Protokoll der Sitzung vom 14.11.2003

Nein, Sie können mir dann Ihre Argumente dazu noch sagen, ich habe gestern Abend gehört, was ich gehört habe.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Oder hören wollten!)

Und gerade, was die Kommunen betrifft, dass...

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Diese Haltung gab es zu SED-Zeiten auch. Die Par- tei hat immer Recht und Probleme gibt es keine.)

Herr Ramelow, Sie haben doch Gelegenheit, hier an dieses Pult zu gehen und zu reden. Sie kennen das doch genauso lange wie ich.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Nein, ich kenne das schon länger.)

Um noch einmal zurückzukommen auf diese Kommunen und auf den Zustand der Kommunen auf diesen Begriff der Verwahrlosung: Ich denke, es ist an der Stelle auch Zeit, den Kommunen und auch den Bürgern in den Kommunen Dank zu sagen. Denn wenn wir heute durch unsere Kommunen fahren, sehen die anders aus, als sie 1989 ausgesehen haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin überzeugt davon, dass wir in 20 Jahren weder in den Kommunen noch in den Städten eine Verwahrlosung haben.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Sie lau- fen mit geschlossenen Augen durchs Land.)

Ich wollte mit dem kleinen Hinweis eigentlich nur auf die Verantwortung hinweisen, die sowohl wir haben als

Verantwortliche in der Politik, aber das trifft genauso auf die Medien zu, denn wenn Kübelböcks und Bohlens an erster Reihe stehen, dann, denke ich, kann das auch nicht das Bild sein, was wir unseren Leuten im Land vermitteln sollten.

(Beifall bei der CDU)

Wenn die Bürger durch diese Aussagen der Politik ständig verunsichert werden, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, durch dieses ständige Hin und Her, dass die Glaubwürdigkeit der Politik gering geschätzt wird. In der Regierungserklärung wurde auch darauf hingewiesen oder gefragt: Wie funktioniert ein demokratischer Staat? Der Ministerpräsident sagte zu Recht: Die grundlegenden Funktionsbedingungen müssen Allgemeingut werden und nicht nur an den Schulen. Frau Pelke, Sie hatten ja auch den Appell an die Bildung und auch an die Erwachsenenbildung dazu.

Ich möchte Ihnen, Herr Ministerpräsident, auch danken für die Heraushebung des Ehrenamtes. Ein Drittel aller Thüringer ist ehrenamtlich tätig und dies bindet viele Menschen und vor allen Dingen junge Menschen, ich denke an die Feuerwehren, ich denke an die vielen, die in Sportvereinen tätig sind. Wir haben die Stiftung "Ehrenamt" auf den Weg gebracht und wir als CDU-Fraktion haben in diesem Jahr das dritte Mal eine Ehrenveranstaltung für Menschen gemacht, die sich besonders ehrenamtlich engagieren in unserem Land.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bedeutung der Familie ist noch einmal besonders herausgehoben worden und der Ministerpräsident hat das auch schon zu Beginn gesagt, Mut zur Erziehung. Mut zur Erziehung heißt aber auch, der Wille zu Kindern, denn Kinder bereichern unser Leben. Deshalb auch der Schwerpunkt unserer Politik auf Familie. Das Landesbündnis für Familie ist ins Leben gerufen worden und ich hoffe, dass es auch weiter greift und wir zu kommunalen Bündnissen kommen. Die Familiencard ist angesprochen, die Elternakademie ist angesprochen worden und auch weitere Projekte und Aktivitäten. Ich denke und sage, Thüringen ist ein kinderfreundliches Land und wir hoffen oder tun was dafür, dass die jungen Leute, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch stimmen, hier in unserem Land bleiben.

Ehe ich beende, möchte ich doch noch mal auf Dr. Hahnemann zurückkommen: Sie haben mit Ihrem Beitrag gesagt, Sicherheit macht vielen Menschen Angst. Das kann ich so nicht teilen - doch, er ist da -, denn der Staat hat auch die Aufgabe die Bürger zu schützen. Und die Sicherheit, fragen sie unsere Menschen, die Menschen möchten Sicherheit in unserem Land. Und wenn Sie die Polizei als Distanzbehörde bezeichnen, so kann ich Sie nur auffordern das zurückzunehmen, ansonsten muss ich sagen, dass Sie neulich beim Ausflug des Innenausschusses die Polizeiuniform getragen haben. Nach einer sol

chen Äußerung wäre es eigentlich eine Beleidigung. Wir stehen zu unserer Polizei in Thüringen,

(Beifall bei der CDU)

wir stehen zum Verfassungsschutz.

Lassen Sie mich Ihnen zum Schluss ein Zitat mit auf den Weg geben von einem deutschen Soziologen - Max Weber: "Man kann sagen, dass drei Qualitäten vornehmlich entscheidend sind für den Politiker: Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß." Danke.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Bechthum zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eigentlich hat mich jetzt Frau Groß dazu mit angeregt, doch hier noch mal etwas sagen zu müssen, und zwar es geht um die Aussagen, Herr Ministerpräsident, zur Familie. Es geht mir darum, Sie sagen hier: "Um seelischer Verrohung entgegenzuwirken, ist Mut zur Erziehung gefragt." Was meinen Sie damit? Welcher Mut ist hier gefragt? Ich kann es bestätigen, dass das notwendig ist, aber wie wollen Sie das umsetzen? Auf der letzten Fachtagung, es war "Thüringen bleibt sozial" war auch ein Redner, Pater Otto, ein von uns allen sehr geschätzter Mensch. Ich habe ihn noch nie mit so viel Unmut erlebt. Er hat auch zu dem Problem Erziehung/Bildung gesprochen und sagte: Es ist ein Fehler, der hier gemacht wird in Thüringen, dass man Schuljugendarbeit und Schulsozialarbeit hier entweder gleichsetzt oder glaubt, mit Schuljugendarbeit das bewältigen zu können, was einfach fehlt an den Schulen. Wir brauchen Sozialarbeit, Sozialpädagogen und er hat das ganz vehement eingefordert. Man kann das eigentlich nur unterstützen. Wer Kontakte zur Schule hat und nachfragt, wie ist die Situation in Familien, der wird von Lehrern erfahren, die Eltern, die Kinder lassen sich so in drei Gruppen einteilen, so ungefähr immer ein Drittel. Und ein Drittel ist genau der Teil, der wirklich Probleme hat, von den Eltern ganz besonders vernachlässigt wird und sich selbst überlassen bleibt. Alle Studien haben das bestätigt. Genau diese Eltern, die hilflos sind, die auch zum Teil erziehungsunfähig, überfordert sind, die brauchen diese Hilfen. Dafür sollte es eigentlich auch sein, dass Schulsozialarbeit das Bindeglied auch darstellt. Dazu fällt nicht ein Wort in Ihrem Bericht, wie kann so was geschehen, denn das sind die gefährdeten Kinder. Sie nehmen selbst auch an Konferenzen teil, und mich hat hier schon die sehr mutige und sehr offene Aussage bei einer Konferenz in Bad Salzungen/Schmalkalden doch betroffen gemacht, dass Lehrer deutlich sagen: Der beste Lehrer kann das Elternhaus nicht ersetzen; die Wur

zeln für Gewalt liegen in der Familie. Die Schule kann nur die Symptome mildern. Deshalb ist es auch so wichtig, sich hier der Familie zu widmen und auch niedrigschwellige Angebote zu machen. Das kann nur jemand, der dieses Bindeglied auch darstellen kann.

Sie haben für Mai 2004 einen Landesfamilientag vorgesehen, der kostet viel Geld. Was soll der bringen, frage ich Sie, um dort zu zeigen, was es alles gibt. Es werden die Eltern, die wir erreichen wollen, nicht dort hingehen und dazu brauchen wir nicht so einen Familientag. Es sollte sicherlich eine Darstellung der Landesregierung sein, was alles geschieht, aber das Geld sollten Sie eigentlich nehmen, um jetzt hier Schulsozialarbeit mit zu unterstützen. Da würden Sie mehr Erfolge erreichen, auch mehr tun und das würde auch anerkannt.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit: Der Landesfami- lientag ist aber in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg gemacht worden.)

Und, Herr Ministerpräsident, Sie unterstreichen noch mal das geänderte Erwachsenenbildungsgesetz. Ich habe das ja sehr befürwortet, unterstütze das auch, aber ich bin schon enttäuscht. Es kann nicht sein, dass an den Schulen, wo die Klassen 1 bis 5 erreicht werden sollten, solche Flyer verteilt werden. Das hilft keinem Menschen, und darin steht noch, dass diese Veranstaltungen Geld kosten. Das ist das persönliche Ansprechen, man hat die Chance vertan, am ersten Schultag oder in der ersten Schulwoche mit Dozenten, mit Klassenlehrern und den Eltern darüber zu sprechen. Es wird hier kein Angebot oder auch keine Nachfrage kommen. Das kann ich Ihnen heute schon zusagen. Es ist schade, dass wir uns solche Chancen hier vergeben. Es sind alle Familien angesprochen auch etwas mehr zu erfahren. Wenn eine junge Frau der Gerichtsprozess war vor kurzem, als sie mit 19 Jahren als Abiturientin ihr Kind hat zu Tode kommen lassen, weil sie es selbst zur Welt gebracht hat -, sagt: Ich hatte eine beschissene Jugend. Mit 13/14 habe ich gesoffen. Ich habe immer Probleme mit mir selbst ausgemacht. Und das sind die aus den ganz normalen Elternhäusern. Auch die zu erreichen, denen so etwas passieren kann,

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Das sind doch keine aus normalen Elternhäusern, nun machen Sie mal einen Punkt!)

die Chancen sollten wir uns schon hier nehmen. Danke.

Seitens der Abgeordneten liegen mir keine weiteren Redemeldungen mehr vor. Der Ministerpräsident hat sich noch einmal zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es fällt mir schwer, nach der selektiven Wahrnehmung meiner Rede durch einige Kolleginnen und Kollegen hier im Haus noch einmal darauf hinzuweisen, dass ich, und das nehmen Sie mir bitte ab, bewusst und, ich denke, richtigerweise die Situation, die positiven, aber auch die negativen Tendenzen sehr deutlich beschrieben und auch mit Zahlen unterlegt habe. Wenn Sie nicht aufnehmen wollen oder Ihr Bild, von dem, was die Landesregierung tut oder auch nicht tut, nur bestätigt sehen wollen, dann ist das Ihre Sache. Ich bleibe dabei, dass dieser Bericht, den ich gegeben habe, sehr wohl auch umfassend negative Tendenzen, auf die wir aufmerksam machen wollen und gegen die wir angehen wollen, dargestellt hat.

(Beifall bei der CDU)

Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist etwas komplizierter, als zwischen Bonn oder Berlin und Erfurt hin- und herzuspringen und sich dann aus der Opposition heraus in dieser Debatte etwas oberflächlich zu äußern und damit natürlich nicht die Differenziertheit der Situation zu beachten. Ich sage Ihnen einmal einen zentralen Satz, der in dieser Studie als Erster im Fazit und Ausblick beschrieben ist, der auch die Tiefe der Problemlage etwas klarer umreißt, als das die Oppositionsredner auch nur im Ansatz erkannt haben. "In den Einstellungen der Thüringer zu Politik allgemein spiegelt sich im Jahre 2003 recht deutlich die Tatsache wider, dass das soziale Klima in Deutschland rauer geworden ist." Ich hätte mir gewünscht, wenn zumindest die SPD-Fraktion sich etwas aus dem Schatten der Opposition hier im Thüringer Landtag gelöst hätte und einmal die deutschlandweite Situation mit beleuchtet hätte, aus der sich Thüringen nämlich nicht herausnehmen oder ausblenden kann. Wenn wir die soziale Situation in Deutschland beschreiben, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD-Fraktion, ist das vor allen Dingen eine nationale Aufgabe und deshalb eine Verantwortung der deutschen Bundesregierung und des deutschen Bundestags.

(Beifall bei der CDU)

Und da sie mit diesem sehr groben Messer eine sehr fein zu sezierende Aufgabe angegangen sind, sage ich Ihnen auch, so einfach ist Demokratie nicht. Sie ist ein sehr komplexer Begriff mit sehr unterschiedlichen Elementen. Die Studie - und ich trage hier nicht die Studie vor in meiner Rede, sondern jeder hat sie zur Verfügung analysiert das auch einzeln und kommt bei der Auswertung der Befunde dann auch zu sehr differenzierten Ergebnissen. Ich habe mich bemüht, diese differenzierten Ergebnisse, natürlich ausschnitthaft, hier auch darzustellen. Es geht um die Einzelbewertung, aber es geht auch um die Gesamtbewertung und bei der Gesamtbewertung ist es so und das ist in der Studie wörtlich genannt, be

günstigend für die schlechte Stimmung, auch manche negative Tendenzen sind vor allen Dingen die so genannten sozioökonomischen Stressfaktoren, also das, was unsere Ökonomie ausmacht, an positiven Ergebnissen produziert oder auch nicht produziert. Dass das die PDS aber nicht versteht, verstehe ich wiederum. Aber dass Sie nicht wenigstens bemüht sind, diese deutschlandweit geführte Debatte positiv zu beeinflussen und sich einfach hierher stellen und sagen, die Kritik in Erfurt nach Erfurt und wenn Berlin etwas nicht richtig macht, dann kritisiere ich auch Berlin, und so Ihre gesamtstaatliche Verantwortung nicht einmal im Ansatz wahrnehmen, das nehme ich Ihnen persönlich übel und da sage ich Ihnen auch, das ist zu wenig, um gewählt zu werden. Da sitzen Sie auch in Verantwortung, auch für Berlin.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Da müssen Sie zuhören...)

Frau Pelke, es nützt überhaupt nichts, wenn Sie den Rücktritt von Herrn Gerster fordern, der Landesvorsitzende der SPD ist Mitglied dieser Bundesregierung. Tun Sie etwas, damit hier etwas passiert und sich die Arbeitsmarktdaten nicht ständig negativ

(Beifall bei der CDU)

entwickeln.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Sitzen Sie einmal im Vermittlungsausschuss, schieben Sie es nicht immer hin und her.)

Wissen Sie, ich habe mich sehr bewusst und, ich denke, das kann man auch im Protokoll nachlesen, nicht auf die Einzeldebatte, die in diesen Wochen ansteht, bezogen. Das hätte ich auch getan, aber ich habe gedacht,

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Warum fangen Sie dann jetzt damit an?)

wir reden um die politische Situation in Thüringen, die Einstellung junger Menschen und wie wir dieses Land in der Zukunft auch weiter positiv beeinflussen. Sie bringen es auf eine sehr einfache Formel, wobei Sie genau wissen, wie schwierig die Materie ist, die zu bearbeiten ist, übrigens nicht so, dass da zwischen CDU/CSU und SPD/Grünen die Linie zu ziehen ist, sondern sie ist sehr viel differenzierter zu ziehen,

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Sehr richtig.)

quer durch Länder, quer durch Parteien, quer durch Fraktionen und wenn Sie dieser Komplexität auch nur im Ansatz genügen, leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum Verstehen der Demokratie.

(Beifall bei der CDU)

Und um diese Debatte mit Blick auf die PDS ein für alle Mal von meiner Seite noch einmal abzuschließen: Die DDR, der SED-Staat, war ein totalitärer Staat und er hat Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat mit Füßen getreten.