Protokoll der Sitzung vom 05.06.2003

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich darf damit jetzt die Aussprache eröffnen, und als Erstem dem Vorsitzenden der PDS-Fraktion, Herrn Bodo Ramelow, das Wort geben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, die PDS-Fraktion hat sich erlaubt Ihnen 21 rote Nelken zu überreichen. 21 Abgeordnete sind wir und auch wir wollen unseren Respekt zollen. Die rote Nelke ist das Zeichen der Arbeiterbewegung aus der Zeit des Sozialistengesetzes. Es war die Blume, die am Revers getragen worden ist in einer Zeit, als es verboten war in Deutschland für andere Gedanken einzutreten. Deswegen glauben wir, dass die rote Nelke geeignet ist, ein wenig mehr Farbe, ein wenig mehr Rot in schwarze Gedanken zu bringen.

(Heiterkeit bei der CDU, PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, ein großer Thüringer musste mal in der Pfalz Besuch machen. Sie - als Pfälzer kann ich gar nicht sagen, aber als Wahlpfälzer, und immer noch mit einem Bein in der Pfalz fest verankert - wissen, worauf ich anspiele. Martin Luther wurde nach Worms einbestellt und mit den Formulierungen möchte ich beginnen, denn ich denke, die Opposition hat eine Rolle, die sie vom Wähler übertragen bekommen hat, Dinge darzustellen, Dinge zu werten, die nicht dem entsprechen, wie Sie oder die Mehrheitsfraktion es bewerten würden. Das ist die Rolle von Regierung und Opposition. Ich beginne also mit dem Hinweis auf Martin Luther, der im Reichstag zu Worms gesagt hat: "Hier stehe ich und kann nicht anders." Auch mir als Oppositionsführer sei es gestattet zu sagen: Ich kann nicht anders als eine Bilanz zu ziehen, die sich nicht unbedingt mit dem deckt, was Sie in Ihrer Bilanz selber gezogen haben. Ich beginne mit einer Bewertung, die ein anderer Adliger dieser Tage gemacht hat, das war der Politikprofessor Raban Graf von Westphalen, der die Art und Weise des Übergangs, wie Sie Ihr Amt angekündigt haben zurückzugeben, mit dem Hinweis bewertet hat, dass dieser Vorgang gegen den Sinn des Artikels 48 der Thüringer Landesverfassung verstößt. Er fühle sich daran erinnert, dass es kein Übergang nach Wahlmandat oder Wahlaufforderung ist, sondern ein Übergang, der eher ein Rückfall in den Feudalismus sei und mit der Beschäftigung und der Wiedereinführung der Pfründewirtschaft einhergeht. Ein Zitat von Politikprofessor Raban Graf von Westphalen, der große Kritik an der Art und Weise geübt und den Hinweis gegeben hat, dass eine Einlassung, die Dieter Althaus offenkundig in der Presse gemacht hat, nämlich dass der Termin des Übergangs und die Inszenierung auf dem CDU-Parteitag schon ein Jahr vorbesprochen war. Auch daran sieht Raban Graf von Westphalen einen scharf zu kritisierenden Vorgang, weil das mit Wahlauftrag nichts zu tun hat.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben den Satz zitiert und geprägt, und der wurde in den letzten Tagen immer wiederholt: "Zuerst kommt das Land, dann die Partei, dann die Person." Ihr langjähriger Kronprinz hat diesen Satz immer wieder vorgetragen. Ich will schon sagen, die Art des Übergangs ist eigentlich eine Missachtung Ihres selbst gewählten Credos, denn in diesem Fall kam zuerst die Partei. Sie haben auf dem Parteitag angekündigt, dass Sie das Wahlmandat, das Ihnen die Bürger übertragen haben, innerhalb der CDU-Familie sozusagen vererben. Der Wähler kann sich dazu erst nächstes Jahr äußern. Zwischenzeitlich sind wir alle Teil des Schauspiels, bei dem man das Gefühl hat, dass zurzeit das goldene Zeitalter von Thüringen beschrieben wird. Ich schließe mich also der Bemerkung von Raban Graf von Westphalen an: Es hat den Anschein des Rückfalls in den Feudalismus bei Wiedereinführung der Kleinstaaterei.

(Unruhe bei der CDU)

Herr Dr. Vogel, von einem Urgestein des Parlamentarismus ist der Satz geprägt worden "Gott schütze RheinlandPfalz". Von einem Nachahmungstäter, der wohl witzig sein wollte, stammte die Adaption "Gott schütze Thüringen". Jeder weiß, von wem diese Sätze sind und unter welchen Umständen sie gesagt wurden. Es war immer am Schluss einer politischen Karriere, es war immer das Ende einer unfreiwilligen Beendigung. Ich frage mich, wenn ich die Sätze auf mich wirken lassen, und ich frage mich das bis heute, wovor soll Gott eigentlich Rheinland-Pfalz und Thüringen schützen?

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Vor der PDS!)

(Beifall bei der CDU)

Das zeigt mir das Staatsverständnis, das aus der Mitte des hohen Hauses gelebt wird.

(Beifall bei der PDS)

Man beruft sich auf Gott, beschwört Gott, um Gott zur Hilfe anzurufen, dass der Wähler uns nicht wählt.

(Heiterkeit im Haus)

Sie trauen nicht dem Wähler, sondern Sie gehen in die Kirche beten, und hoffen dann im Gebet inständig, dass die Wählerinnen und Wähler nicht merken, dass manches der Bilanz gar nicht so golden ist und dass der Kaiser möglicherweise gar keine Kleider anhat. Aber da sollten Sie dann wirklich nicht auf Gott vertrauen, denn gestatten Sie mir, es gibt nicht Ihren Gott, es gibt vielleicht im universellen Sinn einen Gott, und dann ist es auch mein Gott. Und dann sage ich, mein Gott, vor was sollst du Rheinland Pfalz und Thüringen schützen? Ich habe die Vermutung, vor der Wirtschaftspolitik und der Politik, Herr Dr. Vogel, die Sie zu verantworten hatten, sollte Gott schüt

zen, denn sonst hätte ich die Sätze nicht verstanden, wenn der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende von Thüringen bei seinem Abgang sagt "Gott schütze Thüringen". Denn er hat ja die Mehrheit der CDU nicht auf seiner Seite gehabt. 4.138 Tage, Herr Ministerpräsident, war Ihre Amtszeit, auf den Tag genau 4.138 Tage, vom 5. Februar 1992, das war der Tag des Amtseides, bis zum heutigen Tag.

Ich darf Sie erinnern, Herr Dr. Vogel, am 5. Februar 1992 standen vor diesem Landtag 3.000 demonstrierende Konsumbeschäftigte. Während Ihres Amtseides gab es eine Demonstration der noch 24.500 sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer in den Konsumgenossenschaften aus Thüringen, die darauf hofften Hilfe zu bekommen, nicht Fördergelder, nicht Subventionen, sondern Hilfe und darauf hofften ihren Arbeitsplatz zu erhalten, wenn sie ihre Betriebe umschulden können, weil sie das vermaledeite Problem der volkseigenen Grundstücke, die unter den Kaufhallen waren, nicht gelöst haben und nicht gelöst bekommen haben. Die Repräsentanten dieser Demonstration haben nicht einmal eine Audienz bekommen. Gleichzeitig ist im Thüringer Einzelhandel die Notwendigkeit eines Raumordnungsgesetzes nicht erlassen worden, so wie es damals schon in Nordrhein-Westfalen bestanden hat und in anderen westlichen Bundesländern gang und gäbe war. Die Baunutzungsverordnung der BRD wurde damit wirkungslos gemacht und wir haben die Einführung von Großsupermärkten in Thüringen, die sich wie folgt kennzeichnet: Wir haben zu viel Quadratmeter Verkaufsfläche und zu wenig Kaufkraft der Bürger, so dass die Konsumbeschäftigten arbeitslos geworden sind. Von den einstmals 24.500 sind heute noch 300 Menschen bei Konsum in Lohn und Brot. Auch in den Einkaufszentren, die in Ihrer Amtszeit entstanden sind, stehen heute mittlerweile eine ganze Anzahl leer, die neuen Hallen der neuen Marktwirtschaft, die weder sozial noch golden ist, sondern auch eine andere, eine dunkle Seite hat.

Meine Damen und Herren, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung darauf hingewiesen, auch auf die Problematik der Veränderung in diesem Land. Ich möchte es wie folgt untersetzen: 1991 waren noch 2,572 Mio. Menschen Thüringerinnen und Thüringer, im Jahre 2001, also zehn Jahre später, waren es 2,4 Mio. Wir haben in Ihrer Amtszeit 161.000 Menschen in Thüringen weniger. Es sind eben nicht nur die Menschen, die gestorben sind, es sind auch die Menschen, die keine Chance in diesem Land gesehen haben. Es sind die jungen Leute, die gegangen sind und immer noch gehen. Es sind genau die fehlenden Zukunftschancen in der Mitte Deutschlands, die dazu führen, dass wir die Abwanderung immer noch nicht gebrochen haben und durch die Zuwanderung möglicherweise nur der Austausch von Eliten gefördert wird.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, beim Thema Arbeitsplätze, ich werde darauf noch einmal zurückkommen, weil ich das an Ihren eigenen Regierungserklärungen und nicht an den

Forderungen der PDS messe und ich denke, an den Taten sollte man Sie messen, an den Taten, die Ihren eigenen Worten folgten. Da, Herr Dr. Vogel, nehme ich Ihre Regierungserklärungen, die Sie im Verlauf der Jahre abgeben haben. Noch im Jahr 1992 als Sie den Amtseid geschworen haben, hatten wir 906.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer in Thüringen, im Februar 2003 sind es 743.000 Menschen, die in Lohn und Brot stehen. Das sind 163.000 Arbeitsplätze weniger im Verlauf Ihrer Amtszeit. Das sind umgerechnet geteilt durch die Tage Ihrer Amtszeit täglich 40 Arbeitsplätze, die in Thüringen verloren gegangen sind; täglich, einschließlich Samstag und Sonntag, einschließlich der wenigen Tage, an denen Sie im Urlaub waren. Sie waren ja immer an Bord bis auf ganz wenige Tage, aber auch selbst in den Tagen sind täglich 40 Arbeitsplätze verloren gegangen. Es stimmt auch nicht, dass der Trendwechsel jetzt eingetreten wäre, dass er in der letzen Zeit eingetreten wäre. Auch im letzten Amtsjahr 2002 sind 21.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Thüringen verloren gegangen. Das, meine Damen und Herren, sind die echten Zahlen. Wenn Sie im Wahlkampf den Satz geprägt haben, top Thüringen, dann sage ich, das top Thüringen, von dem Sie gesprochen haben und von dem Sie immer die andere Seite nicht zeigen, ist das Thüringen der niedrigsten Löhne, ist das Thüringen der niedrigsten Kaufkraft und ist das Thüringen mit der höchsten Pendlerzahl. Wenn unsere Menschen nicht so flexibel wären und in die Altbundesländer täglich oder wöchentlich fahren würden, wäre das Problem der Massenarbeitslosigkeit bei uns ungleich höher.

Sie haben Recht, es gibt in Ihrer Amtszeit einen erfolgreichen Paradigmenwechsel, den wir nicht bestreiten wollen und nicht bestreiten werden, das sind die Industriearbeitsplätze. Wir haben mit 58 Industriearbeitsplätzen pro 1.000 Einwohner den höchsten Besatz an Industriearbeitsplätzen in ganz Ostdeutschland. Gemessen aber am Durchschnitt der Bundesrepublik Deutschland sind das trotzdem nur 69 Prozent, d.h., der lange Weg, der noch vor uns liegt, ist unglaublich schwer und steinig. Wir sagen aber, gemessen an Ihrer eigenen Postulierung, die Sie in der Regierungserklärung am 26.02.1992 hier vom Pult verkündet haben, dass Sie sich es zu Eigen machen und als politischen Auftrag betrachten, dass die regionalen Unterschiede in Thüringen, bezogen auf die Industriearbeitsplätze, nicht auseinander dividieren sollen. Heute muss ich sagen, Herr Ministerpräsident, man hat das Gefühl, dass die Regionen, die mit "A" anfangen und die von den Bürgern damals abgestimmt worden sind, dass sie in Thüringen integriert werden, Altenburg und Artern, von diesem Prozess ausgeschlossen, abgehängt worden sind. Denn, meine Damen und Herren, wenn ich es messe an der Verteilung der Industriearbeitsplätze im Freistaat Thüringen, dann haben wir festzustellen, dass die ehemalige Industriestadt Gera, die einmal geprägt war von der Industrie, heute nur noch 24 Industriearbeitsplätze pro 1.000 Einwohner hat, während das von Ihnen gerade so beschworene Boomtown Jena, was wirklich ein Zentrum in Forschung und

Entwicklung ist und wo ich hoffe, dass Merck tatsächlich baut und es nicht nur wieder eine Ankündigung ist, wie es schon so oft auf dem Güterverkehrszentrum in Erfurt, wo etwas angekündigt worden ist, wo Tausende Arbeitsplätze schon entstanden wären, wenn sich die Ankündigungen alle bewahrheitet hätten. Aber auch in Boomtown Jena haben wir nur 64 Industriearbeitsplätze und in dem Grenzort Eisenach, und das gehört auch zur Wahrheit, offenkundig um den niedrigeren Lohn, von dem Sie gesprochen haben, ausnutzen zu können, gibt es immerhin 138 Industriearbeitsplätze pro 1.000 Einwohner. Das ist für Eisenach ein gutes Zeichen, aber für Gera ein sehr schlechtes Zeichen. Gemessen also an Ihrer eigenen Regierungserklärung haben Sie den Ausgleich in Thüringen nicht geschafft.

Um auf eine andere Regierungserklärung einzugehen, wo Sie Ankündigungen gemacht haben, denen außer der Ankündigung nichts gefolgt ist, am 7. Dezember 1994 haben Sie hier im hohen Haus angekündigt, 100.000 zusätzliche Arbeitsplätze initiieren zu wollen und Sie haben angekündigt, dass die Arbeitslosenquote unter 10 Prozent gesenkt werden soll. Tatsache ist, 163.000 Arbeitsplätze sind in Thüringen bis heute verloren gegangen. Die sind weg. Tatsache ist, wir haben 40 Arbeitsplätze täglich, die verloren gehen. Tatsache ist, auch im letzten Amtsjahr Ihrer Zeit sind 21.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Tatsache ist, wir haben eine Arbeitslosenquote von 17,1 Prozent. Das heißt, top Thüringen hat eine dunkle Seite und ich sage an dieser Stelle, der Kaiser hat keine Kleider an, auch keine neuen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Ministerpräsident Dr. Vogel, symbolisch wollten wir Ihnen als PDS-Fraktion einige Geschenke zum Abschied übergeben. Symbolisch, Sie haben selber darauf verwiesen, symbolisch das bittere Salz von Bischofferode. Sie haben selber davon gesprochen. "Die kalte Fratze des Kapitalismus", das war der Satz, den Sie geprägt haben. Das ist ein Zitat von Bernhard Vogel, meine Damen und Herren. Auch wenn Sie sich vielleicht nicht daran erinnern können in der mittleren Sitzreihe und aufstöhnen. Ich danke Ihnen für diesen Satz. Die Kalikumpel von Bischofferode würden aber mehr danken, wenn aktive Politik gegen die Bundesregierung gemacht worden wäre und die Grube heute noch produzieren würde, dann würde das Kali auf dem Weltmarkt abgesetzt werden zu den Preisen, die heute verdient werden, würde Bischofferode schwarze Zahlen schreiben und wir hätten einen florierenden Betrieb in Thüringen mehr.

(Beifall bei der PDS)

Bei Ihrem letzten Wahlkampf, Herr Dr. Vogel, und das nehme ich wirklich übel, gab es eine so genannte Vogelfluglinie, es gab ein Unterstützungsprogramm aus Suhl, die sich Ihrem Wahlkampftross angeschlossen haben. Das hat den Namen Spatz und Sperber, Schwalbe - es sind die Mopeds von Simson. Diese wurden auf Ihrer Wahl

kampftour gezeigt. Sie haben damals einer landeseigenen Gesellschaft gehört, diese Firma, das ist verschleiert worden, alles ist später erst aufgeklärt worden. Das Ergebnis aber, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Simson 1999 gewusst hätten, dass Sie für Ihren Wahlkampf diese Mopeds fahren und anschließend in der Verantwortung Ihres Kabinetts gegen die Wand gefahren werden, dann hätten sie sich an der Wahlkampftour nicht beteiligt. Ein Simson-Moped hätte ich Ihnen gern mit einem schwarzen Trauerflor überreicht.

Eine weitere Bemerkung, die ich mir überhaupt nicht ersparen kann: Eine CD aus Albrechts hätten wir Ihnen gern mitgebracht. Denn dort ist uns ein ungenießbares PilzGericht eingekocht worden, ein Pilz-Gericht, das in Mühlhausen immer noch vor Gericht Schlagzeilen macht, aber ein Pilz-Gericht, bei dem das einzigste Mal in Deutschland eine Staatskanzlei durchsucht wurde von LKA und BKA, Beschlagnahmungen vorgenommen worden sind und die Akten, die eigentlich in das Wirtschaftsministerium gehören, in der Staatskanzlei verschlossen lagen und bis heute ein Gezerre vor den Gerichten ist. Ein Arbeitsplatzsicherungsprogramm für Polizei, für Juristen, für Staatsanwälte und für Rechtsvertreter. Dort wird Geld hineingegeben, um offenkundig keinen Ansehensverlust auf der noblen weißen Weste der Landesreigerung zu hinterlassen. Round about 300 Mio. DM sind in Albrechts verschwunden, verschollen auf Nimmerwiedersehen. Die Steuergelder, Herr Trautvetter, Sie können sich die Augen zuhalten und die Hände über den Kopf schlagen. 300 Mio. DM...

(Zwischenruf Trautvetter, Innenminister: Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!)

Ja, Hirn hätte ich mir gewünscht in der Kontrolle durch die Landesregierung. Sie, Herr Trautvetter, waren verantwortlich in der Staatskanzlei für die Kungelrunde, die TIP und TIF und all diese Machenschaften getrieben hat, die CD Albrechts gegen den Rat der Wirtschaftsprüfer gekauft hat und anschließend mit der Verschleuderung des Steuergelds einhergegangen ist. Da haben Sie sich ein Denkmal gemacht.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, auch an das weiße Gold Thüringen soll an dieser Stelle erinnert werden - symbolisch eine Vase von Graf Henneberg. Auch dort haben Sie, Herr Trautvetter, die Finger zutiefst drin gehabt. Wenn die Thüringer Aufbaubank am Schluss Rechtsanwälte beschäftigen muss, um sich mit der Thüringer Industriebeteiligung auseinander zu setzen, also die Gesellschaft, die von Steuergeldern gegründet worden ist und uns immer erzählt worden ist, die sei staatsfern, dann zeigt das den Zustand, dass Landesgesellschaften nur noch mit Juristen miteinander umgehen und unterm Strich in Größenordnungen dabei die Opfer die Arbeitnehmer waren, die ihre Arbeitsplätze verloren haben.

Wo wir bei unangenehmen Erinnerungen sind, sei erwähnt, Ihre Regierung, Herr Dr. Vogel, Sie haben sich bedankt für drei Legislaturperioden. In diesen Legislaturperioden waren Sie auch zuständig für die Personalpolitik. Sie waren immer der Strahlemann, das hat mich immer sehr beeindruckt. Sie haben es immer geschafft, nach außen für das Gute der Landesregierung und das Wohl der Bürger zu stehen. Da waren Sie ein Markenprodukt von Thüringen, unter Marketinggesichtspunkten ein genialer Werbefeldzug, den Sie immer deutlich auch sehr persönlich repräsentiert haben. Für die Skandale waren Sie nie zuständig. Da gibt es einen eklatanten Widerspruch, an den ich wenigstens dann personifiziert erinnern will. Da gab es einen Sozialminister Hans-Henning Axthelm, der vergessen hat

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Den ken- nen Sie auch noch?)

(Unruhe bei der CDU)

da war ich schon hier, Herr Althaus, da war ich schon hier, Sie werden es nicht glauben, ich bin auch seit 1990 hier - seine Schmuddelhefte zu bezahlen und das Hundeshampoo auch ohne zu bezahlen mitgenommen hat.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Ich glaub', er war im falschen Film.)

Da gibt es den Innenminister Willibald Böck. Bei dem will ich nur an eine einzige Affäre erinnern, deren Kerbholz ganz viele gibt, aber eine sei mir gestattet, die so genannte Raststättenaffäre. Es gibt die erste Computeraffäre, nicht die in der großen Koalition, die dann anschließend medial aufgeblasen worden ist. Es gibt die erste Computeraffäre, die sich mit dem Finanzminister Klaus Zeh verbindet, und es gibt den Justizminister Andreas Birkmann, der in der Staatsaktion, als die Staatskanzlei durchsucht wurde, zu viel als Justizminister telefonierte - wenigstens einmal zu viel telefonierte.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Sie haben keinen politischen Anstand.)

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Machen Sie so weiter?)

Natürlich mache ich weiter, das ist die Aufgabe der Opposition.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das muss aber nicht sein.)

Die Opposition hat eine Bilanz zu ziehen.

(Beifall bei der PDS)

Gestatten Sie mir, dass ich auf das Zitat des Ministerpräsidenten eingehe. Ferdinand Lassalle hat gesagt: Man

soll sagen, was ist, und nicht, wie man glaubt, sich die Welt zurechtmogeln zu können.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

Da gibt es einen Andreas Birkmann, der zu viel telefoniert und in juristische Abläufe eingegriffen hat, was sich für einen Justizminister nicht gehört. Und es gibt einen Innenminister, der sich eine CD zu viel hat brennen lassen. Ich hoffe ja, es war ein Rohling von Pilz, dann wäre wenigstens Umsatz bei Pilz gesichert worden. Während sich andere Menschen Musik auf CDs brennen lassen, war ein Innenminister so frei und hat sich vertrauliche Unterlagen auf CD brennen lassen, die anschließend verschollen sind - verschollen im Nebel -, also Christian Köckert sei an dieser Stelle auch erwähnt. Kurz gesagt, Ihr Kabinett "Pleiten, Pech und Pannen", zusammengefasst von Spaßbädern zu bienenfleißigen Honorarsammlerinnen, von Kungelrunden in der Staatskanzlei zu Hausdurchsuchungen in selbiger mit LKA und BKA, mit allen Folgen, die bis heute nicht ausgestanden sind.

Sie selbst standen und stehen für gelebten Parlamentarismus. Das war gut und bleibt gut, aber ein zu souveränes Parlament, Herr Dr. Vogel, das ist nicht Ihr Ding. Sie haben ja eben gesagt, Opposition haben Sie nie lernen müssen. Opposition ist aber Bestandteil parlamentarischer Demokratie. Opposition braucht Mitbeteiligung, Opposition braucht nicht nur das Engagement der Opposition selber, sondern auch parlamentarische Informationen. Ich erinnere an dieser Stelle, Frau Präsidentin, an die Drucksache 3/50 in dieser Legislatur, die unter dem Titel "Weiterentwicklung und Stärkung des Föderalismus" stand. Darin verbirgt sich der Appell aller deutschen Landtagspräsidenten, die Oppositionen ernsthaft in Kontrolle einzubeziehen. Diese ernsthafte Umsetzung der Drucksache 3/50 sind Sie diesem Parlament schuldig geblieben. Und Ihren Nachfolger, Herrn Althaus, erinnere ich schon daran und auf diesem Weg: Wir haben gemeinsam, Herr Gentzel, Sie und ich, in Lübeck im Konvent das Lübecker Abschlussdokument beschlossen. Lassen Sie uns, wenn Sie in wenigen Minuten hier gewählt worden sein sollten, Sie daran erinnern, dass das, was Sie vorher als Fraktionsvorsitzender mit uns beschlossen haben, wir anschließend kommen, um mit Ihnen als Regierungschef, als Ministerpräsident über die Umsetzung des Lübecker Konvents zu sprechen.

(Beifall bei der PDS)