Doch ich will hier ausdrücklich nicht nur am Geld die Probleme festmachen, die eben weit unterhalb der Landesebene liegen. Hier passt eine weitere Nachricht aus dem betroffenen Kreis, dem Altenburger Land. In der "Osterländer Volkszeitung" vom Mittwoch dieser Woche wurde geschrieben: "Flutdamm für Lehma scheitert am fehlenden Land", und zwar ist da nicht das Bundesland, der Freistaat Thüringen gemeint, sondern das Bauland. Dort könnte nur ein zwei Meter hoher und 600 m langer Damm vom Ortsausgang in Richtung des nächsten Ortes Sicherheit schaffen, der noch nicht gebaut wird. Das Bauwerk würde - und jetzt, Frau Becker, hören sie drauf - jenes Oberflächenwasser aufhalten, das sich bei dem gefürchteten Starkregen vor allem auf den großen Feldern ringsum sammelt, und dann das bisher namenlose Rinnsal in Richtung Gerstenbach zum reißenden Strom verwandelt. Der Bau scheitert nicht am Geld, der Bau scheitert nicht an der Planung, sondern der Bau scheitert einfach daran, dass es Grundeigentümer gibt, die ihren Grund und Boden für den Bau nicht hergeben wollen.
Darauf habe ich jetzt gewartet, dass der Hinweis kam, da gibt es Möglichkeiten, das zu ändern. Tja, Herr Kollege, sehr richtig, aber in dem Kommentar der Zeitung zu diesem Ereignis wird schon darauf hingewiesen, dass das
öffentliche Interesse an Hochwasserereignissen ein vorübergehendes ist, dass man die Zeit, und da ist seit 2002 schon eine Zeit ins Land gegangen, zu nutzen wissen muss, um hier Fakten zu schaffen in dem Sinne, was Sie gerade gesagt haben, nehme ich an. Nicht umsonst überschreibt der Kommentator seine Meinung mit "Hilfsbereitschaft mit Halbwertszeit". Nach vier bis fünf Jahren ist die Hilfsbereitschaft dann nicht mehr die gleiche.
Meine Damen, meine Herren, zu dem Hinweis von Herrn Kummer möchte ich noch eins ausführen: Die Küstenanrainer Deutschlands und nicht nur Deutschlands kennen für den Kampf mit dem Wasser ein Gesetz, das lautet, ich sage es auf hochdeutsch: Wer sich nicht solidarisch dem Deichbau unterwirft, der nit will dieken, der muss seinen Grund und Boden verlassen, der mut wieken. Soweit, Herr Kummer, gehe ich davon aus, wollten Sie es mit dem Wohn- und Bleiberecht der Bürger... nicht kommen lassen. Dieser Hinweis, was Sie gemeint haben. Mir liegt es auch fern, solche drakonischen Maßnahmen zu allgemein gültiger Lösung zu erheben, aber ich denke, dass trotz und gerade wegen der Verantwortung der Teile der Großen Anfrage, die sich darauf beziehen, die Verantwortung für die Baumaßnahmen gegen Hochwasser, z.B. für die Deiche, aber auch für andere Baumaßnahmen, Herr Kummer, dass diese Verantwortung nicht allein beim Freistaat liegt, sondern die Verantwortung beginnt ganz unten. Die beginnt wirklich ganz unten und wenn die betroffenen Bürger in Schlussfolgerungen aus dem Hochwasserereignis nicht einmal in der Lage sind, eine Solidarität zu entwickeln, um den Platz für den Deich zur Verfügung zu stellen, Herr Kummer, dann nutzen unsere ganzen Großen Anfragen alle nichts, denn diese Erkenntnis, die muss ganz unten vor Ort wachsen. Da muss ich Ihnen, meine Damen und Herren von der PDS, entgegenhalten, fragen Sie doch nicht nur die Landesregierung, wie viele Baugenehmigungen im Flutungsgebiet erteilt worden sind und werden. Machen Sie ein Rundschreiben an alle ihre kommunalen Vertreter, schließlich sind die doch ebenso in der Verantwortung, und dann werden Sie aus erster Hand die Interessenlage vor Ort, ich hatte Ihnen ein Beispiel gegeben, erfahren und dann können wir weiter reden. Ich garantiere Ihnen, Sie werden sich bei manchem Beschluss ob der Kleinkariertheit vor Ort die Haare raufen. Sehen Sie bitte unter diesem Aspekt, ich könnte sagen unter diesen Aspekten, auch die Forderungen des Bundesministers Trittin zur Verbesserung des Hochwasserschutzes. Diese Vorschläge zählen in Thüringen bereits größtenteils zur Routine. Die terminlichen Vorgaben allerdings sind zum Beispiel bei der Ausweisung von Überschwemmungsgebieten schlicht unrealistisch, ich könnte sagen siehe oben, ich hatte es ja gerade ausgeführt, welche Randbedingungen und welche Prämissen es da alles noch zu beachten gilt. Genug, ich komme zum Fazit: Einflussnahme auf Hochwässer, welche normal bis regelmäßig vorkommen, ist zu organisieren und wo notwendig zu verbessern. Dazu gibt die Auswertung, die Beantwortung der Fragen genügend Hinweise. Das ist aber Aufgabe aller Bürger und nicht nur Aufgabe der Landesregierung. Einflussnahme auf Jahrhunderthochwässer ist zur
Milderung und zur Katastrophenvorsorge zu tätigen. Dabei sollen alle Reserven einbezogen werden, auch wenn dabei, siehe Leibis, ideologische Scheuklappen fallen müssen. Heute Vormittag analysierte mein Kollege Kretschmer die Arbeit der Opposition bei dem Leitthema heute Vormittag und stellte fest, dass diese sich vorwiegend in der Aufforderung an die Landesregierung, diese möge antworten oder diese möge berichten, erschöpft. Unter Einbeziehung der Mündlichen Anfrage in Drucksache 3/3654 von Herrn Kummer und der Kleinen Anfrage 3/3613 von Frau Becker zu gleichen Themen kann ich die Erkenntnisse meines Kollegen Kretschmer von heute Vormittag nur unterstreichen. Da werden wir eine weitere Diskussion über diese aus unserer Sicht völlig ausreichend beantwortete Große Anfrage im Ausschuss nicht befürworten. Ich danke Ihnen meine Damen, meine Herren.
Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, erlauben Sie mir, ehe ich zum Kern der Großen Anfrage komme, einige Vorbemerkungen. Das außerordentliche Hochwasserereignis vom August 2002 hat nicht nur große Teile von Sachsen-Anhalt verwüstet, sondern auch den Freistaat Thüringen im Bereich des Altenburger Landes betroffen. In ganz Mitteleuropa, so auch bei uns in Thüringen, hat das Hochwasser der Elbe die Öffentlichkeit auf drastische Weise wieder für das Thema Hochwasser sensibilisiert. Die Bilder aus den Medien haben gezeigt, welche verheerenden Ausmaße solche Ereignisse mit sich bringen und wie existenziell die Auswirkungen auf die Bevölkerung, auf die Infrastruktur, aber auch auf die Umwelt sind. Sie haben zu einer Betroffenheit geführt, die ihresgleichen in der neueren deutschen Geschichte sucht, zumindest seit der Hochwasserflutkatastrophe in Hamburg 1962. Wenige Monate nach dem großen Elbhochwasser stand zur Jahreswende 2002/2003 das Hochwasserereignis in Mittel- und Nordthüringen im Mittelpunkt des Interesses. Die Medien haben darüber intensiv berichtet und insbesondere die Bemühungen um die Sicherung des Lossa-Deiches in Leubingen haben durchaus nationale Schlagzeilen gemacht. Die Welle des medialen Interesses ist jedoch so schnell wieder verschwunden, wie das Wasser abgeflossen ist.
Meine Damen und Herren, damit ist die Diskussion dort, wo sie eigentlich auch hingehört, nämlich bei den Fachleuten. Vorbeugender Hochwasserschutz ist in Thüringen kein neues Thema. Aus leidvoller Erfahrung besteht in unserem Land seit langer Zeit eine hohe Sensibilität gegenüber Hochwasserereignissen. Nicht zuletzt deshalb
existiert im Hochwasserentstehungsgebiet Thüringen eine Vielzahl von wasserwirtschaftlichen Anlagen, die sich in ihrer Aufgabe bewährt haben, die zum Teil der Daseinsvorsorge dienen und zugleich Teil eines bewährten Hochwassermanagements sind. Inhaltlich nach wie vor brandaktuelle Broschüren wurden bereits zitiert wie "Vorbeugender Hochwasserschutz in Thüringen" mit der zweiten Auflage 2002 und "Vorsorgender natürlicher Hochwasserschutz" sowie "Hochwasserereignisse in Thüringen" wurden nicht von ungefähr in den letzten zwei bis drei Jahren herausgegeben. Sie sind in erster Linie dazu bestimmt, neben der Verwaltung auch die interessierte Öffentlichkeit aus erster Hand zu informieren. Hierzu wird auch die nach dem Hochwasser zur Jahreswende 2002/2003 kurzfristig vorbereitete und bereits erschienene "Anleitung für die Verteidigung von Flussdeichen, Stauhaltungsdämmen und kleinen Staudämmen" beitragen. Die Aktualität des Themas können Sie auch an den aktuellen Novellen des Thüringer Wassergesetzes im Jahre 2003 ersehen oder an der öffentlichen Diskussion zu den Rechtsverordnungen für Überschwemmungsgebiete. Sehr geehrte Damen und Herren, große Hochwasserereignisse werden immer zu unvermeidbaren Überschwemmungen führen. Unsere Aufgabe ist es, die Bürgerinnen und Bürger durch entsprechende Vorsorgemaßnahmen so weit wie möglich zu schützen. Staatliche und kommunale Vorsorge sowie eigenverantwortliches Handeln der Bürgerinnen und Bürger müssen dabei Hand in Hand gehen.
Die Vorsorge bezieht sich auf Verhaltensvorsorge, die alle Maßnahmen umfasst, die im Hochwasserfall durch richtiges Verhalten den Schaden gering halten, Flächenvorsorge, die das Freihalten hochwassergefährdeter Bereiche vor Bebauung beschreibt, Bauvorsorge, die den Schutz der bestehenden Gebäude gegen Hochwasser zum Inhalt hat und Risikovorsorge für den Fall, dass die Hochwasserschutzmaßnahmen bei extremem Hochwasser nicht ausreichen und Hochwasserschäden eintreten. Auf all diese Dinge nimmt die Große Anfrage zum vorbeugenden Hochwasserschutz Bezug. Bei der sich mit der Hochwasserthematik befassenden Landtagssitzung vom 30. Januar dieses Jahres, aber auch bei weiteren Folgeveranstaltungen wurde auf breiter Ebene intensiv über den Hochwasserschutz diskutiert. Ich möchte deshalb diese Diskussionen nicht an dieser Stelle im Einzelnen wiederholen, aber darauf hinweisen, dass die Veranstaltungen, an denen ich zum Beispiel in der letzten Woche teilnehmen durfte, sehr wohl gezeigt haben, dass sich die Fachleute, aber auch die Bürger vor Ort der Problematik nach wie vor bewusst sind und sehr verantwortungsbewusst und intensiv daran arbeiten, erkannte Mängel im Hochwasserschutz zu beseitigen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang ausdrücklich an die Probleme, die regelmäßig auftauchen, wenn Hochwasserwarnungen von Ministerien oder der Landesanstalt an die Leitstellen bzw. die Landratsämter gehen und dann mangels eines existierenden Bereitschaftsdienstes oder fehlender Alarmpläne den Endnutzer nicht erreichen kön
nen. Ich ermahne an dieser Stelle ausdrücklich die Verantwortlichen, ehe das nächste Hochwasser kommt ihre Hochwasseralarmpläne einer gewissenhaften Überprüfung zu unterziehen.
Alle. Wir haben uns in der letzten Woche ja in Südthüringen mit allen Ebenen, allen staatlichen und kommunalen Ebenen zusammengetan und diese Frage einmal aus allen Richtungen beleuchtet. Da haben wir festgestellt, dass auf der einen Seite Landratsämter durchaus die Meinung vertreten, die von ihnen verbreiteten Informationen würden den Empfänger erreichen, während die potenziellen Empfänger deutlich gemacht haben, dass sie eben diese Informationen zu spät oder teilweise gar nicht bekommen. Hier gilt es wirklich, insbesondere auf der kommunalen Ebene, aber auch mit staatlicher Unterstützung nachzusteuern.
Sehr geehrte Damen und Herren, ohne die teilweise und dankenswerterweise überwiegend bekannten Schwachstellen zu beschönigen, haben die Menschen an der mittleren und unteren Unstrut zur Jahreswende seit rund 40 Jahren wieder einmal erfahren müssen, was Hochwasser heißt. Bewährte Hochwasserschutzmaßnahmen der letzten Jahrzehnte, so z.B. das Rückhaltebecken Straußfurt, die Deichbaumaßnahmen an der mittleren Unstrut in den 70erJahren des 20. Jahrhunderts, aber auch die Sanierung des Flutkanals mit den Schöpfwerkesystemen an der unteren Unstrut zwischen 1995 und 2002, haben vielerorts die latent vorhandenen Restrisiken in Vergessenheit geraten lassen. Bei nüchterner Betrachtung kann das letztlich geringe Ausmaß der Schäden aber als Erfolg der staatlichen Vorsorge verstanden werden.
Die Landesregierung ist deshalb darum bemüht, die vorhandenen und soliden Ansätze für einen vorsorgenden Hochwasserschutz in Thüringen weiter zu verbessern, aber auch an die zukünftigen Anforderungen anzupassen. Dieses Anliegen wird im Jahr 2003 mit Mitteln in Höhe von 13,9 Mio. $ 4 * ! 5 wasserversorgung, umgesetzt. Dieses war nur möglich, da in erheblichem Umfang Mittel der Europäischen Union im Rahmen von Programmänderungen und -erweiterungen des Operationellen Programms des Freistaats Thüringen für die Jahre 2003 bis 2006 eingestellt werden konnten. Dies betrifft sowohl den Europäischen Fonds für die Regionale Entwicklung (EFRE) und den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung (EAGFL).
Im Jahr 2004 werden voraussichtlich 21,4 Mio. "* Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes zur Verfügung stehen. Die unterschiedliche Mittelverteilung zwischen den Jahren 2003 und 2004 begründet sich im Besonderen daraus, dass neben den unmittelbaren Schadensbehebungen durch die Hochwasser 2002/2003 und den Deichsanierungen z.B. im Raum Sömmerda - hier sind
rund 11 km Deich saniert worden im Jahr 2003 - konzeptionelle Planungen durchgeführt wurden. Deren Umsetzung ist im Jahr 2004 nach den erforderlichen Plangenehmigungen und Feststellungen vorgesehen. Dies betrifft u.a. den Fortgang der Deichsanierungsmaßnahmen an der Unstrut und Nebenflüssen, aber auch den zügigen Wipperausbau und den Hochwasserschutz in Arenshausen, Kirchgandern an der Leine. Darüber hinaus wurde zur Behebung von Schäden an Gewässern erster und zweiter Ordnung aus Zuweisungen von Bundesmitteln im Rahmen des Fonds "Aufbauhilfe" ein eigenes Sonderwasserbauprogramm für das Altenburger Land konzipiert. Dieses umfasst bei vollständiger Auszahlung der Mittel des Bundes für die Haushaltsjahre 2003 und 2004 ca. 4,1 Mio.
Meine Damen und Herren, der Minister hat sich persönlich vor Ort in der von Hochwasser betroffenen Region im September davon überzeugen können, dass sowohl die Rekonstruktion der rechts- und linksseitigen Unstrutdeiche zwischen Sömmerda und Waltersdorf als auch der rechtsseitige Unstrutdeich zwischen Griefstedt und Riethgen, die Helbedeiche im Landkreis Sömmerda, die Sanierungsmaßnahmen bzw. Ersatzneubauten an den Schöpfwerken Waltersdorf und Scherndorf wie auch die umfassende Sanierung der wasserwirtschaftlichen Anlagen am Flutkanal einschließlich der dort befindlichen Schöpfwerke auf gutem Weg sind. Perspektivisch besondere Beachtung sollten dabei die Maßnahmen zur Aktivierung von Retentionsvolumen, z.B. in den Schlüsselwiesen bei Sömmerda, in einem möglichen vorgesehenen Polder Waltersdorf oder im großen Unstrutbogen bei Artern mit jeweils unterschiedlichem Ausführungs- und Planungsstand finden. Bereits im Frühjahr 2003 hatte sich Minister Dr. Sklenar beim Spatenstich am 14. April ein Bild über die umfangreichste Hochwasserschutzmaßnahme des Freistaats, dem Flussbau an der Wipper in Sondershausen, machen können.
Meine Damen und Herren, bei aller Wertschätzung ökologischer Maßnahmen zum Hochwasserschutz ist es unstrittig, dass im Bereich des technischen Hochwasserschutzes die vorhandenen Hochwasserrückhalteräume in Thüringen im Verhältnis zur Fläche und im Verhältnis zur Bevölkerungszahl einen Spitzenwert in Deutschland einnehmen. Dies ist ja nicht von ungefähr so. Der Hochwasserrückhalteraum in Thüringen hat sich von 1994 bis heute um ca. 32 Mio. m³ auf 137 Mio. m³ erhöht und soll bis zum übernächsten Jahr, in 2005, auf 168 Mio. m³ ansteigen. Unabhängig davon soll die Ertüchtigung der Deichanlagen schnellstmöglich unter Nutzung der vorgenannten EU-Gelder und der Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe gedeckt werden.
Die vor allem in Mittel- und Nordthüringen entstehenden Polderräume, die erst ab einem bestimmten Abfluss hochwasserscheitelmindernd geflutet werden sollen, stellen dabei eine wertvolle Ergänzung bisheriger Flächevorsorgekonzepte dar. Dies wird begleitet durch die landesweite Erstellung des Retentionskatasters, einer Übersicht vor
handener und nach Rückbau von Deichabschnitten möglicher Hochwasserrückhalteräume, welche die bisherigen Aktivitäten bei der Feststellung von Überschwemmungsgebieten sinnvoll ergänzen.
In diesem Zusammenhang erlauben Sie mir ein Wort zu den vorgeschlagenen Maßnahmen von Bundesminister Trittin zur Verbesserung des Hochwasserschutzes: Der von ihm dargestellte Katalog von Maßnahmen ist einerseits fachlich grundsätzlich zu bestätigen, wenngleich die Vorschläge in Thüringen zur gelebten Praxis und zur Routine zählen. Andererseits werden unrealistische terminliche Vorgaben gemacht wie z.B. bei der Festsetzung von Überschwemmungsgebieten, die ohne zusätzliche Mittel bzw. Personalzuführung nicht leistbar sind. Da der Bund hierzu aber keine Finanzmittel bereitzustellen in der Lage oder bereit ist, ist der Teil des Entwurfs abzulehnen, der für Thüringen unannehmbare Hürden aufrichtet.
Meine Damen und Herren, der Mensch kann, wenn auch nur begrenzt, Einfluss auf das Hochwassergeschehen nehmen. Vorrangig werden Hochwasser aber durch natürliche Prozesse beeinflusst. Hingegen unterliegt das Anwachsen der Werte und Güter, die bei Hochwasserereignissen Schaden nehmen können, nahezu vollständig der Kontrolle des Menschen. Der Mensch kann Naturereignisse letztlich nicht verhindern, er kann aber wohl den Umfang des möglichen Schadens durch rechtzeitige Vorsorge reduzieren. Der Freistaat Thüringen ist gut beraten, die dargelegten Aktivitäten fortzusetzen und integriert zu handeln. Nur das Bündel der Maßnahmen von natürlicher Wasserrückhaltung, technischem Hochwasserschutz, Verminderung des Schadenspotenzials, das Bewusstmachen einer verbleibenden Hochwassergefahr und der Eigenvorsorge führt zur Verbesserung des Hochwasserschutzes. Ein alter Spruch sagt: "Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser." Thüringen hat Tradition beim vorsorgenden Hochwasserschutz, diese gilt es zu bewahren und weiter auszubauen. Ich zähle dabei auf Ihre Mithilfe. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zuerst ein Wort zur CDU-Fraktion: Also, meine Damen und Herren, eine Fraktion, die mit einem solchen Beitrag, wie er von Ihrer Gruppe heute kam, hier auftritt, der muss das Wasser wirklich bis zum Hals stehen.
Der Staatssekretär hat es eben gesagt, Mängel erkennen und beseitigen, das sollte das Ziel sein beim Hochwas
serschutz und das war auch Anliegen unserer Großen Anfrage. Ich glaube, wenn man uns hier beginnenden Wahlkampf vorwirft in diesem Zusammenhang, dann ist das wirklich eine sehr, sehr unverfrorene Geschichte, denn hier geht es wirklich um die Interessen unserer Bürger und um eine reale Gefahr. Herr Sonntag, noch eine kurze Bemerkung zum Beispiel Lehma: Für Autobahnen ordnen wir Grundstücke in Thüringen, ich denke, für Dämme können wir es auch.
Nun aber zu dem, was ich ursprünglich sagen wollte. Zuerst möchte ich mich bei den Mitarbeitern bedanken, die diese vielen Informationen zur Beantwortung der Großen Anfrage zusammentrugen. Dadurch wurde einiges deutlich. Es wurde aber auch deutlich, dass der Stellenwert, den die Landesregierung dem vorbeugenden Hochwasserschutz beimisst, besser sein könnte. Diese Bemerkung beziehe ich nicht in allererster Linie auf das Umweltministerium. Ich denke, hier wird sehr viel getan. Aber, ich glaube, die anderen Ressorts sollten beim vorbeugenden Hochwasserschutz auch intensiver mitdenken.
Ein Jahr nach dem Jahrtausendhochwasser an der Elbe, wo eben auch das Altenburger Land betroffen war, wird z.B. in der Titelgruppe für Hochwasserschutz und Gewässerunterhaltung von 9 Mio. *! !0 stellt waren, auf 3 Mio. !)* ! 1 such des Ministeriums, das zum Teil dankenswerterweise aufzufangen über europäische Mittel, aber der ursprüngliche Stand wird trotzdem nicht erreicht. Ein anderes Beispiel ergibt sich auch aus der Antwort auf die Große Anfrage. Hier ist zu finden: Die Realisierung des naturnahen Hochwasserschutzes muss stärker zum Tragen kommen. Aber es ist auch zu finden, dass eine Prioritätensetzung aufgrund knapper Mittel erfolgen muss. Und die Prioritätensetzung in Hinsicht auf die Realisierung des naturnahen Hochwasserschutzes sieht dann so aus, dass wir eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit und eine Feststellung der natürlichen Überschwemmungsgebiete vorrangig betreiben. Mit Realisierung des naturnahen Hochwasserschutzes hat das noch nicht so viel zu tun. Dabei würde aber diese Realisierung langfristig viel Geld sparen. Ich möchte hier nur ein Beispiel bringen. Wenn wir z.B. Uferrandstreifen dort aufkaufen würden, wo wir es immer wieder mit Uferabbrüchen zu tun haben, anstelle diese Uferabbrüche immer wieder neu zu reparieren, dann könnten wir viel Geld sparen. Aber das ist im Moment nicht die übliche Politik in Thüringen.
Die Anfrage geht auch auf weitere landesgesetzliche Regelungen ein und sagt z.B., dass das Bodenschutzgesetz keine Belange des vorsorgenden Hochwasserschutzes verfolgt. Ich denke, auch hier greift das zu kurz. Auch ins Bodenschutzgesetz hätte eben gerade der vorbeugende Hochwasserschutz hineingehört. Aber auch bei der Neuregelung des Wassergesetzes, auf die Herr Sonntag vorhin eingegangen ist, wo wir übrigens zu meinem Bedauern keine öffentliche Anhörung dazu hinbekommen haben, hat es Probleme gegeben. Die jetzige Regelung sagt, Aus
nahmegenehmigungen dürfen nur erteilt werden, wenn das Vorhaben die Hochwasserrückhaltung nur unwesentlich beeinträchtigt. Ein solcher Gummiparagraph stärkt die unteren Wasserbehörden eben nicht ausreichend.
Sie beklagen im Gegenteil, dass sie weniger Eingriffsmöglichkeiten hätten als vorher, um Baumaßnahmen in Überschwemmungsgebieten zu verhindern. Gerade das war ja eigentlich unser Anliegen. Gerade auch von der Landesregierung wurde ja beklagt, dass es so viele Baumaßnahmen gerade in den Überschwemmungsgebieten gegeben hat. Was passiert inzwischen im Land? Es wird fleißig gebaut. Es hat ja jeder von uns einen Kreis, wo er auch sein Wahlkreisbüro hat. Da kann man sich einmal umschauen. Ich habe das in meinem Kreis getan und habe dort beispielhaft zwei Fälle, die ich Ihnen heute vortragen möchte. In der Nähe der Stadt Schleusingen wird z.B. eine Halle gebaut. Ziemlich groß, direkt am Ufer des Flüsschens Erle. Hier wird der Boden aufgeschüttet, weil man sich ganz genau bewusst ist, dass man in dieser Halle öfter nasse Füße bekommen würde. Aber nach der alten Karte des Landesverwaltungsamtes ist diese Halle nicht im Überschwemmungsgebiet. Da ist ein dicker Filzstiftstrich drin und da kann man das nicht genau zuordnen. Wunderbar, also eine vollkommen korrekte Baumaßnahme. Ein anderes Beispiel, in der Gemeinde Veilsdorf gibt es ein Gewerbegebiet. Da fahren Sie direkt am Ufer der Werra lang, direkt dort entsprechend auch in der Aue und da steht an der Straße schon ein großes Schild, dass Sie hier noch Baugrund kaufen können. Wunderbar! Und wenn wir so weitermachen, meine Damen und Herren, dann werden unsere Probleme immer größer. Herr Sonntag, es geht eben nicht gerade darum, dass dann, wenn ein Starkregen ist, diese Flächen versiegelt werden und das dann sowieso alles nicht mehr so wild ist. Es geht eben auch darum, dass die Gebäude letzten Endes fort sind, wenn ein großes Hochwasser kommt. Gerade die Werraaue ist das hochwassergefährdetste Gebiet Thüringens. Hier müssen wir solche Baumaßnahmen verhindern.
Die Beantwortung der Großen Anfrage zeigt aber auch wieder die Ignoranz von Problemen. Ich möchte ein paar Beispiele nennen. So wird z.B. die Häufigkeit von Gewässerschauen alle zwei bis vier Jahre als ausreichend betrachtet. Meine Damen und Herren, wieso werden dann aber Baumaßnahmen in Überschwemmungsgebieten nicht verhindert? Gerade dazu könnten Gewässerschauen auch dienen. Ich denke, jährliche Kontrollen wären wesentlich günstiger. Sicherlich ist das auch mit einem erhöhten Aufwand verbunden.
In der Großen Anfrage ist zu lesen, der tägliche Flächenverbrauch nimmt anteilig stetig ab. Ein wunderschöner Satz. Ich meine, wir wissen ja, wie Sie Statistik immer hinbekommen. Ich hätte es anders formuliert. Immer weni
ger Thüringer brauchen immer mehr Flächen. Das muss auch ein Ende haben. Herr Minister Trautvetter, hier sitzt er ja noch, hat beim LEP-Forum in Schmalkalden es fertig gebracht, die Entwicklungseinschränkungen zu beklagen, die es durch Hochwasserschutzgebiete in Südthüringen gibt.
Meine Damen und Herren, das ist eben gerade die Frage, wo ich sage, hier wird die Landesregierung nicht dem vorbeugenden Hochwasserschutz gerecht.
Die Neuversiegelung muss gestoppt werden. Ein nächstes Beispiel: Zu Informationslücken bei Hochwasserwarnund -informationssystemen finden wir in der Antwort auf die Große Anfrage, dass die Landesregierung über keine Kenntnisse zum Informationsverlust zwischen Kommunen und Kreisen verfügt. Warum wohl? Weil die Kreise dafür verantwortlich sind. Meine Damen und Herren, diese Antwort finde ich wirklich unbefriedigend, denn hier geht es um die Sicherheit der Thüringer Bürger. In dem Zusammenhang möchte ich ein Zitat des "Freien Wortes" vorlesen, wo etwas anderes dargestellt wurde. Das ist das "Freie Wort" vom 08.10.2003 und hier stand: "Mittags steht der erste Stadtteil in Bad Salzungen unter Wasser. Abends sehe ich diese Hochwasserbilder im Fernsehen. Und am nächsten Tag um 6.00 Uhr liegt die erste Hochwasserwarnung auf meinem Schreibtisch." Diese Situation schilderte Peter Luck, der Leiter des Bad Salzunger Ordnungsamts auf der Südthüringer Regionalkonferenz zum Hochwasserschutz in Breitungen. Herr Sonntag, da sagen Sie, wir haben keinen Diskussionsbedarf mehr zum Hochwasser? Ich glaube, solche Probleme gehören eben gerade in den Ausschuss, um die hier ordentlich zu regeln. Ein weiteres Problem, wo sich eben auch gerade die Frage der Kreiszuständigkeit stellt und ob die sich bewährt hat, wurde vom Geschäftsführer der Thüringer Fernwasserversorgung, Herrn Peters, angesprochen. Er hat immer wieder beklagt, dass die Kreisgrenzen auf den Hochwasserschutzdämmen zu erkennen sind an den unterschiedlichen Sandsackhöhen. Meine Damen und Herren, was macht das denn für einen Sinn? Das Hochwasser orientiert sich nicht an Kreisgrenzen. Dort, wo die Sandsäcke zu niedrig sind, wird es immer drüberströmen. Auch hier muss ein einheitliches Handeln her und wir müssen klären, wie so etwas geregelt wird.
Ein letztes Problem, das ich heute ansprechen möchte, ist die finanzielle Unterstützung von Kommunen im Schadensfall. Herr Staatssekretär ist vorhin auf ein paar Fragen eingegangen. Im Altenburger Land gibt es ja auch eine Vereinbarung von Bund und Land zur Unterstützung Thüringer Gemeinden. Im Landkreis Sömmerda und im Kyffhäuserkreis wird nach der Antwort eine Mittelbereitstellung aus dem Landesausgleichsstock geprüft. Auch das ist in Ordnung. Aber, meine Damen und Herren, was ist mit den Kommunen von den anderen besonders be
troffenen Kreisen? Die Kreise Hildburghausen, Saale-Holzland-Kreis, Saale-Orla-Kreis, Weimarer Land? Die Verwaltungsvorschrift zur Gewährung staatlicher Finanzhilfen bei Elementarschäden gilt nicht für Gemeinden. Die Richtlinie sagt, nur bei existenzgefährdenden Schäden könnte das Land hier Mittel bereitstellen. Aber solche Schäden sah z.B. die Stadt Eisfeld, die über 180.000 ' 0 den hatte durch das Januar-Hochwasser. Sie musste die Mittel aufwenden für Brückensanierung, Uferbefestigung, Wegebau und vieles andere. Bei der finanziellen Situation, die die Stadt Eisfeld gerade durch die Eingemeindung der Gemeinde Waffenrod hinter sich gebracht hat, an die sich die Damen und Herren hier im hohen Haus sicherlich noch gut erinnern können, ist so etwas eben existenzgefährdend. Eine Ablehnung des Antrags der Stadt vom Landesverwaltungsamt liegt vor. Die Begründung: Gemeinden erhalten nach dieser Vorschrift keine Finanzhilfe. Auch hier, denke ich, müssen wir über eine vernünftige Regelung beraten, wie wir solchen Gemeinden helfen können. Ich glaube, das ist überfällig und auch deshalb eine Beratung im Ausschuss notwendig.
Meine Damen und Herren, zum Abschluss möchte ich Ihnen noch ein Zitat des Geschäftsführers der Thüringer Fernwasserversorgung, Herrn Peters, vortragen aus der Zeitschrift "Umwelt": "Extreme Hochwasser sind leider sehr schnell wieder vergessen und notwendiger Deichbau wird um Geld zu sparen auf die lange Bank geschoben. Hier muss die Gesellschaft wissen was sie will. Wenn die Klimaexperten Recht behalten und die Extreme zwischen Trockenheit und Niederschlag immer größer werden, muss die Gesellschaft ihr Schutzbedürfnis diesen Bedingungen anpassen. Dazu gehören nicht nur intelligente Hochwasserschutzmaßnahmen, sondern auch ein anderer Umgang mit Hochwasser im Kopf." Meine Damen und Herren von der CDU, ich fordere Sie zu diesem anderen Umgang auf. Vielen Dank.
Wir haben eine Meldung noch aus dem Plenum. Frau Abgeordnete Becker und der Herr Staatssekretär sitzt auch noch mal auf dem Sprung, wie ich das sehe. Bitte, Frau Kollegin Becker.