Dann insgesamt zur Bewertung des Gesetzentwurfs: Wir glauben, dass gerade durch die Erhöhung der Bedeutung der Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle insgesamt der Gesetzentwurf hinter bereits erreichte Standards im privaten Rundfunk und im Internet zurückgeht.
Zur Regelung von Jugendschutz über Indizierung möchte ich noch einige wenige Worte sagen. Es ist erstens heute schon sehr schwierig, einen Film für Kinder oder Jugendliche zu bewerten. Ein Film, der das Prädikat "P 12" bekommt, ist tot, der ist erledigt. Die 12-Jährigen sehen entweder Dinge, die eigentlich schon fast alle sehen oder sagen: Buh "P 12", da gehe ich gar nicht mehr hin. Das ist ein Problem. Das wird auch von Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, sehr stark diskutiert, ob diese Prädikatisierungen überhaupt einen Sinn machen. Und zum Zweiten möchte ich anmerken: Wenn im Gesetz in Artikel 6 formuliert wird (Werbung und Teleshopping), dass es untersagt ist, Kinder und Jugendliche unmittelbar aufzufordern, ihre Eltern oder Dritte zum Kauf der beworbenen Waren oder Dienstleistungen zu bewegen, dann kann ich das nur als verzweifelten Versuch eines Appells bewerten, der minütlich ad absurdum geführt wird. Wenn Sie Werbefernsehen sehen, da fragen Sie sich wahrscheinlich selbst, was das soll. Ich möchte noch einmal hier unsere Auffassung unterstreichen, dass Jugendschutz nicht mit Verboten anfängt, sondern lange davor. Für uns ist staatlicher Jugendschutz vor allem die Möglichkeit der Orientierung auf Kompetenzerwerb und Verantwortlichkeit und dafür müssen auch Landesmittel bereitgestellt werden, die Eltern, Anbietern, Lehrern, Kindern die Möglichkeiten zu diesem Kompetenzerwerb geben. Ich glaube, nur über einen Medienstaatsvertrag, der den Jugendschutz regelt, ist es nicht möglich, Kinder vor jugendgefährdenden Sendungen, Bildern und Ähnlichem zu schützen, sondern der Kompetenzerwerb ist das eigentliche Problem, damit man sich selbst Grenzen setzen kann, um Anbietern, die indizierte Produkte anbieten, überhaupt keine Chance zu geben, wahrgenommen zu werden. Ich denke, da hat auch
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, im September 2002 haben die Regierungschefs der Länder und der Bund den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag unterzeichnet. Dieser Vertrag ist ein wichtiger Schritt zur Neuordnung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern einerseits im Bereich der Medien, andererseits im Bereich des Jugendschutzes. Die Regelungen der Länder zum Jugendmedienschutz werden in einem einzigen Vertragswerk gebündelt. Dadurch haben wir mehr Stringenz und mehr Transparenz. Die Auflösung der bisherigen Gemengelage von Bundes- und Länderkompetenzen beim Jugendschutz im Bereich der elektronischen Medien ist zu begrüßen. Jetzt haben wir klare Zuständigkeiten für den Jugendschutz. Die Länder sind zuständig für den Rundfunk und im gesamten Online-Bereich. Der Bund ist zuständig für die Trägermedien. Dadurch erreichen wir einheitliche Jugendschutzregeln für Rundfunk und Internet. Dies führt zu einer effizienter gestalteten Struktur der staatlichen Aufsicht in diesen Mediensektoren.
Meine Damen und Herren, weit wichtiger ist es, dass Kinder und Jugendliche künftig besser geschützt werden, besser geschützt vor Medienangeboten mit kriegs- und gewaltverherrlichenden Inhalten, mit rassistischen Inhalten und mit pornografischen Inhalten. Nunmehr haben wir gesetzlich geregelt eine eindeutige Definition, einerseits, was sind generell unzulässige Medienangebote, und andererseits, was sind so genannte entwicklungsbeeinträchtigende Angebote. Ich sehe darin einen deutlichen Fortschritt, befriedigen kann der gegenwärtige Sachstand allerdings noch nicht. Das Gesetz gilt z.B. für die Darstellung von Gewalt und Pornografie, aber es gilt z.B. nicht für Darstellungen gleichen Inhalts mit menschenähnlichen Wesen. Wer die Entwicklungstendenzen bei den jugendgefährdenden Programminhalten, vor allem im Bereich des Internets, aufmerksam verfolgt, weiß, dass in diesem Punkt noch erheblicher Regelungsbedarf besteht.
Meine Damen und Herren, die Medienwirtschaft kritisiert an dem vorliegenden Staatsvertrag vor allen Dingen zwei Punkte: Erstens, die fehlende Differenzierung zwischen einerseits den Content-Providern, also Medienunternehmen, die eigene Programminhalte verbreiten, und andererseits den Hosting- oder Access-Providern, die lediglich fremde Programminhalte verbreiten bzw. zugänglich machen. Die Medienwirtschaft wollte, dass Hosting- oder Access-Providern nur eine begrenzte Verantwortung zuer
kannt wird. Wir sagen, es darf kein Provider aus der Verantwortung für den Jugendschutz einfach entlassen werden. Natürlich muss man die unterschiedlichen Providertypen auch differenziert betrachten. Diesem Umstand ist aber bereits Rechnung getragen in zweierlei Hinsicht, zum einen im Teledienstegesetz und zum Zweiten im Mediendienste-Staatsvertrag. Hier ist die abgestufte Verantwortlichkeit für eigene und für fremde Programminhalte geregelt. Damit ist gesichert, dass alle Provider zur Einhaltung der Jugendschutzvorschriften verpflichtet sind. Als Zweites kritisierte die Medienwirtschaft die Aufsicht über die elektronischen Medien, dass diese nicht vollständig der Freiwilligen Selbstkontrolle unterliegen sollte. Anders als es Frau Dr. Kaschuba hier gesagt hat, bleibt es meine tiefe Überzeugung, dass Selbstkontrolle grundsätzlich richtig ist, aber allein die Selbstkontrolle ist nicht hinreichend. Das zeigt zum Beispiel in den USA, aber auch in Deutschland die Freiwillige Selbstkontrolle für das Fernsehen. Die Diskrepanzen zwischen Landesmedienanstalten und der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen zeigen, dass die Eigenregulierung den Bedürfnissen des Jugenschutzes nicht gerecht wird. Im Jahre 2001 hatte sich die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen beispielsweise bei rund einem Drittel der Filme, deren Ausstrahlung vor 22.00 Uhr durch die Landesmedienanstalten strikt abgelehnt wurde, für einen Sendebeginn schon um 20.00 Uhr ausgesprochen. Deshalb ist es wichtig, dass wir auf eine Kooperation zwischen Staat und privaten Institutionen setzen. Wir sagen ja zur Selbstregulierung, aber bei institutionell gesicherter Auffangtätigkeit. Den Landesmedienanstalten kommt dabei eine besondere Aufsichtsverantwortung zu. Wir würden uns wünschen, dass in den Gremien der Thüringer Landesmedienanstalt auch die fachspezifischen Institutionen der Jugendhilfe vertreten sind.
Meine Damen und Herren, der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag regelt, dass die Medienunternehmen die Freiwillige Selbstkontrolle in die Hand nehmen können, dass ihnen aber die staatliche Kommission für Jugendmedienschutz zur Seite gestellt wird. Diese Kommission für Jugendmedienschutz soll als Zentralstelle der Landesmedienanstalten im Bereich des Jugendmedienschutzes fungieren. Zu ihren Kernkompetenzen zählen solche wichtigen Dinge wie die Zertifizierung der Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle oder die kontinuierliche Überprüfung der Arbeit dieser privatwirtschaftlichen Kontrollinstanzen. Damit haben wir in einem äußerst sensiblen Bereich, im Bereich des Jugendschutzes, die Balance erreicht zwischen einerseits dem nötigen Mindestmaß an staatlicher Aufsicht und andererseits dem möglichen Höchstmaß an Freiwilliger Selbstkontrolle. Die Landesregierung hat beantragt, dass Erfurt der Sitz der Kommission für Jugendmedienschutz werden soll. Darin haben Sie von der SPD die uneingeschränkte Unterstützung. Thüringen soll Kindermedienland werden. Wir haben den Kinderkanal, wir haben den Goldenen Spatz und seit jüngstem das Qualitätssiegel "Erfurter Netcode" für inhaltlich herausragende Kinderseiten im Internet. Wo, wenn nicht in diesem Umfeld, sollte die Kommission für Jugendmedienschutz ihren Sitz haben?
Und wenn der Minister hier sagt, es gäbe eventuell die Möglichkeit, dass die Landesmedienanstalt in diesem Zusammenhang mit nach Erfurt ziehen könnte, so sage ich, wir haben schon mehrfach hier in diesem hohen Hause darauf hingewiesen, dass unseres Erachtens die Thüringer Landesmedienanstalt dort ihren Sitz haben sollte, wo die Musik spielt, nämlich in unmittelbarer Nähe des Kinderkanals und des Landesfunkhauses des MDR.
Meine Damen und Herren, der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist ein Kompromiss wie jeder Staatsvertrag. Wir schätzen ein, es ist ein guter Kompromiss. Wir sehen keinen weiteren Bedarf für eine Beratung im Ausschuss für Bildung und Medien und würden vorschlagen, dass wir, wenn das in den anderen Fraktionen genauso gesehen wird, zur zweiten Lesung im Anschluss schreiten können.
Herr Minister Dr. Krapp hat gesagt, die Entwicklung ist nicht abgeschlossen. Wir werden in Zukunft die Erfahrungen abwarten und auswerten müssen und die Ergebnisse in die kommenden Beratungen zwischen Bund und Ländern einfließen lassen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir meinen, der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist nicht nur ein guter Kompromiss, sondern wir meinen, es ist eine gute Chance. Vorab möchte ich aber auf einige Bemerkungen eingehen. Herr Dr. Pidde, Sie sagten oder das habe ich zumindest aus der Rede so herausgehört, dass der Jugendschutz oder die Selbstkontrolle sozusagen neben der Kommission steht, neben der staatlichen Kontrolle. Das sehen wir nicht ganz so. Wir haben zwar in dem Gesetz eine Stärkung der Selbstkontrolle, aber die steht nicht frei neben der staatlichen Aufsicht, die nach wie vor noch existiert, z.B. durch die Kommission für Jugendmedienschutz. Die Kommission hat ein Letztentscheidungsrecht bzw. eine Vertretbarkeitsprüfung kann hier durchgeführt werden. Richtig ist da gesagt worden - Dr. Kaschuba hat es gesagt -, dass die Gremien der Selbstkontrolle ihren rechtlichen Spielraum ausschöpfen können. Wenn dieser Spielraum überschritten wird, dann tritt die Kommission ein und überprüft die einzelnen Dinge. Wenn Verstöße vorgenommen wurden, kann sie gegen diese Verstöße vorgehen.
Frau Dr. Kaschuba, ich glaube, die Landesmedienanstalt wird nicht am Betteltuch nagen. Sofern ich ja selbst Mitglied der TLM bin, ist mir bekannt, dass aufgrund der Haushaltslage nach wie vor in den letzten Jahren immer noch etwas Geld bei der Landesmedienanstalt übrig war,
das dann bedauerlicherweise wieder an den MDR zurückgeführt werden musste. Wir hatten ja die Diskussion in den vergangenen Monaten und Jahren, weil uns interessiert, was mit dem Geld angestellt wird. Ich denke, das Geld wird dafür auch noch aufgebracht werden können, wird auch übrig sein, um es dann natürlich für den Jugendmedienschutz einzusetzen.
Noch eine letzte Vorbemerkung: Ich denke mal, ein P-12Film kann auch ein Knaller werden. Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen: "Herr der Ringe" war ein absoluter Kassenschlager mit dem ersten Film gewesen. Mit dem ersten Teil konnten die anderen beiden weiteren Teile sogar vorfinanziert werden. Er läuft immer noch im Kino, er lief ja mehrere Wochen. Ich denke mal, das ist nicht ein Maßstab, ob es nun P 12 oder P 16 ist. Wichtig ist, und das ist richtig so, dass diese Alterskennzeichnung vor allem auch für die Eltern gemacht wird, damit die Eltern wissen, in welchen Film sie ihr Kind schicken können, in P 12 oder P 16. Das ist eigentlich der Hauptgrund. Das, glaube ich, steht so nicht da.
Wesentliche Dinge zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sind Folgende: Ich denke, dass im letzten Jahr vielen klar geworden ist durch das Erfurter Gutenberg-Massaker, dass wir unsere Kinder und Jugendlichen noch besser vor Gewaltdarstellungen in den Medien schützen müssen. Wir meinen - das ist eigentlich auch immer ein Prinzip der CDU -, die Eigenverantwortung stärken, das heißt also hier ganz konkret, die Selbstkontrolle zu stärken und hier auch präventiv anzusetzen und nicht erst dann nur mit reinen Verboten zu arbeiten. Ich denke mal, das hat man in der Vergangenheit gesehen, dass das eben nicht immer wirkt. Deswegen, der Minister sagte es bereits, so viel Selbstkontrolle wie möglich und so viel Aufsicht wie nötig. Diese Aufsicht ist wirklich gegeben. Ich hatte es eingangs ja gesagt. Noch eine Bemerkung dazu ist die Freiwillige Selbstkontrolle. Die müssen ja bestimmte Kriterien erfüllen und die Kommission begutachtet dann diese Kriterien, gibt sie vor. Drei Kriterien hat Frau Dr. Kaschuba genannt, die sind richtig. Wenn diese Kriterien erfüllt werden, kann auch mit Qualität gearbeitet werden. Ein großes Problem sehe ich natürlich auch gerade darin, was die Erweiterung auf das Internet betrifft. Die Erweiterung ist gut, aber die Handhabe oder die strafrechtliche Handhabe ist ziemlich schwierig beim Internet. Wenn sie einen Betreiber in Amerika sitzen haben, haben wir wenig Möglichkeiten, hier strafrechtlich vorzugehen. Das ist in der Tat eine Schwierigkeit, aber, ich sagte es ja, ich habe es eingangs als Chance bezeichnet. Wir haben hier auch eine Evaluierungsklausel eingefügt: nach fünf bzw. drei Jahren. Nach drei Jahren kann der Staatsvertrag aufgekündigt werden, wenn er in der Tat nicht funktionieren sollte; aber ich gehe davon aus, er wird gut funktionieren. Aber nach fünf Jahren müssen wir dann sehen, was hat funktioniert und was hat nicht funktioniert. Dann sollte man hier auch noch einmal auf Landesebene natürlich bzw. auf Bundesebene darüber reden, was man neu hinzunehmen sollte, was man neu aufnehmen sollte und muss.
Meine Damen und Herren, Herr Pidde hat es ja bereits gesagt, dass wir es begrüßen, das in erster und zweiter Lesung durchzuführen. Den gleichen Standpunkt vertritt auch meine Fraktion. Ich bitte namens meiner Fraktion um Zustimmung zum Thüringer Gesetz zum Staatsvertrag. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Weitere Redewünsche liegen mir nicht vor. Ich kann die erste Beratung schließen. Herr Abgeordneter Dr. Pidde hat bereits gesagt, dass beantragt wird, die zweite Beratung anzuschließen, und zwar am heutigen Tag. Mir ist auch gesagt worden, dass dazu eine Übereinkunft erzielt worden ist. Wir müssen allerdings nach § 56 der Geschäftsordnung mit Zweidrittelmehrheit abstimmen. Wer zustimmt, dass wir jetzt die zweite Beratung anschließen, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? Es gibt 1 Stimmenthaltung. So haben wir nicht ganz die Dreidrittelmehrheit erreicht. Aber die Zweidrittelmehrheit gestattet uns, dass wir diese zweite Beratung anschließen.
Dazu gibt es keine Anträge, in der Aussprache sprechen zu wollen, so dass ich die zweite Beratung schließen kann und wir über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 3/3023 in zweiter Beratung abstimmen können. Wer dem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Das ist eine Mehrheit. Gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? Es gibt einige Stimmenthaltungen. Mit Mehrheit ist der Gesetzentwurf angenommen. Das dokumentieren wir in der Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. Danke schön. Die Stimmenthaltungen jetzt bitte? Danke schön. Gibt es jetzt Gegenstimmen? Die gibt es nicht. Wir haben das gleiche Ergebnis. Der Gesetzentwurf der Landesregierung ist angenommen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 6 und komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 7
Thüringer Gesetz über die Errichtung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/3052 ERSTE BERATUNG
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, das hier vorliegende Gesetz ist der Schlussstein einer Entwicklung, die mit den Empfehlungen einer 1991 von der Landesregierung berufenen His
torikerkommission eingeleitet worden war. Durch diese Kommission sollte der Aufgabe einer sachgemäßen und würdigen Erneuerung der Gedenkstätte Buchenwald mit ihren wissenschaftlichen, denkmalpflegerischen und museumspädagogischen Dimensionen Rechnung getragen werden. Die Kommission hatte insbesondere Empfehlungen zur Anbindung der Gedenkstätte Mittelbau-Dora an die Gedenkstätte Buchenwald, zur Rechtsform einer unabhängigen Stiftung des öffentlichen Rechts und zur inhaltlichen Konzeption der Gedenkstättenarbeit ausgesprochen. Zunächst wurde durch den Erlass vom 25.03.1994 eine unselbständige Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora errichtet. Es bestand jedoch schon damals Einvernehmen über die Absicht, die Stiftung nach Abschluss der notwendigen konzeptionellen Arbeiten in die Rechtsform einer rechtsfähigen Stiftung öffentlichen Rechts zu überführen. Der Status der unselbständigen Stiftung als nachgeordnete Einrichtung des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst würde der Bedeutung der Gedenkstätten langfristig nicht gerecht werden. Parallel zur Neugestaltung der Gedenkstätten wurden bereits Vorarbeiten zur Umstrukturierung und zur Vorbereitung der Statusänderung geleistet. Diese können heute umgesetzt werden, nachdem nun auch die Bundesregierung einer gemeinsamen Förderung zugestimmt hat. Die Gedenkstätte Mittelbau-Dora wurde in die überarbeitete Gedenkstättenkonzeption aufgenommen. Ende 2001 konnte dann ein neues, mit allen Beteiligten abgestimmtes Strukturkonzept für die zu errichtende Stiftung erstellt werden. Auch die erforderliche exakte Vermessung der Liegenschaften der künftigen selbständigen Stiftung wurde zwischenzeitlich abgeschlossen. Nachdem die Bundesregierung letztes Jahr einer gemeinsamen Förderung zugestimmt hat, ist nun der Weg frei für die Zusammenführung der beiden Gedenkstätten in eine rechtsfähige Stiftung und die lange angestrebte Umstrukturierung kann umgesetzt werden.
Meine Damen und Herren, die bereits seit 1990 in Landesträgerschaft stehende Gedenkstätte Buchenwald kann durch Gesetz auf die zu gründende Stiftung übertragen werden. Für die Gedenkstätte Mittelbau-Dora bedurfte es einer vorherigen Übertragung auf das Land. Der Kreistag des Landkreises Nordhausen hatte bereits am 11. Juni vorigen Jahres die Übertragung von Betrieb und Vermögen der Gedenkstätte auf den Freistaat beschlossen. Der darüber hinaus erforderliche notarielle Vertrag zur Übertragung der Grundstücke wurde am 03.12.2002 geschlossen und noch im Dezember vom Landesverwaltungsamt kommunalaufsichtlich genehmigt. Dem Eigentumsübergang auf die Stiftung durch das Gesetz steht damit nichts mehr im Wege.
Ich meine, dass durch die Zusammenführung der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora unter dem Dach einer rechtsfähigen Stiftung öffentlichen Rechts sich Funktionen jetzt zusammenlegen lassen, wir klare Leitungsstrukturen aufbauen können und neue Organisationseinheiten schaffen. Die 1994 erfolgte Zusammenlegung der
Gedenkstätten in einer unselbständigen Stiftung hatte bereits die Möglichkeit eröffnet, wissenschaftliches Potenzial zur erfolgreichen und abgestimmten Gedenkstättenarbeit viel effektiver einzusetzen. Diese bereits geleistete Arbeit kann in einer Rechtsform, die dem Stellenwert der Einrichtung angemessen ist, nahtlos fortgeführt werden. Auch durch die Zusammenlegung der beiden bisher getrennt geführten Gedenkstättenhaushalte sind weitere Synergieeffekte zu erwarten.
Meine Damen und Herren, die Bedeutung der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora wurde uns erst vor wenigen Tagen bei der Lesung des Literaturnobelpreisträgers Imre Kertész am Montag noch einmal deutlich vor Augen geführt. Mit der vorgesehenen Umwandlung der Stiftung in eine rechtsfähige Stiftung öffentlichen Rechts wird der Rang der Gedenkstätte unterstrichen. Sie wird juristisch selbständig und kann Träger von Rechten und Pflichten sein. Sie wird dadurch an Handlungsfähigkeit und Ausstrahlung gewinnen.
Ich fühle mich als Vorsitzende des Stiftungsrats der Aufgabe der Gedenkstätte zutiefst verbunden und freue mich deshalb außerordentlich, dass wir nun dieses von uns allen angestrebte Ziel erreicht haben. Ich bitte Sie deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, um Unterstützung für dieses Vorhaben.
Ich eröffne die Aussprache und bitte als erste Rednerin Frau Abgeordnete Klaubert ans Rednerpult. Bitte schön.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Frau Ministerin, die Unterstützung für den Gesetzentwurf soll die Landesregierung auch von unserer Fraktion erhalten, aber ich möchte doch noch einige Anmerkungen machen, die wir im Ausschuss beraten sollten. Ich gestehe auch, dass ich noch ganz unter dem Eindruck der Veranstaltung vom 27. Januar in der Gedenkstätte Buchenwald stehe, auf welcher der selbst in Buchenwald inhaftierte und Überlebende und heutige Literaturnobelpreisträger aus seinem "Roman eines Schicksalslosen" las. Es ist ja auch hinreichend in den Medien dazu geschrieben und berichtet worden. Ich denke, dass die erste Lesung des Gesetzentwurfs über die Errichtung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora so kurz nach diesem Termin erneut auf die Sensibilität des Umgangs mit diesem Thema hinweist. Wir wissen alle, dass es um Buchenwald und sein Erbe in der Vergangenheit nicht unerhebliche Kontroversen gab. Aber ich möchte auch anmerken, dass die Debatten, die in unterschiedlicher Form geführt worden sind, im Wesentlichen durch den Landtag fair und offen begleitet worden sind.
Das Gesetz zur Errichtung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in der Form einer rechtsfähigen Stiftung öffentlichen Rechts, die damit also auch eine relativ große Staatsferne darstellt, dürfte auch in der Öffentlichkeit breiteste Unterstützung finden. Ich kann das für meine Fraktion nur noch einmal bekunden, dass wir zu einer solchen Form der rechtsfähigen Stiftung öffentlichen Rechts gerne stehen.
Seit 1994 waren die Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora bereits als unselbständige Stiftungen tätig, wobei ich annehme, dass bereits damals oder wahrscheinlich schon davor der Gedanke geboren worden war, dass man zu einer Rechtsform, wie sie heute der Gesetzentwurf vorschreibt, kommen wollte und dass es natürlich insbesondere aus Nordhausen - bezogen auf das Lager Mittelbau-Dora - die Bereitschaft gibt, in diese Stiftung einzutreten und natürlich auch dort die entsprechende Arbeit als Teil dieser Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora zu leisten. Der im Gesetzentwurf der Landesregierung klar formulierte Stiftungszweck findet ebenfalls unsere Unterstützung und ich meine auch, durch die Abgeordneten des Thüringer Landtags sollte das zum Ausdruck gebracht werden.
Damit bin ich aber bei dem Problem, warum ich doch noch einmal hier das Wort ergriffen habe und eine etwas längere Einlaufkurve gewählt habe. Wir hatten es bereits im Zusammenhang mit der Beratung des Gesetzentwurfs zur Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen. Die Staatsferne, die richtig ist, hatte dort dazu geführt, dass wir als Abgeordnete des Thüringer Landtags auch ein Recht verloren hätten, über bestimmte Umstrukturierungen der Stiftung in Kenntnis gesetzt zu werden. Wir hatten dann eine Lösung im Ausschuss gefunden, die auch durch das hohe Haus bestätigt worden ist, und haben letztendlich uns als Abgeordnete des Thüringer Landtags auch in die Pflicht genommen, zu dieser Stiftung nicht nur durch Selbstbefassungsanträge im Ausschuss Bericht erstattet zu bekommen, sondern letztlich an der Arbeit dieser Stiftung beteiligt zu sein. Das ist genau unser Problem, welches wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben und weshalb wir noch einmal bitten, dass wir im Ausschuss eine sinnvolle Lösung für diesen Problembereich suchen, nämlich die tatsächliche Beteiligung der Mitglieder des Thüringer Landtags an der Arbeit der Stiftung.
Für meine Fraktion möchte ich vorschlagen, dass wir über eine Lösung nachdenken sollten, die in § 10 verankert wird, nämlich dort, wo die Zusammensetzung des Kuratoriums beschrieben ist. Dort sollen höchstens 15 Menschen zusammenkommen, die sich durch hohen Sachverstand auszeichnen und die Tätigkeit der Stiftung begleiten. Es gibt dann noch den Stiftungsrat und es soll auch noch Beiräte geben, aber wir könnten uns vorstellen, dass in diesem Kuratorium Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien mitwirken und dort von ihren Parteien entsandt werden,
nicht um die Stiftung politisch zu dominieren, sondern einfach, um Anteil zu nehmen. Denn der Landtag ist ja letztendlich nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch der Haushaltsgesetzgeber und derjenige, der beträchtliche Mittel für diese Stiftung bereitstellen soll. Wir könnten also in § 10 einen Satz an- oder einfügen: "Dem Kuratorium gehören auch je ein Abgeordneter der im Thüringer Landtag vertretenen Fraktionen an."
Ich kann mir auch vorstellen, dass es noch andere Lösungsvorschläge in dem Zusammenhang gibt. Man kommt ja immer nur auf die, die man zunächst mit seinen eigenen Kolleginnen und Kollegen berät, und demzufolge möchte ich beantragen, dass wir nicht nur in den Ausschuss überweisen und das Gesetz formal behandeln, sondern dass wir genau zu diesem Problem im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst noch einmal intensiv beraten, um eine Lösung herbeizuführen. Ich hoffe, dass auch dieser Vorschlag von uns von Ihnen in der mittleren Fraktion wohlwollend zur Kenntnis genommen wird, und bitte um Fortberatung im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eine andere Herangehensweise: Wohl kaum ein Dichter hat die dunklen Seiten des vergangenen Jahrhunderts so prägnant eingefangen wie der Prager deutsch-jüdische Schriftsteller Franz Kafka. Dabei erlebte Kafka weder die Machtergreifung der Nationalsozialisten, weder Buchenwald noch Auschwitz, noch die stalinschen Gulags. Kafka hatte das tragische Glück, im Gegensatz zu seinen Angehörigen, die in den Lagern der Nazis ermordert wurden, an den Folgen einer Tuberkulose zu sterben. Der Dichter beendet seinen schon in den 20er Jahren erschienen Jahrhundertroman "Der Prozess", es ist die Geschichte eines Albtraums, mit folgenden Worten: "Am Vorabend seines 31. Geburtstages gegen 9:00 Uhr abends, es war die Zeit der Stille auf den Straßen, kamen zwei Herren in K.s Wohnung. In schwarzen Gehröcken, bleich und fett mit scheinbar unverrückbaren Zylinderhüten. K. stand auf und sah die Herren neugierig an. 'Sie sind also für mich bestimmt?' fragte er und die Herren nickten. 'Man versucht also auf billige Weise mit mir fertig zu werden.' Sie nahmen ihn mit und kamen schnell aus der Stadt hinaus. Ein kleiner Steinbruch - öde und leer - lag in der Nähe. Die Herren setzten K. nieder und betteten seinen Kopf auf einen Stein. Dann öffnete der eine Herr seinen Gehrock und nahm aus einer Scheide ein langes, dünnes, beiderseitig geschärftes Fleischermesser. Er hielt es hoch und prüfte die Schärfen im Licht. K.s Blicke fielen auf das letzte Stockwerk des an den Steinbruch angrenzenden Hauses. Dort fuh
ren die Flügel eines Fensters auseinander. Ein Mensch, schwach und dünn, beugte sich mit einem Ruck weit hervor. Wer war es? Ein Freund? Ein guter Mensch? Einer der teilnahm? Einer der helfen wollte? War es ein Einzelner? Waren es alle? War noch Hilfe möglich? Die Logik ist zwar unerschütterlich, aber einem Menschen, der leben will, widersteht sie nicht. Wo war der Richter, den er nie gesehen hatte? Wo war das hohe Gericht? An K.'s Gurgel legten sich die Hände des einen Herren, während der andere das Messer ihm ins Herz stieß und dort zweimal drehte. Noch mit brechendem Auge sagte K.: 'Wie ein Hund.' Es war, als sollte die Scham ihn überleben."
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor uns liegt der Gesetzentwurf über die Errichtung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora - ein Schriftstück, ein Paragraphenwerk, an sich etwas für dieses hohe Haus geradezu Alltägliches. Aber dennoch verdient gerade dieser Entwurf Augenmerk. Was das Besondere an Buchenwald und Mittelbau-Dora ist, an diesen Stätten wird die dunkelste Seite unserer jüngsten Geschichte überdeutlich, ja gegenwärtig, so beispielsweise unser Verhältnis zu Trauer und Erinnerung aus heutiger Sicht. Auch uns Parlamentariern des Thüringer Landtags seit 1990 wird ein Spiegel vor das Gesicht gehalten, ganz unabhängig von den jeweiligen Mehrheitsverhältnissen in drei Legislaturen im hohen Hause. Bei allen Unterschieden in Detailfragen der jeweiligen Fraktionen, ich behaupte, dass alle politischen Vertreter des Thüringer Parlaments trotz einiger Meinungsunterschiede verantwortungsbewusst und sensibel mit der Problematik umgegangen sind, auch die, die heute nicht mehr dem Thüringer Landtag angehören. Und dabei sollte, ja musste, ja konnte nach 1989 nur eine Neubewertung mit viel Fingerspitzengefühl, frei von ideologischer Vereinnahmung, einzig orientiert an der faktischen historischen Wahrheit das Ziel sein. Als Orte der Trauer und Erinnerung, wissenschaftlicher Forschung und Dokumentation hatten und haben Buchenwald und Mittelbau-Dora bundes-, europa-, ja weltweit erstrangige Bedeutung. Der Weg bis heute, bis zum vorliegenden Gesetzentwurf, der eine für fast alle weit gehenden Rechtsform in Form einer selbständigen Stiftung mit sicherer finanzieller Grundlage beinhaltet, war ein mehr als steiniger Weg - sei es, was die kontroverse Diskussion um die Frage Befreiung, Selbstbefreiung betraf, seien es die unterschiedlichen Auffassungen und Differenzen bei der Bewertung durch die einzelnen Opfergruppen des Konzentrationslagers Buchenwald, aber auch das Verhältnis zum sowjetischen Speziallager, seiner Insassen und Opfer. Dazu kommt die ideologische Vereinnahmung von Buchenwald als antifaschistische Rechtfertigungs- und Weihestätte für die DDR, alles unter gänzlich ahistorischer Weglassung des Buchenwaldspeziallagers der Sowjets im offiziell vertretenen DDR-Geschichtsbild. Oder denken wir zurück an die Rivalität der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, auch daran, dass einige fragwürdige Technikfreaks Mittelbau-Dora gern als Technikmuseum umfunktioniert hätten.
Ein steiniger Weg liegt hinter uns, dennoch ein richtiger Weg über die Etablierung einer zunächst unselbständigen Stiftung bis zum vorliegenden Gesetzentwurf, bis heute. Was der Entwurf nicht veranschaulichen kann, wie viel Mühsal, Fleiß, Kraft notwendig waren und wie viel Hintergrundarbeit geleistet werden musste. Darum fand auch die Gedenkstättenarbeit von Buchenwald und MittelbauDora weltweit beachtete Anerkennung, Würdigung und Respekt. Es gilt deshalb, den Beteiligten und wissenschaftlichen Mitarbeitern Dank zu sagen. Einer jedoch verdient ganz besondere namentliche Würdigung und Anerkennung für seine Arbeit und Leistung: Stiftungsdirektor Professor Dr. Volkhard Knigge. Ich bin sicher, hier auch im Namen aller drei Fraktionen sprechen zu dürfen.
Dem Gesetzentwurf einschließlich seiner Begründung bleibt kaum etwas hinzuzufügen. Der Gedanke, Frau Klaubert, möglicherweise einen Vertreter des Thüringer Landtags oder der drei Fraktionen in ein Gremium zu entsenden, ist nicht ganz abwegig, darüber sollte im Ausschuss gesprochen werden.