Protokoll der Sitzung vom 30.01.2003

Dann sind wir möglicherweise sogar einer Meinung. Ich bin nämlich der Auffassung, dass dies die Spitze eines Eisbergs ist.

Meine Damen und Herren, wenn auf einem Plakat auf einer Protestveranstaltung, die am 13. Januar dieses Jahres in Königsee stattfand, zu lesen war: "Wenn Ihr nicht reagiert, dann nehmen wir euch die Macht", dann sollte uns das schon zum Nachdenken in der Weise anregen, ob das tatsächlich nur eine Frage der Vermittlung einer Rechtslage ist oder ob denn nicht mehr dahinter steckt. Ich bin der Auffassung, dass alles, was im Zusammenhang mit den Beitragserhebungen an Unmut, an Unruhe, an Unverständnis aufgekommen ist, nicht nur ein Vermittlungsproblem ist. Es ist sicherlich auch ein Vermittlungsproblem, aber wenn wir es uns anschauen, sehen wir, welche Schwierigkeiten darin stecken. Welcher Bürger, der durchweg betroffen ist, kann denn die Begriffe "grundstücksbezogener Gebrauchsvorteil", "pauschalierte Tiefenbegrenzung", "Altanlagen", "Altanschlussnehmer", "organisatorischrechtlicher Einrichtungsbegriff" fassen? Wer kann denn damit umgehen? Wenn das schon so kompliziert zu fassen ist, ist natürlich das Vermittlungsproblem, das dahinter steckt, umso komplizierter. Ich meine, wir müssten weiter gehend darüber nachdenken, als der Kollege Fiedler das hier getan hat, und etwas dafür tun, dass das Kommunalabgabenrecht nicht nur als ungerecht empfunden wird, sondern der Bürger auch die Möglichkeit hat, dieses Kommunalabgabenrecht zu begreifen und für sich als gerecht

zu empfinden. Ich denke, das ist die Aufgabe der Politik, der wir uns zu stellen haben.

(Beifall bei der PDS)

Die Politik, meine Damen und Herren, und da nehme ich mich ja doch nicht aus, hat die Beteiligten zu Betroffenen gemacht. Es kommt aber darauf an, die Betroffenen wieder zu Beteiligten zu machen.

(Beifall bei der PDS; Abg. Fiedler, CDU)

Deswegen meine ich, dass die Kommunen auch tatsächliche Ausgestaltungsmöglichkeiten für ihr Satzungsrecht brauchen, so dass auf regionale Besonderheiten - und sei es auch hausgemachter Art - und regionale Fehlleistungen angemessen reagiert werden kann. Ich meine, das, was in diesem Wasser- und Abwasserzweckverband "Oberes Rinnetal" passiert ist, darf nicht kommunale Praxis werden.

Was ist passiert? Bürgermeister der Verbandssatzung haben lange Zeit diese verfehlte Geschäftspolitik mitgetragen. Sie haben sie aber irgendwann und noch nicht zu spät erkannt. Was ist dann passiert? Die Verbandsversammlung hat dann Anfang Dezember 2002 die Aussetzung der Bescheide beschlossen. Und dann schlug die Kommunalaufsicht zu. Die Bürgermeister wurden ihres Amtes als Verbandsräte enthoben. Es wurden ein Beauftragter eingesetzt und Bescheide verschickt.

(Zwischenruf Abg. Schugens, CDU: Zu Recht.)

Nein, da muss ich Sie korrigieren. Eben nicht, weil zwischenzeitlich das Verwaltungsgericht entschieden hat, dass das eben nicht rechtmäßig war. Da können Sie zwar reinrufen "zu Recht" - es ist eben nicht so.

Herr Abgeordneter Dr. Koch, die fünf Minuten sind auch um.

Ja. Das ist also eine höchst undemokratische Verfahrensweise, von der ich meine, sie darf nicht zur Regel werden und sie zeigt aber auch die Enge des Spielraums, den Verbandsräte doch tatsächlich haben.

Meine Damen und Herren, ich denke, hier müssen wir darüber nachdenken, das Ganze transparenter und letztendlich akzeptabler zu machen. Ich denke, das sollte unsere Schlussfolgerung aus den Bürgerprotesten sein.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Höhn zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Betroffenheit macht sich breit in mehrerlei Hinsicht. Betroffenheit angesichts einer - ich will sie als Verzweiflungstat bezeichnen, von Leuten, die in der Tat in ihrer Existenz betroffen sind. Dafür muss man wirklich größtmögliches Verständnis aufbringen. Aber es macht sich bei mir auch Betroffenheit darüber breit, dass offensichtlich Kollegen aus unseren Reihen dafür gesorgt haben, dass diese Menschen erst - ich sage bewusst - in die Irre geführt werden,

(Beifall bei der CDU, SPD)

denn wir, der Thüringer Landtag, sind für dieses Problem der falsche Adressat. Das muss ich ganz deutlich betonen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Die Rechtslage, meine Damen und Herren und liebe Kollegen, ob ich die nun beklage oder nicht, gilt für alle Zweckverbände, und das nicht erst seit gestern. Ich war bis vor wenigen Jahren auch auf der anderen Seite als Verbandsrat. Ich habe eine Satzung und Gebühren und Beiträge im Verband in Hildburghausen mit beschlossen, der seit 1996 kostendeckende Preise erhoben hat. Das ist nämlich genau das Problem, liebe Leute. Das Problem ist, dass es in Thüringen Zweckverbände gegeben hat, die sich über Jahre politische Wasserpreise und Abwasserpreise geleistet haben und erst dadurch in die Situation geraten sind, in der sie heute sind. Und wenn dann die kommunalrechtlichen Instrumente greifen, das zu beklagen, liebe Kollegen, das ist unredlich, das sage ich ganz deutlich, das ist unredlich.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Die Lage dieses Zweckverbands - ich sage nicht WAZ, WAZOR oder Oberes Rinnetal, wie auch üblich, ich könnte jetzt auch den KWA Meiningen anführen, wo es von 4.500 Bescheiden 3.500 Einsprüche gibt, wobei es große Unterschiede gibt. Ich stelle hier die Fragen und, Kollege Fiedler und auch die anderen Kollegen, die müssen in der Tat im Ausschuss und, wenn es sein muss, von mir aus auch noch mal hier im Plenum, aber nicht in der Aktuellen Stunde, sondern in einem ordentlichen Punkt behandelt werden:

(Beifall Abg. Schemmel, SPD)

Sind denn alle Ermessensspielräume, alle Handlungsinstrumente, die das Gesetz heute schon bietet, ausgeschöpft worden? Ich habe mir den Vorgang auch zu Herzen genommen, ich bin zu der Feststellung gekommen: bei wei

tem nicht, bei weitem nicht in diesem konkreten Fall. Was ich auch beklage sind gewisse Informationsmängel. Da muss ich allerdings auch das Ministerium nicht ganz aus der Pflicht lassen. Hier scheint es auf der Kommunikationsstrecke bis hinunter zu den Zweckverbänden und Bürgern offensichtlich trotz aller Bemühungen doch noch einige Störungen zu geben. Die Prüfung der Kalkulationsgrundlagen, die Rechtmäßigkeit der Bescheide, all das sind Dinge, mit denen man wirklich den Leuten jetzt in dieser Situation, in der sie sind, konkret helfen kann. Das sollten wir tun und nicht uns mit solchen Aktionen, die wirklich ein schlechtes Bild für die Öffentlichkeit darstellen, belasten. Danke schön.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Es gibt noch einige Minuten Redezeit. Der Abgeordnete Scheringer, PDS-Fraktion, hat sich vorhin noch gemeldet. Wir müssen mal sehen, wie lange dann noch Redezeit übrig ist von der halben Stunde.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Schemmel, es wird überhaupt nicht politisch ausgenutzt von irgendwem.

(Unruhe bei der CDU, SPD)

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Überhaupt nicht.)

Überhaupt nicht. Ich will Ihnen sagen, ich bin jetzt von so vielen Bürgern wegen der Bescheide angesprochen worden, sie zu bestimmten Punkten aufzuklären, weil, da fängt das schon an. Das haben Sie schon gesagt hier, der Abgeordnete Höhn hat das gesagt. Ich kann Ihnen nur sagen, diese Bescheide lassen hier Ermessensspielräume offen, die noch gar nicht von allen ausgeschöpft worden sind. Ich habe überhaupt nicht vorgehabt, irgendwelche Bürgerinitiativen zu bilden, das wollte ich Ihnen noch mal sagen, Herr Fiedler. Die sind alle zu mir gekommen, ich habe gesagt: Geht doch zu euren CDU-gewählten Abgeordneten, geht doch zu den SPD-Leuten, die das beschlossen haben. Lasst mich in Ruhe. Nein, wir wollen darüber mal aufgeklärt werden. Da habe ich die Bürgermeister aufgesucht, ich habe gesagt: Macht eine Bürgerversammlung und klärt die Leute mal darüber auf. Die haben keine gemacht, die haben wirklich keine gemacht. Das ist "Mittlere Unstrut" und was sollte ich denn da machen, sollte ich die im Regen stehen lassen? Da habe ich mich gekümmert und habe mir zu allen Fragen den Herrn Kruschel eingeladen und habe niemals irgendwen aufgehetzt. Ich habe immer gesagt: Wir machen hier keine politische Veranstaltung, sondern wir klären sie über ihre Rechte und Pflichten auf. Und es stimmt ja, manche haben aus Angst oder - was vorhin hier gesagt wurde - aus politischen Sachen nichts unternom

men, aber es ist für viele existenzgefährdend. Es gibt ja für die Landwirtschaft extra welche und es gibt zum Beispiel in Herbsleben einen Bauern, der soll allein fürs Wasser 5.000   len. Die haben eine super Abwasseranlage in Herbsleben, da habe ich die CDU-Bürgermeisterin richtig gelobt, aber für Wasser aus der "Mittleren Unstrut" soll der 5.000  bezahlen jedes Jahr in wiederkehrenden Beiträgen. Dort haben wir nur über das Wasser gesprochen. Ich will sagen, es gibt viele Verfehlungen; es gibt viele, viele Menschen in Thüringen und für viele ist es auch existenzbedrohend, da können Sie erzählen, was Sie wollen. Wenn ich die Bescheide von manchen sehe, das spottet aller Beschreibung. Das kommt aber auch daher, weil es in Thüringen so ist, dass wir die Nordsee sauber halten wollen und dann kommt ein 70.000-Tonnen-Öltanker und macht das alles wieder zunichte. Es ist nicht in Ordnung, wie damit umgegangen wird.

Zweitens: In Bayern gibt es dieselben Geschichten, ihr beruft euch immer auf den Freistaat Bayern. Wissen Sie, was es da gibt in Bayern, ein unbebautes Landstück und wenn das nur 6 Meter breit ist, das wird dann erst zum Abwasser herangezogen, wenn was gebaut wird. Bei uns wird das schon vorher alles festgestellt, wird alles vorher schon berechnet. Und dagegen regen sich zu Recht viele Bürger auf, soviel habe ich in der letzten Zeit mitgekriegt. Gestern war ich beim Notar und da hat die Notarin gesagt: Herr Scheringer, ich habe gehört, Sie kümmern sich da. Ich sage: Ich habe überhaupt keine Lust, für Bad Langensalza da noch so ein Ding in die Wege zu leiten. Das muss unbedingt gemacht werden. Ich glaube, die hat sechs Häuser oder sechs Grundstücke. Da kann sie auch mehr bezahlen, habe ich ihr gesagt. Aber die Initiative geht von der falschen oder gar keiner Unterrichtung dieser Verbandsräte aus, weil viele, auch Gemeinderäte und Bürgermeister, gar nicht hinter alles geschaut haben. Die waren froh, dass sie das dem Zweckverband übergeben konnten. Das ist nämlich ein großer und wichtiger Punkt. Das wollte ich noch mal sagen. Also hört auf, behandelt das noch mal richtig im Landtag und lasst das nicht so weiterlaufen, wie das jetzt läuft. Es wird immer schlimmer, jeden Tag wird das mehr. Das kann wohl nicht wahr sein. Das wollte ich noch mal gesagt haben,

(Beifall bei der PDS)

eigentlich nur, weil ich zwischen Weihnachten und Neujahr richtig überrannt worden bin mit den Sachen. Sieben Bürgerinitiativen, in jedem Dorf einen Saal bestellt, die Leute sind gar nicht reingekommen in die Säle, so voll waren die. Alle haben gesagt: Konrad, was du da machst, kannst du dir gar nicht vorstellen. Eigentlich nur, weil die Bürger nicht aufgeklärt sind und weil das zu viel auch kostet für manche. Für manche ist es existenzbedrohend.

Herr Abgeordneter Scheringer, die fünf Minuten sind um und der Herr Abgeordnete Pohl hat jetzt noch die Gelegenheit, die restliche Redezeit auszunutzen - drei Minuten noch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich stehe auch noch unter dem Eindruck der vergangenen Veranstaltung vorhin. Man macht hier Politik auf Kosten dieses Landtags.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Fakt ist eines: Der Landtag hat eine gesetzliche Regelung geschaffen, den gesetzlichen Rahmen mit dem Kommunalabgabengesetz. Das ist unsere Aufgabe gewesen. Seit acht Jahren ist es ein ständiger Tagesordnungspunkt im Innenausschuss - Wasser und Abwasser. Wir haben auch bestimmte Dinge, die Sie angesprochen haben, Kollege Koch, im Zusammenhang mit Novellierungen aufgegriffen, weil wir festgestellt haben, dass das Problem der Informationspflicht uns am Anfang noch gefehlt hat. Wir wissen doch, wir haben den Rahmen geschaffen; die Umsetzung selbst, die muss vor Ort erfolgen. Das ist ganz ursächlich kommunale Selbständigkeit,

(Beifall Abg. Althaus, CDU)

da können wir hier im Landtag einfach nicht eingreifen, das wäre falsch. Weil wir die Informationspflicht eingeführt haben oder eingesetzt haben - ich glaube, das ist der § 7 a, da kann ich mich aber irren -, bedeutet das doch, dass die Verbände, die Träger die Bürger zu informieren haben. Da gebe ich Ihnen, Herr Scheringer, vollkommen Recht, das ist Aufgabe der kommunalen Träger und das muss man hier mal ganz deutlich auseinander halten. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

29 Minuten in der Aktuellen Stunde, da wäre noch eine Minute gewesen für die Abgeordneten, aber Herr Innenminister Trautvetter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bedanke mich ausdrücklich für viele konstruktive Beiträge in dieser Debatte zur Aktuellen Stunde, weil noch mal deutlich wird, wo das Problem eigentlich hingehört. Ja, Herr Dr. Koch, ich bin sogar mit Ihnen einer Meinung, die Akzeptanz des Kommunalabgabengesetzes zu erhöhen. Das wäre notwendig und wichtig. Nur, als PDS-Abgeordneter das hier zu sagen, aber in

der Öffentlichkeit und draußen etwas ganz anderes zu machen

(Zwischenrufe aus der CDU-Fraktion: Jawohl!)

- wie zwiespältig treten Sie eigentlich noch auf?

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich kann mich sehr gut an die Debatte 1991/92 entsinnen. Ich habe nicht einen einzigen PDS-Abgeordneten gesehen, der den damaligen Umweltminister unterstützt hat, weil er das als Landeshoheitsaufgabe haben wollte. Nein, damals sind Sie auch mit den Bürgermeistern aufgetreten und haben gesagt, das ist kommunale Selbstverwaltung, das ist eine kommunale Pflichtaufgabe, das muss in kommunaler Hoheit gemacht werden. Vergessen wir doch das nicht. Es ist sehr richtig gesagt worden, es bestanden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, die Verjährungsfrist noch einmal zu verlängern. Wir haben es trotzdem gemacht. Anstatt dass die Verantwortlichen vor Ort mit ihrer letzten Fristsetzung, die sie bekommen haben, dann auch tätig geworden sind, hat man Entscheidungen immer weiter hinausgeschoben. Es sind alle Zweckverbände überprüft und die eingesetzte Prüfgruppe hat festgestellt, dass bei 26 Aufgabenträgern die Verjährung eingetreten wäre. Ich kann mir sehr gut vorstellen, Frau Dr. Wildauer, dass Sie recht gern die Verjährung hätten eintreten lassen. Dann hätten Sie wieder ein politisches Thema. Denn was wäre die Folge gewesen? Die nicht erhobenen Beiträge wären entweder durch die Kommunen zu bezahlen gewesen, über die Umlage in den Zweckverbänden.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Umlage.)

Dann hat man wieder ein politisches Thema und kann sagen, die armen Kommunen, die ihre Aufgaben nicht erfüllen können und denen wir mehr Geld geben können. Oder die andere Variante: Die nicht erhobenen Beiträge wären komplett in die Gebühren hineingeflossen. Erstens wissen Sie, dass das nach oberster Rechtsprechung nur in ganz begrenzten Ausnahmefällen möglich ist. Zweitens: Wie hätten Sie denn dem Bürger die immense Gebührenerhöhung begreiflich machen wollen, weil es mit jeder neuen Investition jedes Jahr eine neue Gebührenerhöhung hätte geben müssen? Aber auch das wäre ja ein schönes politisches Betätigungsfeld für die Opposition, insbesondere für die PDS, gewesen. Ich nehme die SPD ausdrücklich heraus. Ich glaube, Wolfgang Fiedler hat sehr deutlich auf die korrekte Arbeitsweise der Landrätin von Saalfeld-Rudolstadt hingewiesen.