Protokoll der Sitzung vom 06.03.2003

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich meine beiden Vorredner so richtig verstehe, hat hier nicht das kriminelle Handeln eines Unternehmers das alles hervorgerufen, sondern man hat das Gefühl, die Landesregierung sei es gewesen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das ist noch nicht bewiesen!)

Das kann doch nicht wahr sein. Es geschieht nicht oft, dass zu gleichen Themen gleich alle drei Fraktionen einen Antrag stellen. Wenn die Landwirtschaft betroffen ist, ist sicherlich irgendwo ein Skandal im Anflug oder man diskutiert darüber. Die Medien haben wieder Stoff, Quote zu machen. Verlierer stehen auch von vornherein fest, das sind die Bauern und das sind die Verbraucher.

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Warum denn?)

Die Genese des so genannten Dioxin-Falls war nach Meinung einiger offenbar dafür angetan, wieder einmal einen großen Skandal öffentlich und medienwirksam zu inszenieren und auszuschlachten, auch, um wenigstens einmal wieder im Scheinwerferlicht zu stehen. Ich denke da an die Diskussion und Pressemeldung, die wir von den Grünen zur Kenntnis nehmen konnten.

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Sie waren es vielleicht selbst.)

Dennoch möchte ich hier ausdrücklich feststellen und mich dafür bedanken, dass die Medien - und an erster Stelle die schreibende Zunft - weitgehend sachlich objektiv über den leider langen Ermittlungszeitraum berichtet haben.

(Beifall bei der CDU)

Auch das sollte uns Hoffnung geben, dass derartige Fälle - und wir werden auch zukünftig sicher nicht davon verschont bleiben - vernünftig aufgearbeitet und bewältigt werden. Ich denke da nur mal an die Geflügelpest,

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Genau!)

die uns aus Holland schon wieder droht und die im Anrollen ist. Die PDS spricht in der Begründung ihres Antrags von skandalträchtigen Ereignissen und großen Lücken in der Überwachung von Futter- und Lebensmitteln. Offenkundig ist doch, dass es sich um das Fehlverhalten eines einzelnen Futtermittelunternehmers handelt,

(Beifall bei der CDU)

welches zu den Dioxinüberschreitungen führte. Klar ist auch, dass zu keiner Zeit - und das ist heute schon mehrfach gesagt worden - eine gesundheitliche Gefährdung für die Verbraucher existierte. Um die Dioxinbelastung einzuordnen, gebe ich offen zu, als Raucher führe ich mir täglich ein Mehrfaches dieser Belastung zu. Dennoch, meine Damen und Herren, die Grenzwerte müssen eingehalten werden und im Falle des Trockenwerks Apolda wurden sie überschritten. Aber die EU-Grenzwerte liegen für Futtermittel bei 0,7 pg, für Schweinefleisch bei 1,0 pg, für Rindfleisch bei 3,0 pg pro kg. Das sind so niedrige Werte, die wir noch vor wenigen Jahren hätten gar nicht feststellen können, das muss man auch wissen. Bei den geschlachteten Schweinen in Hermstedt lag der Wert zwischen 1,3 und 2,6 pg, also leicht über dem Grenzwert. Und wenn der Versuch unternommen wird, diesen Fall mit dem belgischen Skandal von 1999 in Verbindung zu bringen, wo der Grenzwert um das 600- bis 900-fache überschritten wurde, dann bezeichne ich das als skandalös.

Frau Dr. Klaus, Probennahmen durch TLL - also ich gehe davon aus, dass die Leute, die das machen, fachlich gut sind und das auch verantwortungsbewusst tun.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man Ihre Ausführungen so richtig wertet, haben Sie denen das hier abgesprochen. Ich möchte das zurückweisen. Es ist auch wirklich skandalös, dass die Bundesministerin in Berlin, die neben den Verbrauchern auch für die Bauern zuständig ist, mit flapsigen Sprüchen in Sonntagszeitungen die Medien anheizen will, anstatt aktiv selbst an der Bewältigung im kooperativen Miteinander

zwischen Bund und Ländern mitzuwirken.

(Beifall bei der CDU)

Das wäre ihre eigentliche Verantwortung gewesen. Mit Polemik erreicht man das Ziel dafür nicht. Für den viel zitierten Satz "Thüringen sei nicht auf Zack" gibt es keinen einzigen sachhaltigen Beleg aus ihrem Haus, wo ein behördliches Fehlverhalten in Thüringen vorlag - nicht einer, abgesehen von dem unmaßgeblichen Informationsstau am 3. Januarwochenende, welcher sofort eingestanden worden ist und hier heute auch wieder deutlich benannt wurde und das zu Konsequenzen führen wird, das wird sich nicht wiederholen.

Die Frau Bundesministerin widerlegt sich eigentlich selbst, wenn man sich einmal den chronologischen Ablauf des Falls auf ihrer Homepage im Ministerium anschaut. Auch hier wird deutlich, dass die Ursachen für den leider nur zögerlichen und offenkundig gewordenen Umgang mit belasteten Futtermitteln und Rübenhackschnitzeln in der Salamitaktik des Unternehmens selbst liegen. Hinzu kommt, dass jede Dioxinuntersuchung zwischen Probennahme und Ergebnis eben eine ganze Woche dauert. Naturwissenschaftliche Abläufe lassen sich auch durch politisches Gerede nicht beschleunigen.

(Beifall bei der CDU)

Auch muss ich hier an dieser Stelle darauf hinweisen, dass für die Meldung an die EU einzig und allein der Bund verantwortlich ist und nicht der Freistaat Thüringen. Es gibt Anlass zur Vermutung, dass Berlin nicht alle von Thüringen nach Berlin gemeldeten Fakten zeitnah weitergeleitet hat. Offenbar war Frau Künast nicht auf Zack.

(Beifall Abg. Kretschmer, CDU)

Wir haben in Thüringen ein funktionierendes Kontrollsystem, denn erst die Kontrolle hat dazu geführt, dass die Dioxin-Grenzwertüberschreitungen festgestellt wurden, und das ist gut und nicht schlecht. Diejenigen, die Lebensmittel- und Futtermittelkontrolle strukturell verbinden wollen, müssen wissen, dass dies auch nicht die Dioxinüberschreitung verhindert hätte. Zum anderen muss man auch wissen, dass es in den einzelnen Ländern unterschiedlich gehändelt wird, sehr unterschiedlich. Herr Staatssekretär hat vorhin ausgeführt, dass man das jetzt einmal beobachtet und sich möglicherweise zu einem anderen System entscheiden kann, aber dafür muss es vernünftige Gründe geben.

Meine Fraktion hat von Anfang an die Initiative übernommen, den Fall schnell aufzuklären.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich erinnere nur einmal die Kollegen von der SPD daran, man wollte ja so schnell aufklären, aber man bekommt

ja nicht einmal die Unterschriften zusammen, um einen Antrag für den Ausschuss zu stellen.

(Beifall bei der CDU)

Ich muss feststellen, dass sich in Thüringen kurzfristig viel getan hat. Einerseits ist die einzige derartige Anlage außer Betrieb, andererseits hat sich das Landwirtschaftsministerium umgehend mit der Futtermittelindustrie in Verbindung gesetzt. Das Ergebnis, was uns am letzten Freitag präsentiert wurde, kann sich EU-weit sehen lassen. Denn mit der Verknüpfung von betrieblichen Eigenkontrollen und der staatlichen Kontrolle stehen den staatlichen Behörden rund viermal so viele Untersuchungsergebnisse zur Verfügung wie vorher. Dies sollte in Deutschland und darüber hinaus Schule machen. Das ist der richtige Ansatz.

Nun zum Verlangen im Antrag, dass die Labore, wenn sie Probennahmen machen und diese untersucht haben, den Behörden direkt melden und nicht demjenigen, der die Probe in Auftrag gegeben hat. Das wird nicht funktionieren, denn wer ist denn dann noch bereit, Proben freiwillig herzugeben und untersuchen zu lassen, wenn er die Ergebnisse nicht bekommt? Also das funktioniert so nicht, das ist auch rechtsstaatlich nicht möglich. Es muss der Betrieb erst informiert werden und der muss seiner Pflicht dann nachkommen - das steht im Gesetz -, dies "zu melden", anders herum wird kein Schuh daraus.

Aber auch andere außerhalb Thüringens - wir haben Verschiedenes gesagt - müssen ihre Aufgaben machen. Da fehlt immer noch vom Bund die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Schnellwarnsystem. Darüber haben wir schon gesprochen. Es ist bereits mit den Ländern abgestimmt, sie muss nur in Kraft gesetzt werden. Warum tut sie es nicht? Oder ich sage mal zu den Anlagen an sich: 1999 sind die Dioxin-Fälle in Brandenburg gewesen. Warum wurde denn nicht zugegriffen? Warum brauchen wir denn vier Jahre dazu, um festzustellen, jetzt machen wir diese Richtlinie, Herr Trittin, aber insgesamt hätten die Anlagen bewertet werden müssen und vielleicht wären sie dann schon außer Betrieb.

Wo ist denn die Verantwortung? Also die sehe ich wirklich nun beim Bund. Hier kann doch nicht jedes Land einzeln für sich etwas entscheiden, das würde nicht funktionieren. Für den Bereich des Umweltministers hat sich das nun verbessert, wir haben das alle gehört, dass nun ab 1. März 2003 in der neuen Bundesimmissionsschutzverordnung lackierte Hölzer usw. geregelt worden ist.

Die von mir aufgeführten Problempunkte zeigen nur überdeutlich, wie komplex die Materie ist. Vielmehr muss unser jetzt schon kompliziertes Vorschriftenwerk einschließlich Behördenstrukturen und Kontrollregime schrittweise sinnvoll fortentwickelt werden. Aber bitte mit Sachverstand und auch aus Kostenaspekten, auch die müssen wir berücksichtigen. Denn wer eine Ausweitung der Dio

xin-Prüfung fordert, muss wissen, dass eine Analyse rund 450   

Deshalb ist der Thüringer Ansatz der richtige, Eigenund staatliche Kontrollen zusammenzuführen. Der Sofortbericht, den wir vorhin gehört haben, hat deutlich gemacht, dass das Behördenhandeln in Thüringen funktioniert hat. Wenn es erforderlich ist, dann wird es auch optimiert. Ich sehe im Einvernehmen mit meiner Fraktion daher keinen sachlichen Grund, den Forderungen in den SPD- und PDS-Anträgen zuzustimmen, da einerseits sich einiges durch das Handeln der Landesregierung längst erübrigt hat und andererseits vieles auch nicht sachgerecht ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren von der PDS, das trifft besonders für den offenbar aus aktionistischen Gründen zusammengestrickten Entschließungsantrag von gestern zu, denn der beweist, dass aus Aktionismus kaum Qualität zu erwarten ist. Auch hier sind Ihre Vorschläge bereits überholt, was die Veranlassung der Eigenkontrolluntersuchung betrifft.

Ich denke, wir dürfen auch weiterhin nicht zulassen, dass Sie der Landesregierung vorschreiben, welche Bundesratsinitiativen sie zu ergreifen hat. Offenbar haben Sie für ihren Schnellschuss auch die betroffenen Landwirte nicht berücksichtigt. Ich bin mir nicht sicher, dass Herr Scheringer, wenn er hier wäre, da so mitgemacht hätte, ob er einverstanden wäre, was das alles so kostet. Die zweite Forderung, dass Landesbehörden auch ohne vorliegende Ergebnisse einschreiten sollten, sehe ich ganz kritisch. Damit bewegen Sie sich außerhalb des Rechtsstaats nach meiner Auffassung. Wie soll "Gefahr im Verzug" definiert werden ?

Herr Abgeordneter Primas, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kummer zu?

Ja, bitte.

Herr Primas, haben Sie unserem Entschließungsantrag und meinen Ausführungen vorhin entnehmen können, dass es sich um einen Unterschied handelt zwischen dem, was Sie im Rahmen der Selbstverpflichtung ausgehandelt haben, nämlich dass die Betriebe die Untersuchungsergebnisse selbst an die Behörden weiterleiten, und unserem Antrag, dass die Labors Grenzwertüberschreitungen schon, bevor sie sie an die Betriebe weitermelden, an die Behörden melden dürfen, dass es sich da um einen Unterschied handelt; dieser Unterschied also nicht von der Zeit überholt ist? Und zweitens, ist es Ihnen aufgefallen,

dass wir heute noch einen Antrag auf der Tagesordnung haben, wo es um die Mehrgefahrenversicherung geht und damit auch um den Bereich Landwirtschaft?

Ja, Herr Kummer, selbstverständlich. Ich habe doch vorhin die Ausführung gemacht, dass es so nicht funktionieren kann, wie Sie es gern hätten. Dass die Labore direkt melden, das halte ich für ausgeschlossen. Deswegen beziehe ich mich ja jetzt auch noch einmal darauf. Dass wir natürlich über Mehrgefahrenversicherung reden, das ist eine Problematik, die insgesamt steht. Da sind wir in Thüringen gern dafür; die Frage ist nur, wer soll es bezahlen. Darüber werden wir noch in dem Antrag hören, was das für Thüringen pro Jahr kosten wird, 8 Mio.  gefähr. Wo sollen die denn aus Landesmitteln herkommen? Über den Antrag werden wir aber nachher diskutieren.

Was den Bund betrifft, so habe ich die Ausführungen gemacht, die zu machen sind. Nur, zur Frau Künast noch: Sie hat ein Institut für Risikobewertung. Warum nutzt sie es nicht? Sie müsste es aus der Lethargie wirklich wecken, das wäre echt schön und eine Hilfe für die Länder.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Warum hackt ihr denn immer auf der Frau rum?)

Aber glücklicherweise - und das will ich zum Schluss noch sagen - deutet sich an, dass die geschädigten Agrarbetriebe - und da halte ich mich mit Festlegungen sehr zurück, wie hoch der Schaden ist, Herr Kummer, den kann heute noch keiner beziffern. Man muss da sehr vorsichtig sein, das ist sehr gefährlich. An erster Stelle muss man Hermstedt nennen, da sind ja nun die meisten Schweine getötet worden. Da es sich um keinen Seuchenfall handelt und sowohl die eigene als auch die Versicherung des Trockenwerks den Schadenausgleich sichern wird, kann der Staat nur bedingt Unterstützung gewähren. Ich gehe natürlich davon aus, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir zwar heute hier im Plenum die Debatte geführt haben, aber dennoch mit den Selbstbefassungsanträgen in den Ausschüssen an diesem Problem insgesamt dranbleiben und verfolgen werden, wie es sich weiterentwickelt, auch in den anderen Ländern. Mich interessiert daran, wie der Bund mal reagiert, ob die nun mal aus dem Knick kommen. Das wäre echt schön. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Frau Abgeordnete Nitzpon, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Primas, Sie haben die SPD hier angegriffen, indem Sie u.a. auch gesagt haben, ein Selbstbefassungsantrag im Ausschuss ist nicht zustande gekommen, weil sie nicht mal die Unterschriften zusammenbekommen hat. Das, muss ich sagen, liegt natürlich daran, dass unser Abgeordneter Scheringer schwer erkrankt ist und deshalb nicht diese Unterschrift geben konnte, weshalb dieser Selbstbefassungsantrag nicht auf die Tagesordnung kam. Aber Sie hätten doch diesen Selbstbefassungsantrag selbst mit unterschreiben können, wenn Sie es denn gewollt hätten.