Protokoll der Sitzung vom 03.07.2003

Sie sehen also, wir entwickeln die Konzepte gemeinsam mit allen am Prozess der Erziehung und Bildung Beteiligten langfristig kontinuierlich fort. Ich will also der SPDFraktion wirklich nicht unterstellen, dass ihr all diese Aktivitäten nicht bekannt sind. Ihr Entschließungsantrag hat also den Charakter gewissermaßen eines Schaufensterantrags. Ich denke, dass Ihre Forderung nicht falsch ist, aber der Zug ist bereits abgefahren, und zwar in die richtige Richtung. Soweit zu Ihrem Antrag 3/3441.

Nun zum Antrag in Drucksache 3/3442.

Herr Minister, einen kleinen Moment bitte, es wird immer lauter hier im Saal. Also ich denke, wir sollten Ihren Ausführungen auch zuhören, aber jeder scheint seine Individualgespräche dazu führen zu müssen. Ich bitte um Ruhe im Saal, damit der Minister seine weiteren Ausführungen vortragen kann.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht hier um Personalzuweisung, und damit wird die Katze aus dem Sack gelassen. Es heißt im Antrag der antragstellenden Fraktion: "Schulische Ganztagsangebote sind nur mit personellem Mehrbedarf

zu realisieren." Damit kommt die Fraktion recht spät zu einer Erkenntnis, auf die die Länder seit der vollmundigen Wahlkampfankündigung des Bundeskanzlers zum "Zukunftsprogramm Bildung und Betreuung" aufmerksam gemacht haben. Es war von Anfang an ein strukturelles Problem des Bundesprogramms, dass zwar Gelder für Investitionen zur Verfügung gestellt werden, der bei den Betriebs- und Personalkosten liegende Löwenanteil der Kosten jedoch von Ländern und Kommunen aufgebracht werden muss. Wer hier nicht vorgesorgt hat, meine Damen und Herren, wird auf dieses Bundesprogramm bei der derzeitigen Finanzlage kaum noch reagieren können.

Aber Thüringen hat vorgesorgt und in direkten Verhandlungen das Bundesprogramm kompatibel zu den Thüringer Voraussetzungen von Ganztagsangeboten gemacht. Thüringen verfügt bereits z.B. von Beginn an über einen flächendeckenden Bestand ganztägiger Angebote, insbesondere an den Grundschulen in Form der Horte. Der notwendige Personalbestand an Lehrern und Erziehern ist hier gedeckt. Vergleichbares gilt für die ganztägige Betreuung an Förderschulen und für unsere Spezialgymnasien.

Die Schulträger sind umgehend darüber informiert worden, dass sie für diese Schulen Förderanträge zu Bau- und Ausrüstungsinvestitionen aus dem Bundesprogramm auf der Basis der modifizierten Schulbauförderrichtlinie des Landes Thüringen stellen können.

Mit der Schuljugendarbeit haben wir darüber hinaus in diesem Jahr einen wesentlichen neuen inhaltlichen Impuls für die Entwicklung schulischer Ganztagsangebote an allen weiterführenden Schulen gegeben. Insgesamt 8,7 Mio.    . /    ums für dieses und kommendes Jahr für außerunterrichtliche Angebote der Schule zusätzlich zur Verfügung, ganz im Gegensatz zu der Behauptung des leider nicht anwesenden Abgeordneten Gentzel, dass kein Cent zusätzlich für die Thüringer Bildung ausgegeben würde. Auch für die Schulen mit genehmigungsfähigen Konzepten zur Schuljugendarbeit können deshalb die Schulträger Investitionsförderung beantragen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat unter den realen Gegebenheiten noch vor dem Bundesprogramm innovativ auf den Bedarf an Ganztagsangeboten reagiert. Wolkenkuckucksheim allerdings können wir uns nicht leisten. Die von diesem hohen Haus beschlossene Finanzierung der Schuljugendarbeit hat zweifelsfrei die Phantasie der Schulen in Thüringen, die von diesem Programm profitieren können, angeregt. Das hat gerade eine erste Präsentation von Beispielen der Schuljugendarbeit am vergangenen Samstag hier im Landtag eindrucksvoll gezeigt. Dass dieser Weg Thüringens sinnvoll und gangbar ist, hat auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung durch Änderung der entsprechenden Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern in diesem

Sinne anerkannt. Das sollte auch die SPD-Fraktion des Thüringer Landtags anerkennen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Ramelow noch einmal zu Wort gemeldet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Pietzsch hat mich angesprochen und ich will es jetzt einfach für alle noch einmal zur Kenntnis geben, für das Protokoll, für die Zuhörer am Radio draußen. Die Beschäftigten in den Thüringer Kindereinrichtungen machen eine hervorragende Arbeit. Daran ist überhaupt keine Kritik zu üben und ich wollte auch nicht mit einer Kritik verstanden werden. Ich habe auf die Frage geantwortet in einem TLZ-Interview und ich hoffe, dass Herr Otto auch anwesend ist, so dass vielleicht das auch noch einmal in der TLZ für diejenigen klargestellt werden kann, die offenkundig nicht lesen können. Ich bin gefragt worden, ob Sachsen-Anhalt ein Vorbild sein könnte für Thüringen bei der Vorschulbetreuung und darauf antworte ich, dass das der falsche Weg ist. Dass arbeitslose Familien in Zukunft auf Kindertagesplätze keinen Anspruch mehr haben sollen, halte ich für den falschen Weg, weil...

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Wer hat denn so was gesagt? Das gibt es doch gar nicht.)

Verzeihen Sie, wenn ich einfach jetzt wiederhole, was der Ministerpräsident Böhmer in Sachsen-Anhalt als Begründung angegeben hat. Er hat nämlich formuliert, dass die westdeutschen Bundesländer, die für die Transferleistungen zuständig seien, nicht mehr bereit seien, das vorschulische Betreuungssystem in den neuen Bundesländern zu bezahlen, welches sie sich selber nicht erlauben würden, so ein Originalinterview, das ich mit Herrn Böhmer gehört habe. Als ich am darauf folgenden Tag gefragt worden bin, ob Sachsen-Anhalt für uns ein Vorbild sei, habe ich darauf geantwortet, nein, ich halte das nicht für den richtigen Weg. Ich halte das für den falschen Weg, weil wir auf das Niveau Westdeutschlands runtergehen würden und wenn wir in Gesamtdeutschland eine Diskussion über die Vorschule - und sie kann und mag heißen in Thüringen als Name wie sie will, der Inhalt ist entscheidend, Herr Minister, da gebe ich Ihnen Recht, Frau Pelke hat es jetzt auch noch einmal aus Sicht der SPD klar gesagt, dem kann ich mich nur anschließen. Mir wäre es lieber, wir hätten in Gesamtdeutschland eine Diskussion über die vorschulische Unterrichtung und die vorschulische Arbeit als integralen Bestandteil in dem Übergang zum Schulbereich. Wenn wir das nicht in Gesamtdeutschland bekommen, dann bekommen wir die Situation, wie sie in vielen anderen Bundesländern

herrscht, nämlich Hopsasa und Trallala als Angebot halbtags oder Halbzeit von freien Trägern, die das organisieren. Sie wissen ausnahmsweise einmal nicht, von was Sie reden, warum Sie na, na, na sagen. Ich habe es erlebt und weiß, was ein Dorfkindergarten für ein Angebot hat, wo mittags um 12.00 Uhr die Kinder abzuholen sind. Das führt nämlich nur zu Hopsasa und Trallala.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Machen Sie mal nicht alles so schlecht.)

Deshalb meine ausdrückliche Anerkennung für die Arbeit, die in Thüringer Kindertagesstätten geleistet wird, davor kann man nur Hut ziehen.

(Beifall bei der PDS)

Allerdings, wenn in Städten mittlerweile in Größenordnungen die Kita's abgegeben werden an freie Träger und dann Eltern kein Recht mehr darauf haben mitzubestimmen, wie in einem Fall jetzt in Erfurt, da weigern sich die Eltern und sagen, sie möchten nicht, dass es ein kirchlicher Träger übernimmt...

(Zwischenruf Abg. Dr. Pietzsch, CDU: Sie haben vom Tuten und Blasen keine Ahnung.)

Ich bin sehr begeistert, wie viele Fachleute über Kindertagesstätten Sie haben. Einen Fachmann haben Sie aber nicht, nämlich den mit der Fähigkeit Lesen und Schreiben zu können. Ich habe mich in der TLZ nun klar geäußert, ob Sachsen-Anhalt für uns ein Vorbild ist und darauf sage ich, nein. Wenn Sie es nicht begreifen wollen, einen Rechtsanspruch für Arbeitslose abzuschaffen, die Kinder in die Kindertagesstätte zu bringen, halte ich für einen katastrophal falschen Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Diese Frage wurde mir gestellt. Auf diese Frage habe ich geantwortet, ob es Ihnen passt oder nicht, lernen Sie doch selber einmal lesen, besuchen Sie dann selber die entsprechenden einschlägigen Einrichtungen - eine Schule heißt das, da können Sie Lesen und Schreiben lernen.

Eine zweite Bemerkung, die ich jetzt noch einmal ausdrücklich sagen möchte: Politisch, moralisch und emotional stehen wir auf der Seite der Arbeitnehmer, die im Arbeitskampf gestanden haben. Sie zu beschimpfen, dass sie ihre eigenen Arbeitsplätze wegstreiken würden, führt dazu, die Sache auf den Kopf zu stellen. In der Bundesrepublik Deutschland ist im Grundgesetz eindeutig geregelt, dass die Hoheit der Tarifverhandlung die Tarifpartner haben. Dazu gehören zwei Verantwortliche, die Arbeitnehmerseite und die Arbeitgeberseite. Meine Damen und Herren, ideologisch haben Sie selber immer gesagt, dass die Produktivität in einer Branche entscheidend ist - und ich füge an, die Lohnstückkosten einer Branche entscheidend

sind -, ob gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden kann. Es gibt in der Metallindustrie, wie Opel Eisenach und anderen Betrieben, keinen Produktivitätsunterschied mehr zu Westdeutschland und es gibt keinen Grund, warum in Westdeutschland der Arbeitnehmer 35 Stunden berechnet bekommt und in Ostdeutschland 38 Stunden. Darum ist der Arbeitskampf gegangen und es ist zutiefst zu bedauern, dass er nicht am Verhandlungstisch gelöst worden ist. Sie werden alle, wir alle in Ostdeutschland noch begreifen, was es bedeutet, dass dieser Arbeitskampf verloren gegangen ist, dass dieser Arbeitskampf offenkundig mit dem gebrochenen Rückgrat der Streikenden geendet hat und da, meine Damen und Herren, sage ich, es wird dazu führen...

(Unruhe bei der CDU)

Sie werden es nie begreifen. Sie werden es nicht begreifen, dass im Grundgesetz die Tarifautonomie als ein Teil der demokratischen Verfassung unseres Landes verankert worden ist und es wäre mir recht, wenn die Politiker, die hier am lautesten schreien, den Finger einmal auf sich selber richten, wenn es um gesetzliche Initiativen zur Überstundenbegrenzung und Ähnliches geht, Arbeit ist genug da, die Verteilung ist nur falsch.

(Beifall bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke für die intensive und erkenntnisvermittelnde Debatte. Ich gebe aber auch zu, dass nicht jede Erkenntnis unbedingt zu einer wirklichen Erkenntnis geführt hat, sondern die Qualitätsunterschiede sehr deutlich geworden sind.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Gentzel, ich danke für das Angebot, dass Sie zu gewisser Kooperation bereit sind. Kooperation setzt aber inhaltliche Übereinstimmung voraus und das ist die Grundaussage, die ich auch treffen möchte. Wenn wir inhaltlich mit Punkten, die vorgelegt werden, ob in Berlin oder hier, übereinstimmen, werden wir uns das zu Eigen machen, wenn die Übereinstimmung aber nicht gegeben ist, werden wir wie bisher unsere Mehrheit in diesem hohen Hause nutzen, denn wir haben eine Gestaltungsmehrheit und die wollen wir für dieses Land auch nutzen.

(Beifall bei der CDU)

Es hätte mich unter dieser Überschrift sehr gefreut, wenn Sie neben einer ganzen Reihe von Forderungen einige

konkrete Einsparungsvorschläge vorgenommen hätten, wie Sie denn diese Forderungen finanzieren wollen. Da haben jegliche Vorschläge gefehlt.

Sehr geehrter Herr Ramelow, bei Ihnen kommt es mir immer vor, als ob Sie über ein anderes Land reden und als ob Sie auch die Regierungserklärung nicht zur Kenntnis genommen haben. Sie scheinen Ihr Bild von der Welt zu haben, hoffentlich wird dieses Bild nie wieder Wirklichkeit.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich einige Punkte, die von den Oppositionsrednern angesprochen worden sind, ganz kurz aufgreifen, um auch richtig zu stellen. Wir sind dankbar, dass der Hochschulpakt existiert, denn dieser Hochschulpakt ist in einer Situation der finanziellen Begrenztheit ein hohes Gut für die Hochschulen und Universitäten in Thüringen, denn sie haben Planungssicherheit, sie können flexibel den Mitteleinsatz überlegen und haben damit nicht die Notwendigkeit, wie wir, Haushalte kurzfristig zu verändern.

(Beifall bei der CDU, PDS)

Dieser Landtag hat damit, dass er dem Hochschulpakt seine Zustimmung gegeben und die Hochschulautonomie umgesetzt hat, sein Budgetrecht in erheblichem Maße eingeschränkt und damit haben die Hochschulen eine höhere Gestaltungsfreiheit. Das zu kritisieren, ist überhaupt nicht zeitgemäß.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben die Technologiepolitik mehrfach angesprochen und kritisiert. Ich will nur ein Beispiel nehmen. Die Initiative "GET UP", macht inzwischen bundesweit Schule. Wir sind Pate für Existenzgründerinitiativen in Niedersachsen, in Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz und jetzt auch in Brandenburg. Wir haben hier ein Instrument entwickelt, um jungen Menschen, die technologische Prozesse auf den Weg bringen können, auch Existenzberechtigung zu geben. Deswegen werden wir an der "GET UP" und den anderen Initiativen natürlich festhalten, denn sie stärken unser Land gerade in der mittelständischen technologisch orientierten Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Ramelow, Ihr Begriff von den Leuchttürmen ist mir vollkommen fremd, weil Sie scheinbar Thüringen wirklich nicht kennen. Sie haben z.B. über die Defizite in Nordthüringen geredet. Gerade in Nordthüringen haben wir mit der Gründung der Fachhochschule Nordhausen einen wichtigen Impuls gesetzt. Gerade dort haben wir vor ganz kurzer Zeit ein neues Kompetenzzentrum, das ich auch vorhin genannt habe, gegründet. Es ist also schlicht unwahr, dass wir nur auf angebliche Leuchttürme setzen. Wir setzen auf die Stärken in diesem Land,

auf die Potenziale und stärken diese Potenziale und machen sie zu Potenzialen für die gesamte Landesentwicklung.

(Beifall bei der CDU)

Das Gleiche passiert im Ostthüringer Raum, wie Sie besser wissen müssten. Dort wird nämlich derzeit das Kunststoffzentrum vorbereitet, das ebenfalls für die ganze Region Ostthüringen - ob Gera, Schmölln oder Altenburg ist dabei nicht das Entscheidende, es dient dem ganzen Ostthüringer Raum und seiner Entwicklung - neue Impulse vermittelt. Auch ein Aninstitut ist im Nordthüringer Raum zu Hause, wie Sie besser wissen müssten.

Es wurde das Thema "Langzeitstudiengebühren" angesprochen und hier als falscher Weg dargestellt. Erstens sollten Sie inzwischen die Aufsätze von Prof. Glotz besser gelesen haben, aber selbst, wenn Sie das nicht tun, dann nehmen Sie einmal zur Kenntnis, dass NordrheinWestfalen inzwischen die Studiengebühren eingeführt hat, Niedersachsen noch unter der SPD-Führung, andere Länder darüber nachdenken und dass wir sehr deutlich gesagt haben, dass wir das Grundstudium ohne Gebühren absolvieren lassen wollen. Wir wollen deutliche Anreize schaffen, um das Grundstudium auch zu nutzen, denn Langzeitstudien nutzen nicht der Gesellschaft. Es geht um Anreize, dieses Grundstudium in der entsprechenden Zeit zu absolvieren. Das werden wir auch tun und die Vorbereitungen laufen derzeit.

(Beifall bei der CDU)

Was mich wirklich sehr wundert, auch gerade, weil Sie die Fakten gut genug kennen, die Theaterförderung zu kritisieren. Wir haben die höchste Theaterförderung in Deutschland. Wir sorgen dafür, dass die Theater und die Kunst in Thüringen als wesentlicher Standortfaktor zukunftsfähig erhalten bleibt. Deswegen bleiben wir bei dieser hohen Förderung. Aber wir erwarten auch, dass Kooperation zu einer Profilierung führt, damit wir die Qualität unserer Theater erhalten. Das ist der Auftrag, den die Träger jetzt haben.

(Beifall bei der CDU)