Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

Alle diese Leistungen sind übrigens erreicht worden, ohne dass es ein Gleichstellungsgesetz oder ein Behindertengesetz des Landes gegeben hat. Die Schlussfolgerung kann nur lauten: Ein Gesetz allein macht es eben nicht.

(Beifall bei der CDU)

Nun zur Forderung der PDS-Fraktion nach einem Landesgleichstellungsbeauftragten für Menschen mit Behinderungen. Die Interessen behinderter Menschen werden in Thüringen bereits jetzt von unterschiedlichen Institutionen und Organisationen sehr kompetent und verantwortungsbewusst wahrgenommen. In Thüringen wurde 1996 ein Landesbehindertenbeirat berufen. Er nimmt seither die Aufgabe eines Landesbehindertenbeauftragten quasi wahr. Der Landesbehindertenbeirat berät die Landesregierung in grundsätzlichen Fragen der Behindertenpolitik. Er wird zu allgemeinen Regelungen und Maßnahmen gehört, die die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen im Freistaat betreffen. Die Landesregierung hält daher die zusätzliche Schaffung des Amtes eines Landesgleichstellungsbeauftragten für wenig sinnvoll. Es ist kaum anzunehmen, dass wir durch den kostenintensiven Aufbau von Parallelstrukturen die Effizienz verbessern.

(Beifall bei der CDU)

Herr Staatssekretär, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Nothnagel zu?

Ja.

Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Staatssekretär, der Behindertenbeirat, den wir hier in Thüringen haben, ist doch aber nur einer des Sozialministeriums und nicht der Behindertenverbände hier im Freistaat, die hier tätig sind. Geben Sie mir Recht, dass es eine Institution des Thüringer Sozialministeriums ist?

Nein, das kann ich nicht so sehen. Der Behindertenbeirat ist zusammengesetzt aus Vertretern der Behindertenverbände und aus Einzelpersönlichkeiten, die die Landesregierung beraten und genau dies ist auch ein Teil der Aufgaben des von Ihnen geforderten Behindertenbeauftragten. Insofern, denke ich, hat dieser Beirat schon eine wichtige Funktion.

(Beifall bei der CDU)

Ich darf noch hinweisen, dass Thüringen auch einen Bürgerbeauftragten hat, der Partner aller Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ist, also auch für behinderte Menschen.

(Beifall bei der CDU)

Ich füge hinzu, der Minister sieht sich, das gilt auch für seinen Staatssekretär, ebenfalls als einen Beauftragten für die Behinderten. Wir nehmen die Interessen der Behinderten wahr und versuchen in Thüringen für die Behinderten das zu erreichen, was für eine allgemeine Teilnahme der behinderten Menschen notwendig ist. In anderen Ländern sieht man das offensichtlich ähnlich. Ich verweise auf Rheinland-Pfalz, wo der Staatssekretär des dortigen Sozialministeriums gleichzeitig der Behindertenbeauftragte des Landes ist. In Mecklenburg-Vorpommern, einem Land, in dem die PDS-Fraktion in der Regierungsmitverantwortung ist, gibt es ebenfalls keinen Behindertenbeauftragten. Wenn ich die Gesetzgebungsbemühungen des Landes verfolge, ist es auch nicht beabsichtigt. Wir alle wollen, dass Thüringen ein behindertenfreundliches Land ist und bleibt.

(Beifall bei der CDU)

Das hängt jedoch nicht nur von staatlichen Maßnahmen ab, es hängt vor allem davon ab, dass die Begegnungen zwischen behinderten und nicht behinderten Bürgern gelingt und wir uns dafür einsetzen. Es hängt davon ab, wie sich behinderte Mitbürger im Alltag und im Berufsleben, bei Behörden und auch in der Freizeit angenommen fühlen. Ich persönlich werde mich deshalb auch weiterhin dafür einsetzen, eine Atmosphäre des Miteinanders und des sozialen Zusammenhalts in unserer Gesellschaft in Thüringen zu fördern. Sobald die Rahmenbedingungen es erlauben, wird die Landesregierung das geplante und bereits vorbereitete Gleichstellungs- und Integrationsgesetz wieder aufgreifen.

(Beifall bei der CDU)

Gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist jetzt nicht mehr der Fall, dann können wir die gemeinsame Aussprache schließen. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion in Drucksache 3/3809. Hier geht es um die Ausschussüberweisung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit ist mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der PDSFraktion in Drucksache 3/3787. Auch hier zunächst die Beantragung, diesen Antrag an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Wer dafür votieren will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Die Ausschussüberweisung ist ebenfalls mit Mehrheit abgelehnt.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag unmittelbar. Wer dem Antrag - Drucksache 3/3787 - zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Dieser Antrag ist mit etwas größerer Mehrheit diesmal ebenfalls abgelehnt.

Jetzt sehe ich auf die Uhr, wollen wir noch einen Tagesordnungspunkt machen?

(Zurufe aus dem Hause: Ja.)

(Zuruf Abg. Grüner, CDU: Einer geht noch.)

Gut. Ich bin ja dafür. Bloß ich möchte nicht hinterher Schimpfe bekommen, dass ich Sie um Ihren wohlverdienten Feierabend gebracht hätte.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf

Entwurf einer Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Auftragskostenpauschale nach § 23 des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes hier: Zustimmung des Landtags gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes Antrag der Landesregierung - Drucksache 3/3813

Ich nehme an, die Landesregierung wird begründen. Bitte schön, Herr Minister Trautvetter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die gegenwärtige Verordnung über die Auftragskostenpauschale nach § 23 des FAG aus dem Jahre 2001 enthält die den Kommunen zustehenden Erstattungsbeträge für die vom Land auf die Kommunen übertragenden Aufgaben nur bis zum Jahr 2002. Daher sind die Erstattungsbeträge unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Kostensteigerung ab dem Jahre 2003 neu festzusetzen. Berücksichtigt wurden ferner die Auswirkungen des Wegfalls der Förderung des TMSFG für die Aufgabenträger des Sozialpsychiatrischen Dienstes. Eine grundhafte Neuberechnung der Auftragskostenpauschale zum 1. Januar 2005 wird im kommenden Jahr auf der Grundlage der Jahresrechnung 2002 erfolgen. Die dazu erforderliche neue landesweite Erhebung wird derzeit vorbereitet. Ich bitte um Zustimmung zu dieser Änderungsverordnung, die eine rein rechnerische Anpassung der Verordnung über die Auftragskostenpauschale aus dem Jahr 2001 an die vorgenannten geänderten Rahmenbedingungen ist.

(Beifall bei der CDU)

Dann eröffne ich die Aussprache und bitte als erste Rednerin Frau Abgeordnete Wildauer an das Rednerpult. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag der Landesregierung ist in mehrerlei Hinsicht von besonderem Interesse aber auch bemerkenswert. So ist die Verordnung über die Auftragskostenpauschale eine der wenigen Verordnungen, die der Zustimmung des Landtags bedarf. Dies ist ein Beleg für die besondere Bedeutung der Detailregelungen für die Ausreichung der Auftragskostenpauschale. Darüber hinaus erfahren wir aus dem Verordnungsentwurf, dass die Landesregierung, aus wel

chen Gründen auch immer, mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung die Bestimmungen zur Auftragskostenpauschale neu regeln will. Die bisherigen Regelungen hatten bis zum 31.12.2002 Gültigkeit. Die Landesregierung hat fast ein weiteres Jahr gebraucht, um die Anschlussregelung zu Papier zu bringen. Es muss hier die Frage gestattet sein, weshalb es zu dieser zeitlichen Verzögerung kam und wer dafür verantwortlich ist. Kritiklos kann diese Sache keineswegs hingenommen werden. Eventuell ist erst im Rahmen der Überprüfung der Verwaltungsvorschriften aufgefallen, dass die Verordnung neu zu fassen ist, aber ich weiß es nicht. Doch unabhängig davon, ein Ausdruck für ordnungsgemäßes und planvolles Regierungshandeln ist dieser Vorgang nicht.

Meine Damen und Herren, aus der Verordnung erfahren wir auch, dass zum 1. Januar 2005 eine grundhafte Neuberechnung der Auftragskostenpauschale erfolgen soll. Grundlage hierfür soll eine landesweite Erhebung basierend auf dem Datenmaterial der Jahresrechnung 2002 sein. Derartige periodische Erhebungen und Neuberechnungen sind vernünftig, wird doch dadurch zumindest datenseitig sichergestellt, dass der kommunale Aufwand für die Aufgabenwahrnehmung im übertragenen Wirkungskreis zeitnah überprüft wird. Eine ganz andere Frage ist jedoch, ob das Land tatsächlich angemessen diesen Aufwand den Kommunen erstattet. Doch dazu will ich nachher noch etwas sagen.

(Unruhe bei der CDU)

Trotzdem, wenn ich schon die Gelegenheit habe, zur Auftragskostenpauschale zu sprechen, also dann kann ich es nicht in zwei Minuten abtun.

Meine Damen und Herren, im Verordnungsentwurf wird noch einmal darauf hingewiesen, dass im Doppelhaushalt 2003/2004 die Mehrausgaben für die Auftragskostenpauschale bereits eingestellt sind. Im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs wurde die Auftragskostenpauschale von rund 73,5 Mio. >6) # iese Erhöhung um 6,1 Prozent erscheint aus Sicht des neutralen Beobachters angemessen und gerechtfertigt, ist doch der kommunale Aufwand für die Auftragskostenpauschale gestiegen und ist doch das Land zum Ausgleich unter Beachtung der so genannten kommunalen Eigeninteressenquote verpflichtet. Doch wie so oft trügt auch hier der Schein. Rein formal wurde die Auftragskostenpauschale erhöht. Dies erfolgte jedoch im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs. Damit wurden die Finanzmittel, die den Kommunen gesetzlich zustehen, nur umverteilt. Also aus der linken Tasche wurde etwas in die rechte Tasche gesteckt. Mehr Geld erhalten die Kommunen dadurch nicht. Ich hatte eigentlich Protest an dieser Stelle von Ihnen erwartet. Na gut.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Detailwissen.)

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Noch einmal wiederholen.)

Aber es ist ja Fakt. Wir streiten uns seit 1995 zu dieser Problematik. Sie werden wieder anführen, wenn ich das so sage, dass die Finanzausgleichsmasse in Thüringen pro Einwohner die höchste aller neuen Bundesländer ist, und deshalb wäre es berechtigt, die Auftragskostenpauschale aus diesen Mitteln zu finanzieren.

(Beifall bei der PDS)

Wenn man es formal betrachtet, dann haben Sie Recht. Doch bei finanzwissenschaftlicher Betrachtung täuschen Sie die Öffentlichkeit und auch die Kommunen. Die Finanzausgleichsmasse ist zwar pro Kopf die höchste in den neuen Ländern, doch der Thüringer Finanzausgleich ist auch am höchsten mit Aufgaben befrachtet. Immer wieder ordnen Sie dem Finanzausgleich neue Aufgaben zu. Diese Verfahrensweise kommt in ihrer Wirkung auch einer Kürzung des Finanzausgleichs gleich. Hier setzt unsere Kritik an. Mit der Erhöhung der Auftragskostenpauschale kürzen Sie de facto die Finanzzuweisungen an die Kommunen.

Meine Damen und Herren, dass die Auftragskostenpauschale innerhalb des Finanzausgleichs auch aus systematischen Gründen fragwürdig ist, hat unsere Fraktion mehrfach betont. Nicht nur, dass die Kommunen diese übertragenen Aufgaben erfüllen müssen, nein, sie finanzieren sie zu großen Teilen selbst, und zwar so lange wie die Auftragskostenpauschale Bestandteil des Finanzausgleichs ist. In diesem Zusammenhang will ich auch nur noch einmal kurz auf die so genannte kommunale Eigeninteressenquote hinweisen, die das Land mit 20 Prozent bestimmt hat. Es ist unumstritten, dass eine eigene Interessenquote angenommen werden kann. Deren Höhe aber müsste unseres Erachtens nach objektiven Kriterien ermittelt werden. Ihre Festlegung mit 20 Prozent hingegen erscheint willkürlich. Dies haben wir immer kritisiert und wir werden das auch künftig tun.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, die Neuregelung kommt viel zu spät. Darauf bin ich bereits eingegangen. Da die Neuregelung rückwirkend zum 01.01.2003 in Kraft treten soll, erhalten die Kommunen für dieses Jahr noch ein paar zusätzliche Mittel. Das wird die Kommunen natürlich freuen. Andererseits mussten die Kommunen für das Land ein Jahr zusätzlich in Vorleistung gehen. Bei der gegenwärtigen Finanzsituation der Kommunen ist ein derartiges Handeln des Landes nicht zu akzeptieren. Eine kommunalfreundliche Landespolitik sieht aus unserer Sicht doch etwas anders aus.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Genau.)

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, die Landkreise und kreisfreien Städte erhalten durchschnittlich eine 8 Prozent höhere Auftragskostenpauschale. Bei den Verwaltungsgemeinschaften sind es 7 Prozent. Diese Erhöhung wird begründet mit Tariferhöhungen und zum geringen Teil auch mit Sachkostenerhöhungen. Diese Anpassung ist begründet und somit durch uns nicht zu kritisieren. Verweisen müssen wir aber darauf, dass aufgrund der sinkenden Bevölkerungszahl die Erhöhung pro Einwohner zu relativieren ist. Dies auch deshalb, weil der kommunale Aufwand für die Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben oftmals völlig unabhängig von der Einwohnerzahl gegeben ist. Die Kosten pro Einwohner steigen also auch, wenn einzelne Kosten unverändert bleiben. Wir halten die Anpassung für gerechtfertigt, kritisieren aber erneut die Gesamtsystematik der Auftragskostenpauschale. Aber die kommunalen Spitzenverbände sehen das wohl ähnlich.

Noch einmal unsere Forderungen: Erstens, die Auftragskostenpauschale muss endlich aus dem Finanzausgleich herausgenommen werden und zweitens, die kommunale Eigeninteressenquote gehört auf den Prüfstand.

Noch etwas, der Innenminister hat ein neues Finanzausgleichsgesetz angekündigt.

(Zwischenruf Trautvetter, Innenminister: Nach der Wahl.)

Bei dieser Gelegenheit wird hoffentlich auch die Auftragskostenpauschale zu diskutieren sein. Wir gehen davon aus, dass ein erneutes Finanzausgleichsgesetz vor der Landtagswahl 2004