Protokoll der Sitzung vom 06.03.2003

Frau Groß, versuchen Sie doch lieber einmal, sich die Frage zu beantworten, als dazwischenzuschreien.

(Beifall bei der PDS)

Welches Menschenbild befördern wir eigentlich mit einer Debatte, die hinter jedem Wasserwerksmitarbeiter ein potenzielles Sicherheitsrisiko vermutet.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist ja lächerlich.)

Richtig, das ist lächerlich, Frau Groß.

(Beifall bei der PDS)

Das ist lächerlich. Lassen Sie uns doch lieber über die Erkenntnisse reden, die für potenzielle Anschläge in Thüringen sprechen, und hören Sie auf, die Ängste der Menschen für diese Sicherheitspolitik zu mobilisieren, indem Sie auf stereotype Bilder zurückgreifen. Sie bemühen z.B. permanent das Motiv der Brunnenvergiftung, mit dem schon im Mittelalter Politik gemacht wurde, damals gegen jüdische Mitbürger. In einem Land, meine Damen und Herren, in dem die Medien die Macht haben, selbst aus dem unmusikalischsten Menschen einen Superstar zu kreieren,

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Bewerben Sie sich doch da.)

sollten wir unsere Sorge vor terroristischen Anschlägen an der tatsächlichen Bedrohungslage messen,

(Beifall bei der PDS)

aber nicht Szenarien herbeireden, die zwar mediale Aufmerksamkeit sichern, einer prognostischen Überprüfung aber nicht ernsthaft standhalten.

Wir müssten doch aufhorchen, wenn selbst der ehemalige Bundesinnenminister Gerhard Baum die ausufernde Überprüfung ganzer Berufssparten als, Zitat: "eine ganz

neue Dimension des Überwachungsstaats" qualifiziert. Er warnt, die damit verbundene Anhäufung des Staatswissens über den Bürger könnte, Zitat: "eine Spirale ohne Ende nach sich ziehen". Wenn der Weg, meine Damen und Herren, den Sie beschreiben, so weiterverfolgt wird, dann besteht die Gefahr, dass wir irgendwann dieses Land nicht wieder erkennen. Geheimdienste greifen in Bereiche der Privatsphäre und der Berufswelt ein, die Polizei hat eine Lizenz zum Foltern, die Bundeswehr patroulliert in den Städten.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist doch der Gipfel.)

Ich halte diese Ideen, die da

(Zwischenruf Abg. Trautvetter, CDU: Unmöglich.)

in der Polizei herumgeistern, auch für den Gipfel, Frau Groß. Wir müssen nur dafür sorgen, dass so etwas nicht in die Wirklichkeit

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Herr Hahne- mann, Sie beschädigen die Polizei.)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie wollen lieber...)

Frau Groß, ich warne vor einer Tendenz und das ist mein gutes Recht und das ist meine Verantwortung als Abgeordneter.

(Beifall bei der PDS)

Das, was ich hier genannt habe, ist freilich eine Horrorvision, fernab der gegenwärtigen Wirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Dass sie aber Wirklichkeit wird, kann die Politik nur verhindern, wenn sie aufhört, ständig mit der Bearbeitung der gesellschaftlichen Oberflächenprobleme beschäftigt zu sein, nur den eigenen Versäumnissen und Fehlleistungen hinterherzuhecheln und endlich einmal dazu übergeht, die Bewältigung der tiefenstrukturellen Konflikte der Gesellschaft hier und anderswo in Angriff zu nehmen. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Pohl, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist eine unbestrittene Tatsache, dass Sicherheitsüberprüfungen für den Rechtsstaat unverzichtbar sind, wenn nicht der Bestand und die Existenz eines Staates gefährdet werden sollen. Hier, meine Damen und Herren, beziehe ich auch

ausdrücklich den personellen Sabotageschutz mit ein. Kritiker, die dies in Frage stellen und solche Verfahren nicht für erforderlich halten, verkennen, dass Spionage und Geheimnisverrat auch heute noch die innere und äußere Sicherheit gefährden, und nicht heute noch, sondern heute im besonderen Maße. Ich schließe mich auch ausdrücklich der Aussage des Gutachters, Herrn Dr. Frisch, dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, an, der wie folgt formulierte: "Zur Wahrung von Geheimnissen ist es deshalb unverzichtbar, bei der Bestellung von Geheimnisträgern diesen Möglichkeiten entgegenzuwirken, damit nur solche Personen zum Umgang mit Geheimnissen ermächtigt werden, bei denen angenommen werden kann, dass sie weder aktiv noch passiv Teilnehmer oder Opfer solcher Ausspähungsversuche werden."

Wir, meine Damen und Herren, sind uns klar, dass solche Sicherheitsüberprüfungen immer auch ein Eingriff in die private Sphäre, also in das Persönlichkeitsrecht sind und deshalb auch einer gesetzlichen Regelung bedürfen; natürlich immer unter Beachtung des Datenschutzes. Deshalb, meine Damen und Herren, verwundert mich auch einiges, was ich jetzt aus der Rede von Herrn Dr. Hahnemann hörte, und auch das, was ich gelesen habe, von dem Fraktionsvorsitzenden. Das Verhalten in diesem Zusammenhang ist nicht nur oft populistisch, sondern ist einfach falsch. Sie erwecken oft den Eindruck, dass jeder Bürger querbeet sicherheitsüberprüft werden soll, ohne dass er davon vorher Kenntnis hatte. Das ist falsch.

(Zwischenruf Abg. Dr. Hahnemann, PDS: Das stimmt nicht.)

Tatsache ist, dass jeder Betroffene

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Das ist falsch.)

und ich spreche auch aus eigener Erfahrung, denn ich bin ja auch überprüft als Mitglied der PKK - vor der Überprüfung informiert wurde und diese am Ende mit mir dann ausgewertet worden ist.

Und wenn Sie sagen in der STZ, Originaltext: "Der Betroffene erführe nichts.", dann ist das falsch, dann ist das populistisch,

(Unruhe bei der PDS)

demagogisch ist das.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Wer von einer enormen Ausweitung spricht, hat nichts anderes im Sinn, als die Menschen in unserem Land zu verunsichern und das wollen Sie ganz besonders. Sie sind für mich ein Demagoge.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Also, Herr Pohl, dafür muss ich Sie zumindest rügen. Das machen wir hier nicht.

(Unruhe bei der PDS)

Wenn Sie sich beruhigt haben, können wir weiter fortfahren. Herr Hahnemann sprach die arbeitsrechtlichen Bestimmungen an. Zum Vorwurf, Arbeitnehmer seien aufgrund des Thüringer Gesetzes über die Voraussetzungen und Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen schutzlos Kündigungen ihrer Arbeitgeber ausgeliefert, möchte ich Ihnen wie folgt antworten:

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Unver- schämtheit)

Wenn Betrieb und gekündigter Arbeitnehmer die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes erfüllen, dann sind die ausgesprochenen Kündigungen und ihr Grund arbeitsgerichtlich auf jeden Fall nachprüfbar.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das stimmt nicht.)

Sollte der Arbeitgeber eine so genannte personenbewegte Kündigung ausgesprochen haben, weil etwa gegen einen Arbeitnehmer Sicherheitsbedenken bestehen, so hat diese Kündigung vor dem Arbeitsgericht nur Bestand, wenn greifbare Tatsachen befürchten lassen, dass der gekündigte Arbeitnehmer berechtigte Sicherheitsinteressen des Betriebes beeinträchtigt. Der Arbeitgeber muss in jedem Falle hinreichend tatsächlich Umstände vortragen, anhand derer das Arbeitsgericht selbst entscheiden kann, ob gerechtfertigte Sicherheitsbedenken vorliegen. Anders ausgedrückt, der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die seine Prognosen stützenden Tatsachen, dass der betreffende Arbeitnehmer vertragliche und betriebliche Interessen fortgesetzt beeinträchtigen wird. Im Rahmen dieser Beweislastverteilung hat der Arbeitgeber dann auch die Ergebnisse einer Sicherheitsüberprüfung im Kündigungsschutzprozess vorzulegen und den Arbeitgebern zugänglich zu machen.

Meine Damen und Herren, in seinem Urteil zur Volkszählung 1983 hat der Bund u.a. auch die Bedeutung des Schutzes der informationellen Selbstbestimmung des Einzelnen herausgestellt. Da aber eine Sicherheitsüberprüfung, wie bereits gesagt, mit erheblichen Einschnitten in das Persönlichkeitsrecht verbunden ist, hat der Bund 1994 ein Sicherheitsüberprüfungsgesetz geschaffen. Thüringen folgt diesem Beispiel. Es ist ein gesetzlich streng geregeltes Verfahren, immer mit Wissen des Betroffenen.

Der vorliegende Entwurf lehnt sich stark an den des Bundes an und er wird auch deshalb im Grundsatz von uns mit

getragen. Wir haben zwei Ergänzungen vorzuschlagen:

Erstens geht es uns um eine Verfallsklausel. Den Schwerpunkt im Innenausschuss bildete die Debatte um den so genannten "personellen Sabotageschutz". Und genau wie der Bund dies anlässlich des 11. September eingeführt hat, hat die Landesregierung eine Regelung zur Überprüfung von Personal lebenswichtiger und verteidigungswichtiger Einrichtungen in ihr Gesetz aufgenommen - eine Regelung, die angesichts der Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aufgestellt hat, natürlich immer auch eine sehr heikle, ständig zu überprüfende ist. Deshalb stehen wir dieser Regelung prinzipiell nicht negativ gegenüber, sind aber der Auffassung, dass diese Regelung unter eine Verfallsklausel gestellt werden soll, um sicherzustellen, dass nach deren Ablauf die Sinnhaftigkeit und die Effizienz dieser Regelung überprüft wird.

Zweitens stellen wir die Rechtsverordnung in § 33 in Bezug zu § 1 Abs. 2 Nr. 5 unter den Vorbehalt der Einwilligung des Parlaments. Unsere Forderung ist, dass die bestehende Rechtsverordnung nach § 33, in der die lebensund verteidigungswichtigen Einrichtungen festgelegt werden, dem Parlament zur Einwilligung vorgelegt werden muss. Nur so kann das Bewusstsein, dass verantwortungsvoll mit dieser sensiblen Materie umgegangen wird, gestärkt werden. Durch die Einbeziehung des Parlaments wird auch die Transparenz dieses Verfahrens gefördert.

Ich bitte Sie, diesen Anträgen positiv gegenüberzustehen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, SPD)