und entschieden untersetzen, dass der Kernbereich unseres demokratischen Gemeinwesens nicht unter den Stiefeln von Demonstranten, die dann gegen die Verfassung marschieren wollen, zertreten werden darf. Und da würde ich ganz gern dann doch klarere Worte hören, ob man gemeinsam mit Herrn Baring demonstrieren will oder ob man tatsächlich gegen Steuerpolitik demonstrieren will, also, ob man das System bekämpfen will, was man ansonsten immer links unterstellt, oder ob man schon dabei ist, vielleicht Parlamentarismus ganz an die Wand zu spielen und denen in die Hände zu arbeiten, die mit fast 20 Prozent in dem Monitor erwähnt sind, dass ihnen eigentlich ein Führer, eine starke autoritäre Hand lieber wäre. Ich habe Angst davor, wenn der Wunsch zu groß wird, dass ein autoritäres System Probleme löst. Da gebe ich Ihnen Recht, Herr Althaus. Autoritäre Systeme lösen keine Probleme,

sie schaffen nur welche.

Und mein letzter Appell, sehr geehrter Herr Althaus, so wie Sie Ehe und Familie gemeinsam genannt haben, nenne ich parlamentarische Demokratie nach der Thüringer Verfassung inklusive plebiszitärer Elemente, auch die stehen in der Thüringer Verfassung. Geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck, lassen Sie uns die Gespräche zum Thema "direktdemokratische Elemente", die Gespräche zum Thema "Mehr Demokratie" zum Lackmustest machen, dass dieses Parlament in der Lage ist, Kompromisse auszuhandeln, die dann anschließend von der Bevölkerung aktiv in Volksbegehren und Volksentscheiden auch genutzt werden - nicht, um das Parlament zu ersetzen, wie Sie immer befürchten und der PDS versuchen hinzuwerfen, sondern um das Parlament zu bereichern, um uns mehr Initiativen ins Haus zu holen von der Bevölkerung selber. Sie und wir haben uns in den letzten Tagen ja nun ein bisschen bewegt und auch, was die Quoren angeht, sogar viel Bereitschaft zur Bewegung auf allen Seiten gehabt, dann lassen Sie uns aber auch aus der Realität unseres jetzigen Gesetzes, unserer jetzigen Landesverfassung das Thema "freie Sammlung" dann kombinieren mit der Amtsstubensammlung, mit richtigen Quoren, so dass gemeinsam ein Paket herauskommt, bei dem wir zum Schluss alle zusammen vor das hohe Haus treten können, den Kompromiss gemeinsam abstimmen, aber auch ein Signal in die Bevölkerung geben, Parlament und Parteien sind in der Lage, auf 380.000 Bürgerinnen und Bürger in Thüringen zu hören. Das wäre ein gutes Zeichen, dann wäre mir nicht Angst, dass wir die Haarrisse, die entstanden sind, nicht auch aktiv wieder miteinander vernetzen und verbinden können, so dass die Haarrisse nicht zu größeren Rissen werden, sondern dass die parlamentarische Demokratie auf einem festen Fundament dauerhaft verankert ist. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)