Protokoll der Sitzung vom 14.11.2003

Meine Damen und Herren, neben den vielen negativen Erkenntnissen zeigt der Thüringen-Monitor auch positive Effekte. So sind es die Rentner, von denen 60 Prozent ihre eigene wirtschaftliche Situation weiterhin als gut oder als sehr gut einschätzen. Ich will hier an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich sagen, ich bin zufrieden, dass es den Rentnern so gut geht, denn die Rentner sind diejenigen, die den Karren nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Dreck gezogen haben.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben es verdient, dass es ihnen gut geht, und sie haben es verdient, dass sie sich auch in Zukunft darauf verlassen können. Die Rentner sind diejenigen, die auch bereit sind, im Interesse ihrer Kinder und Enkel ein Opfer zu bringen, wenn erforderlich. Aber was ich nicht verstehe und was ich nicht nachvollziehe und was ich kritisiere, dass an der Systematik der Rentenversicherung gedreht worden ist und dass unterdessen eine große Verunsicherung auch bei den Rentnern eingetreten ist.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich hatte schon gesagt, die 18- bis 24-Jährigen werden in diesem Thüringen-Monitor als so genannte demokratische Hoffnungsträger bezeichnet. Diese Aussage korreliert durchaus auch mit der 14. Shell-Jugendstudie aus dem Jahre 2002. Ich denke, wir müssen dieser Gruppe großes Gewicht beimessen, aber auch große Beachtung zukommen lassen. Der Ministerpräsident hat schon auf die Familienpolitik in Thüringen hingewiesen. Ja, ich glaube, hier ist auch ein Schlüssel - er hat ausdrücklich nicht gesagt, das ist der einzige Schlüssel -, aber es ist auch ein Schlüssel für eine erfolgreiche Entwicklung in den nächsten Jahren: Familienpolitik, Bildungspolitik, Hochschulpolitik und Berufsausbildung. Ich möchte schon, dass die jungen Menschen in Thüringen bleiben können, dass sie hier nicht nur einen Ausbildungsplatz, sondern auch einen Arbeitsplatz finden. Ich bin froh, dass vor wenigen Tagen bekannt gegeben werden konnte, dass etwa 97 Prozent der Auszubildenden oder der Ausbildungsbewerber unterdessen eine Lehrstelle haben oder einen Platz haben für ihren weiteren Lebensweg. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass

die nächste Schwelle geschafft wird, nämlich nach der Ausbildung einen Arbeitsplatz zu bekommen.

Meine Damen und Herren, es kann festgestellt werden, der "Vierte Bericht der Landesregierung zu Extremismus und Radikalismus im Freistaat Thüringen" benennt Defizite, legt den Finger in die Wunde, zeigt aber auch Auswege. Der Ministerpräsident hat gesagt: "Wer die freiheitliche Demokratie verteidigen will, der darf sie nie als etwas Selbstverständliches abtun." Das war sein abschließender Satz. Ich will dieses nur noch einmal unterstreichen. Demokratie ist nicht nur eine Staatsform, sondern Demokratie ist ein Auftrag für uns als Demokraten. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Dittes zu Wort gemeldet.

Meine Damen und Herren! Herr Pietzsch, lassen Sie mich mit drei Bemerkungen zu Ihrer Rede beginnen. Im Gegensatz zu Ihnen, der nie auf meine Reden eingeht, werde ich jetzt versuchen, auf Ihre einzugehen und mit Argumenten eben auch darauf zu antworten.

Herr Pietzsch, ich gebe Ihnen Recht, an der DDR gibt es vieles zu kritisieren und es gibt viel Ablehnenswertes, ich tue das aber aus einer linken Sicht, aus einer linken sozialistischen Position heraus, aber ich wäre an Ihrer Stelle sehr vorsichtig. Die DDR als Diktatur oder als Feldversuch für das Einsperren eines gesamten Volkes zu bezeichnen, weil, damit nehmen Sie sich das Mittel, persönliche Verantwortung tatsächlich differenziert zu betrachten und die politischen strukturellen Fehler und Mängel innerhalb dieses Systems tatsächlich aufzuarbeiten, weil das eben nicht Kenntnis der Geschichte bedeutet, die wir für die Zukunft brauchen. Und Sie laufen auch Gefahr, sich selbst fragen zu müssen, welche eigene Funktion hatte ich innerhalb dieses Gefängnisses.

(Beifall bei der PDS)

Deswegen sage ich Ihnen, Ihre Einschätzung der DDR verhindert geradezu eine Auseinandersetzung mit der Geschichte, auch mit der sehr persönlichen Biographie, die wir alle auf ganz unterschiedliche Art hier im Raum haben.

Eine zweite Bemerkung: Sie haben mich angesprochen auf das bei der Staatsanwaltschaft laufende Vorermittlungsverfahren. Ich glaube, ich kann mich hier dem "Freien Wort" anschließen, was gesagt hat: Hier hat wohl innerhalb des Thüringer Innenministeriums bei der Weitergabe persönlicher Daten der Vorwurf an Größe gewonnen

und die Hoffnung war wohl auch Antrieb dafür, einen Vorwurf hier an Größe gewinnen zu lassen. Aber ich kann Ihnen sagen, es gab schon mal einen Innenminister, der hat öffentlich verkünden lassen, sollten sich die Vorwürfe gegen den Abgeordneten Dittes bewahrheiten, dann muss dieser sein Mandat abgeben. Ich kann Ihnen sagen, ich habe mein Mandat noch, aber der Innenminister ist nicht mehr Innenminister.

(Beifall bei der PDS)

Ich sage Ihnen auch ein Drittes und das ist auch eine sehr persönliche Bemerkung, Herr Pietzsch: Wenn Sie mir vorwerfen, nicht auf dem Boden des Grundgesetzes oder der Thüringer Verfassung zu stehen, dann kann ich das einordnen in Ihre generelle politische Ablehnung auch meiner Person, die Sie anscheinend auch personifiziert betreiben wollen. Aber ausgerechnet dem Abgeordnetenkollegen Roland Hahnemann Hass gegenüber verfassungsrechtlichen Regelungen vorzuwerfen, geht wohl so sehr an der eigentlichen Diskussion und an der eigentlichen Argumentation des Kollegen Hahnemann vorbei, dass man Sie eigentlich nur noch bedauern kann, weil Sie eben nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass genau dieses Grundgesetz und genau diese Thüringer Verfassung es möglich machen, nicht nur sich ablehnend gegenüber einzelnen Regelungen zu verhalten, sondern eben auch Änderungsvorschläge in die Diskussion einzubringen, wie wir das im Übrigen auch am gestrigen Tag getan haben, weil wir eingesehen haben, natürlich auch auf Druck von 380.000 Bürgerinnen und Bürgern, dass die Regelungen zur direkten Demokratie in der Thüringer Verfassung als nicht ausreichend betrachtet werden konnten. Diese Änderung der Verfassung ist doch keine abgeleitete Verfassungsfeindlichkeit. Es ist die Entwicklung einer Demokratie, in der wir leben, und diese Entwicklung macht auch erst eine Demokratie aus. Dazu gehört natürlich im Vorfeld auch die Diskussion über mögliche Änderungen eines Gesetzes, eben auch eines Grundgesetzes oder einer Verfassung. Ihr Vorwurf gegenüber der Fraktion der PDS ist so absurd, das mussten selbst die hauptamtlichen und Arbeit suchenden Mitarbeiter der Abteilung Linksextremismus des Bundesamtes für Verfassungsschutz beim Kolloquium des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz zum Thema "Linksextremismus in Thüringen" feststellen, wo der zuständige Mitarbeiter aus dem Bundesministerium einräumen musste, die PDS taugt wohl nicht, sie als linksextremistische Organisation in der Bundesrepublik einzuordnen.

(Beifall bei der PDS)

Herr Althaus, zu Ihrer Regierungserklärung: Ich hatte erwartet und das war auch Ihre Ankündigung, als Sie das Ministerpräsidentenamt übernommen haben, dass Sie etwas Neues sagen würden. Ich weiß es nicht, ob die Regierungserklärung in Teilen wortgleich war wie die Ihres Vorgängers, inhaltsgleich war sie aber mit Sicherheit. Ich glaube, sie hatte sogar denselben Aufbau. Sie hat dem

zufolge in dieser Debatte keine neue politische Positionierung der Landesregierung gebracht. Sie war damit auch noch nicht mal informativ. Hätten Sie nicht den Monitor gehabt, auf den Sie sich in einzelnen Zahlen berufen konnten, dann hätten Sie an dieser Stelle noch nicht mal etwas Neues sagen können, dann wäre diese Regierungserklärung inhaltlich selbst überflüssig. Ich will Ihnen auch sagen, Herr Althaus, Sie widersprechen sogar in Teilen den Aussagen und dem Inhalt des Thüringen-Monitors. Wenn Sie am Ende Ihrer Rede gesagt haben, wir dürfen uns nicht in den Grabenkämpfen des 20. Jahrhunderts verlieren, dann widerspricht das genau den Feststellungen des Thüringen-Monitors, der genau die Frage: "die Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Interessengruppen in unserer Gesellschaft schaden dem Allgemeinwohl" als Indiz genommen hat, dass diese Gesellschaft mehrheitlich einen Pluralismus, eine plurale Gesellschaft ablehnt, denn 63 Prozent stimmen dieser Aussage zu. Diese Aussage, die Ablehnung des Pluralismus, bedienen Sie im Rahmen Ihrer Regierungserklärung und da wundert es nicht, meine Damen und Herren, dass der Abgeordnete Carius am gestrigen Tag über den Konsens, der im Justizausschuss zum Volksbegehren, Bürgerbegehren gefunden worden ist, als ein Kainsmal der parlamentarischen Demokratie gesprochen hat. Nein, meine Damen und Herren, Demokratie lebt vom Streit, aber der Streit wird eben auch geführt mit dem Ziel der Einigung, dass möglichst viele Menschen sich auch in demokratisch getroffenen Entscheidungen wiederfinden können, diese akzeptieren können. Dazu müssen auch Kämpfe um die Meinungen geführt werden. Das sind keine Grabenkämpfe und, Herr Althaus, Burgfrieden hat in Deutschland noch keine geschichtliche Entwicklung vorangebracht.

(Beifall bei der PDS)

Sie haben von staatlicher Bevormundung gesprochen und haben gesagt, diese lehnen sie als Thüringer Landesregierung ab, aber meinen wohl offensichtlich damit nur den Sozialstaat, denn auf den haben Sie sich bezogen. Sie haben gesagt, die Menschen sind in diesem Land selbst verantwortlich für die Sicherung ihrer sozialen Grundbedürfnisse. Das kann der Staat nicht an jeder Stelle wahrnehmen. Ich kann Ihre Argumentation nicht mehr nachvollziehen, wenn Sie einerseits der Meinung sind, die staatliche Bevormundung muss ein Ende haben, und meinen damit auch die gesellschaftliche Verantwortung für die sozialen Grundbedürfnisse. Aber andererseits wollen Sie mit Ihren Vorschlägen zum Versammlungsgesetz die staatliche Bevormundung auf die Spitze treiben, indem Sie Ihnen unliebsame Meinungen aus der öffentlichen Wahrnehmung durch die Einschränkung des Rechts auf freie Versammlung verdrängen wollen und damit eben auch der öffentlichen Auseinandersetzung außerhalb staatlicher Institutionen, außerhalb staatlicher Schranken verhindern wollen, und gleichzeitig bedienen Sie dieses Argument, indem Sie auch sagen, das Landesamt für Verfassungsschutz führt diese Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Sie bieten jedem die Möglichkeit,

sich auf die staatlichen Strukturen und Institutionen zu beziehen, die sich ansonsten in ihrer Kommune in ihren gesellschaftlichen Zusammenhängen mit Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus auseinander setzen wollen, und in diese Reihenfolge passt natürlich auch die Diskussion um die Videoüberwachung. Mein Kollege Hahnemann ist darauf eingegangen und wir hatten gestern die Auseinandersetzung zu diesem Thema.

Ich will noch ein zweites Beispiel nennen, das hat auch etwas mit Ohrdruf zu tun, Herr Pietzsch, mit dem, was diese antifaschistische Kaffeefahrt wollte. Diese Landesregierung bezeichnet - ob friedlich oder auch in Teilen mit gewalttätigen Ausschreitungen, die ich nicht verneine; Sie haben gestern die Mehltüten angesprochen, die nicht ich geworfen habe, sondern es ist am Rande einer Demonstration tatsächlich mal eine geflogen -, Sie bezeichnen aber innerhalb der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus die antifaschistischen Gegendemonstrationen als das eigentliche Problem dieser Gesellschaft und als die eigentlichen Störer und Sie negieren damit, dass es Menschen in diesem Land gibt, die sich eben auch auf der Straße, auf den öffentlichen Plätzen diesen Ideologien in den Weg stellen und sich auch auseinander setzen und hier auch als Bevölkerung dieses Landes deutlich machen, hier gibt es keinen Platz für Rechtsextremisten, und wir überlassen es nicht allein den nicht kontrollierbaren Geheimdiensten und den polizeilichen Maßnahmemöglichkeiten.

Herr Althaus, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung und das finde ich tatsächlich fast politisch schon skandalös - sich nicht zum Problem der Ausländerfeindlichkeit geäußert. Sie haben einzig in zwei Sätzen auf die Ergebnisse des Thüringen-Monitors abgezielt, aber haben das in einem Satz in Zusammenhang gebracht mit der Positionierung zur DDR. Ansonsten haben Sie sich inhaltlich zum Problem des Rassismus, zum Problem der Ausländerfeindlichkeit nicht geäußert. Frau Pelke hat es angesprochen, 56 Prozent der Befragten halten das Problem der Überfremdung in diesem Land für gegeben und 54 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Ausländer nur hierher kommen, um unseren Sozialstaat auszunutzen. Es bleibt Ihnen auch nichts anderes übrig, Herr Althaus, denn wenn Sie sich kritisch mit diesen Thesen auseinander setzen würden, würden Sie merken, dass Sie verdammt nahe mit Ihrer Politik in der Nähe dieser Aussagen sind. Ich will Sie nur an Ihre Positionierung zum Zuwanderungsgesetz erinnern, wo die Diskussion um Zuwanderung unter dem Nützlichkeitsaspekt geführt wird, nämlich mit der Frage: Nützen diese Ausländer, die in dieses Land kommen, der deutschen wirtschaftlichen Entwicklung? Und wenn sie nicht dieser Entwicklung nutzen, dann haben sie auch kein Recht, hier integriert zu werden, hier in die Bundesrepublik zu kommen. Das ist nichts anderes als die Umsetzung des Vorurteils, dass Ausländerinnen und Ausländer, die hierher kommen, den Sozialstaat ausnutzen, und nur die uns nutzen, nur die uns dienen, haben auch Anspruch hier integriert zu leben.

In diesem Zusammenhang haben Sie Herrn Hahnemann vorgeworfen, er würde durch seine Rede Politikerverdrossenheit mit fördern. Da will ich Sie natürlich daran erinnern, gerade auch im Zusammenhang mit der Debatte zum Zuwanderungsgesetz und gerade an das Agieren Ihrer Partei, wenn Sie sich an den Auftritt von Herrn Koch im Stile eines Chruschtschow im Deutschen Bundesrat erinnern, das hat Politikerverdrossenheit befördert, weil damit sichtbar wurde, als dann auch Herr Müller einräumen musste, dass es bei dem ganzen Spiel wirklich nur um Theater ging, haben dann Menschen in diesem Land gemerkt, dass hier eigentlich nicht die tatsächlichen Inhalte Gegenstand der Auseinandersetzung gewesen sind, sondern dass hier ganz andere politische, strategische, wenn auch machtpolitische und machtstrategische Fragen eine Rolle spielen. Das führt eben auch zu Politikerverdrossenheit und letztendlich auch zur Demokratieverdrossenheit.

Herr Pietzsch, es ist eben nicht so, dass Demonstrationen vor einem Landtag die Fragilität von Demokratie begründen würden, es ist im Gegenteil so, in einem Land, wo sich die Menschen nicht mehr äußern, nicht mehr demonstrieren gehen, nicht mehr den Politikern sagen, was sie eigentlich von ihrer Politik erwarten wollen, dann ist Demokratie in Gefahr, weil dann nimmt die Zustimmung zu demokratischen Meinungsfindungs- und Entscheidungsfindungsstrukturen ab. Deswegen können wir uns eigentlich nur wünschen, dass das, was wir gestern im Rahmen des Volksbegehrens beschlossen haben, auch wieder dazu führt, dass Volksbegehren stattfinden, dass Menschen sich an Entscheidungen beteiligen, um auch damit wieder Leben und Diskussionen in die Entscheidungsstrukturen zu bringen, damit sie auch merken, hier sind sie mit ihrer Meinung wieder gefragt und ihre Artikulation der Meinung führt dann tatsächlich auch zu Entscheidungen. Denn diese Auffassung finden Sie gegenwärtig in der Bundesrepublik mehrheitlich nicht.

(Beifall bei der PDS)

Ihre Regierungserklärung, Herr Althaus, hat noch ein weiteres Manko. In den dargestellten Maßnahmen orientiert sie sich hauptsächlich im Bereich der Jugend. Sie haben es aufgezählt, Herr Pietzsch, Bildung, Ausbildung, Hochschule, aber auch Familie. Und ich sage Ihnen, wer damit den Eindruck erwecken will, dass es sich bei dem Problem des Rassismus, des Rechtsextremismus, des Antisemitismus lediglich um ein Vermittlungsproblem zwischen den Generationen handelt, der nimmt den vorliegenden Thüringen-Monitor nicht ernst. Denn wenn Sie sich die Altersstruktur ansehen, die zu rechtsextremen Positionen ihre Zustimmung geben, dann werden Sie merken, es sind nicht die 18- bis 24-Jährigen, sondern es sind die 60-Jährigen und Älteren, die den größten Anteil der Zustimmung oftmals ausmachen. Es sind auch gerade die älteren und mittleren Altersgruppen, die die Zustimmung zu rechtsextremen Denkpositionen, Denkstrukturen hier zum Ausdruck bringen. Dagegen müssen sich auch die

Maßnahmen der Landesregierung, aber auch die Maßnahmen, die die Landesregierung im zivilgesellschaftlichen Bereich fördert, richten. Da ist der Verweis auf die Straftatenstatistik nur ein kleiner Ausschnitt, weil das, was der Monitor an Denk- und Ideologieansätzen nachgewiesen hat, sich nicht in Straftaten innerhalb dieser Gesellschaft manifestiert, sondern im Reden und im Denken.

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren - der Innenminister ist nicht da, Herr Staatssekretär zum Thema auch nicht, das verwundert schon -, es ist dann auch ein Stück weit Verharmlosung des Problems Rechtsextremismus und das Verharmlosen vor dem Hintergrund des vorliegenden Thüringen-Monitors, wenn der Innenminister im Innenausschuss es ablehnt, dass mit den zivilgesellschaftlichen Projekten in der Bundesrepublik Deutschland auch eine demokratische Gegenkultur geschaffen werden soll, obwohl genau das "Bundesprogramm Civitas initiativ gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern", das in den Ausgang seiner Überlegungen gestellt hat, weil es eben aus der Diskussion im Jahr 2000 heraus festgestellt hat, dass eine demokratische Gegenkultur notwendig ist in diesem Land, um Rechtsextremismus, um Antisemitismus, um Rassismus wirksam begegnen zu können. Und der Thüringen-Monitor bestätigt die Notwendigkeit eines solchen breiten zivilgesellschaftlichen Vorgehens. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Es liegen keine weiteren, doch Frau Abgeordnete Groß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben den Vierten Bericht zum Radikalismus und Extremismus im Freistaat vom Ministerpräsidenten gehört. Es ist schon viel gesagt worden, auch zu dem Gutachten zur Einstellung zur Demokratie. Deshalb möchte ich einige Dinge nur noch beleuchten, und zwar die Thüringenidentität. Die Heimatverbundenheit, so hat der Monitor festgestellt, ist sehr groß und, ich denke, das ist etwas sehr Positives. Der Freistaat braucht den Vergleich mit anderen Bundesländern nicht zu scheuen. Im Vergleich zu 2000 verbesserte sich die Einschätzung und, ich denke, das ist auf eine solide Politik hier im Freistaat zurückzuführen.

(Beifall bei der CDU)

46 Prozent der Befragten sehen sich zuerst als Thüringer. Sie sind stolz darauf Thüringer zu sein. Doch dann komme ich gleich auf das Problem, Frau Pelke hat vorhin darauf aufmerksam gemacht, die Abwanderung. Und hier ist eigentlich der Widerspruch: Die Thüringer, auch die jungen Menschen fühlen sich wohl in unserem Land, aber die wirtschaftlichen Situation - und da bin ich Ihnen

dankbar, Frau Pelke, dass Sie Kritik an der Bundesregierung gerade auch in diesem Bereich üben

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Und des- halb wandern die auch alle ab, weil...)

treibt die jungen Leute einfach auch dazu, woanders hinzugehen. Was wir brauchen in Thüringen ist ein wirtschaftliches Wachstum, denn die Identifikation der jungen Leute ist vorhanden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ministerpräsident beleuchtete auch die Unzufriedenheit mit der Demokratie. Doch da frage ich: Was ist der Grund? Vertrauen in Demokratie und Politik muss gestärkt werden. Politik muss verlässlich werden. Der Ministerpräsident sprach vom Vertrauensverlust der Politik. Und da möchte ich gar nicht - die SPD wird es freuen - nach Berlin schauen, ich möchte einfach mal hier im eigenen Hause anfangen und einige Wortsplitter bringen von der gestrigen Diskussion. So wurde gesprochen von "Kostüm-Thüringern", von "Freilandversuchen mit Bürgern des Freistaats", von der "typischen Geringschätzung der Bürger des Freistaats", von "Videoüberwachungsaktivisten", vom "Generalverdacht der Regierung gegen die Bürger", von "Observationen von Rechtsanwaltskanzleien und Lokalredaktionen", von einer "renitenten Öffentlichkeit". Nun frage ich Sie, Äußerungen dieser Art in einem solchen hohen Hause schaffen die Vertrauen in die Politik?

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Aber nicht in die Regierung, da haben Sie Recht.)

Wie soll der Bürger Wertschätzung für die Arbeit von Abgeordneten oder auch für Politik haben, wenn er solche Äußerungen vernimmt. Und, ich denke, wenn wir gestern die Besucher, die auf der Tribüne waren, fragen, die werden das bestätigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Ministerpräsident hat Recht, Freiheit muss gestaltet werden und sie heißt Verantwortung übernehmen. Eine ständige Schlechtrederei hat noch kein Land vorangebracht

(Zwischenruf Abg. Ellenberger, SPD: Was soll das denn?)

und das vermisse ich gerade, weil ich Sie gehört habe, Herr Kollege Ramelow. Da brauche ich nur das Beispiel von gestern Abend zu bringen in einer Veranstaltung "Quo vadis, Thüringer Kommunalordnung?" und am Ende der Veranstaltung sind die Podiumsteilnehmer, zu denen Sie ja gehört haben, gefragt worden, wie stellen Sie sich die Zukunft der Kommunen in 20 Jahren vor. Herr Ramelow antwortete sinngemäß, dass, wenn er jetzt schon durch die Orte fährt, durch die Gemeinden, es gibt viele leer stehenden Häuser, also er sieht eine Verwahrlosung der Orte. Da frage ich mich doch, wo waren Sie 1989?

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Da haben Sie es aber am Ohr!)

Ich habe gute Ohren. Nur, es waren zu dieser Veranstaltung über 100 Personen und bestimmt zwei Drittel junge Leute und da frage ich mich, wo ist die Verantwortung, die die Abgeordneten haben. Wir müssen auch junge Leute motivieren, denn der Thüringen-Monitor bezeichnet

(Beifall bei der CDU)

ja auch diese Altersgruppe gerade als demokratische Hoffnungsträger.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Sie ha- ben wirklich kein gutes Beispiel dagegenge- setzt, aber es interessiert ja gar nicht, was ich gesagt habe,)

Nein, Sie können mir dann Ihre Argumente dazu noch sagen, ich habe gestern Abend gehört, was ich gehört habe.