Protokoll der Sitzung vom 03.04.2003

Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Groß zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine werten Damen und Herren, Ihre Einbringung, Herr Kollege Dittes, hat eindeutig gezeigt, um was es Ihnen geht. Es ist bestimmt nicht Aufgabe der Landesregierung, einen Haushaltstitel umzuwidmen. Ich bin froh, dass Sie den Titel Ihres Antrags geändert haben, denn in dem Haushalt des Innenministeriums gibt es keine Haushaltsstelle für Spitzel.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Es steht doch im Antrag, wo.)

Aber das vielleicht zu den Formalien.

Der Einsatz von V-Leuten ist auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach wie vor zulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat zum Ausdruck gebracht, dass im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einem Verbotsantrag besondere Grenzen beim Einsatz von VLeuten zu beachten sind. Die Väter des Grundgesetzes haben sich bewusst für eine wehrhafte Demokratie ausgesprochen. Wehrhafte Demokratie heißt auch, dass alle demokratischen Kräfte aufgerufen sind, sich mit extremistischen Strömungen jeglicher Art argumentativ auseinander zu setzen und ihnen entgegenzutreten. Aber es hieße, die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen, wenn man glaubt, damit sei wirklich alles getan. Es gibt viele sinnvolle und notwendige Aktionen zur politischen Auseinandersetzung mit dem Extremismus. Dazu zählen auch Demonstrationen oder Volksfeste gegen extremistische Aufmärsche. Aber sie allein können leider den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht gewährleisten. Keiner wird bestreiten, dass verfassungsfeindliche Organisationen und Parteien häufig aus taktischem Kalkül ihre Absichten verschleiern und sich konspirativ verhalten. Daher reicht es eben nicht aus, sich auf das Sammeln öffentlichen Tatsachenmaterials zu beschränken. Der Verfassungsschutz muss zur wirksamen Erfüllung seiner gesetzlich übertragenen Aufgaben in der Lage sein, auch Informationen, die nicht frei und für jedermann zugänglich sind, zu erhalten. Hierzu werden die V-Leute

benötigt, denn oftmals stellt deren Einsatz die einzige Möglichkeit dar, Erkenntnisse über den Aufbau extremistischer Organisationen, deren Führungspersonen, die tatsächlichen, nicht die öffentlich deklarierten Ziele, deren Strategie und Taktik sowie ihre Planung und Durchführung konkreter Maßnahmen zu gewinnen. Der Ministerpräsident des Freistaats Thüringen hat in einer Pressekonferenz nach der Einstellung des NPD-Verbotsverfahrens deutlich gemacht, Sie haben das ja auch in Ihrem Antrag in der Begründung formuliert, dass auch in Zukunft am Einsatz von V-Leuten zur Nachrichtenbeschaffung festgehalten wird. Hinter dieser Aussage steht unsere Fraktion, denn der Einsatz von V-Leuten ist in § 6 Abs. 1 des Thüringer Verfassungschutzgesetzes ebenso ausdrücklich als zulässiges nachrichtendienstliches Mittel genannt wie in den Verfassungsschutzgesetzen der anderen Länder und des Bundes. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Einsatz von VLeuten selbstverständlich nur unter strikter Beachtung des in § 4 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgt. Er wird also nur dann praktiziert, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf eine andere Weise nicht möglich ist. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Pohl zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dittes, meine Zustimmung, um die Sie gebeten haben für diesen Antrag, wird es von unserer Seite aus nicht geben. Das gleich vorweg.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Den vorliegenden Antrag halte ich persönlich und auch meine Fraktion für sehr populistisch und ich halte ihn auch für wirklichkeitsfremd und das möchte ich auch in meinem Redebeitrag kurz begründen. Die Aufbietung von V-Leuten, wie u.a. Brand als Zeugen im NPD-Verbotsprozess, ist die eine Sache. Sie war falsch und hat den Antragstellern auch großen Schaden zugefügt. Aber die Nutzung und der Einsatz von V-Leuten ist eine ganz andere. Bekanntlich ist die Arbeitsweise der Bundes- und Landesbehörden u.a. dadurch geprägt, dass der Verfassungsschutz den weitaus größten Teil seiner Informationen aus öffentlich-zugänglichen Quellen, wie z.B. aus der Presse, aus Programmen, aus Aufrufen gewinnt, einen kleineren Teil von Informationen von anderen Stellen. Aber auch das Sammeln von Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln ist unverzichtbar, d.h., das Einschleusen von V-Leuten, aber auch die kontrollierte Briefund Telefonüberwachung sind dabei gängige Arbeitspraktiken. Dabei hat sich auch der Verfassungsschutz

streng an die Rechtsnormen zu halten und ist auch an das Gebot der Verhältnismäßigkeit gebunden. Die Institution des Verfassungsschutzes steht für unsere Fraktion, an der Sie ja immer wieder kratzen, außer Frage. Unser Grundsatz ist, wie ich das schon öfter betonte, die Arbeit des Landesamts und seine wirksame Kontrolle müssen stets eine Einheit bilden. Das heißt auch, dass der Verfassungsschutz ein wichtiger Teil unseres staatlichen Systems ist und wird deshalb auch nicht zu Unrecht als ein Frühwarnsystem bezeichnet. Er sollte und darf auch nie mit einer Gestapo oder mit den Organen des MfS verglichen werden.

(Beifall bei der SPD)

Sicher bedarf die Arbeit des Verfassungsschutzes logischerweise einer ständigen parlamentarischen Kontrolle und Begleitung. Deshalb haben wir auch das Erste Gesetz zur Änderung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes in der Drucksache 3/3093 eingebracht und es steht ja noch zur Beratung.

Mit den von uns vorgeschlagenen Regelungen zur Stärkung der Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission wollen wir einerseits die Kontrollfunktionen verstärken, mehr Transparenz erreichen und den Missbrauch nachrichtlicher Instrumentarien verhindern. Ich bin auch davon überzeugt, dass besonders nach dem Scheitern des NPDVerbots, das äußerst schmerzhaft war und keinen Freispruch für Rechtsextreme darstellt, auch über Reformen in dieser Behörde nachgedacht werden muss. Die Vorschläge reichen ja dabei von einer Straffung der Behörde über die faktische Aufhebung des Trennungsgebots zwischen Polizei und Geheimdienst bis zur Führung eines Zentralregisters für alle V-Leute im Bund und in den Ländern.

Wir wissen, die Arbeit des Verfassungsschutzes kann nicht die Symptome des Extremismus bekämpfen und deshalb gilt es, verstärkt mit zivilgesellschaftlichen Mitteln die Extremisten von Rechts und Links in ihre Schranken zu verweisen. Entsprechend meiner eingangs gemachten Begründung, dass dieser Antrag in der Praxis nicht umsetzbar und vom Wunschdenken der PDS geprägt ist, lehnen wir diesen Antrag ab.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Dr. Hahnemann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Kollege Pohl, wenn der Verfassungsschutz tatsächlich ein Frühwarnsystem sein soll, dann frage ich mich natürlich beängstigt, warum er es versäumt hat, die An

tragsteller des Verbotsverfahrens gegen die NPD nicht ausreichend zeitig zu warnen vor dem Debakel, auf das sie sich einlassen.

(Beifall bei der PDS)

Das Verbotsverfahren gegen die NPD, meine Damen und Herren, ist gescheitert und wir hatten von Anfang an eingewendet: Vorwiegend mit Verboten wird dem erstarkenden Neofaschismus in der Bundesrepublik nicht beizukommen sein. Mit einem Verbot wird die Verankerung der Neonazis in der Mitte der Gesellschaft, ihre stille Unterstützung in rassistischen und antisemitischen Alltagsgepflogenheiten nicht gelockert. Ich halte es für bedauerlich, Herr Pohl, wenn Sie hier feststellen, der Verfassungsschutz könne die Symptome von Neonazismus, von Rechtsextremismus und von Rassismus nicht bekämpfen, denn es zeigt eigentlich, dass Sie aufgegeben haben, sich mit den Ursachen zu befassen, und schon bedauern, dass man mit den Symptomen nicht zurande kommt. Kritisch anzumerken war in der Angelegenheit aber auch die Zentrierung der staatlich-juristischen Gegenwehr allein auf die NPD. Was aber ist mit der DVU, den Republikanern, den Freien Kameradschaften, den Skinheadbands, den lukrativen Versandgeschäften und all den neu geschaffenen Zentren, Klubs oder den Schulungseinrichtungen? Eines aber war neben allen grundsätzlichen politischen Bedenken klar: Nach Einreichen des Verbotsantrags durfte es nicht zu einem Scheitern kommen. Zu groß würde der Schaden sein, den Gericht und Antragsteller und die demokratische Öffentlichkeit davontragen würden. Zu groß wären die Ermutigung und die Häme der Nazis.

Herr Abgeordneter Hahnemann, die Frau Abgeordnete Groß möchte Ihnen eine Frage stellen.

Am Ende bitte, Frau Groß.

Am Ende des Vortrags von Herrn Hahnemann.

Heute muss man befürchten, dass die NPD durch quasi höhere Weihen gestärkt ist, dass wieder mehr Marschierer unter ihren Fahnen vereinigt werden, dass sie verstärkt bei Kommunalwahlen antreten werden und die Verunsicherung in der neonazistischen Bewegung wird nun neuer Ermutigung und neuer Einigkeit weichen. Am 18. März wurde dieses politische Desaster im Kampf gegen den Rechtsextremismus amtlich. Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbotsverfahren aufgrund der skandalösen V-Mann-Praxis gestoppt. Die Verbotsbegründung bestand

zu großen Passagen aus Aussagen von NPD-Funktionären, die gleichzeitig im Sold der Geheimdienste standen. Drei der sieben Richter sahen daher in der möglichen Fremdsteuerung der NPD ein nicht behebbares Verfahrenshindernis. In der mündlichen Verkündung charakterisierte Verfassungsrichter Hassemer das Problem mit den Worten, es sei dem Gericht zuletzt... Herr Minister könnten Sie eventuell etwas leiser sein, mich weniger stören, ich verlange ja gar nicht von Ihnen, dass Sie mir zuhören.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Dann spre- chen Sie mal zum Antrag.)

Frau Groß, ich lasse mir von Ihnen nicht sagen, was ich hier vortrage.

(Beifall bei der PDS)

In der mündlichen Verhandlung charakterisierte Verfassungsrichter Hassemer das Problem mit den Worten, es sei dem Gericht zuletzt nicht mehr möglich gewesen, zu unterscheiden, ob einzelne Aussagen von NPD-Kadern in den Verbotsanträgen nun eigentlich den Antragstellern oder der Antragsgegnerin zuzurechnen seien. Summarisch wurde der NPD mangelnde Staatsfreiheit in der Führungsebene attestiert. Wie und warum die V-Mann-Aussagen in die Verbotsanträge gekommen sind, kann nicht mehr geklärt werden. Die Schuldigen sind nicht mehr auszumachen, aber die Verantwortlichen, die können benannt werden. Es ist die Politik, die den Verfassungsschutz hegt und pflegt, ihm ständig Sonderrechte und Freiheiten zuschanzt, ihre schützenden Hände über die Geheimdienste hält und sie ständig vor Kritik und jeglichem Einblick schützt. Es sind die Politiker, die es immer noch nicht als Problem ansehen, dass Staatsbeamte Nazikader anleiten, bei Straftaten gegebenenfalls auch wegsehen, erwiesenermaßen aber V-Mann-Gelder für Nazipropaganda locker machen. Das Scheitern ist aber auch Konsequenz einer verfehlten Sicherheitspolitik, die nicht öffentlich ausgerichtet ist, sondern die das Primat auf staatliches Handeln und verdeckte Operationen setzt. Dieses provoziert die Fragen nach den Urhebern der Blamage und ihrem Verhalten. Hat der Verfassungsschutz als stummer Gegner eines Verbotsverfahrens bewusst die Spitzelaussagen in die Antragsbegründung einfließen lassen, um das Verfahren zu torpedieren und nicht noch mehr preisgeben zu müssen? Einiges spricht dafür. Haben die Antragsteller nachlässig oder politisch blind gehandelt? Das kann wohl ohnehin nicht geklärt werden und lenkt auch vom Kern des Problems ab. Der Kern des Problems aber ist, dass staatliche Stellen bis heute keine nachhaltige Strategie zur Bekämpfung des Rechtsextremismus entwickelt haben. Die kritische Öffentlichkeit, die Phalanx der Anständigen wurde mit dem Hinweis auf das in Angriff genommene NPD-Verbotsverfahren und die gesunkene Anzahl rechtsextremer Straftaten in trügerische Ruhe versetzt. Anschläge oder Angriffe, die noch vor zwei Jahren zu einem Aufschrei der Medien, der politisch Verantwortlichen und sogar in Teilen der Bevölkerung ge

führt hätten, geschehen heute vielfach unkommentiert oder fast unbemerkt. Am 30. Januar warfen zwei rechts orientierte Jugendliche in Greiz einen Brandsatz in die dortige Flüchtlingsunterkunft. Vor einer Woche griffen Jugendliche aus Ohrdruf erst einen Afrikaner, dann einen Mann aus Jugoslawien an. Bis heute hat der Tod des Vaters eines Punkers in Erfurt nach einer Auseinandersetzung mit rechts orientierten Jugendlichen nicht wirklich zu einer öffentlichen Bestürzung oder Anteilnahme geführt, ganz im Gegenteil. Ein Minister der Landesregierung empörte sich lieber ausführlich über die zerschlagenen Scheiben eines BdV-Büros. Ganz zu schweigen von den vielen strukturellen Erfolgen der Nazis in Thüringen. Dem Aufbau eigener Zentren, von Wohnhäusern und Gewerben als neue Keimzellen für so genannte "nationale befreite Zonen" stehen Politik und Polizei scheinbar interessenlos, jedenfalls aber hilflos gegenüber, weil sich die Aktivitäten im privaten Raum abspielen. Gerade hier aber hat bürgerschaftliches Engagement gegen Rechts seine Aufgabe: vor dem Rassismus in der Mitte der Gesellschaft nicht die Augen verschließen, lokale Akteure sensibilisieren und fördern, Strukturen und Ideologien der Rechtsextremisten entlarven und Opfern jede erdenkliche Unterstützung zukommen zu lassen. Das alles ist höchst nötig, aber dafür müssen auch finanzielle Mittel bereit gestellt werden. Die Landesregierung aber sah keine Veranlassung, irgendwelche Konsequenzen zu ziehen. Aber es wäre skandalös, wenn das Land sich weiterhin V-Leute in neofaschistischen Gruppen und Organisationen hielte und dafür großzügige Finanzmittel zur Verfügung stellt. Denn zugleich fehlen in einer Kommune z.B. die Mittel, den Ankauf einer großen Gaststätte mit Saalbetrieb durch einen einschlägig bekannten Neonazi zu verhindern, dessen Spezialstrecke die Organisation von Skinhead-Konzerten ist. Wie hilft man dieser Kommune, dort ein Bürgerhaus zu begründen? Denn gerade solche Einrichtungen sind Orte, wo Demokratie, Toleranz und Interkulturalität gelebt werden. Dafür aber fehlt angeblich das Geld, das an anderer Stelle - und das ist ein offenes Geheimnis - nicht nur in die private Börse der Zuträger fließt, sondern auch in die Organisation und Propaganda genau der Nazistrukturen, gegen die sich die geheimen und untauglichen Unternehmungen des Verfassungsschutzes angeblich richten. Die PDS-Fraktion hat schon mehrfach auf die unselige Rolle Thüringens im NPD-Verbotsverfahren hingewiesen. Dieser Einschätzung wurde von Thüringer Politikern und Geheimdienstapologeten immer widersprochen. Wir erneuern diese Einschätzung: Der Thüringer V-Mann Tino Brand spielt in den Gründen für die Einstellung des Verfahrens eine herausgehobene Rolle. Mit Tino Brand ist nicht nur ein führender Funktionär der NPD mit Scharnierfunktion zur Freien Kameradschaft vom Thüringer Verfassungsschutz ausgehalten worden, insbesondere rügt das Gericht, dass Tino Brand noch sechs Monate nach der so genannten Abschaltung eine Nachsorge genoss. Dabei wurden nicht nur weiterhin Informationen abgeschöpft, sondern es muss auch angenommen werden, dass Geldbeträge geflossen sind. Solche Art Nachsorge bestand bis Mai 2001, also noch fünf Monate,

nachdem der erste Antrag auf Verbot der NPD in Karlsruhe eingegangen war. Neben der herausgehobenen Funktion Tino Brands sieht das Gericht gerade in dieser Nachsorge ein Verfahrenshindernis. Die staatlichen Stellen seien nicht ihrer Verantwortung nachgekommen, "spätestens mit Bekanntmachung der Absicht, einen Antrag zu stellen, ihre Quellen in den Vorständen einer politischen Partei abgeschaltet" zu haben. Ein weiteres Zitat: "Sie dürfen nach diesem Zeitpunkt keine die Abschaltung umgehende Nachsorge betreiben." Aber genau das ist in Thüringen geschehen. Hier liegt die spezifische Verantwortung Thüringens, aus der bis heute keine ernsthaften politischen Konsequenzen gezogen worden sind.

Die verbale Unterstützung des Verbotsverfahrens durch Thüringen hat sich nun als peinliches Lippenbekenntnis entlarvt. Auf die Frage eines Journalisten nach der Verfahrenseinstellung, ob man am Prinzip der V-Leute festhalten oder zugunsten eines weiteren Verbotsversuchs davon Abstand nehmen wird, antwortete der Ministerpräsident, ihm seien V-Leute wichtiger als ein erfolgreiches NPD-Verbotsverfahren. Das hat eigentlich nicht verwundert, nur in der Klarheit überrascht. Sind doch im Haushaltstitel für Zwecke des Verfassungsschutzes dieses und nächstes Jahr Gelder in Höhe von 360.200  vorgesehen.

Frau Groß, Sie haben ein Beispiel dafür geliefert, wie problematisch es ist, mit Geheimdiensten umzugehen. Sie haben hier gesagt, es gäbe keinen Haushaltstitel für Spitzel. Ich sage Ihnen, Sie irren, es ist nur eben ein Problem des Umgangs mit...

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Für Sie ist es ein Problem!)

Nein, es ist ein Problem des Umgangs, dass man einerseits in der Gesellschaft zwar erfahren kann, dass es sehr wohl Haushaltstitel für die Finanzierung von Spitzeln gibt, dass man sich andererseits aber, weil diese Beratungen nicht öffentlich sind, hier vorn hinstellen und behaupten kann, es gäbe keine Haushaltstitel für Spitzel. Überraschen, meine Damen und Herren, kann aber lediglich, wie wenig die Thüringer Landesregierung daraus einen Hehl macht, dass ihr ein Verbot der NPD offensichtlich gleichgültig ist.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Reden Sie doch einmal zu Ihrem Antrag!)

Sehr geehrter Herr Pohl, Sie verkennen...

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Hat Mecklen- burg-Vorpommern noch einen Verfassungs- schutz?)

Wie bitte?

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Hat Mecklen- burg-Vorpommern noch einen Verfassungs- schutz?)

Entschuldigung, ich verstehe nicht, warum Sie mich nach Mecklenburg-Vorpommern fragen, ich bin hier in Thüringen, ich rede über Thüringen, über Thüringer Verantwortung. Sie dürfen mich als Mitglied des Parlaments von Mecklenburg-Vorpommern gern dazu befragen. Aber, Herr Pohl, was anderes, Sie haben unserem Antrag vorgeworfen, er sei wirklichkeitsfremd.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das ist er auch.)

Ich glaube nicht, dass er wirklichkeitsfremd ist, er ist nur eben auf die Veränderung der Wirklichkeit gerichtet, das ist aber zweierlei.

(Beifall bei der PDS)

Nicht nur als Konsequenz des nun gescheiterten Verbotsversuchs unterstützen wir die Forderung nach Aufnahme einer antifaschistischen Klausel ins Grundgesetz, bleiben bei unserer grundsätzlichen Ablehnung von Geheimdiensten und wiederholen unser antifaschistisches Grundverständnis. Der Kampf gegen Rechtsextremismus muss zivilgesellschaftlich geführt werden. Er muss durch alle Ebenen der Politik unterstützt werden und er darf nicht vor Nadelstreifen-Nazis oder dem Alltagsrassismus Halt machen. Dort, wo Menschen beleidigt, diskriminiert oder angegriffen werden, müssen ohne Relativierung und ohne Entschuldigung die Täter benannt werden und den Opfern solidarische Unterstützung gegeben sein. In der Konsequenz heißt das eben auch, und da mögen Sie so viel lachen, Herr Minister, wie Sie wollen, nicht im Unterlaufen der Freiheits- und Bürgerrechte, sondern in deren Nutzung durch demokratisches Engagement liegt die Kraft einer demokratischen Gesellschaft, um demokratiefeindliche Tendenzen abzuwehren. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann, Frau Groß wollte Ihnen vorhin eine Frage stellen.

(Zuruf Abg. Groß, CDU: Hat sich erledigt, hat eh' keinen Zweck.)

Frau Groß möchte keine Frage mehr stellen.