Protokoll der Sitzung vom 12.12.2003

Deutschland leidet, wie Sie alle wissen, unter massiven strukturellen Problemen. Arbeitslosigkeit, leere Sozialkassen, Finanznot der öffentlichen Hand sind nur einige Schlagworte, die den gegenwärtigen Zustand beschreiben. Die Wirtschaft stagniert, der Konjunkturmotor ist nahezu abgewürgt, der Wohlstand einer ganzen Gesellschaft ist mittel- und langfristig gefährdet, wenn man nicht rasch gegensteuert. Als eine Ursache für die derzeitige strukturelle Wachstumsschwäche in Deutschland wird zu Recht die zunehmende Bürokratie angeführt. Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit sind in Zeiten global verflochtener Märkte zwei wichtige Faktoren für erfolgreiches unternehmerisches Handeln. Um auf dem Weltmarkt alte Kunden zu halten und neue Kunden zu gewinnen, reicht es oft nicht aus, qualitativ hochwertige und preiswerte Produkte anbieten zu können. Man muss letztlich auch als Erster damit auf dem Markt sein. Unnötige bürokratische Regelungen verzögern unternehmerisches Handeln und gefährden damit auch seinen Erfolg. Aber nicht nur staatliche Bürokratie, sondern auch Überreglementierung im privatrechtlichen Bereich gestalten sich zunehmend als Investitionshemmnis. Die Grundlage für unseren Wohlstand bildet eine funktionierende Wirtschaft, sie benötigt angemessene Rahmenbedingungen, um funktionieren zu können. Die Einflussmöglichkeiten des Staates beziehen sich dabei vorwiegend auf Gesetzgebung und Verwaltung. Vor diesem Hintergrund hat sich die Landesregierung zu einer Reihe von Maßnahmen entschlossen, um durch Deregulierung und Entbürokratisierung die Attraktivität des Standorts Thüringen zu stärken. Staatliche Bürokratie erwächst oftmals aus dem Bestreben, um jeden Preis Einzelfallgerechtigkeit durch unverhältnismäßig detaillierte Bestimmungen zu erzielen. Dies führt zu unübersichtlichen Regularien, mit denen Kreativität und Entscheidungsspielraum der Bearbeiter oftmals unnötig eingeschränkt werden. Deshalb hat die Thüringer Landesregierung durch Beschluss vom 10. und 17.12.2002 in der Thüringer Staatskanzlei eine Stabsstelle eingerichtet. In einem ersten Schritt wurden von ihr die in Thüringen geltenden Verwaltungsvorschriften überprüft. Anhand eines Katalogs von Prüfkriterien wurden die Verwaltungsvorschriften vor allem unter den Aspekten Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit, Kostenwirksamkeit und Vollzugseignung geprüft. Vorschriften, die nicht vorgelegt wurden oder die im Zuge dieser Überprüfung nicht ausdrücklich bestätigt wurden, treten außer Kraft bzw. werden zum Jahreswechsel außer Kraft treten. Die von der Stabsstelle bestätigten Verwaltungsvorschriften werden mit einer Verfallsautomatik von fünf Jahren sukzessive in ein beim Thüringer Innenministerium in der Aufbauphase befindliches Gültigkeitsverzeichnis aufgenommen. Dieses Gültigkeitsverzeichnis führt als Positivliste die Titel aller gültigen veröffentlichten und unveröffentlichten Verwaltungsvorschriften Thüringens auf. Es wird jährlich als Sonderdruck des Staatsanzeigers erscheinen und erstmals mit Stichtag 01.01.2004 in der ersten Februarausgabe herausgegeben. Einzelheiten zu Inhalt, Aufbau, Erstellung und Verfahren der Herausgabe des Gültigkeitverzeichnisses wurden vom Thüringer Innenministerium geregelt und im "Thüringer

Staatsanzeiger" bekannt gemacht. Zudem wird der Inhalt über das Internet allgemein, also den Bürgern, der Wirtschaft, der Verwaltung und der Justiz zugänglich gemacht. Die Anwendung soll künftig über das im Aufbau befindliche Landeskommunalportal bereitgestellt werden. Daneben prüft die Stabsstelle im Rahmen ihres Auftrags auch Neuentwürfe von Gesetzen und Rechtsverordnungen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Stabsstelle ausschließlich Vorschriften des Landes überprüft. Nicht Prüfungsgegenstand sind kommunale Vorschriften und Standards sowie Vorschriften des Bundes, für die das Land keine Aufhebungskompetenz hat.

Neben der weiterhin erfolgenden Prüfung von neuen Verwaltungsvorschriften, Gesetzen und Verordnungen soll künftig die Prüfung des Bestandes von Gesetzen und Verordnungen Schwerpunkt der Arbeit sein. Die interessanteste Frage ist natürlich: Was kommt dabei heraus? Zum Stichtag 17. November 2003 wurden 2.182 Verwaltungsvorschriften vorgelegt, von denen 1.133 nicht bestätigt wurden. Dies entspricht einer Deregulierungsquote von 52 Prozent.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das ist doch ein Witz.)

356 Verwaltungsvorschriften müssen noch überarbeitet werden. Weiterhin wurden 25 Rechtsverordnungen und 8 Gesetze vorgelegt, diese wurden weit gehend bestätigt. Die Ressorts, meine Damen und Herren, haben des Weiteren rund 1.600 Verwaltungsvorschriften selbst gemeldet, die ohne weitere inhaltliche Prüfung sofort entfallen bzw. zum 31. Dezember 2003 ersatzlos außer Kraft treten können.

Am 19. Mai 2003 wurde der Wettbewerb "Norm-Check" vom Thüringer Innenministerium gestartet. Mit dem Wettbewerb "Norm-Check" wurde um die Nennung überzogener, überflüssiger oder auch widersprüchlicher Vorschriften gebeten. Ziel des Wettbewerbs ist es, durch das Ansprechen eines umfassenden Adressatenkreises entbehrliche Regeln ausfindig zu machen und abzuschaffen. Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Wirtschafts- und Handwerksunternehmen oder Behörden waren aufgefordert, ihre negativen Erfahrungen mit überzogenen, überflüssigen oder widersprüchlichen Vorschriften, durch die sie sich in ungerechtfertigter Weise eingeschränkt sehen, an das Thüringer Innenministerium zu melden. Dabei wurden alle Meldungen an die jeweils zuständige Stelle der Landesregierung zur inhaltlichen Bearbeitung weitergeleitet. Der Wettbewerb endete am 15. September 2003. Alle Vorschläge, die spätestens mit dem 15. September 2003 datiert waren, wurden auch berücksichtigt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren insgesamt 198 Vorschläge im Thüringer Innenministerium eingegangen. Um aus allen eingegangenen Vorschlägen die besten auswählen zu können, wurden sie unter fachlicher Bewertung zunächst den jeweiligen Fachressorts übersandt. Die Bewertung erfolgte anhand eines vom Thüringer Innenministerium

vorbereiteten und resortsabgestimmten schematisierten Bewertungsbogens. Derzeit wird vom Thüringer Innenministerium eine Bewertung nach allgemeinen Kriterien durch eine Jury vorbereitet. Als Mitglieder der Jury konnten Persönlichkeiten aus Verbänden und Wirtschaft gewonnen werden, die zum Teil bereits im Vorfeld des Wettbewerbs ihre Mitarbeit verbindlich zugesagt hatten, so z.B. der Präsident des Gemeinde- und Städtebundes, der Hauptgeschäftsführer der IHK Erfurt oder der Präsident des Verbandes der Wirtschaft Thüringens e.V.

Auf dieser Grundlage sollen anschließend in einer Zusammenkunft aller Jurymitglieder unter Leitung des Thüringer Innenministeriums die Preisträger ausgewählt werden. Im Rahmen einer öffentlichen Preisverleihung durch den Innenminister werden die Preisträger und ihre Vorschläge der Öffentlichkeit vorgestellt.

Das Wirtschaftsministerium hat bereits im Februar 2003 die Verbände und Unternehmen gebeten, konkrete Vorschläge zur Deregulierung zu unterbreiten. Durch die Abfrage von Unternehmen und Verbänden sollten externer Sachverstand genutzt werden, damit tatsächlich die Probleme identifiziert werden, welche die Wirtschaft belasten. Die Vorschläge und Anregungen wurden zusammengestellt und den Ressorts zur Bewertung zugeleitet. Es handelt sich dabei um rund 300 Vorschläge und Anregungen, die allerdings, und das muss ich deutlich sagen, zu 85 Prozent Bundesrecht betreffen. Im Ergebnis der Befragung wurde sehr deutlich, dass die deutsche Wirtschaft vielfach von Überregulierungen privatrechtlicher Verhältnisse belastet ist und nicht nur durch öffentlich-rechtliche Bestimmungen.

Schwerpunkt der Kritik waren immer wieder das Arbeitsrecht und hier wiederum das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Im Wesentlichen wird in der Wirtschaft dessen vollständige Abschaffung gefordert.

Ein weiterer Hauptkritikpunkt der Wirtschaft ist das Kündigungsschutzrecht. Dies betrifft die Schwellenwerte, bei denen der Kündigungsschutz einsetzt. So wird teilweise eine Anhebung der Grenze auf 20 Mitarbeiter, teilweise sogar auf 50 Mitarbeiter gefordert. Teilweise wird die Sinnhaftigkeit der Kriterien zur Sozialauswahl hinterfragt bzw. eine Gesetzgebung gefordert, welche die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Kündigungsschutz korrigieren soll. Als problematisch gesehen wird auch die Stellung Schwerbehinderter im Betrieb im Hinblick auf das Mitbestimmungsrecht. Kritik wird von der Wirtschaft auch am Betriebsverfassungsrecht geübt. Dies betrifft zunächst die Frage der Notwendigkeit, einen Betriebsrat einzurichten, aber auch seine Rechte. So wird vertreten, dass Betriebsräte nur gegründet werden sollen, wenn die Belegschaft dies wünscht. Zum anderen wird gefordert, die Beteiligungsrechte der Betriebsräte zu beschränken. Gefordert werden des Weiteren Öffnungsklauseln im Tarifrecht, insbesondere die Möglichkeit mit Zustimmung der Belegschaft bzw. des Betriebsrats von

Tarifverträgen abzuweichen. Gleichzeitig kritisiert werden Statistikpflichten gegenüber den verschiedensten Einrichtungen und Gebietskörperschaften sowie das uneinheitliche Formularwesen bei inhaltlich verwandten Themen. Letzteres betrifft insbesondere die Angaben gegenüber Sozialversicherungen; so werden einheitliche Formulare bei den verschiedenen Krankenkassen vielfach gefordert. Gefordert wird auch eine verbesserte Qualifizierung des Personals, um die bürokratischen Routinearbeiten zügiger erledigen zu können. In verschiedenen Ausprägungen finden sich die Forderungen nach der Vereinheitlichung und Vereinfachung von Behördengängen wieder. Stichworte seien hier nur die "One-Stop-Office" oder der "Behördenlotse". Oft beklagt wird eine unsachgemäße oder kleinliche Anwendung von Gesetzen; behördeninterne Abläufe und Kommunikationswege sind zu verbessern. Ermessensspielräume, meine Damen und Herren, sollen nach Möglichkeit im Sinne der Wirtschaft genutzt werden.

Auch das Arbeitsstättenrecht wurde vielfach kritisiert. Im Kern wurde vorgeschlagen, betriebliche Vereinbarungen an die Stelle von arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen treten zu lassen, da in den Betrieben unter Einbeziehung der Belegschaft der größere Sachverstand hinsichtlich der Notwendigkeit von Arbeitsschutzmaßnahmen gegeben sei als bei einer Behörde. Im Bereich des Steuerrechts wurde eine generelle Vereinfachung gefordert. Vielfach wird die Abschaffung der Ökosteuer gefordert. Auch das Steuervergünstigungsabbaugesetz sollte verhindert werden. Insbesondere aus dem Handwerk werden Änderungen des Umsatzsteuerrechts gefordert.

Die Landesregierung hat die aus ihrer Sicht relevanten Vorschläge zusammengefasst und bewertet; sie hat diese Zusammenfassung und Bewertung mit den Kammern und Verbänden am 19. November und ergänzend noch einmal am 4. Dezember 2003 diskutiert. Insgesamt deckt sich die Haltung der Landesregierung in vielen Punkten mit den Forderungen der Unternehmen und Verbände. Die Verbände und Unternehmen fanden sich auch in der Auswahl der von der Landesregierung bewerteten Fragen angemessen repräsentiert.

Meine Damen und Herren, ich kann nicht alle Details an dieser Stelle vortragen, daher stellt die Landesregierung dem Thüringer Landtag die Auswertung der wesentlichen Forderungen von Unternehmen, Verbänden und Kommunen zur Deregulierung zur Verfügung.

Eine dringliche Forderung der Wirtschaft war die Einrichtung einer Clearingstelle. Diese Stelle wurde im TMWAI als Ansprechpartner der Wirtschaft in allen Fragen der Deregulierung eingerichtet. Ihre Aufgabe ist es, Hinweise von Unternehmen bzw. Wirtschaftsverbänden auf überzogene, überflüssige oder widersprüchliche Vorschriften im Bereich des Wirtschafts- und Arbeitsrechts zu sammeln und zur Bearbeitung an die zuständigen Stellen weiterzuleiten. Genehmigungsverfahren sollen auf diese Weise sowohl im Einzelfall beschleunigt als auch

generell als bürokratische Hemmnisse identifiziert und, soweit möglich, abgebaut werden. Die Clearingstelle ist zugleich Kommunikationspartner für die Wirtschaft zu Fragen der Deregulierung. Aktuell hat sie den Entwurf für ein Konzept für mehr Wirtschaftsfreundlichkeit, Unternehmerfreundlichkeit erarbeitet. Sie betreut weiterhin seitens der Landesregierung die Bewerbung Thüringens als Innovationsregion. Die Bundesregierung beabsichtigt, wie Sie sicher wissen, Anfang des Jahres ein Auswahlverfahren zu starten, um Regionen festzulegen, in denen bestimmte verfahrensrechtliche Bestimmungen ausgesetzt werden sollen, um letztlich zu erproben, welche Auswirkungen dies auf die Wirtschaft hat. Die Landesregierung hat Thüringen in seiner Gesamtheit als Testregion angemeldet. In Kooperation mit Kammern und kommunalen Spitzenverbänden bereitet sich Thüringen auf die förmliche Bewerbung derzeit vor.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich die Erkenntnisse wie folgt zusammenfassen: Der Staat, und hierzu zähle ich alle öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften, muss sich auf seine Kernaufgaben zurückziehen, das sind die, die nicht von einzelnen oder kleineren Gruppen geleistet werden können. Es ist nicht die Aufgabe der Politik, sondern der Wirtschaft, Arbeitsplätze zu schaffen. Würde sie es zu ihrer Aufgabe machen Arbeitsplätze zu schaffen, wäre der Weg in die Staatswirtschaft vorprogrammiert. Die Politik beeinflusst allerdings die Rahmenbedingungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Wirtschaftliche Freiheit kann und darf in einer sozialen Marktwirtschaft nicht grenzenlos sein. So darf wirtschaftliches Handeln Leib, Leben und Gesundheit anderer nicht gefährden; der wirtschaftliche Wettbewerb muss fair sein; Produkte dürfen den Verbraucher bei sachgemäßer Verwendung nicht gefährden. In diesem Spannungsfeld muss und darf der Staat seine Regeln setzen. Er sollte nicht über diesen Rahmen hinausgehen, will er die wirtschaftliche Entwicklung letztlich nicht gefährden. Dies wurde in Deutschland zum Nachteil des gesamten Standorts und damit leider auch für Thüringen nicht beachtet. Diese Tatsache schlägt sich in besonderer Weise in der Auswertung der Anregungen und Vorschläge der Verbände und Unternehmen zur Deregulierung nieder. Ich sage es noch einmal, 85 Prozent der die Wirtschaft belastenden Bestimmungen sind Bundesrecht. Man muss hinzufügen, es handelt sich meist um Bestimmungen, die seit 1998, d.h. seit der Zeit der rotgrünen Bundesregierung, zu Lasten der Wirtschaft verkompliziert und verschärft wurden. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Wegweisend.)

Dann kommen wir zur Aussprache. Ich gehe davon aus, sie wird beantragt. Ja. Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Lippmann, SPD-Fraktion.

Sie haben jetzt 21 Minuten und 29 Sekunden gesprochen, Herr Minister, einschließlich der nun schon fast obligaten technischen Störungen, an die wir uns so langsam zu gewöhnen haben.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, eigentlich bin ich überrascht, dass die Aussprache beantragt worden ist, denn ich weiß nicht, worüber wir diskutieren wollen.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Das geht mir auch so.)

Das erste Drittel des Berichts des Ministers für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur befasste sich mit der gegenwärtigen jüngsten Entwicklung von Thüringen, mit dem üblichen Glorienschein versehen. Dann kamen noch ein paar Dinge, für die wir eigentlich um Aufklärung ersucht oder gebeten hatten, um es mal ganz vornehm auszudrücken, und am Ende war wieder mal die Bundesrepublik daran Schuld mit dem Verweis darauf, dass 85, 84 oder 86 Prozent dessen, was gemacht werden muss, ja eh vom Bund zu leisten sei. Der Herr Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur hat in seiner Regierungserklärung am 17.10. dieses Jahres – also vor noch gar nicht so langer Zeit - in seinen Pflichtbeschimpfungen der Bundesregierung erklärt, der Masterplan Bürokratieabbau sei vorrangig auf die Entflechtung von Verfahrensabläufen konzentriert und man hat die Vereinfachung des Steuer-, Arbeits-, Sozial- und Planungsrechts gefordert, aber im Moment noch nicht bekommen. Voilà, Sie haben jetzt die Gelegenheit im Bundesrat, das zu ändern. An Ihnen liegt es. Ich will ja nicht den Begriff "Blockis" benutzen, aber Sie können das jetzt ändern. Ich sage das natürlich aus aktuellem Anlass, ansonsten sollten wir, nicht wahr, Herr Minister, ich denke, mit diesem flapsigen Ausdruck kann ich jetzt kommen, uns um unseren eigenen Dreck kümmern.

Auf der 81. Sitzung am 07.03.03, also vor gut einem halben Jahr hatten wir das Thema schon mal. Natürlich hatten wir das nicht erfunden, sondern es war eine Reflexion dessen, was die Industrieverbände und Kammern vor Beginn oder mit Ablauf des alten Jahres deutlich gesagt hatten, die hatten nämlich Vorschläge gemacht, wie das zu entflechten sei. Natürlich betraf dies Bund und Land, das ist also das, was Sie uns schriftlich zur Verfügung stellen wollen, aber geben Sie es uns ruhig noch mal, vielleicht ist doch noch etwas daraus geworden. Die Wirtschaftsverbände hatten diese Forderung vorgelegt und die haben sie uns auch allen rechtzeitig zur Verfügung gestellt. Auch der Thüringer Landtag hat sich dann mit zwei Anträgen hier eingemischt, die alle beide, merkwürdig genug, damals an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik überwiesen worden sind. Aus dem sie

mit der dringenden Aufforderung an die Landesregierung herauskamen, ich zitiere: "über die Ergebnisse der Überprüfung von Verwaltungsvorschriften des Landes im IV. Quartal zu berichten". Da haben Sie uns gesagt, es ist ein Haufen überprüft worden und das machen wir schon und das geht schon alles in Ordnung und irgendwann wird es ja mal im Staatsanzeiger stehen. Bis jetzt habe ich es noch nicht gelesen, aber es wird dann irgendwann schon mal zu lesen sein. Wenn wir es dann gelesen und bewertet haben, dann könnten wir vielleicht auch mal darüber reden und eine Aussprache führen. Das haben wir in der Debatte am 5. Juli 2003 bei der 86. Sitzung auch so wahrgenommen. Die Legislative war, der Kollege Kretschmer hat sich da einigermaßen deutlich ausgedrückt, bei diesem ganzen Prozess nicht so sehr gefordert. Das ist hier in den Plenarsitzungen einerseits, aber auch in den Ausschussberatungen zum Ausdruck gekommen. Richtig ist natürlich, dass das eine Sache der Exekutive ist. Die, die das Verwaltungsgestrüpp aufbauen, müssen natürlich auch dafür Sorge tragen, dass es wieder ausgelichtet wird, das ist erstmal richtig. Es galt auch hier

(Unruhe bei der CDU)

- regen Sie sich nicht auf, meine verehrten Kollegen von der CDU -, das gilt für alle politischen Parteien, und wenn man nicht mehr weiter weiß, dann gründet man einen Arbeitskreis. Das galt schon früher, es gilt heute genau noch so. Wir haben dann sozusagen zweieinhalb Arbeitskreise gegründet. Da lief also die Stabsstelle bei der Staatskanzlei auf, dann kam die Clearingstelle im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur, dann noch der Normencheck des Herrn Innenministers - das ist alles heute schon gesagt worden, das kann ich mir alles sparen. Das Ergebnis aus der Clearingstelle soll jetzt in Bearbeitung sein oder ist als Entwurf in Bearbeitung gewesen und mit den Kammern und Wirtschaftsverbänden abgestimmt worden, das hatten Sie erklärt, Herr Minister. Das liegt jetzt in abgeänderter Form vor und wir werden es bekommen, sagt der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur. Es sind, so hörten und lasen wir, in einer Reihe von Pressekonferenzen ist das auch zu hören gewesen, Tausende Verwaltungsvorschriften weggefallen. Das ist für verwaltungsinterne Abläufe ungeheuer wichtig, ungeheuer wichtig. Man hält sich dann natürlich an die Vorschriften, die weggefallen sind, ist doch logisch. An irgendetwas muss sich ja die Verwaltung halten, das hat sie schon immer gemacht und das wird sie auch künftig tun. Wissen Sie, wir wollten heute eigentlich von Ihnen kein bundespolitisches Schaulaufen. Auch der Verweis, dass das vom Bund natürlich auch gemacht werden muss, das wissen wir alle selber, darüber haben wir schon zehn Mal geredet. Wir wollten von Ihnen präzise und klar wissen, was Sie hier im Gesetzes- und Verordnungsbereich des Landes, für das wir zuständig sind, für notwendig und machbar halten. Das wollten wir heute hören oder gar noch lesen.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens, bei dem Entzug von Verwaltungsvorschriften für ein Land geht es einer dafür verantwortlichen Exekutive wie einem Heroinsüchtigen in der Klinik, irgendwann machen sich Entzugserscheinungen schmerzhaftester Art bemerkbar. Es kann in vielen Fällen zu Rückfällen kommen. Wir hoffen, dass die Rückfälle noch ein Weilchen auf sich warten lassen. Gut und schön, aber wir hätten gern die Ergebnisse und Erwartungen der Landesregierung zu dem, was sie selbst gemacht habt, heute hier bewertet. Das konnten wir nicht und so haben wir einer - na, ich will sagen - fruchtlosen Debatte wahrscheinlich heute eine weitere hinzugefügt. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es hat jetzt Abgeordneter Kretschmer, CDU-Fraktion, das Wort. Wenn Sie verwundert sind, dass die PDS nicht dran ist, ich habe keine Meldung von Ihnen.

(Zuruf Abg. Buse, PDS: Ist korrekt.)

Ich hatte den Blick als etwas fast Empörendes gedeutet, dass Sie nicht dran sind.

(Zuruf Abg. Buse, PDS:... Entscheidung der Präsidentin.)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, "Durch Deregulierung und Entbürokratisierung die Attraktivität des Standorts Thüringen stärken" - ich habe meinen Beitrag erweitert mit dem Untertitel "Vorfahrt für Unternehmensgeist und Arbeitsplätze". Herr Lippmann, ich werde Ihnen trotz...

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Großartig - ein Untertitel für Ihre Rede.)

Tja, frei gewählte Abgeordnete, Herr Dittes, das ist eben der Vorzug, den ich verstehe, den Sie offensichtlich noch nachvollziehen müssen.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU:... bitte nie.)

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Was, Frau Vopel?)

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Könnt ihr euch mal einigen?)

Ich halte meinen Beitrag trotz der sehr pessimistischen Wort- und Stimmungslage, Herr Kollege Lippmann, die aus Ihrem Redebeitrag hervorschaute. Mir ist aufgetragen worden zu sagen, vielleicht rührt Ihr Pessimismus daher, dass Sie die Zukunft Ihre Partei beschreiben wollen.

Aber jetzt zum Thema: Deutschland befindet sich in der tiefsten Strukturkrise seit 1949. Deutschland liegt am Ende in Europa beim Wachstum und beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Zugleich ist Deutschland Spitze bei den Unternehmenspleiten, der Staatsverschuldung. Es ist also ein Sanierungsfall, ich hatte es vorhin schon mal gesagt. Dabei sind die Herausforderungen an Deutschland vielfach formuliert: der globale Modernisierungsdruck mit der weltweiten Mobilität von Kapital und Know-how, der globale Wettbewerbsdruck im Übergang zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft, die demographische Entwicklung und deren Folge für das soziale Gleichgewicht und die Sozialsysteme. Europäisierung und Globalisierung heißt nicht nur Wettbewerb und Konkurrenz der Unternehmen, sondern auch Wettbewerb und Konkurrenz der Staaten und der Verwaltungen. In Thüringen setzen wir auf Investitionen in die Zukunft, Unternehmergeist und neue Arbeitsplätze. Daher sind wir trotz aller Probleme in einer vergleichsweise guten Ausgangslage, Herr Minister Reinholz hat dies bereits vorgetragen. Zu diesen Erfolgen hat auch die Thüringer Verwaltung maßgeblich beigetragen. Die Verwaltung in Thüringen hat eine hohe Qualität. Dies ist umso mehr zu würdigen, als sie eine junge Verwaltung ist. Dessen ungeachtet, teilen wir in einer Reihe von Fragen die Auffassung der Wirtschaft, dass Abläufe optimiert und Personal besser geschult werden sollte. Deshalb will ich betonen, wir in der politischen Verantwortung dürfen uns nicht entlasten, indem wir nur die Verwaltung kritisieren. Das wäre zu billig. Gesetzgeber und Regierung geben vor, was Verwaltung auszuführen hat. Es ist also die Verantwortung der Politik, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Unsere Maßnahmen für einen schlanken effizienten Staat und für mehr Serviceorientierung bedeuten deshalb weder eine Fundamentalkritik noch ein Kahlschlag der Verwaltung. Die Forderung nach Deregulierung und Bürokratieabbau ist seit langem ebenso berechtigt wie populär. Der Weg von der Erkenntnis zur tatsächlichen Umsetzung erweist sich allerdings gerade bei diesem Thema als außerordentlich schwierig. Schließlich können für jede Vorschrift, die infrage gestellt wird, plausible Argumente angeführt werden, mit denen die Einführung eben dieser Vorschrift einmal begründet wurde. Entsprechend regt sich bei beinahe jedem konstruktiven Deregulierungsschritt massiver Protest dahin gehend, dass mit dieser Abschaffung der jeweiligen Vorschrift schützenswerte Interessen beschnitten werden.

Aus der Sicht meiner Fraktion kommt es aber vor allen Dingen darauf an, dass über Bürokratieabbau nicht nur diskutiert wird, sondern dass den Diskussionen auch Taten folgen. Ich will Ihnen kurz die Antragslage schildern: Die CDU hatte mit dem Entschließungsantrag in der Haushaltsdebatte 2003/2004, insbesondere die Deregulierung mit einem Bericht auch im Haushalts- und Finanzausschuss bis zum 31.12. angeregt, Genehmigungsverfahren zu vereinfachen. Dann sind - wie Herr Lippmann bereits vorgetragen hat - durch Antrag der CDU auch das Ergebnis heute, dass wir diesen Bericht hören - wobei ich mich wundere, Herr Lippmann, dass Sie sich jetzt mo

kieren wegen dieses Berichts. Damals wollten Sie sogar eine Anhörung, wenn ich mich recht besinne, mit den Vertretern der Wirtschaft usw.

(Zwischenruf Abg. Lippmann, SPD: Mokiert habe ich mich schon gar nicht. Wir haben damals...)

Sie haben sich mokiert, das war so Ihre eloquente Art, hier so, na ja, jetzt der Bericht und dies und das - nein, nein, ich empfinde das schon als Mokieren, was Sie hier vorgetragen haben.

(Beifall bei der CDU)

Das ist doch kein schlechtes Wort?